Trackdays for Rookies - Ausflug auf die Rennstrecke

Erfahrungen eines Anfängers für Anfänger

Das erste Mal auf der Rennstrecke - Welche Regeln gibt es zu beachten? Vorbereitung des Motorrads und andere Tipps gibt´s hier

"Heast Oida, foarst a mit am Pannoniaring?" Robert, mein früherer Bettnachbar vom Böhler Unfallkrankenhaus, Mitstreiter am Weißen Hof, KTM390-Cupsieger und Ex-Nichtraucher stellte mich vor einen Gewissenskonflikt. Sollte ich mit meinen 45 Jahren, meiner erst kurzfristig angeeigneten Invalidität von knapp über 45 Prozent, einer angeborenen Neigungsintoleranz von weit unter 45 Prozent und meinem Rennstrecken-untauglichen Cruiser tatsächlich Kopf, Kragen und Ducati riskieren? "Scheiß di ned an", stieg Robert aufs Gas. Sogar meine Frau unterstützte die Idee. Nach Hochrechnung der Witwenpension und dem Abschluss einer zweiten Lebensversicherung drängte sie mich förmlich zur Teilnahme. Schneller, als eine Ampel in der Boxengasse auf grün schalten konnte, war ich auch schon bei den 1000PS-Trackdays im Juni am Pannoniaring angemeldet. "Dort sind Anfänger absolut erwünscht und fahren in eigenen, Instruktor-geführten Gruppen", beruhigte mich Robert. Vorausschauend investierte ich, Roberts Empfehlung folgend, den Familien-Bausparer in eine "leiwande, deppensichere und obendrein Landstraßen-taugliche" Supersport 939, diverses Zubehör, Schuhe von Daytona und einen Racesuit von Held. Roberts Freundschaft war mein finanzieller Ruin.

Als der Termin in greifbare Nähe rückte, ließ ich mich nochmals von Robert bezüglich der Reifen beraten. "Moch da wegen deine Gummis kane Surgn. Die Pirelli Rosso III san Wöd, die kommen gut auf Temperatur und haben Grip ohne Ende, auch wennst herumschwuchtelst. Profil hast genug, damit kummst nachher no locker heim. Bremsbeläge kontrolliert ma normal a immer, aber bei an neichn Radl mit 2.000 Kilometer: ka Thema!" Robert wusste einfach auf fast alles eine Antwort.

Gleich eines vorweg

Mein erster Rennstrecken-Einsatz ging glimpflich über die Bühne, machte nach der ersten Aufregung mächtig Spaß, bot aber dennoch genügend Verbesserungspotential.

1.Sichere An- und Heimreise: Ich entschied mich für die standesgemäße Anfahrt per Motorrad. Was zunächst wie eine geniale Idee schien, stellte sich schlussendlich als logistische und konditionelle Herausforderung heraus. Denn während die Hinfahrt noch relativ locker von der Hand ging, gestaltete sich die stundenlange Rückfahrt nach zwei Tagen "Rennsport" im mittlerweile angewachsenen Racesuit bei 35 Grad und A23-Stau als anstrengende, teils gefährliche Tortur. Zusätzlich war der Rückenhöcker meiner Lederkombi nur bedingt mit dem Rucksack kompatibel, welcher obendrein zu wenig Platz für Bekleidung, Werkzeug und andere Accessoires bot. Tipp: Besser mit Bus oder Motorrad-Anhänger anreisen. Die Vorteile liegen auf der Hand: das Moped kann schon in Ruhe zu Hause für die Rennstrecke präpariert werden, im Auto reist es sich in beide Richtungen gemütlicher, und es bietet obendrein viel mehr Platz für Zubehör. Außerdem dient das KFZ als abschließbare Dropbox zwischen den Turns und bringt im Notfall Fahrer und Wrack wieder heim.

