Triumph Scrambler 1200 X im Rallye Test
Wie gut ist die Triumph Scrambler 1200 X wirklich?
Mit der Triumph Scrambler 1200 X im Gepäck starteten wir in die Balkan Rally – und das Motorrad hatte einiges zu beweisen. Zwischen steilen Serpentinen, rutschigen Straßen und tausenden Kilometern zeigte die Maschine, ob sie mehr ist als nur ein schicker Café Racer. Wie hat sie sich geschlagen?
Motorradfahren ist für viele von uns weit mehr als nur eine Fortbewegungsmethode. Es ist Leidenschaft, Abenteuer und Freiheit in einem. Und wenn es um Motorräder geht, die diese Gefühle verkörpern, steht die Triumph Scrambler 1200 X ganz weit oben auf der Liste. Schon bei ihrer Ankunft in der Garage oder bei einem Treffen sticht sie aus der Masse hervor. Doch wie schlägt sie sich im realen Einsatz? Bei der Balkan Rally, die uns über 2.500 Kilometer durch 5 Länder führte, stellte sie sich einer ihrer härtesten Prüfungen. Was wir erlebten, geht weit über den ersten Blick hinaus.
Triumph Scrambler 1200 X: Ein mächtiges Motorrad!
Die Triumph Scrambler 1200 X vermittelt schon beim ersten Aufsitzen ein Gefühl von Größe. Mit ihren 228 Kilogramm (gewogen, vollgetankt) und der breiten Sitzbank fühlt sie sich sofort wie ein schweres, ernstzunehmendes Motorrad an. Der breite Lenker vermittelt das Gefühl, das Zepter eines Imperiums in der Hand zu halten, und strahlt Selbstbewusstsein aus. Besonders für größere Fahrer dürfte diese Sitzposition angenehm sein, da der Oberkörper aufrecht bleibt und der breite Lenker für ausreichend Kontrolle sorgt.
Was sofort auffällt, ist der 1200 ccm starke Reihenzweizylinder-Motor. Mit 90 PS bei 7000 U/min und einem Drehmoment von 110 Nm bei 4250 U/min ist ausreichend Power vorhanden, um selbst steile Passagen und schnelle Autobahnetappen souverän zu meistern. Der Motor, mit einem 270-Grad-Hubzapfenversatz ausgestattet, sorgt für ein unverkennbares Klangbild und vermittelt das Gefühl, auf einer echten Maschine zu sitzen nicht auf einem sterilem Alltagsmotorrad.
Doch auch bei so viel Power muss man die Balance wahren. Ein Punkt, den ich schon nach den ersten Kilometern anmerken musste, war der Sattel. Für meinen Geschmack ist er etwas zu weich geraten, was besonders bei längeren Etappen auffällt. Die Sitzposition an sich ist hervorragend, doch der Komfort leidet, wenn man nach mehreren Stunden im Sattel sitzt. Ein härterer Sattel hätte hier für mehr Langstreckenkomfort gesorgt.
Elektronik im Einsatz: Licht und Schatten
Die Triumph Scrambler 1200 X ist nicht nur ein mechanisches Biest, sondern kommt auch mit einer Reihe von elektronischen Helfern. Dazu gehört das schräglagenabhängige ABS, das in Kurven für zusätzliche Sicherheit sorgt. Auf dem Papier ist das alles schön und gut, doch in der Praxis zeigte sich auf den schlechten Straßen des Balkans, dass das ABS etwas zu konservativ abgestimmt ist. Besonders auf rutschigem Asphalt hatte das System die unangenehme Angewohnheit, frühzeitig einzugreifen und so das Fahrgefühl in engen Kurven oder vor Kreisverkehren etwas zu stören.
Carlos unser Videomann, der ebenfalls mit dabei war, bestätigte diese Erfahrung. Er fand, dass die ABS-Regelung auf rutschigem Untergrund zu defensiv agiert und manchmal für ungewohnte Bremsmanöver sorgt. Gerade bei einem Motorrad, das auch auf solch anspruchsvollen Strecken zum Einsatz kommen soll, wäre eine passendere Abstimmung des Systems wünschenswert gewesen. Auf gutem Asphalt hingegen gab es keine Probleme hier leistet das ABS saubere Arbeit und lässt genügend Spielraum für kontrollierte Bremsmanöver.
Die Traktionskontrolle hingegen konnte in jeder Situation überzeugen. Egal ob auf nassen Straßen, in engen Serpentinen oder auf losen Kiesstrecken die Elektronik arbeitet zuverlässig und sorgt dafür, dass die Hinterradtraktion stets berechenbar bleibt. Besonders bei hohen Schräglagen vermittelt die Traktionskontrolle ein hohes Maß an Sicherheit, das gerade auf anspruchsvollen Bergstraßen wie denen im Durmitor-Nationalpark Gold wert ist.
Autobahn und hohe Geschwindigkeiten: Vibrationen inklusive
Eine der größten Herausforderungen während der Balkan Rally waren die langen Autobahn-Etappen bei der Anreise und Abreise. Hier zeigt sich, dass die Triumph Scrambler 1200 X zwar in vielen Bereichen überzeugt, aber auch Schwächen hat. Carlos, der privat eine Scrambler 900 fährt, merkte schnell an, dass das Fehlen eines Tempomats bei einem Motorrad dieser Preisklasse ein Manko darstellt. Ein Tempomat hätte besonders auf langen Etappen für mehr Komfort gesorgt, da man so den Gasgriff entspannen könnte gerade bei konstanten Geschwindigkeiten von 130 bis 140 km/h.
Ein weiteres Problem bei diesen Geschwindigkeiten sind die Vibrationen. Bei Geschwindigkeiten über 130 km/h treten spürbare Vibrationen in den Armen auf, die auf langen Strecken unangenehm werden können. Zwar hat der Motor einen beeindruckenden Charakter, aber diese Vibrationen schmälern das Fahrvergnügen auf der Autobahn doch spürbar. Besonders im Vergleich zu moderneren Tourenmaschinen oder Adventure-Bikes, die solche Probleme durch raffinierte Motoraufhängungen oder Balance-Techniken vermeiden, könnte Triumph hier nachbessern.
Handling: Stabilität statt Agilität
Wenn es um das Handling geht, liefert die Triumph Scrambler 1200 X gemischte Ergebnisse. Die stabile Geometrie des Chassis sorgt für ein sehr sicheres Gefühl, besonders auf langen Geraden oder bei hohen Geschwindigkeiten. Doch auf kurvenreichen Strecken, wie wir sie während der Balkan Rally zuhauf hatten, zeigte sich, dass die Maschine nicht zu den agilsten gehört. Besonders auf den engen Serpentinenstrecken entlang der Adria-Küste fühlte sich die Scrambler eher träge an, was teilweise an den stark abgefahrenen Reifen lag. Die eckigen, abgenutzten Reifen beeinträchtigten das Handling spürbar und ließen das Motorrad schwerfälliger wirken, als es wahrscheinlich auf frischen Pneus wäre. Die Maschine fällt nicht von alleine in den Radius sondern benötigt immer etwas Druck über den Lenker. Einige Piloten mochten das!
Was die Fahrwerksabstimmung betrifft, so leistet die 1200 X solide Arbeit. Vorne sorgt eine 45 mm Marzocchi USD-Gabel mit 170 mm Federweg für ordentliche Dämpfungsarbeit, während hinten Stereo-Federbeine mit ebenfalls 170 mm Federweg für ausreichend Stabilität sorgen. Zwar sind diese Komponenten nicht mehr voll einstellbar, aber auf den unterschiedlichsten Untergründen des Balkans zeigte sich, dass sie für die meisten Situationen gewappnet sind.
Der Motor: Charismatisch und kraftvoll
Ein echtes Highlight der Triumph Scrambler 1200 X ist der Motor. Mit 1200 ccm und 90 PS sorgt der Zweizylinder in jeder Lebenslage für ausreichend Schub. Besonders in engen Kurven und bei Serpentinenfahrten begeistert der Motor mit seiner charismatischen Leistungskurve. Egal ob bei niedrigen Drehzahlen oder im oberen Leistungsbereich der Motor bietet ein angenehm lineares Drehmoment und reagiert blitzschnell auf jede Gashahnbewegung. Das macht die Maschine zu einem echten Genuss auf kurvigen Strecken, besonders wenn man aus engen Kehren herausbeschleunigt.
Ein weiterer Vorteil des Motors ist seine Robustheit. Trotz der anstrengenden Bedingungen während der Rally sei es staubiger Untergrund, heiße Temperaturen oder lange Autobahnfahrten zeigte der Motor keinerlei Schwächen. Im Gegenteil, er zauberte den Fahrern immer wieder ein Lächeln ins Gesicht, besonders wenn er nach einer langen Geraden oder einem Anstieg aus den Kurven herausbeschleunigte.
