Suzuki V-Strom 1050 XT vs. Triumph Tiger 900 GT Pro 2020

Zwei Wege - ein Ziel: Weit, weit weg!

Kraftvoller V-Twin der alten Schule auf die Euro5-Norm getrimmt oder völlig neu entwickelter Triple? Erinnerungen weckender Nostalgik-Look oder neue, schlankere Linienführung? „Mittleres“ Elektronikpaket oder gleich das volle Rundum-Inklusivprogramm? Es sind unterschiedliche Wege, mit denen Suzuki und Triumph mit ihren neuen Modellen V-Strom 1050 bzw. Tiger 900 um die Reiseenduro-Kundschaft buhlen. Wir sind bereits beide jeweils in den Top-Ausstattungen V-Strom 1050 XT bzw. Tiger 900 GT Pro gefahren und haben den ersten direkten Vergleich…

Der Preis ist kein Argument für diese oder jene

Preislich kommen die Tiger 900 GT Pro und die V-Strom 1050 XT auf Augenhöhe daher, in Österreich sind für die rundum vollausgestattete Triumph lediglich 110 Euro mehr zu berappen (16.400 gegenüber 16.290), in Deutschland ist der Unterschied etwas größer (14.750 gegenüber 14.190 Euro für die Suzuki). Das wird also nicht das große Argument für die eine oder andere sein. Also suchen wir woanders…

Kraftvoller Twin oder harmonischer Triple

Der größte Unterschied zwischen den beiden straßenorientierten Reise-enduros ist mit Sicherheit im Motor zu finden, wo zwei grundverschiedene Charaktere zum Einsatz kommen. Da werkt in der Suzuki mit dem 1.037 Kubik-V-Zweizylinder ein alter Bekannter, der für die neue V-Strom bzw. Euro 5 auf 107 PS zugelegt hat, kraftvoll von unten und aus der Mitte an-schiebt, jederzeit Souveränität ausstrahlt. Triumph setzt weiter auf drei Zylinder, die im neuesten Motor gegenüber dem Vorgängermodell Tiger 800 mit einem spürbaren Plus an Drehmoment punkten, durch einen geänderten Hubzapfenversatz und die neue Zündreihenfolge 1-3-2 erwachsener wirken, auch punkto Sound. Der Tiger liebt bzw. verzeiht untertouriges Fahren, das die Suzuki weniger mag, und ist dennoch jederzeit zum Sprung bereit, um die Krallen zu zeigen, sobald man ihn hochdreht. Nicht abrupt, sondern linear bzw. harmonisch, wie vom Gummiband gezogen. Hat definitiv jedes der beiden Konzepte für sich seinen Reiz.

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Nostalgie gegen schlanke Aggressivität und 7-Zoll-Display

Noch vor dem Anstarten des Motors springen weitere Unterschiede ins Auge. Während die bulliger und erwachsener wirkende Suzuki vom Design ganz auf seine Enduro-Wurzeln setzt und die legendären Einzylinder-Modelle DR Big bzw. DR-Z aus den späten 1980ern huldigt, nicht nur von den Farbgebungen, setzt die Triumph auf eine neue, schlanker und angriffslustiger wirkende Linienführung ist aber trotzdem unverkennbar ein Tiger geblieben. Und während man auf der V-Strom mit einem (gut ablesbaren) LCD-Display auskommen muss, zeigt die Britin sämtliche relevanten Infos auf einem übersichtlichen 7-Zoll-Farb-TFT-Display an, das man in verschiedensten Erscheinungsbildern konfigurieren und mit der My-Triumph-Connectivity-App auch gleich als Multimediazentrale nützen kann.

Deutliches Elektronik-Plus im Tiger

Beide Motorräder verfügen über einen elektronischen Gasgriff Ride by Wire und nützen dies auch für verschiedene Fahrmodi, die bei der Triumph allerdings komplexer umgesetzt sind: Die Suzuki verändert hier nur die Intensität der Gasannahme, (zweistufiges) Kurven-ABS bzw. (dreistufige und auch völlig deaktivierbare) Traktionskontrolle müssen unabhängig davon separat eingestellt werden. Bei der Tiger 900 GT Pro werden diese Para-meter in den einzelnen Modi (Regen, Straße, Sport, Offroad und ein frei konfigurierbarer Rider-Modus) aufeinander abgestimmt voreingestellt. Die Traktionskontrolle arbeitet nur bei ihr kurvenabhängig, bei Suzuki wird da-rauf verzichtet. Dafür haben nur die Japaner eine Berganfahrhilfe, Tempomat ist bei beiden Motorrädern serienmäßig mit an Bord. Für Ausflüge auf unbefestigte Wege ist die Triumph besser vorbereitet, weil im Offroad-Modus das ABS am Hinterrad deaktiviert ist, während man es bei der Suzuki nicht abschalten kann dies kommt in der Praxis aber nur zum Tragen, wenn es offroad etwas flotter wird bzw. über steilere Abfahrten geht.

Vom Fahrverhalten einander ähnlicher als man glauben mag

Auf der Straße sind die Motorräder, sieht man vom erwähnten Unterschied in der Motorcharakteristik ab, einander ähnlicher als man glauben mochte. Beide vertragen auch sportliche Gangart, das 19-Zoll-Vorderrad lässt sich jeweils präzise einlenken, die großzügigen Federwege kommen auch mit schlechten Straßen gut zurande. Bei der Suzuki sind es vorne wie hinten 160 Millimeter, bei der Triumph deren 180 bzw. 170, die Upside-Down-Gabeln lassen sich jeweils voll einstellen, die Federbeine ebenso. Wobei nur die Tiger 900 GT Pro mit einem elektronischen Federbein (nicht semi-aktiv!) aufwarten kann, wo neben der Vorspannung (in vier Stufen, bei der V-Strom lässt sich diese mit einem praktischen Handrad verstellen) auch die Zugstufe bzw. Dämpfung von Komfort bis Sport einstellen lässt ein klares bzw. spürbares Plus gegenüber der Japanerin, die ab Werk eher auf eine komfortables Setup setzt. So wie auch dieser süchtig machende Quickshifter der um ca. 30 Kilo leichteren Tiger, mit dem sich zügig und ruckfrei rauf und runter schalten lässt. Beiden gemein ist eine für Reiseenduros überschaubare Schräglagenfreiheit, bei engagierter Kurvenhatz setzen die Fußrasten regelmäßig auf, Abhilfe verschafft da wahrscheinlich das Entfernen der relativ groß geratenen Angstnippel. Die Bremserei ist, wie sie sein soll, von den Komponenten hat Triumph mit den aus dem Rennsport stammenden Brembo-Stylemas die bessere Ware verbaut, trotzdem gibts auch bei der Suzuki nichts zu meckern.

Entspannt sitzt man auf beiden Motorrädern

So wie auch nicht über die Ergonomie beider Motorräder. Auf der V-Strom sitzt man etwas höher (850 mm gegenüber den 810 bis 830 der Triumph), Sitzposition und Windschutz sind bei beiden auf sehr gutem Reiseenduro-Niveau. Die Scheibe der Tiger lässt sich sogar beim Fahren mit einer Hand in der Höhe verstellen, bei der V-Strom muss man dafür absteigen und vor das Motorrad gehen, funktioniert aber ebenfalls ohne Werkzeug. Auch beim Verbrauch bzw. der Reichweite schenken einander die Kontrahenten nichts, beide werden in der Praxis knapp über 5 Liter auf 100 Kilometer brauchen, was bei ihren 20-Liter-Tanks Reichweiten von über 350 Kilometer pro Tankfüllung absolut realistisch erscheinen lässt, bei sparsamer Fahrweise auch gut und gerne 400.

Fazit Wolf: Triumph Tiger 900 GT Pro vs. Suzuki V-Strom 1050 XT

Wer ein verlässliches Motorrad sucht, das für den täglichen Weg in die Arbeit genauso bereit ist, wie für die große Reise, der findet in beiden eine gute Wahl. Der Preisvorteil, den die V-Strom stets in die Waagschale für kühle Rechner geworfen hatte, ist mit dem neuen Modell zwar weggefallen, dennoch hat die DL 1050 XT mit ihrem souveränen V-2 immer noch ein kräftiges Argument im Köcher. Dazu kommt eine Optik, die Nostalgiker auf den Plan ruft und eine, trotz der eingezogenen Elektronik-Features, gewisse Einfachheit, die sich die V-Strom behielt. Auch die Triumph punktet mit einem charakterstarken Motor, hat aber die Zeichen der Zeit bzw. Elektronik viel konsequenter umgesetzt. Das üppige Ausstattungspaket der Tiger 900 GT Pro (Stichwort Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer, Reifendruckkontrolle etc.) kann in der Mittelklasse seinesgleichen suchen und bietet aktuell vielleicht sogar das beste Preis-Leistungsverhältnis in dem Segment. Doch so unterschiedlich die Wege von Suzuki und Triumph auch sind, das Ziel ist letztlich dasselbe: Aufsteigen, losfahren, am besten weit, weit weg…

Fazit: Suzuki V-Strom 1050 XT 2020

Auch wenn die neue V-Strom 1050 preislich in eine Liga aufgestiegen ist, in der sie sich mehr mit der Konkurrenz vergleichen lassen muss als früher, ist sie sich trotz modernster Sicherheitsfeatures treu bzw. ein unkompliziertes Motorrad geblieben, das bereit ist für die große Reise. Ihr Lieblingsrevier ist die Straße, die dank des guten Fahrwerks auch schlecht und rumpelig sein darf, Offroadpassagen sind ebenso kein Problem, wer allerdings regelmäßig gröberes Terrain sucht, wird eher weniger bei der Suzuki landen. Der süchtig machende Motor in Verbindung mit dem gelungenen Retro-Design und einem immer noch attraktiven Preis wird aber mit Sicherheit seine Fans finden und könnte die V-Strom 1050 in den Zulassungsstatistiken durchaus weit nach vorne bringen.


  • durchzugsstarker Motor
  • wunderbare Ergonomie
  • guter Wind- und Wetterschutz
  • umfangreiches Zubehör serienmäßig
  • gute Reifen-Erstausrüstung
  • Langstreckentauglichkeit
  • gelungene Retro-Optik
  • hohes Gewicht
  • ABS nicht abschaltbar
  • kein Quickshifter serienmäßig

Fazit: Triumph Tiger 900 GT Pro 2020

Gut Ding braucht Weile, sagt man. Bei Triumph hat man sich daran gehalten und mit der Tiger 900 GT Pro ein Motorrad auf die Gussfelgen gestellt, das den langen, erfolgreichen Weg der 800er mit vielen Detail-Verbesserungen fortsetzt und ebenso ein praktisches Alltagsmotorrad ist, wie für ausgedehnte Touren und Reisen. Der Triple ist schärfer geworden und trotzdem immer noch ein harmonisches Aggregat, mit dem auch Einsteiger nichts falsch machen können, ohne dass er den erfahrenen Motorradfahrer langweilt. Und zwar dank ausreichender Federwege auf Straßen unterschiedlichster Qualitäten sowie durchaus auch gemäßigten Offroad-Passagen. Am ersten Eindruck gab es wenig zu bekritteln, wir werden dem Tiger aber sicher noch genauer auf den Zahn fühlen.


  • charaktervoller Dreizylinder
  • agiles Einlenkverhalten
  • Quickshifter serienmäßig
  • elektronisch einstellbares Federbein
  • üppige Serienausstattung
  • gute Ergonomie
  • guter Wind- und Wetterschutz
  • Langstreckentauglichkeit
  • Schalterflut am linken Lenker

Bericht vom 16.02.2020 | 40.837 Aufrufe

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