Royal Enfield Interceptor 650 vs. Kawasaki W800 - Vergleich 2020

Duell der 48 PS Klassiker

Retro Bikes - sie vermitteln das Gefühl alter Zeiten, bieten aber die Technik und die Sicherheit der Moderne. Auf ihnen zählt es nicht, die perfekte Linie zu treffen, oder Bestzeiten auf der Hausstrecke aufzustellen. Das Leben und die Freude am Motorradfahren genießen - das ist ihre Devise. Zwei Bikes dieser Klasse sind die Kawasaki W800 und die Royal Enfield Interceptor 650. Wo liegen ihre Stärken und gibt es bei dieser Kategorie überhaupt Schwächen? Zonko und Horvath haben es herausgefunden.

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Einfach herrlich. Wir leben im Jahr 2020: Ein Jahr, in dem Motorräder bereits über die modernsten Assistenz-Systeme verfügen, die das Leben auf zwei Räder nicht nur einfacher, sondern auch sicherer machen. Doch gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, bei Händlern Maschinen zu finden, die mit ihren klassischen Formen, direkt aus dem vergangenen Jahrhundert stammen könnten - nur mit heutiger Technik und Zuverlässigkeit. Die W800 und Interceptor 650 sind zwei der besten Vertreterinnen dieser Klasse am heutigen Markt.

Kurzer Hinweis: In diesem Bericht gehen wir auf die Unterschiede der zwei Motorräder ein. Einzeltests findet ihr hier:

Optisch auf einer Höhe: W800 gegen Interceptor 650

Sowohl die Royal Enfield als auch die Kawasaki stehen in einem wirklich herrlichen Retro-Kleid da. Rundscheinwerfer, große orangene Blinker und Unmengen an Chrom sprechen die Sprache einer vergangenen Zeit. Mit der W800 baut Kawasaki eine wunderschöne Hommage an das Modell W1 aus den 1960 und 70er Jahren, das in Elementen wie dem Peashooter-Auspuff, den runden Blinkergläsern und dem vorderen Kotflügel eindeutig wiederzuerkennen ist.

Auch die Royal Enfield Interceptor 650 hat einen historischen Hintergrund. In circa der selben Zeitperiode zwischen 1960 und 1970 existierte bereits ein Modell namens Interceptor. Damals mit 692, bzw. 736 Kubik. Hier finden wir ebenso gewisse Elemente, wie den geneigten Doppelauspuff, das eckige Rücklicht und die flache Sitzbank, im heutigen Pendant wieder. Für welches Exemplar man sich also entscheidet, bestimmt das Herz. Denn entweder einem gefällt der Stil - oder eben nicht. Eine klare Siegerin gibt es in diesem Kapitel nicht.

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Kawasaki oder Royal Enfield? Welche 48 PS gehen besser?

Spitzenleistung steht heute nicht im Fokus. Mit 48 PS und 62,9 Nm in der Kawa, bzw. 47 PS und 52 Nm in der RE, wird man keine Beschleunigungsrennen gegen modern angehauchte Retro-Bikes wie die Yamaha XSR700 oder Triumph Street Twin gewinnen - doch das wollen sie auch nicht. Die beiden Reihenzweizylinder wollen souverän durch die Landschaft blubbern, einen schönen Sound bieten und wahre Fahrfreude spenden. Schaffen sie das auch?

Motorwertung Kawasaki W800: Die senkrechte Königswelle. Wie viele heutigen Motorräder fallen Euch noch mit solch einer Ventilsteuerung ein? Bestimmt nicht viele, wenn man Ducatis waagrechte Lösung der Desmotronik nicht zählt. Doch gleich ein Hinweis: Spürbar ist sie nicht - sie macht jedoch einen schönen optischen Eindruck auf der rechten Seite des Aggregats. Im direkten Vergleich kommt der Kawasaki ihr Hubraum von 773 ccm zugute, auch wenn sie unter 3.500 Umdrehungen etwas müde wirkt. Wird dieser Punkt jedoch überschritten dreht das Aggregat linear bis in den Begrenzer und überrascht, wie flott sich 48 PS anfühlen können! Für plötzliche Freuden sorgen auch die dezenten Fehlzündungen, die beim herabtouren hin und wieder aus dem klassischen Peashooter-Auspuff schießen.

