Ducati Scrambler Nightshift 2021 Test

Identitätskrise!

Aus zwei wird eins! Die neue Ducati Scrambler Nightshift muss eine große Lücke füllen, denn für 2021 fallen die Modelle Full Throttle und Cafe Racer aus dem Scrambler-Programm. Der Hersteller aus Bologna sieht in der neuen Nightshift jedoch den perfekten Ersatz.

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In den letzten Jahren hat Ducati mit der Scrambler Baureihe alles richtig gemacht. Seit der Präsentation Ende 2014 wurde die Scrambler-Sparte unter dem Deckmantel des Land of Joy von den restlichen Modellen abgekoppelt. Zwischendurch wurde die Auswahl an verschiedenen Versionen jedoch unübersichtlich - mit 2021 soll sich das ändern. Neben der Scrambler Icon gibt es nun nur mehr die Modelle Icon Dark, Desert Sled und eben die neue Nightshift.

Neue Ducati Scrambler Nightshift als Straßen Modell

So wie ihre beiden Vorgängerinnen Cafe Racer und Full Throttle lässt die neue Nightshift die Soft-Offroad Ansprüche hinter sich und zeigt als als straßenorientiertes Modell der Scrambler-Reihe. Das stärkste Merkmal dafür befindet sich in der Hand des Fahrers - der flache Lenker. Dieser stammt von der großen Scrambler 1100 Sport Pro und gibt ihr nicht nur eine gedrungene Optik, sondern verändert die Geometrie enorm.

Das Gewicht verlagert sich auf das Vorderrad und während man immer noch sehr aufrecht sitzen kann, macht sich eher das Gefühl eines klassischen Naked Bikes und weniger das eines Scramblers breit. Trotzdem wurde die Scrambler-Standardbereifung in Form des Pirelli MT60 RS behalten, was zwar optische Pluspunkte bringt, im Winkelwerk jedoch seine Auswirkungen hat.

Bereifung nimmt der Nightshift das Gefühl

Aufgrund des niedrigen Lenkers verliert die Nightshift an Agilität, wenn man sie direkt mit dem Basismodell Scrambler Icon vergleicht. Der erhöhte Druck am Vorderrad sollte eigentlich für mehr Stabilität in schnellen Kurven sorgen - doch leider bekommt man davon nichts zu spüren. So cool der Pirelli MT60 RS auch aussehen mag, er ist für dieses Modell ungeeignet. Für ein Bike, das Ducati selbst in der Stadt und der Landstraße positioniert, braucht es keinen Reifen mit Offroad-Optik. Es braucht einen Reifen, der Gefühl für das 18 Zoll Vorderrad gibt. Eine Aufgabe, die der MT60 RS nicht erfüllt. Jede Kurve wirkt ein wenig taub, die Freude hält sich damit in Grenzen. Ein sportlicher Reifen wird empfohlen!

Ducati Scrambler Nightshift Fahrwerk

Doch möglicherweise schrauben wir unsere Ansprüche hier etwas zu hoch. Vielleicht sollte dieses Modell niemals sehr sportlich bewegt werden (schließlich kommt ja auch eine neue Monster). Die 41mm Kayaba Upside-Down-Gabel und das in der Federvorspannung einstellbare Kayaba Federbein liefern nämlich einen angenehmen Kompromiss aus gemütlichem Cruisen und Sportlichkeit. Im Stadt-Alltag muss man sich bei Kanaldeckeln oder Bodenwellen nicht um die Bandscheiben fürchten, auf der Landstraße gleitet sie auch problemlos dahin. Erst bei sehr sportlicher Fahrweise kommt das Fahrwerk an seine Grenzen.

Man könnte meinen, dasselbe Problem müsste es auf der Scrambler Icon geben, die ich 2019 getestet habe. Doch tatsächlich lässt sich dank des hohen Lenkers die ein oder andere Imperfektion im Fahrwerk gut kaschieren und in Spritzigkeit und Agilität umwandeln. Ein Vorteil, den die sportiv anmutende Nightshift nicht so gut umsetzen kann.

Bremsanlage setzt auf Gemütlichkeit

Einen ähnlichen Weg verfolgt die Bremsanlage der 189 Kilogramm schweren Ducati Scrambler Nightshift. Die 330er Scheibe in der Front mit Brembo 4-Kolben-Bremszange und die 245er Scheibe im Heck mit Brembo 2-Koblen-Bremszange geben ein sicheres Gefühl und verzögern bei Bedarf sogar mithilfe eines Bosch Kurven-ABS. Doch auch hier setzt man ebenso auf Gemütlichkeit, anstelle von Sport. Die Vorderbremse braucht Handkraft und auch das Gefühl für den Druckpunkt ist nicht superfein definiert.

Geschmeidiger Motor sorgt für Freude

Tatsächlich macht es den Eindruck, als würde sich die neue Ducati Scrambler Nightshift in der Stadt am wohlsten fühlen. Hier spielt der nun Euro-5 konforme 803 Kubik Zweizylinder seine Stärke aus. Entgegen jeder Erwartung beginnt er bei niedriger Drehzahl niemals zu stottern, sondern nimmt Befehle am Gashahn geschmeidig an und lässt sich somit relativ schaltfaul fahren. Die Anti-Hopping-Kupplung ist zudem dank Hydraulik leicht zu bedienen. Wenn man auf hohem Niveau meckern will, kann der Verlauf des wunderschönen Krümmers genannt werden. Geröstete Schenkel stehen hier am Tagesprogramm.

Lässt man den 73 PS und 66 Nm Drehmoment auf der Landstraße freien Lauf, folgt gleich die nächste positive Überraschung. Das Euro 5 Update hat dem Aggregat in keinster Weise geschadet. Der L90 Motor mit Desmodromik dreht immer noch sauber über das gesamte Drehzahlband und kann auch mit seiner geschmeidigen Gasannahme punkten. Dank des sanften Ansprechverhaltens verzeiht man der Scrambler Nightshift sogar die, nicht vorhandene Traktionskontrolle. Zusätzlich gibt es grünes Licht für Tirol: Das Standgeräusch liegt bei 93 Dezibel. Bei Ducati keine Selbstverständlichkeit.

Identitätskrise auf der neuen Ducati Scrambler Nightshift 2021

Während unserer Zeit im Sattel stellte sich oft die Frage, was die neue Nightshift eigentlich ist. Handelt es sich noch um eine echte Scrambler? Durch das Fehlen des klassischen Scrambler-Lenkers vermittelt sie nämlich das Feeling eines Naked Bikes. Die Serienbereifung und die wunderschönen Speichenfelgen sprechen jedoch klar für einen leichten Offroad-Anspruch. Somit ist die neue Ducati Scrambler Nightshift weder Fisch noch Fleisch. Kein Scrambler, aber auch kein sportliches Naked Bike.

Viel mehr steht sie als cooles City-Bike dar, das mit seiner Lackierung in Aviator Grey, serienmäßigen LED-Blinkern und rundum minimalistischer Optik vor jedem Café einen guten Eindruck macht.

Stauraum dank SW-Motech Hecktasche

Der Test fand im Zuge unserer "1000PS goes Espana" Reise statt. Während dieses Trips testen Schaaf und meine Wenigkeit zahlreiche Motorräder im sonnigen Süden. Um unser Kameraequipment auf den Motorrädern transportieren zu können, entschieden wir uns für SW-Motech PRO Roadpack Hecktasche, die von 8 bis zu 14 Liter Stauraum bietet. Die Montage geht schnell und der Halt auf der Sitzbank ist zuverlässig. Zusätzlich passt sie überraschend gut zur Optik der Scrambler Nightshift!

Fazit: Ducati Scrambler Nightshift 2021

In der Scrambler 800 Modellreihe präsentiert sich die neue Nightshift als Vertreterin für die Stadt und die Landstraße. Der Motor bringt dafür genügend Leistung und ein wunderbar sanftes Ansprechverhalten mit. Fahrwerk und Sitzposition bieten Komfort, um auch mit Kopfsteinpflaster fertig zu werden. Erst bei sportlicher Fahrweise kommt die Ernüchterung, wenn die Bremsanlage einiges an Kraft abverlangt und die Serienbereifung wenig Gefühl übermittelt. Wer jedoch ein cooles Citybike mit Pendler-Potential und viel Charakter sucht, sollte die neue Nightshift definitiv Probe fahren!


  • geschmeidiger Motor
  • bequemes Fahrwerk
  • Kurven-ABS
  • charakterstarkes Motorrad
  • coole Optik
  • niedrige Sitzhöhe von 798 mm
  • wenig Gefühl für das Vorderrad
  • Vorderbremse bedarf Handkraft
  • Fahrwerk stößt bei sportlicher Gangart an seine Grenzen

Bericht vom 19.02.2021 | 56.603 Aufrufe

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