Mythos Laufleistung - Es liegt nicht am Reifen, sondern an Dir!

Wie der Fahrstil die Performance des Reifens beeinflusst.

Die Laufleistung ist für viele eine der wichtigsten Daten beim Reifenkauf. Dabei hängt diese gar nicht so sehr vom Reifen, sondern vielmehr vom Fahrer ab. Du bist also dran Schuld, wie dein Reifen performt.

Reifen verbinden uns mit der Straße, sorgen für Halt in den schrägsten Situationen und spulen für uns gigantische Distanzen auf unterschiedlichstem Terrain ab. Das ist es nur selbstverständlich, dass wir Biker immerzu auf der Suche nach dem idealen Reifen sind. Aufwärmzeit, Grip, Nassgrip, Aufstellmoment, Eigendämpfung und die Laufleistung sind alles Parameter, die bedacht werden wollen. Allzu oft werden hier aber die Angaben des Herstellers oder Erfahrungen von anderen Käufern ungefragt übernommen. Dabei hängt die Performance, vor allem bei den Punkten Haltbarkeit und Laufleistung, nicht nur vom Reifen selbst ab, sondern zu großen Teilen auch vom Fahrstil.

Die Reifen-Laufleistung hängt vom Fahrstil ab!

Wenn es heißt "Reifen XY hält 10.000 km lang.", sind sich die meisten Piloten bewusst, dass das nur ein ungefährer Wert ist. Oft werden auch Laufleistungs-Bereiche von z.B. 10.000 - 12.000 km angegeben. Was vielen aber nicht bewusst ist, ist dass die Auswirkungen unterschiedlicher Fahrweisen noch viel gravierender ausfallen können, wie unser letztes Videoprojekt wieder einmal eindrucksvoll aufgezeigt hat.

Bei der Seeker Raid Hobby-Rallye waren wir in Bosnien für eine Woche auf Offroad-Tour mit alten Enduros. Alle ca. 180 bis 190 kg schwer, alle mit um die 40 PS Leistung. Aufgezogen hatten wir alle den E-09 Reifen von Mitas, einem harten, offroad-tauglichen Adventure Reifen. Insgesamt wurden in 6 Fahrtagen 1063 km überwunden, großteils auf unbefestigten Wegen. Aufgrund der fast identen Eckdaten unserer Bikes und dem Einheitsreifen, sind nach einer Woche Fahrerei die Unterschiede in der Abnutzung der Lauffläche sehr schön zu sehen. Rasender Kameramann Schaaf gibt gerne Gas und frisst dadurch auf dem steinigen Terrain Bosniens regelrecht seinen Hinterradreifen. Ich selbst gebe anscheinend deutlich sanfter Gas, denn mein Reifen sieht aus, als könnte er noch eine Woche in Bosnien überleben. Bei Schaafs Reifen ist mindestens der doppelte Verschleiss zu beobachten, seine Laufleistung dementsprechend ebenfalls deutlich kürzer. Dabei sind wir beide fahrerisch im unbefestigten Gelände ungefähr auf dem gleichen Niveau und waren gemeinsam mit dem gleichen Tempo unterwegs. Wenn man diesen "Laufleistungstest" mit noch ungleicheren Fahrern durchführen würde, fielen die Unterschiede noch gravierender aus.

Reifenverschleiss im Vergleich - Mitas E-09
Bei gleicher Leistung, gleichem Gewicht und derselben gefahrenen Strecke zeigt sich schön, welchen Unterschied die Fahrweise ausmachen kann. Während mein Mitas E-09 vermutlich noch eine Woche in Bosnien durchgehalten hätte, ist das Hinterrad des radikalen Schaaf bald am Ende.

Auch auf der Straße relevant - Reifenverschleiss-Unterschiede bei Straßentouren

Wer jetzt meint, dass dieses Phänomen nur im Offroad-Bereich auftritt, da auf der Straße nicht über scharfkantige Steine geballert wird, der irrt sich. Aufgrund der gleichmäßigeren Kontur von Straßenreifen sind die Unterschiede vielleicht nicht so leicht zu erkennen, doch auch hier kann die Art des Motorrads und die Fahrweise sehr viel ausmachen. Selbst erlebt bei meinem Motorradurlaub in der Toskana letztes Jahr. Zu viert waren wir über 5000 km lang in Mittelitalien unterwegs. Mit dabei: Ducati Multistrada V4, KTM 1290 Super Adventure S, Yamaha Tracer 9 GT und Triumph Tiger 800 XC, alle mit frischen Reifen. Knapp drei Wochen später sieht der Schlappen auf der Tiger dank der gemütlichen Fahrweise des Fahrers noch fast wie neu aus. Die Reifen der Tracer 9 GT sind zwar stärker, doch sehr gleichmäßig abgenutzt. Die Multistrada liefert nicht nur endlos Leistung ans Hinterrad, Turboschaaf im Sattel nutzt diese auch gerne exzessiv. Entsprechend schaut sein Hinterrad am Ende aus. Ich wiederum baller bei unserem teils sehr flotten Tempo auf der schweren KTM Super Adventure S hinterher. Das massive Drehmoment des 1290er V2 hinterlässt zwar auch seine Spuren am hinteren Reifen, doch viel auffälliger ist die starke Abnutzung des Vorderrads. Ich bremse gerne in die Kurven rein und in Schräglage mit, wodurch sich mehr Druck auf der Front aufbaut. Bei über 300 kg Gewicht (Motorrad + Fahrer + Gepäck), die hier in der Kurve anschieben, reibt es die Flanken meines Vorderradreifens stark auf. Leistung und Gewicht des Motorrads haben einen großen Einfluss auf den Reifenverschleiss, aber nur wenn die Fahrweise auch mit der Power skaliert. Denn die meisten leistungsstarken Motorräder heutzutage lassen sich auch trotz 150+ PS entspannt bewegen.

Fazit: Die Fahrweise macht den Unterschied

Also was ist das Conclusio dieses Berichts: Laufleistungs-Angaben sind mit großer Vorsicht zu genießen, das eigene Motorrad und vor allem die Fahrweise geben hier den Ton an. Gerade bei ausgedehnten Reisen, die man mit einem Reifen schaffen will/muss, sollte man sich dessen bewusst sein, dass die kolportierte 10.000 km Laufleistung keineswegs garantiert oder wahrscheinlich ist, wenn die eigene Gashand nicht kontrolliert wird. Das soll jetzt keineswegs den Fahrspaß am Motorrad schlecht reden, sondern einfach jedem Zweirad-Pilot die Auswirkungen der eigenen Fahrweise klar machen. Alle Infos zu Enduro-Reifen im gut sortierten Fachhandel, wie zum Beispiel beim Zweiradprofi Pauer.

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Bericht vom 10.08.2022 | 9.512 Aufrufe

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