Motorwertung Royal Enfield Interceptor 650: Luftkühlung und ein Hubzapfenversatz von 270 Grad. Mit dem 648 ccm großen Zweizylinder will Royal Enfield die Klassik mit der Moderne verbinden und schafft ein Aggregat, das besonders mit seiner kräftigen Mitte punktet. Vor dem Drehzahlbegrenzer flacht die Leistungskurve spürbar ab - frühe Schaltpunkte sind für zügiges Vorankommen also empfohlen! Leider wurde die Gasannahme nicht ganz so fein, wie die der Kawasaki abgestimmt, was sich in leichten Lastwechselreaktionen bemerkbar macht. In Sachen Sound geht der Pokal eindeutig an die Royal Enfield Interceptor - jedoch nur weil unser Exemplar (Horvaths Privatmaschine) mit dem Zard Slip-On ausgestattet ist. Serienmäßig sind sich die beiden Retro-Bikes ebenbürtig.

Siegerin der Motorwertung: Auch wenn der Interceptor Motor brav sein Werk verrichtet, macht der Zweizylinder der W800 einen souveräneren Eindruck. Ansprechverhalten und Durchzug sind spürbar feiner, wobei die Kawa natürlich auch von ihrem Hubraumvorteil profitiert. Trotzdem darf man sich nicht erwarten, dass man mit einem der zwei Motorräder auf langen Autobahnetappen glücklich wird. Fehlender Windschutz und hohe Drehzahlen steigern die Vorfreude auf die nächste Autobahnabfahrt.

Austattung: Kawasaki W800 vs. Royal Enfield Interceptor 650

Hier sollten wir schnell durch sein, denn was diese zwei Motorräder so erfrischend macht, ist ihr Mangel an elektronischen Spielereien. Keine Fahrmodi, keine Traktionskontrolle, keine komplizierten Menüführungen - einfach nur die nötigsten Sicherheitsfeatures. Deshalb finden wir auf beiden Modellen natürlich ein ABS-System, aber auch jeweils eine Anti-Hopping-Kupplung vor. Zwar braucht man ihre Funktion beim gemütlichen Cruisen selten, der Komfort, sie an Bord zu haben, schadet aber nicht. Beim Durchschalten, der in die Analog-Anzeigen eingelassenen LC-Displays, findet man auf beiden Bikes zumindest einen Trip-Zähler und die Gesamtkilometeranzeige. Die Kawasaki punktet zudem mit der Uhrzeit, welche die Interceptor nicht anzeigt. Dafür verfügt die Royal Enfield über eine Tankanzeige, die wir auf der W800 ein wenig vermissen.

Da lohnt es sich, gleich über die Verarbeitung der beiden Retro-Ladys zu sprechen. Der erste Eindruck ist bei beiden durchaus positiv, wobei man bei genauerem Hinsehen den Preisunterschied von circa 3.000 Euro in Österreich (Preise am Ende vom Bericht) bemerkt. Das Finish der teureren Kawasaki ist an allen Ecken und Enden um eine Spur schöner - japanische Qualität sei Dank. Das soll nun nicht bedeuten, die Royal Enfield sei schlecht verarbeitet, aber an der Haptik der Bedieneinheiten, bzw. dem nicht einstellbaren Bremshebel erkennt man, dass es sich um ein preisgünstiges Motorrad handelt.

Pures Motorradfahren im Sattel der A2 Retro Bikes

Der Reiz solcher Retro-Motorräder liegt zweifelsfrei im puristischen Fahrerlebnis. Rundscheinwerfer und analoge Anzeigen im Blick, während unter einem ein schlichtes Motorrad arbeitet. Keine Ablenkung - einfach entspanntes Cruisen. Doch auch im Winkelwerk machen sowohl W800, als auch Interceptor 650 eine gute Figur, solange man sie laufen lässt. Keinesfalls sollte man versuchen, aktuelle Naked Bikes zu jagen - das entspricht nicht dem Charakter dieser edlen Maschinen! Insbesondere, da man im Radius bei Bodenwellen erneut den Preisunterschied zwischen Royal Enfield und Kawasaki spürt. Während die japanische Schönheit sauber die Linie hält, schwimmt die Inderin leicht durch die Kurve, bleibt dabei aber sehr berechenbar.

Unterschiede finden sich zum Glück keine bei den Bremsen. Natürlich wurde auf keinem der beiden Motorräder die schärfste Ware verbaut, ein gutes Bremsgefühl findet sich aber auf beiden.

Für welches Retro Bike soll man sich entscheiden?

Zusammenfassend haben beide Motorräder ihre Stärken und Schwächen, die man im Alltag mehr oder weniger spüren wird. Letztendlich kommt es aber in dieser Kategorie an Motorrad hauptsächlich auf das Bauchgefühl an: Welches Motorrad gefällt mir besser und wie viel Geld will ich investieren? Ausschlaggebend für viele KundInnen könnte auch die Thematik der Serviceintervalle sein. Während die Interceptor 650 laut Royal Enfield alle 5.000 Kilometer zum Service muss, fährt man auf der Kawasaki W800 mehr als doppelt so weit, bevor man zur Werkstatt muss - nämlich 12.000 Kilometer. Für Vielfahrer also ein echtes Argument.

Letztendlich können wir also keine eindeutige Empfehlung aussprechen. Wir rufen Euch stattdessen auf, Probefahrten zu machen und diese Motorräder selbst zu erFAHREN. Aktuelle Preise und Angebote findet ihr hier: Kawasaki W800 und Royal Enfield Interceptor 650 Preise.

Fazit: Kawasaki W 800 2020

Mit der neuen W800 zeigt Kawasaki, welchen Reiz entspannte Retro Bikes mit sich bringen. Platz nehmen, losfahren, wohlfühlen. In einer Branche, in der Leistung und Innovation der Schlüssel zum Erfolg sind, steht die W800 wie ein Fels in der Brandung und konzentriert sich nur auf Eines: Die Freude am Motorrad fahren. Sie eignet sich perfekt für alle, die gerne täglich einen Klassiker bewegen wollen, aber moderne Zuverlässigkeit und Sicherheit schätzen. Ein traumhaftes Motorrad mit viel Charakter.


  • kraftvoller Motor
  • kerniger Sound
  • natürliche Sitzposition
  • angenehm neutrales Fahrverhalten
  • großartige Optik
  • wenig Druck unter 3.500 U/min

Fazit: Royal Enfield Interceptor 650 2020

Die Royal Enfield Interceptor 650 bietet ein sehr stimmiges Gesamtpaket im Retro-Segment an. Entspannte Sitzposition, viel Chrom und der kultivierte Zweizylinder machen sie zu einem hübschen Objekt der Begierde, das auch dem Alltag standhält. Moderne Features sucht man vergebens, doch bei einer Leistung von 47 PS wären Traktionskontrolle und Fahrmodi sowieso überflüssig. Sehnt man sich nach entschleunigendem, entspanntem Cruisen und puristischem Motorradfahren wird man mit der Interceptor 650 ganz bestimmt glücklich.


  • kultivierter Motor entspannte Sitzposition gute Bremsen klassische Rundinstrumente authentische Retro-Optik
  • Fahrwerk hält sportlichem Fahrstil nicht stand
  • Sitzbank auf Dauer unbequem

Bericht vom 07.09.2020 | 65.076 Aufrufe

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