2.Vorbereitung des Motorrads in entspannter Atmosphäre: Das Motorrad muss sich in einem technisch einwandfreien Zustand befinden. Neben der essenziellen Kontrolle von Reifen und Bremsbelägen bedarf es zudem kleinerer Umbauten aus Sicherheits- oder Stylegründen. So sollten - falls möglich - Kennzeichen, Spiegel und Blinker vollständig entfernt oder zumindest, wie auch Scheinwerfer und scharfkantige Teile, mit hochwertigem Panzertape überklebt werden. Denn falls es euch wider Erwarten doch zerlegt, fährt niemand gerne mit 100+ Sachen über herumliegende Scherben. Außerdem geht die Reinigung der Rennstrecke im Falle eines Falles schneller vonstatten.

Unbedarft baute ich nicht in Ruhe zu Hause, sondern vor Ort und erst zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung um; selbstverständlich bekam ich Stress. Falsches oder kein Werkzeug, fehlendes Fachwissen, langsames Internet während dessen Erlangung, ein Fast-Hexenschuss wegen der unglücklich gebückten Haltung am Parkplatz ohne Montageständer bzw. Stockerl - wie erwähnt stehe ich schon mit mehr als einem Bein in der Grube - und hemmungslos rinnendes Arschwasser bei 25 Grad im Schatten um 7 Uhr Früh.

3.Kein Alkohol ist die einzige Lösung: Logischerweise gilt für jeden Teilnehmer während des Fahrens an der Rennstrecke absolutes Alkohol- (0,00 Promille) und Drogenverbot. Aber auch der Rausch am Tag zuvor sollte vermieden werden, denn zeitiges Aufstehen, frühes Anmelden, die Vermeidung von unnötigem Stress und absolute Konzentration vor, während und zwischen den Turns sind ein absolutes Muss. Ich habe meine Lektion gelernt, wenngleich sechs Seideln und die Flasche Rot meiner guten Laune am Vorabend stark zuträglich waren.

4.Die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen und kommunizieren: Bei der Wahl der Leistungsgruppe bzw. der Zuteilung zur passenden Anfänger-Untergruppe ehrlich und besonnen agieren. Niemand profitiert, wenn ihr tiefstapelt und in Folge mit absoluten Führerschein-Neulingen oder Scheintoten die Runden dreht. Ebenso wenig, wenn ihr im Größenwahn eine viel zu schnelle Kamikazegruppe wählt, den anderen Teilnehmern permanent im Weg steht und gefährliche Überholmanöver provoziert.

5.Zuhören - verstehen - lernen: Anfänger müssen sich unbedingt nach der allgemeinen und verbindlichen Fahrerbesprechung bei ihrem Instruktor melden, um alle wissenswerten Infos zu erhalten.

5.1 Die wichtigsten Regeln: Den Zeitplan beachten und, sofern es keine Änderung gibt, diesen unbedingt einhalten. Stichwort: Fünf Minuten vor der Zeit des Soldaten Pünktlichkeit. Bei der Boxenausfahrt eine Lücke im Verkehr abwarten und danach zügig anfahren. Wenn man die Strecke verlassen will, hebt man rechtzeitig vor der Boxeneinfahrt die Hand. Dabei empfiehlt es sich, die linke zu nehmen, weil... naja, den Rest könnt ihr euch denken. Bei Problemen während der Fahrt wenn möglich die (linke) Hand heben, unverzüglich die Fahrbahn verlassen und das Moped außerhalb des Sturzraumes abstellen, welches danach vom Streckenpersonal ins Fahrerlager transportiert wird. Beim Fahren gelten Rücksicht und Fairness als oberstes Gebot. Grundsätzlich gibt immer der Schnellere auf den Langsameren acht und der Hinterherfahrende auf den Vordermann. Den Weisungen des Veranstalters, der Streckenposten und deren Beauftragten ist unbedingt Folge zu leisten. Burn Outs, Wheelies, Slalomfahren oder ähnliches können zum Ausschluss der Veranstaltung führen - ohne Ansprüche auf Retournierung des eingezahlten Betrages. Zudem gilt für alle Fahrzeuge im Fahrerlager Schrittgeschwindigkeit.

5.2 Flaggensignale unbedingt beachten: Weiße Flagge: Vorsicht, ein langsames Einsatzfahrzeug befindet sich auf der Strecke (z. B. Rettung). Gelbe Flagge: Achtung, Gefahr - Überholverbot, bis die grüne Flagge gezeigt wird. Rote Flagge: Abbruch vom freien Fahren, Training oder Rennen. Absolutes Überholverbot und am Ende der Runde zurück an die Box. Blaue Flagge: Ein schnelleres Fahrzeug will überholen, wird meist im Rennen bei Überrundung angezeigt. Grüne Flagge: Die Gefahrenzone ist vorbei, es darf wieder überholt werden. Schwarze Flagge: Wird im Rennen der Startnummer angezeigt, dessen Fahrer unverzüglich die Strecke verlassen muss.

Rot/Gelbe Flagge: Achtung, rutschig! Öl oder sonstige Flüssigkeiten auf der Fahrbahn, Geschwindigkeit drosseln und besonders vorausschauend fahren. Schwarz-weiß-karierte Flagge: Ende vom freien Fahren, Zeittraining oder Rennen, Runde fertig fahren und zurück ins Fahrerlager.

6.Reifen und Reifendruck: Kein Technik-Thema polarisiert mehr als die Wahl der richtigen Reifen und des Reifendrucks. Nach längerem Studium einschlägiger Foren und einer intensiven Diskussion mit Pirellis R&D Manager für Superbike-Reifen bin ich nicht nur der festen Überzeugung, dass es sich wirklich um eine ungemein komplexe Thematik handelt, sondern auch, dass man sich gerade als zurückhaltender Anfänger mit Reifenexperimenten an Trackdays mehr schadet als nutzt. Wer einen guten Satz Straßenreifen mit bescheinigter Rennstreckentauglichkeit sein eigen nennt, kann gutes Gewissens damit an den Start gehen und während der ersten Turns am Vormittag, wenn es noch nicht allzu heiß ist, den Standard-Reifendruck laut Hersteller beibehalten. Bitte den Druck stets bei kaltem Reifen und mit einem vertrauenswürdigen Testgerät oder Kompressor prüfen. Werden im Laufe des Tages die Rundenzeiten schneller und Luft- bzw. Asphalttemperatur massiv höher, lohnt es sich, etwas Luft auszulassen. Oft rät der Profi zu 1,9 Bar hinten und 2,1 vorne, kalt! Das muss aber nicht bei jedem Motorradreifen so sein, weshalb es sich empfiehlt, den ansässigen Reifenspezialisten oder -sponsor zu fragen. Auf jeden Fall sollte der Druck wieder nur im kalten Zustand geändert werden. Von Slickreifen ist Ring-Neulingen generell abzuraten - zumindest von Supersoft, Soft und Medium Compounds - denn abgesehen von erforderlichen Reifenwärmern gelingt es den meisten Anfängern nicht, die weichen Rennmischungen bei Laune, sprich auf der nötigen Temperatur zu halten. Im schlimmsten Fall bauen derartige Spezialreifen während der Turns den Grip ab und bieten dem verhaltenen Neuling eine schlechtere Performance als die zuvor montierten Straßenreifen mit Profil.

7.Übermut tut selten gut: Neben der Tatsache, dass man sich auf eigene Gefahr beteiligt und die alleinige zivil- und strafrechtliche Verantwortung für alle selbst verursachten Schäden trägt, empfiehlt es sich, stets ein angemessenes und umsichtiges Verhalten an den Tag zu legen. Denn immer wieder kommt es schon in der ersten Runde des freien Trainings zu folgenschweren Stürzen, und das, obwohl die Rennleitung bei jedem Briefing eindringlich davor warnt. Man kann also gar nicht oft genug zu Vernunft und Rücksichtnahme raten.

Dies waren aus meiner Sicht die wichtigsten Tipps (ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben). Ich kann nur jeden Trackday-Rookie ermutigen, es mir, einer wirklich feigen Sau, gleich zu tun. Ich für meinen Teil habe aus den Fehlern gelernt und sehne meine nächste Teilnahme an den 1000PS Trackdays im September herbei. Selbstverständlich auf Slicks...

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Bericht vom 03.07.2017 | 23.985 Aufrufe

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