Kompakte Motorräder sollen Städte entlasten

Studie zeigt enormes Potenzial für Verkehrswende

Auf der EICMA diskutierten Experten über die Zukunft urbaner Mobilität. Eine Oxford-Studie zeigt überraschende Zahlen zum Potenzial motorisierter Zweiräder. Barcelona und Mailand machen bereits vor, wie es funktionieren könnte.

Städte der Zukunft: L-Kategorie-Fahrzeuge als Lösung für urbane Mobilität

Während sich die EICMA traditionell als Schaufenster für die neuesten Motorrad-Modelle präsentiert, rückte die Mailänder Messe auch dieses Jahr wieder grundsätzliche Mobilitätsfragen in den Fokus. Bereits zum dritten Mal in Folge lud der italienische Zweiradverband ANCMA gemeinsam mit dem europäischen Herstellerverband ACEM zur Konferenz über urbane Mobilität. Unter dem Titel "Rightsizing Urban Mobility: L-category vehicles for the cities of tomorrow" diskutierten Politiker, Stadtverwalter und Branchenvertreter, wie Fahrzeuge der L-Kategorie also motorisierte Zweiräder, Dreiräder und Quads zur Entlastung europäischer Städte beitragen können. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt: 2027 sollen viele europäische Städte ihre Sustainable Urban Mobility Plans (SUMPs) umsetzen, die den Verkehr grundlegend neu organisieren werden.

Sofia Pechin, Mobilitätsberaterin bei TRT Trasporti e Territorio, beschrieb den Paradigmenwechsel in der Stadtplanung. Weg von der autozentrierten Verkehrsführung, hin zu Konzepten, die Menschen, Zugänglichkeit und Funktionalität ins Zentrum rücken. Diese Neuausrichtung reagiert auf wachsende Herausforderungen und neue Regulierungen in europäischen Ballungsräumen.

Konkrete Zahlen aus Oxford-Studie

Antonio Perlot, Generalsekretär des ACEM, präsentierte erste Ergebnisse einer Studie von Oxford Economics zur wirtschaftlichen Bedeutung von Motorrädern in Europa. Die vollständige Veröffentlichung wird für die ersten Monate 2026 erwartet. Die vorgelegten Zahlen zeichnen ein aufschlussreiches Bild: Motorisierte Zweiräder sparen Pendlern in der EU und Großbritannien bereits heute geschätzte 25,6 Millionen Tage pro Jahr im Vergleich zur Autonutzung. Eine moderate Verlagerung von lediglich fünf Prozent des Autoverkehrs auf motorisierte Zweiräder könnte weitere 28 Millionen eingesparte Tage bringen, Kostenersparnisse von 3,8 Milliarden Euro generieren und Treibhausgasemissionen im Wert von 308 Millionen Euro jährlich reduzieren. Gleichzeitig würde städtischer Raum in der Größenordnung der Fläche von Paris freigesetzt.

Barcelona und Mailand als Vorreiter

Einige europäische Metropolen haben das Potenzial bereits erkannt und setzen konkrete Maßnahmen um. Barcelona etablierte mit dem Motorrad-Observatorium eine dauerhafte öffentlich-private Plattform, die in Zusammenarbeit mit dem spanischen Zweiradverband ANESDOR entstanden ist. Die Einrichtung dient der Entwicklung und Überwachung von Maßnahmen zur Verbesserung von Sicherheit, Koexistenz und Dekarbonisierung. Mailand, wo motorisierte Zweiräder bereits einen bedeutenden Anteil am täglichen Verkehrsaufkommen ausmachen, fördert aktiv die Flottenerneuerung und setzt Anreize für elektrische Zweiräder. Die Stadt unterstreicht damit ihr Engagement für saubereren und effizienteren urbanen Transport.

Industrie und Verwaltung im Dialog

In der abschließenden Podiumsdiskussion betonten Frank Hansen, Leiter Nachhaltige Mobilität bei BMW Group, Clément Villet, Direktor Land Mobility bei Yamaha Motor Europe, Vito Parisi, nationaler Vizepräsident für öffentlichen Verkehr bei ANCI, Pedro Gomes vom POLIS Network, Sofia Pechin von TRT und Antonio Perlot vom ACEM die Notwendigkeit engerer Zusammenarbeit zwischen Städten, Industrie und Bürgern. Perlot formulierte die Erwartung der Branche konkret: "Wir wollen erreichen, dass politische Entscheidungsträger und Städte das Potenzial dieser Fahrzeuge vollständig anerkennen und sie in zukünftige SUMPs einbeziehen. Dies erfordert engere Kooperation zwischen Behörden und Fahrzeugherstellern." ANCMA-Präsident Mariano Roman kündigte an, den Dialog mit italienischen Städten in den kommenden Monaten fortzusetzen, damit diese die Rolle von L-Kategorie-Fahrzeugen in ihren Mobilitätsstrategien vollständig berücksichtigen.

Fazit

Die EICMA-Konferenz machte deutlich, dass motorisierte Zweiräder zunehmend als Teil der Lösung für urbane Verkehrsprobleme wahrgenommen werden. Mit messbaren Vorteilen bei Zeitersparnis, Kosteneffizienz und Emissionsreduktion sowie praktischen Beispielen aus Barcelona und Mailand steht die Branche bereit, ihren Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Entscheidend wird nun die Integration in städtische Mobilitätspläne bis 2027.

Bericht vom 14.11.2025 | 223 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts