Kawasaki W800 2020 im Test - was steckt unter dem Retro Kleid?

Die Hommage an die W1 auf der Landstraße

In der Welt der Retrobikes gibt es zwei Klassen: Motorräder, die eine moderne Basis nehmen, Technologie und Leistung aber mit klassischer Optik überdecken. Dann gibt es jedoch Maschinen, die auf neumodischen Schnick-Schnack verzichten und zu 100 Prozent auf alt getrimmt werden. Genau so ein Bike ist die neue Kawasaki W800, die Zonko und Horvath auf herrlichen Landstraßen getestet haben.

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Anfängliche Skepsis machte sich beim Test der Kawasaki W800 breit - zumindest bei mir. Bei Retrobikes der Grünen fällt mir unweigerlich die Z900RS ein, die zwar ein großartiges Motorrad ist, sich mit ihren Z900 Wurzeln aber wie ein modernes Naked Bike anfühlt. Kann die neue W800 den wahren Retro-Spirit aufgreifen? Kann sie aus der Masse herausstechen, oder ist sie auch nur ein Teil des Retro-Einheitsbrei?

Die Frage des "echten" Retro-Bikes ist schnell geklärt

Erstkontakt mit der neuen Kawasaki W800. Der Blick fällt auf den Lenker und die Armaturen und es wird klar: Kawasaki macht hier keine halben Sachen. Die Bedieneinheiten werden nicht aus dem gewaltigen Pool des Modellprogramms genommen, sondern sind in ihrer klassischen Ausführung ausschließlich für die W800 Familie bestimmt. Auch die Anzeigen sind so wie sie sein sollen: Rund und analog. Die Auswahlmöglichkeit am kleinen eingesetzten LC-Display sind auch spartanisch: Uhrzeit, Gesamtkilometer und ein Tripzähler. Mehr nicht. Eine Tankanzeige wäre vielleicht noch schön gewesen, aber sonst liefert dir die W800 nur das, was beim Fahren wirklich relevant ist. Herrliche Erfrischung in einer Welt voller Fahrhilfen und elektronischer Features.

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Kawasaki Königswellenmotor mit 48 PS zerren an der Kette

48 PS und 62 Nm Drehmoment auf ein fahrbereites Gewicht von 221 Kilogramm. Klingt am Datenblatt nach nicht allzu aufregenden Fahrleistungen. Doch der 773 ccm große Zweizylinder überrascht! Ab circa 3.500 Umdrehungen bekommt er richtig Schub, sodass man fast schon bezweifelt, "nur" 48 PS unter dem Hintern zu haben. Auch das Ansprechverhalten und das Gefühl des 5-Gang Getriebes sind ganz formidabel und strahlen die Qualität aus, die man von Kawasaki kennt und erwartet. Natürlich muss auch die Ventilsteuerung über Königswelle angesprochen werden, deren Bauform ein optisches Highlight darstellt, wobei man während der Fahrt kaum Unterschied zu einem "herkömmlichen" Motor spürt.

Fahrwerk und Bremsen passen zum Gesamtpaket der W800

Das Leben genießen und entspannt durch die Gegend gleiten - diese Einstellung braucht es auf einem Motorrad wie der Kawasaki W800. Sie darf keinesfalls mit sportlichen Retrobikes, wie der Z900RS verglichen werden, denn Sport und Bestzeiten auf der Hausstrecke sind nicht ihr Ziel. Deshalb reicht auch eine 320 mm Einzelbremsscheibe mit 2-Kolbensattel in der Front, sowie eine 270 mm Einzelscheibe mit Doppelkolben im Heck, um für genügend Verzögerung zu sorgen. Auf Seiten des Fahrwerks darf man von der 41 mm Gabel und den in der Federvorspannung einstellbaren Stereo-Federbeinen natürlich auch nicht das Meiste erwarten, aber im Gesamtpaket der W800 harmonieren die einzelnen Komponenten perfekt. Bremse und Fahrwerk geben im Winkelwerk ein sicheres Gefühl, solange man nicht versucht, die Kawasaki aus ihrer Wohlfühlzone zu drängen. Einfach laufen lassen und eine saubere Linie findet sich wie von selbst.

Da hat es sogar überrascht, dass das 19 Zoll Vorderrad - das der neuen Kawasaki W800 in der Retro Modellfamilie vorbehalten ist - nicht negativ auffällt. Im Pressetext der damaligen Veröffentlichung meinte der Hersteller, dass man der W800 damit ein klassisches Fahrverhalten schenken will, das an die alte W1 erinnert. Man könnte also meinen, das neue Modell sei träge oder am Kurveneingang unwillig. Doch Fehlanzeige. Mit der neuen Kawasaki W800 lässt sich jeder Radius mit wenig Anstrengung bewältigen.

Klassische Optik macht die W800 zum Hingucker

So muss Retro aussehen. Ich bin mir sicher, dass man Laien davon überzeugen könnte, die neue Kawasaki W800 stammt aus den 1960ern. Peashooter-Auspuff, Unmengen an Chrom und gewaltige Rundblinker mit orangenem Glas - das ist Retro-Optik vom Feinsten!Kawasaki bietet sogar selbst Zubehör an, um die W800 zu modifizieren, doch talentierte Schrauber haben bestimmt genug Kreativität, um sich selbst das ein oder andere Teil zu basteln.

Welche negativen Punkte finden sich an der neuen Kawasaki W800?

Die neue W800 begeistert als Motorrad, das entschleunigt. Mit bollerndem Sound, den wunderschönen Analoganzeigen und einem angenehm neutralen Fahrverhalten lässt einen die W800 den Alltag vergessen. Klar muss man Abstriche in Sachen Ausstattung, oder Sportlichkeit machen, doch genau diese Punkte braucht sie nicht zu bieten. Und sie will es auch nicht. Deshalb fällt es schwer, Kritik an der W800 zu äußern, denn da wo es zählt - Motor, Bremsen, Fahrwerk - macht sie alles richtig, denn schließlich ist sie immer noch eine Kawasaki. Wer an diesem Bike viel zu beanstanden hat, sollte sich wahrscheinlich ein anderes Motorrad suchen.

Kawasaki W800 Modellfamilie und Preis

Die neue W800 ist nun das dritte Modell in der W800-Modellfamilie, die es schon etwas länger gibt. Dementsprechend lassen sich am Gebrauchtmarkt schon echte Schnäppchen finden. Eine aktuelle Preisübersicht gibt es hier: Aktuelle Preise der Kawasaki W800 Modelle.

Fazit: Kawasaki W 800 2020

Mit der neuen W800 zeigt Kawasaki, welchen Reiz entspannte Retro Bikes mit sich bringen. Platz nehmen, losfahren, wohlfühlen. In einer Branche, in der Leistung und Innovation der Schlüssel zum Erfolg sind, steht die W800 wie ein Fels in der Brandung und konzentriert sich nur auf Eines: Die Freude am Motorrad fahren. Sie eignet sich perfekt für alle, die gerne täglich einen Klassiker bewegen wollen, aber moderne Zuverlässigkeit und Sicherheit schätzen. Ein traumhaftes Motorrad mit viel Charakter.


  • kraftvoller Motor
  • kerniger Sound
  • natürliche Sitzposition
  • angenehm neutrales Fahrverhalten
  • großartige Optik
  • wenig Leistung unter 3.500 U/min

Bericht vom 28.08.2020 | 73.551 Aufrufe

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