Triumph Thruxton R 2016 Test

Zurück in die Zukunft. So geht retro!

Am Kunststück, klassisches Design mit moderner Technik zu verbinden, haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Triumph hat es mit der Thruxton R bravourös gemeistert. 97 PS, 112 Nm, ABS, TC, 3 Fahrmodi, Show, Öhlins, brembo...keine Fragen, nur haben.

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Wie frei und leicht man sich plötzlich fühlt, wenn keine 8-stufige Traktionskontrolle, 5-stufiges ABS, 3-stufige Wheelie-Control, individuell variierbare Fahrmodi und ein semi-aktives Fahrwerk verstanden und beschrieben werden müssen. Wir haben schon ein bisschen vergessen, wie es sich lebt, wenn nicht alles ständig kontrolliert wird. Ganz ohne Zugeständnis an die moderne Sicherheitsgesellschaft geht es natürlich nicht: ABS und Traktionskontrolle, abschaltbar. 3 Fahrmodi. Weitere Safetyfeatures, die nicht als solche verstanden werden: Show Big-Piston Gabel, Öhlins Federbeine, brembo monobloc-Zangen, brembo-Bremszylinder, Anti-Hopping-Kupplung.

Retro-Thema: Einfach wie der Flohwalzer?

Das Retro-Thema scheint sich einfach wie der Flohwalzer variieren zu lassen; schnell und billig aus der Schatzkiste der eigenen Modellhistorie gefischt und dem Hipster-Schwarm im Lifestyle-Teich als Köder vorgeworfen. Denn derzeit findet das große Fressen statt und egal was morgen in und out ist, heute fahre ich ein Moped wie Vati. Es ist weder einfach noch garantiert, dass jemand anbeißt, denn für wahre Nostalgie interessieren sich nur die wenigsten. Den sentimentalen Stich ins Herz beim Staunen genießen viele, mit dem Objekt der Begierde leben wollen die wenigsten.

Rein und schön trotz EURO4

Ein Motorrad muss heute bedingungslos funktionieren wie ein Mensch im Hamsterrad. Anspruchslos sein, sparsam, umweltfreundlich und trotzdem sportlich, schön und schlank. Ein Motorrad zu bauen, das technisch auf dem neuesten Stand ist (EURO4!), fahrdynamisch mithalten kann und optisch als Klassiker dennoch glaubwürdig bleibt, ist ein Herrenspagat von Van Damme-schen Dimensionen. Doch wenn es gelingt, kommt das wunderbarste Bike heraus, das ich mir vorstellen kann.

97 PS, 112 Nm, 13% weniger Verbrauch

Wieso läuft die neue Thruxton wie die Street Twin eigentlich unter Bonneville? 1958 gewann Mike Hailwood mit einer Racing-Bonnie das Thruxton 500-Rennen. Der Name wurde für den Serienbau übernommen und hat bis heute überdauert. Am Geschichte mangelt es den Engländern nicht, aber wie schlüssig knüpft Hinckley den Link zur Zukunft? Die Thruxton hat nicht nur beim Hubraum und damit bei Leistung und Drehmoment kräftig zugelegt, sondern wirkt aufgeräumter, kräftiger und angriffslustiger. Diese Charakterschärfung kann sie sich mit ihren 97 PS bei 6.750 U/min. und 112 Nm bei 4.950 U/min. auch leisten, sprechen wir hier schließlich über einen Zuwachs von 68 bzw. 62%. Trotzdem verspricht Triumph um 13% weniger Verbrauch, 4,6 l/100 km um genau zu sein. Bei unserer Ausfahrt lag er bei mir laut LCD-Anzeige bei 4,7 l, obwohl nicht langsam gefahren wurde. Bei einem Fassungsvermögen von 14,5 l Sprit ergibt sich also eine beachtliche Reichweite.

Die Technik der Neuzeit wurde meisterhaft integriert und kaschiert, so wird der schöne Schein des luftgekühlten Vergasermotors gewahrt. Gegen kleine optische Fehlstellungen, nämlich den hinteren Kotflügel, gibt es mannigfaltige Heilmethoden wie Inspiration-Kits und über 160 Zubehörteile. Das Standardmodell der Thruxton, das nicht als solches bezeichnet werden will, wirkt klassischer und gediegener als das R-Modell, dafür fährt Letzteres besser. Und das haben wir getan.

Gewicht 203 und 206 kg

Die R geht mit einem Gewichtsvorteil von 3 kg ins Rennen und bringt 203 kg trocken auf die Waage, was noch keinen entscheidenden Vorteil haben sollte. Anders fallen das voll einstellbare Show/Öhlins-Fahrwerk ins Gewicht, das die Kayaba-Komponenten ersetzt. Die schwimmenden Nissin- Doppelkolbenbremsen werden upgegraded mit zwei radial montierten 4-Kolben Monobloc-Bremssätteln von brembo.

Pirelli Angel GT und Rosso Corsa

Gegenüber der alten Thruxton wurde die neue geometrisch verschärft und ergonomisch verbessert. Radstand und Nachlauf sind geschrumpft, der Lenkkopfwinkel wurde steiler, die Sitzhöhe beträgt 805 bzw. 810 mm (R). Handling und Gefühl für das Vorderrad sind nicht nur wegen des Fahrwerks deutlich besser. Auch bei der Bereifung macht Triumph einen Unterschied. Die Speichenfelgen der Thruxton im Format 17 x 3.50 und 17 x 5.00 werden mit Pirelli Angel GT bereift, jene der R mit Pirelli Rosso Corsa, vorne 120/70 ZR 17 und hinten 160/60 ZR17. Die Felgen sind wie die Schwinge und die Spiegelarme aus Aluminium.

Während die Thruxton auf die Heizgriffe der Bonneville verzichten muss, teilt sie sich doch noch ein paar Annehmlichkeiten mit selbiger. Eine Wegfahrsperre für alle, die ihre Schönheit an dunklen Ecken stehen lassen, LED-Beleuchtung vorne und hinten und eine USB-Ladebuchse.

Eine Frage der Lage

Man sitzt überraschend entspannt auf dem Café Racer, muss aber dennoch aufpassen, die Handgelenke auf Dauer nicht zu stark zu belasten und die Spannung im Körper aufrecht zu erhalten. Der Sitz wird zum Tank hin etwas schmäler und ist dort auch am wenigsten bequem, bei längerer Fahrt empfiehlt es sich deshalb, etwas nach hinten zu rutschen. Das wiederum führt natürlich zu einer gestreckteren Position. Man muss eben die für einen selbst richtige Position erst mal finden. Meine Knie konnte ich übrigens auch erst in der Taille des Tank versenken, wenn ich mich etwas nach hinten gesetzt habe.

High Power statt High Torque

Einen kräftigen, vollen Punch habe ich mir von der Thruxton selbstverständlich erwartet. Dass sie mir optisch gefallen würde, auch. Aber das die äußeren und inneren Qualitäten zu meinem neuen Traummotorrad verschmelzen und mich derart begeistern würden, damit habe ich nicht gerechnet. Es war fast Zufall, dass ich sie mir als Dauertester für diese Saison ausgesucht habe. Es könnte die schönste Saison meines Lebens werden.

Die Komfortzone der Bonneville liegt zwischen 3000 und 4000 Touren. Aus diesem Drehzahlfenster strahlt dir der intensivste Genuss entgegen. In ihr schlägt ein High-Torque-Herz. 105 Nm maximales Drehmoment stehen schon bei 3.100 U/min. an, trotzdem kann man den 1200er bis 7.000 U/min. drehen, ohne, dass es unangenehm für Mensch oder Maschine wird. Der High-Power-Motor der Thruxton dreht maximal noch um 500 U/min. mehr und braucht auch für das maximale Drehmoment mehr Drehzahl.

In Sekundenschnelle: ABS, Traktionskontrolle und Fahrmodi

Man will die Thruxton drehen, aber man muss sie nicht auswinden, der Sound ist selbst bei höheren Drehzahlen nie unangenehm, sondern tief und satt. Der Druck ist angenehm und gleichmäßig stark, andauernd, ergreifend. Purer Fahrgenuss mit sportlichen Ambitionen. Die Thruxton R wird dort erst richtig warm, wo andere Retro-Bikes bereits am roten (Gefahren-)Bereich anstehen. ABS und Traktionskontrolle halten sich bei normalen Verhältnissen brav zurück, bei Bedarf kann man beide Systeme separat abschalten. Dazu muss man über den Info-Knopf am linken Lenker am Display bis zur Anzeige von ABS bzw. TC springen und durch ca. 1,5-sekündiges Halten zwischen off und on wählen. Ebenso einfach gestaltet sich das Anwählen der drei Fahrmodi Rain, Road und Sport. Drückt man links den Menü-Button, fängt der jeweils nächste Fahrmodus am rechten LC-Display an zu blinken. Nach ein paar Sekunden wird er automatisch gespeichert.

Straßenzugelassen, rennstreckentauglich.

Aus den zwei Rundinstrumenten, die Geschwindigkeit und Drehzahl anzeigen, hätte ich gerne eines gemacht, dafür die Anzeigen im LCD-Feld etwas vergrößert, denn Fahrmodus und Ganganzeige sind eindeutig zu klein geraten. Standardmäßig und nach jedem Abstellen durch Kill-Switch oder Schlüsselumdrehen sind ABS und TC an und der Fahrmodus Road aktiv.

Ich fuhr an diesem Tag mit aktiven Sicherheitssystemen, aber im Fahrmodus Sport, der eine schärfere Gasannahme freigibt. Das Gas ist wie die Bremse wunderbar homogen zu dosieren, das Getriebe butterweich und das Handling der reine Genuss. Die Anti-Hopping-Kupplung ist helfende Hand beim harten Verzögern und schnellen Runterschalten in der Bremszone, das Fahrwerk eine einzige Großartigkeit. Ich kann mir erstmals ernsthaft vorstellen, mit diesem Retrobike auf der Rennstrecke zu fahren. Und das werde ich auch tun, bei den 1000PS Bridgestone Grippartys. Das Race-Kit dafür hätte Triumph im Angebot, das ist aber dann leider nicht straßenzugelassen. Dafür gibt's mehr PS, mehr Sound und noch mehr Schönheit.

Top-3 Motorrad

Die Triumph Thruxton R ist mit ihrem ersten Anlauf in meine aktuellen Top-3 aufgestiegen. Praktisch meine Idealvorstellung von einem Retro-Naked Bike mit sportlichem Anspruch. Über 160 Zubehörteile stellen auch meinen unbedingten Drang nach Individualität wider. Genau so muss die Zukunft der Klassiker aussehen, muss altes Design mit neuer Technik vereint werden. Auch weiterhin wird dieses Kunststück nicht jedem gelingen.

Fazit: Triumph Thruxton 1200R 2016

Ein Meisterstück in der Verbindung von klassischem Design und neuer Technik. Die neue Thruxton R ist ein Retro-Naked Bike mit ernsthaften sportlichen Ambitionen, das den Ausflug auf die Rennstrecke nicht fürchten muss. Der Motor ist eine Wucht und Bremsen und Fahrwerk auf höchstem Niveau. Die Fahrhilfen ABS und TC sind serienmäßig an Board und bei Bedarf abschaltbar. Mit 2 Inspiration-Kits, einem Race-Kit und über 160 Zubehörteilen ist die Thruxton unendlich individualisierbar. Der bisher vielleicht beste Versuch, die Geschichte mit der Zukunft zu verbinden.


  • sattes Drehmoment
  • starke Bremsen
  • Top-Fahrwerk
  • Anti-Hopping
  • ABS, TC und 3 Fahrmodi Serie
  • großartiges Design
  • Schräglagenfreiheit für Rennstrecke zu wenig
  • Sitz etwas unbequem

Bericht vom 14.03.2016 | 36.649 Aufrufe

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