Kastanienzeit in Südfrankreich

Sonne, Berge, Meer und mehr

Dem Grau im Norden entfliehen, wieder mal das Mittelmeer sehen, dazu Berge und leere Straßen, durch nun größtenteils verschlafene Dörfer. Der Herbst lässt die Weinberge leuchten, die Ernte die Tische bersten und nach dem sommerlichen Trubel entspannen die Menschen im Savoir Vivre. All das neben einer Menge Fahrspaß findet man im Süden Frankreichs.

Autorin: Britta Bremer ; Bilder: Jochen Ehlers / Endurofun Tours

Anreise

Tatsächlich sind die Wetteraussichten für die kommenden Tage bestens: 14-20 Grad am Tage mit viel Sonne, wie mir mein Gastgeber Jochen Ehlers von Endurofuntours mitteilt. Da bei mir daheim typisches Novemberwetter mit Nebel und Regen bei max 8 Grad vorherrscht, bepacke ich nicht direkt meine Berta (BMW GS 750 Dakar), sondern alles samt Motorrad in meinen Van. Da noch reichlich Platz ist, darf auch Horst (Honda CRF 250 L) mit auf die Reise und somit bin ich gut gerüstet für alle Spielarten von Straßen.

Ich durchquere den Norden Frankreichs auf der mautpflichtigen Autobahn und verlasse diese guter Dinge, denn mein Navi verspricht eine pünktliche Ankunft um 18 Uhr. Doch mit Feierabendverkehr, der sich vor den Kreiseln staut, die sich gefühlt wie eine Kette aneinanderreihen, hat mein Navi wohl nicht gerechnet. Dann die ersten Kurven die Berge rauf und ich bekomme einen Vorgeschmack, was mich die nächsten Tage erwartet. Inzwischen ist es dunkel, fast 19 Uhr und es rächt sich, dass ich nur den Ort und nicht die genaue Adresse eingegeben habe. Alles duster und kein Straßenname zu sehen, schließlich ein Plätzchen, auf dem ich halten kann, als es auch schon an der Scheibe klopft. Bonjour ruft Jochen fröhlich, der mich schon erwartet hat. Tatsächlich stehe ich knapp 100 m vor dem Hotel Europa, meinem Ziel und Treffpunkt: Das fängt doch gut an!

Erkundung der Umgebung

Die ersten Tage widmen wir der Erkundung der südlichen Ardèche. Dies ist nicht nur das Departement in der Region Auvergne Rhône Alpes, in der sich der Ort Joyeuse befindet, sondern auch der Fluss, welcher sich namensgebend durch das Land gegraben hat. Um hier auch den allerletzten Stein zu finden, die Jochen alle mit Namen zu kennen scheint, besteigt er eine Yamaha WR 250, die er auch zum Verleih anbietet. Mich trägt Horst über die Singletrails der kargen, mit Dornensträuchern und Ginsterbüschen bewachsenen Landschaft, die ab und an auch von Ziegen und Eseln bewohnt wird. Falls es doch mal etwas fruchtbarer ist, übernehmen Weinreben, Olivenhaine und Esskastanienbäume auf mit Natursteinen terrassierten Hängen das Bild. Allgegenwärtig ist auch das Wasser: Es zeigt sich nicht nur in Form von Flüssen und Bächen, die zu einer Durchquerung einladen, sondern scheint manchmal auch nur einfach so aus dem Gestein des Straßenrandes zu quellen. Das Land kann es nicht halten und so sind Trockenheit und Überschwemmungen saisonbedingte Geschwister. Menschen hingegen begegnet man kaum auf diesen abgelegenen Wegen, mal ein Feld- oder Waldarbeiter, ab und an einen Hundeführer, auch Wanderer oder Fahrradfahrer, diese aber eher am Wochenende. Auch manche Dörfer scheinen komplett verwaist, auch wenn große Parkplätze und schön restaurierte Gebäude und Anlagen vom sommerlichen Trubel berichten. Dahingehend ist es etwas schwieriger, aber für Jochen nicht unmöglich, ein offenes Lokal für eine Rast zu finden oder einen Einheimischen wie Pascal, der kurzerhand im Garten Tee und Kaffee nebst einem Plausch offeriert.

Tour ans Mittelmeer

Nach der Erkundung des Umlandes folgt ein Ausflug ans Mittelmeer. Dafür wird Berta bepackt, allerdings nur mit dem Nötigsten für eine Übernachtung. Auch Jochen wechselt den fahrbaren Untersatz und ist nun mit seiner über 30 Jahre alten, aber schön aufbereiteten BMW 100 GS unterwegs: ein echter Hingucker, der unterwegs immer wieder für Blicke und Gespräche sorgt. Wir starten unsere Tour mit einer kleinen Schleife gen Westen und besuchen das Wahrzeichen der Ardèche und folgen dem namensgebenden Fluss auf der berüchtigten D 290. Eine frisch geteerte Straße mit atemberaubenden Kurven und Ausblicken, die sich besonders gut auf den vielen Aussichtsplattformen genießen lässt, erwartet uns. So beginnt der Tag gleich mit einem Highlight, bevor wir weiter nach Süden ziehen. Einen Stopp machen wir in Lussan, welches schon im Nachbardepartment Gard, in der Region Okzitanien liegt. Dort liegt unser erstes Ziel, die versteckte protestantische Kirche, welche auch ein Relikt der ersten Kirche verwahrt. Im davorliegenden Garten treffen wir die schottische Gastgeberin. Das Gelände wird nun merklich flacher und fahrerisch nicht mehr ganz so aufregend, stattdessen nimmt die Größe der Ortschaften und deren Belebtheit zu. Die Mittagspause in der Altstadt von Uzès lädt zum Beobachten des Treibens ein, bevor wir die Durchquerung von Nîmes, der Hauptstadt des Departments Gard, in Angriff nehmen. Wir streben weiter dem Meer entgegen, nach Saintes-Maries-De-La-Mer, einem Ort, der in mir Erinnerungen an eine Jugendfreizeit hochkommen lässt. Im Department Bouches-du-Rhone, einem Teil der Region Provence-Alpes-Côte dAzur (PACA) gelegen, gehören zu der Gemeinde weitläufige Naturschutzgebiete an der Rhonemündung im Regionalen Naturpark Camargue. Vom Tourismus geprägt tummeln sich auch im November die Menschen auf der Promenade. Auch wir gesellen uns dazu und sagen dem Mittelmeer Hallo und können sogar neben den Flaneuren noch Badegäste entdecken.

Zurück ins Gard, wo wir in Aigues-Mortes nicht nur für uns, sondern auch für unsere Motorräder eine Unterkunft innerhalb der vollständig erhaltenen Stadtmauer gebucht haben. Im Abendlicht erscheint diese fast übermächtig, doch wir wagen uns hinein, wo wir im Einbahnstraßengewirr unsere Schwierigkeiten haben, das Hotel St. Louis zu finden. Es muss in der Fußgängerzone liegen! Aber da wir ja angemeldet sind und somit Anlieger, wagen wir uns durch die abendlichen Spaziergänger. Im Hotel angekommen, erkennen wir den Fehler in der Sprache: Ein Bike ist halt kein Moto. Trotzdem dürfen wir in der Fahrradgarage unsere Zweiräder sicher unterstellen und dann durchs nächtliche Aigues-Mortes nach dem Abendessen fahnden. Die Auswahl ist groß und wird nur begrenzt durch voll belegte Lokale.

Der nächste Morgen wartet diesmal nicht mit Sonnenschein auf und soll Regen bringen. Also Beeilung, denn wir wollen mit den Motorrädern am Meer entlang Richtung Westen. Der nahen Saline mit ihrem riesigen Salzberg im teilweise rosa anmutenden Wasser geben wir noch einen langen Blick und auch den Rosaflamingos, die sich hier an der Küste tummeln. Etwas skurril ist auch der Küstenort La Grande-Motte, welcher am architektonischen Reißbrett in den 60er Jahren entstanden ist. In Palavas-les-Flots verabschieden wir uns vom Mittelmeer und ziehen in Richtung Norden ab. Diesmal müssen wir durch Montpellier und ich entscheide mich dem Navi zu folgen, anstatt der Beschilderung. Dies funktioniert so gut, dass ich die letzte Tankstelle verpasse. Zum Glück reicht der Sprit noch bis Ganges, so machen wir dort Halt, bevor wir uns nach Westen wenden, um eine Schleife über den Cirque de Navacelles zu ziehen. Diese landschaftliche Sehenswürdigkeit, bestehend aus einer 300 m tiefen durch Erosion entstandenen Karformation mit dem kleinen Ort in der Mitte, ist eine Reise wert, obwohl die Serpentinen herunter gerade frisch mit Rollsplitt bestreut wurden. Dass der Aufstieg dann frei von dieser Maßnahme geblieben ist, mag daran liegen, dass dieser im Département Hérault gelegen ist. Eigentlich sollte der Mont Aigoual, im Norden vom Cirque gelegen, mit auf die heutige Route. Doch das Meer verschlang die Zeit und wir nehmen ein paar kleine kurvige Bergstraßen, sowie ein Heißgetränk auf einer Terrasse in Anduze, auf dem Rückweg über Alès nach Joyeuse.