Triumph Scrambler 1200X - Mehr als nur ein Schönwetter-Bike
Die Triumph Scrambler 1200 X wird oft als "schickes Retrobike" abgestempelt, ein Motorrad, das vor allem für kurze Ausfahrten oder das Sonntags-Café taugt. Doch während der Balkan Rally bewies sie eindrucksvoll, dass sie weitaus mehr kann. Beladen mit Gepäck und auf tausenden Kilometern zeigte sich, dass die Maschine auch als Tourenmotorrad eine gute Figur macht. Trotz der coolen Optik blieb sie auch auf langen Etappen souverän und komfortabel. Das Design war also nicht bloß ein Produkt für eine schicke Optik - sondern es hat sich auch in der Praxis bewiesen. Besonders auf den letzten Kilometern in die Bucht von Kotor, als wir die beeindruckenden Serpentinen hinunterfuhren, konnte sie zeigen, wie souverän sie auch auf anspruchsvollem Terrain bleibt.
Selbst bei voller Beladung machte die Scrambler eine gute Figur. Der breite Lenker und die stabile Geometrie sorgten dafür, dass sie sich auch in langsamen Passagen, etwa in engen Dörfern oder bei Stau-Situationen, gut manövrieren ließ. Ein weiterer Pluspunkt ist der USB-Typ-C-Anschluss an der Display-Einheit, der auf längeren Touren äußerst nützlich ist, um Smartphones oder andere Geräte aufzuladen.
Optik: Der Hingucker unter den Maschinen
Es lässt sich nicht leugnen, dass die Triumph Scrambler 1200 X auch optisch ein absolutes Highlight ist. Mit ihrer Mischung aus Retro-Elementen und modernen Akzenten zieht sie die Blicke auf sich egal ob bei Motorradfans oder Autofahrern. Während der Rally zog sie auch im Kreise von Ferraris und Porsches Aufmerksamkeit auf sich. Die Marke Triumph ist ein Begriff, der auch außerhalb der Motorradwelt Anklang findet, und das Design der Scrambler unterstreicht diesen positiven Ruf.
Kamerakollege Carlos, der privat eine Scrambler 900 fährt, fand die Linienführung der 900er jedoch noch etwas stimmiger. Besonders der flache Motocross-ähnliche Look der 900 gefiel ihm besser, während die 1200 X für seinen Geschmack etwas zu modern wirkt. Der Scheinwerfer und das insgesamt glattere Design stoßen bei ihm nicht auf die gleiche Begeisterung wie die rauere, kompromisslosere Optik der kleineren Schwester. Doch das ist letztlich Geschmackssache!
Ein emotionales, aber nicht perfektes Motorrad
Die Triumph Scrambler 1200 X hat während der Balkan Rally eindrucksvoll gezeigt, dass sie mehr ist als nur ein schickes Retro-Bike. Ihr charismatischer Motor, die stabile Geometrie und die gute Alltagstauglichkeit machen sie zu einem ernstzunehmenden Motorrad, das auch für lange Touren geeignet ist. Auf der anderen Seite gibt es einige Schwächen das defensive ABS, die Vibrationen bei hohen Geschwindigkeiten und das Fehlen eines Tempomats die den Gesamteindruck etwas trüben.
Doch eines ist sicher: Die Scrambler 1200 X ist ein emotionales Motorrad, das mit seinem Charakter und seiner Optik überzeugt. Für Fahrer, die ein starkes, zuverlässiges und optisch ansprechendes Bike suchen, das mehr kann als nur gut aussehen, ist sie eine interessante Option.
"Mit dem breiten Lenker hast du das Gefühl, ein mächtiges Steuerrad eines Schlachtschiffes in den Händen zu halten."
Informationen Balkanrally
Die Balkan Rallye ist keine gewöhnliche Motorradtour, sondern eine Mischung aus Abenteuer, Retro-Charme und exklusivem Genuss. Ursprünglich für Oldtimer-Automobile konzipiert, hat sich die Veranstaltung im Laufe der Jahre auch für klassische Motorräder und Retro-Bikes geöffnet. Der Startschuss fällt traditionell in Budapest, von wo aus die Teilnehmer über malerische Routen durch den Balkan bis zur Küste in der Region Kotor fahren. Die Veranstalter setzen dabei auf höchsten Komfort die Etappen enden stets in ausgesuchten, luxuriösen Hotels. Begleitet von einem Espresso-Mobil und abendlichen Champagner- und Weinverkostungen, bietet die Rallye ein stilvolles Rahmenprogramm, das den Austausch mit Automobil- und Motorrad-Enthusiasten fördert. Doch das ist längst nicht alles: Während der täglichen Etappen müssen die Teilnehmer ihre Ankunftszeit durch das Lösen von Rätseln und das Meistern von Foto-Challenges ermitteln. Zu schnell oder zu langsam zu fahren, bringt Strafpunkte ein es geht also um die perfekte Balance. Trotz des automobilorientierten Fokus der Rallye fühlen sich die Motorradfahrer in der Runde willkommen, denn die entspannte Atmosphäre und die vielfältigen Aufgaben machen die Rallye zu einem einzigartigen Erlebnis, das weit über eine gewöhnliche Tour hinausgeht. Auch 2025 wird die Balkan Rallye wieder mit neuen Routen und Herausforderungen aufwarten ein Event, das auf der Bucket-List jedes Retro- und Motorrad-Liebhabers stehen sollte.
Die Ausrüstung der 1000PS Crew bei der Balkanrally 2024
Die gesamte Crew entschied sich bei der Reise für coole Retro-Style Klamotten von Held. Besonders hervorzuheben sind dabei der Sirmione Gore Tex Sneaker und die stylische Lederjacke Jester.
Für alle Motorräder setzten wir auf die gleiche Gepäcklösung: Die Legend Gear Hecktasche von SW-Motech. Diese vielseitige Tasche ließ sich problemlos befestigen, ist kompakt und preiswert. Auf acht verschiedenen Bikes überstand sie fast 3.000 km bei widrigsten Wetterbedingungen!
Vor der Rallye imprägnierten wir unsere Ausrüstung großzügig mit dem PROTEX Spray von MOTOREX. Während der Rallye kamen die handlichen und nachfüllbaren Mini-Kettenspraydosen von MOTOREX zum Einsatz.
Die Kommunikation funktionierte dieses Mal perfekt. Das gesamte Team war über Cardo Packtalk Geräte verbunden. Die Akkus hielten den ganzen Tag durch, die Geräte waren absolut wasserdicht, und die Soundqualität war hervorragend. Die Kombination aus "Navigationsansagen", "Musik" und "Kommunikation" lief reibungslos, selbst gelegentliche Telefonate brachten das System nicht ins Stocken. Absolute Empfehlung für Gruppenabenteuer!
Beim Helm setzte das gesamte Team auf den HJC V10, der mit verschiedenen Designoptionen punktet und hervorragend zu unseren Maschinen passte. Der hohe Tragekomfort wurde auf der langen Tour besonders geschätzt.
Zur Navigation nutzten wir die Roadbooks der Rennleitung, versuchten aber, die Strecke so genau wie möglich mit Calimoto nachzuzeichnen. Bei der An- und Rückreise setzten wir aufgrund des Wetters auf die schnellste Route über die Autobahn. Wer die Tour bei schönem Wetter nachfahren möchte, sollte die Schieberegler bei Calimoto auf "kurvig" stellen. Hier der Link zum groben Routenverlauf.
Balkan Rally 2024
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Die 1000PS Crew bei der Balkan Rally 2024
Fazit: Triumph Scrambler 1200 X 2024
Die Triumph Scrambler 1200 X ist ein emotionales und kraftvolles Motorrad, das sich auf langen Touren ebenso wohlfühlt wie auf anspruchsvollen kurvigen Strecken. Mit ihrem charismatischen Motor und der stabilen Geometrie vermittelt sie ein starkes Fahrgefühl und zieht mit ihrem markanten Design die Blicke auf sich. Doch auch in praktischer Hinsicht kann sie überzeugen, besonders durch ihre Vielseitigkeit und Alltagstauglichkeit. Allerdings gibt es Schwächen in der Ausstattung und beim Handling, die für ein Motorrad dieser Preisklasse nicht unerwähnt bleiben dürfen.- grandioser Motor
- schöner Anblick
- volles Elektronikpaket
- großer Scrambler (auch) für kleine Leute
- Verbrauch und Emissionen erfreulich niedrig
- Sound bassig wie eh und je
- Gute Alltagstauglichkeit für lange Touren
- Zuverlässige, schräglagenabhängige Traktionskontrolle.
- begrenzte Schräglagenfreitheit
- Abwärme des Auspuffs immer noch spürbar
- Fahrwerk bis auf Vorspannung hinten nicht einstellbar
- Zu defensives ABS auf rutschigem Asphalt
- Spürbare Vibrationen bei hohen Geschwindigkeiten
- Fehlender Tempomat
Bericht vom 15.10.2024 | 6.211 Aufrufe