Helly in Hell

Auf dem Weg von Argentinien nach Chile erlebt Helly Frauwallner das Erdbeben.

Von Argentinien nach Chile

Helly in Hell

Abenteurer und Paris-Dakar Teilnehmer Helly Frauwallner meldete sich aus Südamerika. Soeben hatte er das Erdbeben in Chile miterleben müssen. Er und sein Partner sind unversehrt, Fotos könne er aber noch keine schicken, weshalb wir auf Bildmaterial von der Dakar Rally zurückgreifen mussten. Hier die Einträge aus seinem Tagebuch.

Von Buenos Aires geht es bei schönem Wetter Richtung Sueden Chillar, Choele Choel, Piedra del Aguila. Die Landschaft hat sich von eben in hügelig verwandelt, es gibt schon Kurven und die Bajada Colorada gibt einen herrlichen Überblick über das Land, wo sich die Strasse in weiter Ferne auf einen Punkt konzentriert. In Piedra del Aguila ist der Adler sehr fotogen, ich fahre bis ganz hinauf, um alles aufs Bild zu bringen. Nach einigen Kilometern dann der 1.Patschen bei meinem Vorderrad, kein Problem, denn wir sind zu zweit und ein passender Stein ist auch zu finden, um den fehlenden Hauptständer zu ersetzen. Leider ist nach einigen Kilometern die Luft wieder draussen und nur eine neue Pressluftkartusche rettet die Situation bis zur nächsten Tankstelle, wo auch der Gommista nicht weit ist, der wieder einen neuen Schlauch montiert; der alte ist durch fahren fast ohne Luft erledigt.

Wir kommen nach San Martin de los Andes, ein Fremdenverkehrsort mit allem was dazugehört, nach einer Kaffeepause fahren wir weiter, um uns im Nationalpark eine urige Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Leider sind keine Zimmer zu finden und so fahren wir einige km von der Hauptstrasse entfernt auf einen Campingplatz, machen ein Lagerfeuer und es wird richtig romantisch. Natürlich fängt es auch gleich zu regnen an und regnet die ganze Nacht.


Helly und Alfred wie Asterix und Obelix.


Mein altes, 20 Jahre altes, Zelt, das ich ja nur für den Notfall mitgenommen hatte, ist ja schon sehr porös und so sind wir in der Früh ziemlich nass. Auch während des Tages regnet's weiter, Motorrad fahren ist sowieso ein Wassersport, und wir fahren über die Berge Richtung Chile. Der Pass ist nur 1350 m hoch, also kein Problem. Die Grenzabfertigung ist sehr genau, es wird alles kontrolliert auf Fleisch, Tiere und alle tierischen Produkte, aber die Argentinier und Chilenen stehen ohne zu murren brav in der Schlange. Da nur 1 Schalter geöffnet ist, kann das dauern; wir werden nach vorne dirigiert und nach ca 30 Min. sind wir durch. Ich mag den Regen gar nicht, und wir suchen sofort ein Quartier in Entre Lagos bei einem älteren Ehepaar in altem Holzhaus. Der Wildschweinbraten mit Salat, Bier, Rotwein beschließt den Abend. Alfred ist die ideale Ergänzung für mich, putzt alles Fleisch weg, das ich nicht mehr runterbringe und Alfred ist auch ein guter Ausgleich und Antrieb für mich. So fallen wir beide nach dem Wildschweingelage am Abend wie Asterix und Obelix ins Bett.

Jedenfalls regnet es weiter und es gibt einen Ruhetag. Wie man hoert, war diesmal kein richtiger Sommer, zuviel Regen und viel zu kuehl.,Geschwitzt haben wir nur in BA, da war es extrem heiss und in der Stadt ist das sowieso immer besonders unangenehm und man freut sich über die Klimaanlagen im Einkaufszentrum Galerias Pacifico. Am nächsten Tag nieselts immer noch, aber ich will weiter. Auf einer engen Schotterstrasse kommt mir ein LKW entgegen, bremsen oder ausweichen gibts nicht, und so muss ich ins Schotterbett und konnte gerade noch vermeiden, in den anschliessenden Tuempel zu fallen. - Wiedermal Schutzengel gehabt. Unser Navigationsystem von Garmin führt uns immer in die richtige Richtung. Reisebericht 2d Am nächsten Tag fahren wir bei herrlichem Sonnenschein auf den Vulcan Villarrica in Pucon, schneebedeckt raucht er sein Pfeiferl und der Ausblick auf den darunterliegenden See und die Kette der schneebedeckten Anden ist wunderbar. Reisebericht 2e Wir wollen nun über Temucu nach Talca. Entlang der Autobahn ist schwer ein Zimmer zu finden, und so ist wieder die Luftmatratze und Schlafsack gefragt, die wir in einer Huette im Rohbau ausbreiten. Mein Kreuz ist am nächsten Tag besser als gedacht und ich musste hier erst einmal eine Schmerztablette einwerfen, kurzum es geht mir am Motorrad weit besser als zu hause, Motorrad fahren war fuer mich schon immer die beste Medizin!!! Ohne Probleme erreichen wir am nächsten Tag sicher das Ziel. Santiago de Chile, 03.40 UHR


Häuser schwanken wie Schilfrohre im Wind.


Chile...........wir erleben das schwerste Erdbeben in Chile seit es Aufzeichnungen gibt. Um 03.40 - ein schrecklicher Stoss verbunden mit einem irren Gräusch reisst mich aus dem Schlaf; in derselben Sekunde weiss ich; ein Erdbeben!! Ich rufe Alfred, der neben mir am Boden liegt, er schläft tief, aber ist auf meinen Zuruf sofort hellwach. Das Hochhaus, in dessen 9. Stock wir seit gestern wohnen, schwankt und ächzt und stöhnt verbunden mit dem Heulen unzähliger Alarmanlagen von Autos und Wohnungen. In unserer Hilflosigkeit und Ohnmacht erkennen wir, wie nah der Tod auf einmal ist. Ich halte mich am Fensterrahmen fest und schaue hinaus, die Häuser schwanken wie Schilfrohre im Wind, Alfred kniet am Bett, man kann nur warten und hoffen. Nach ca 30-40 Sekunden extremer Geräusche, Kästen fallen um und verstreuen ihren Inhalt am Boden, Geschirr, Flaschen, Blumenvasen zerbrechen am Boden, der Fernseher knallt zu Boden und zerbricht, wird das Schwanken und Stossen weniger, ist es schon vorbei oder geht es erst richtig los? Draußen laufen Menschen auf die Strasse, werden Autos gestartet und Leute bringen sich in Sicherheit.

Wir sind im 9.Stock, das Licht ist aus, wir ziehen schnell die Hose an, laufen im Licht der Handydisplays auf den Gang und die Nottreppen hinunter auf die Strasse. Hier sind schon viele Leute versammelt, die Chilenen kennen sich mit Erdbeben aus, ziehen sich gleich warm an und nehmen Wasser und Taschenlampen sowie die Autoschlüssel mit. Im Auto ist es besser zu warten, als draußen in der Kälte. Die Leute sind sehr nett und ruhig, für sie sind Erdbeben nichts Besonderes, aber ein Beben der Stärke 8 hier und 8.8 weiter im Süden war hier angeblich zuletzt vor 15 Jahren oder länger. Wir bleiben im Parterre und versuchen, am Boden der Lobby zu schlafen, um beim nächsten Erdstoss gleich ins Freie laufen zu können. Es kommen noch viele Nachbeben bis Stärke 5 oder 6, aber das ist gar nichts im Vergleich zu den brutalen Stößen vorher. Um ca 08.00 Uhr gehen wir wieder hinauf, kein Licht, kein Aufzug, kein Handy, nichts funktioniert. Nichts hält uns mehr in dem Gebäude, in dem man wie in einer Rattenfalle gefangen ist, ohne die geringste Chance, irgendwas zu tun. Unten im Park können wir dann endlich wieder aufatmen - noch einmal davongekommen, heute ist unser neuer Geburtstag. Mit der Zeit erfahren wir dann die wahre Tragödie, die sich abgespielt hat.


Kein Licht, kein Aufzug, kein Handy.


 
Im Sueden, wo wir noch vor einpaar Tagen waren, hat das Beben mit Stärke 8.8 gewütet, die Häuser sind dort nicht nach dem hohen Standart gebaut wie in der Hauptstadt. Während man in der Welt schon alles weiss, sitzen wir ganz ohne Informationen da, von Resi erhalten wir per Sms die wichtigsten Nachrichten. Alle Geschäfte sind geschlossen, ebenso U-Bahn und Flughafen , kein Strom, Händynetz ausgefallen oder überlastet- aber das alles zählt für uns nicht, wir haben Geburtstag. Vom Schlafmangel, den Aufregungen und der Angst sind wir wie vor den Kopf geschlagen, es ist ein seltsamer Zustand, wie in Trance. Heute, am Tag danach, haben wir uns schon beruhigt, in der frueh hungrig nach Gast- oder Kaffeehaus gesucht, alles geschlossen, da noch immer kein Strom. Endlich finden wir ein Hotel Plaza del Bosque, wo man uns zu den Hotelgästen durchschleusst und wir uns am Buffet richtig satt essen können, die haben anscheinend mit Notstromaggregat vorgesorgt und wollen ihre Gäste nicht verhungern lassen.

Danach fahren wir mit der KTM zum Bungalow am Stadtrand, in dem wir die ersten Tage verbrachten, um nach der Besitzerin zu sehen; sie war am Tag des Bebens in den Süden nach Temuco gefahren und wir hatten seit damals trotz vieler Versuche überhaupt kein Lebenszeichen von ihr erhalten. Gott sei Dank erfuhren wir, dass alles in Ordnung scheint, nur die Telefonverbindungen sind alle zusammengebrochen und sie wird auch für die 700 km möglicherweise mehrere Tage brauchen, da Brücken und Strassen zerstört sind. Soeben haben wir die neuesten hiesigen Zeitungen und auch Berichte aus Österreich bekommen. Resi hält uns am Laufenden, das Ausmass der Zerstörung wird immer klarer; es war eines der stärksten Beben seit es Aufzeichnungen gibt. Nocheinmal davongekommen - Gott sei Dank. Bitte bitte, für den nächsten Bericht möchte ich nur Langweiliges erzählen müssen, mein Mass an erlebten Problemen bei dieser Reise ist voll; aber Erfahrung kann man nicht kaufen, es muss alles erlebt und bezahlt werden Helly und Alfred aus Santiago de Chile  


 
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Text: Frauwallner, kot
Fotos: Frauwallner

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Bericht vom 08.03.2010 | 2.251 Aufrufe

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