Neue Wege - neue Freunde

An den letzten verbleibenden Tagen gilt es, ein paar Wege zu überprüfen, die eventuell durch die letzten Überschwemmungen in Mitleidenschaft gezogen wurden und bei Unpassierbarkeit durch neue Routen zu ergänzen sind. So bleiben wir eher in den unteren Regionen und nach all den Steinen und Felsen der ersten Tage bleibe ich prompt im Matsch stecken. Heute dann auch der erste Tag mit ein wenig Nieselregen, der zum Ausgleich einen wundervollen Regenbogen über die Felder zaubert. Inzwischen haben wir auch gelernt, dass es am Abend schnell kühl wird und die tiefstehende Sonne zwar tolles Licht für ein Foto hergibt, aber zum Fahren durchaus unangenehm werden kann. So sind wir auf dem Heimweg, als wir auf zwei weitere Enduristen treffen. Tatsächlich Einheimische, die auch die schönen und ruhigen Tage nutzen. Man sollte es kaum glauben: an diesem Tag sind sie auf unseren Spuren gewandelt, wie wir nach einem kleinen Austausch erkennen, und wir beschließen, eine Tour gemeinsam zu machen.

Dies ist auch mal für Jochen entspannend und spannend zugleich: Sonst im Gelände meist vorneweg, den Weg bereitend, kann er die beiden überreden, die Tour anzuführen und braucht nur hinterherzufahren. Aber dafür gilt es, die neuen Wege, die unsere Wegbegleiter Greg und Robin aufzeigen, in sein Kartengehirn abzuspeichern. Tatsächlich geht es nach unserem Treffen am Morgen in Largentière in eine auch Jochen unbekannte Gegend. Erstmal über etwas breitere Wald- bzw. Forstwege, auf denen wir auch jede Menge Jäger und Co treffen, die alle ein gut gelauntes Nicken für uns übrighaben. Eigentlich einfach zu befahren, versteckt sich unter dem ganzen Laub und Nadeln gern die ein oder andere Unebenheit in Form von Steinen und Auswaschungen, aber auch matschige, rutschige Stellen. Ganz Gentleman weist mich Robin darauf hin, dass demnächst ein etwas steilerer Anstieg mit eher losem, steinigem Untergrund kommt, aber oben eine großartige Aussicht wartet.

Dies war dann eher die kleinste Herausforderung. Es folgt ein Abstieg über einen Waldweg, den manche meiner Freunde noch nicht einmal zu Fuß gewagt hätten. Immerhin, es war noch ein Weg zu erkennen und zum Glück erzählten die beiden erst nach der erfolgreichen, wenn auch sehr langsamen Talfahrt, dass einer ihrer Freunde hier sein Moped zerlegt hat. Schließlich landen wir bei einer Ruine von Kirche, die dem Wald einen besonders verwunschenen Charakter verleiht. Ab jetzt soll es wieder ruhiger werden, tatsächlich bin ich im Gegensatz zu allen anderen etwas verschwitzt und benötige alle Nase lang eine Pause. Da merkt man halt den Unterschied zu dem Gelegenheitsfahrer, dem alten Hasen und den Einheimischen, die ein solches Gelände, das man dazu auch noch legal befahren darf, direkt vor der Tür haben und somit schon auf dem Weg zur Arbeit eine kleine Tour machen können. Und nein, ich kann nicht das Motorrad dafür verantwortlich machen: Ein Tausch mit Jochen zeigt mir zwar die Vorteile der WR auf, aber auch, dass diese Anfängern nicht ganz so gnädig gestimmt ist. Und dass Greg so traumwandlerisch vor mir durch die Landschaft tänzelt und dabei schaut, dass ich den Anschluss nicht verliere, während ich schweißgebadet nach der besten Spur suche, ist sicherlich nicht seiner 125er Honda aus den 80er Jahren geschuldet, deren Sattel nur aus Klebeband zu bestehen scheint.

Doch eine letzte Herausforderung wartet noch auf mich: Mit einem großen P in den Augen sehe ich, wie Robin vor mir einfach verschwindet, nur um ein paar Meter tiefer mitsamt Motorrad zwischen zwei großen Felsblöcken stecken zu bleiben. Greg, der hier vorausgefahren ist, hilft ihm ein wenig aus der Bredouille. Und nun erwarten die beiden ernsthaft, dass ich da runterfahre? Kaum zu glauben, wage ich es, nachdem sie mir mit viel Charme und ehrlichen Augen versichert haben, dass ich es mit ihrer Hilfe schon schaffen werde. Vor mir Robin ich habe die ganze Zeit Angst, ihn einfach zu überrollen und hinter mir Greg, den ich kaum bemerkt habe vor lauter Überforderung, komme ich unten klitschnass, voller Adrenalin und mit null Sicht hinter der beschlagenen Brille an. Wow, was für ein Erlebnis.

Dieser Tag war die Krönung einer großartigen Reise durch den sonnigen Süden Frankreichs in all seinen Facetten. Hier kann man so viel erleben: freundliche Menschen, kulinarische Genüsse, Kultur, Wassersport und natürlich jede Menge Motorradspaß. Ich komme auf jeden Fall wieder.

Wer jetzt Lust bekommen hat, selbst die Ardèche und den Süden Frankreichs im Herbst zu erleben, findet hier die nächsten Termine:

28.09.25 - 03.10.25

12.10.25 - 17.10.25

19.10.25 - 24.10.25

Weitere Informationen gibt es unter diesem Link.

Bericht vom 16.09.2025 | 2.302 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts