Quo vadis Motorradmessen?

Die klassische Motorradmesse erlebt ein Comeback - zum Glück!

Während der Corona-Pandemie waren keine Live-Messen möglich. Ruckzuck wurden digitale Messen im Web etabliert. Aber die Pandemie ist vorbei und die Live-Messen sind zurück. Das 1000PS-Team ist eben frisch von der EICMA in Mailand retour und soviel ist gewiss: Motorradmessen brauchen den Live-Faktor.

Die EICMA 2025 ist vorbei und was war es doch wieder für ein Motorrad-Feuerwerk. Zig neue Hersteller - überwiegend aus Fernost - die mit teils gigantischen Ständen und unkonventionellen Konzepten sowie fertigen Bikes auf sich Aufmerksam gemacht haben. Egal wie pessimistisch man die aktuellen Zulassungszahlen im DACH-Raum bewertet, in der Motorradbranche steckt so viel Energie wie lange nicht mehr. Ganz so viele Neuheiten wie 2024 haben die etablierten Hersteller im heurigen Jahr zwar nicht gezeigt (es gab auch keine neue Abgasnorm wie damals von Euro 5 auf Euro 5+), aber trotzdem waren die Stände dicht mit Motorrädern jeglicher Gattung gefüllt und die Menschenmengen ab Donnerstag haben eindeutig gezeigt: Motorradfahren ist trendy, cool und begehrt.

Motorradmessen sind wichtig

Vermutlich könnte man den ganzen Kommentar mit einem Satz zusammenfassen: Live-Motorradmessen sind wichtig. Wer keine Zeit hat, kann hier aufhören zu lesen.

Jetzt geht es darum, das "Warum" herauszuarbeiten. Ich möchte das an ein paar Beispielen festmachen. Beispiel eins: Die Intermot. Die vermutlich noch immer größte Motorradmesse in Deutschland findet heuer vom 4.-7. Dezember 2025 statt. In Köln und hoffentlich mit gut gefüllten Hallen. Es ist die erste Messe nach der EICMA, es ist die erste Möglichkeit für die großen Hersteller in Deutschland ihre Neuheiten für 2026 dem Publikum zu zeigen: live, hautnah, zum Anfassen, in Farbe und stereo. Ja, über den Termin Anfang Dezember wurde bereits letztes Jahr viel diskutiert, aber so ganz verstehe ich die Aufregung nicht.

Einerseits ist die Vorweihnachtszeit zwar keine klassische Motorradzeit, aber andererseits diente die Intermot früher dazu, um Vorbestellungen für die neue Saison zu sammeln. Um die Produktionskapazitäten besser einschätzen zu können, um den Importeuren ein Barometer zu liefern, welche Modelle bestellt werden sollte und in welchem Ausmaß. Teilweise war das schwierig, weil die Hersteller ihre Neuheiten noch nicht gezeigt hatten (sondern erst ein paar Wochen später auf der EICMA), es war also nicht jede Katze aus dem Sack und folglich brauchte es die Frühjahresmessen, um die wirklich ganz neues Eisen bestaunen zu können, die man erstmals in Mailand gesehen hat.

Ich persönlich finde den neuen Intermot-Termin Anfang Dezember nicht verkehrt, sofern die Hersteller den Termin als jene Chance sehen, das erste Mal, nur vier Wochen nach der EICMA, alle Neuheiten zeigen zu können. Wenn die Intermot noch Punsch ausschenken würde, bin ich mir sicher, dass es zu der einen oder anderen berauschten Vorbestellung mehr kommen würde.

Winter oder Frühjahr - egal, Hauptsache live

Dass die Wintermonate Motorradmessen nicht ausbremsen, wissen wir anhand von vielen Beispielen. Die Custombike-Show in Bad Salzuflen findet immer deutlich nach der EICMA statt und zieht sein Publikum verlässlich an. Und Bad Salzuflen liegt alles andere als verkehrsgünstig. Die Motorradwelt Bodensee ist im Januar im Vierländereck ein Fixpunkt für Motorradfahrer, auch 2026 wieder, und ist damit auch die erste große Motorradmesse im deutschsprachigen Raum im nächsten Jahr. Ein weiteres Beispiel: Die moto-austria in Wels (Oberösterreich) ist ebenfalls vom 6.-8. Februar 2026 und ist die größte und einzige echte Motorradmesse in Österreich. Früher noch abwechselnd von Jahr zu Jahr einmal in Tulln (Ostösterreich) und einmal in Wels, ist man mittlerweile in Wels jährlich heimisch geworden.

Die moto-austria in Wels darf man ruhig positiv herausstreichen, weil es eine kompakte Messe ist im Vergleich zu den teils riesigen Hallen in Deutschland, aber trotzdem alle wichtigen Hersteller vertreten sind und man alles sieht, was das Motorradherz sehen will vor der neuen Saison.

Größe ist relativ - und zählt wenig

Apropos Größe: Als jemand, der fast alle Zweiradmessen jährlich besucht, habe ich zwei Dinge festgestellt: Die reine Größe einer Messe (Fläche) sagt wirklich wenig aus. Ja, große Hallen (wie sie z.B. die Kölnmesse in Deutschland hat (=Intermot)), wirken pompös und wenn diese bis in den letzten Winkel gefüllt sind, wirkt es mächtig. Aber viel wichtiger als die reine Größe ist die Ausstellerdichte und deren Relevanz. Was bringen mir als Besucher doppelt so viele Aussteller auf riesigen Ständen, wenn mich die Hälfte nicht interessiert? Eben. Aber aus Besuchersicht sind viele Hersteller natürlich wichtig. Man will ja auch Neues sehen, Firmen / Produkte kennenlernen, die man noch nicht am Radar hatte. Auch in meinem Beruf (überwiegend im 1000PS-Vertriebsteam) sind jene Messen reizvoller, wo auch neue Player ausstellen, mit neuen Produkten. Regionale Messe wie die Motorradwelt Bodensee in Friedrichshafen haben den Charme, dass oft regionale Händler die Marken vertreten. Man spricht also wirklich mit den Leuten auf der Messe, wo man nachher kauft und zum Service hinfährt. Hier zählt die Nähe mehr als die pure Standgröße.

Auf einer Intermot ist es etwas anders. Das ist DIE große Messe, wo sich die Hersteller mit deutlich größeren Ständen präsentieren und die Imagekarte ausspielen. Und auch solche Messen braucht es. Denn sowohl wirtschaftlich als auch imagemäßig macht es total Sinn, dass Hersteller in ihrem Land eine Messe auswählen, die intern als Leitmesse gesehen wird. Das sind meistens Standorte mit einem großen Einzugsgebiet, mit moderner Infrastruktur und guter Verkehrsanbindung. Denn Hersteller wollen nicht nur Endkonsumenten auf diesen Messen ansprechen, sondern auch Partner, Medien und die Händlerschaft.

Kommentar Motorradmessen
Präsenz-Motorradmessen kommen nicht aus der Mode.

Warum die Hersteller Motorradmessen brauchen

Kurz vor und auf der EICMA haben ich mich etwas umgehört in der Branche, warum die Hersteller überhaupt auf Motorradmessen ausstellen und exemplarisch die nächste Motorradmesse (Intermot im Dezember 2025) herangezogen. Teilweise sind die Anworten fast selbstverständlich, ein gutes Beispiel ist hier Martin Driehaus von Kawasaki Deutschland: "Nun, die Intermot ist die beste Gelegenheit, unser komplettes Modellprogramm für 2026, inklusive vier Deutschlandpremieren, erstmals in Deutschland zu zeigen. Das wollen wir unbedingt noch vor Weihnachten tun, da sich doch viele Motorradfahrer schon ab der Weihnachtszeit Gedanken darüber machen, welches Motorrad sie in der nächsten Saison fahren möchten."

In ein ähnliches Horn bläst auch Ulrich "Uli" Bonsels von Triumph Motorrad Deutschland: "Wir sind der Überzeugung, dass Messen allgemein noch immer ein wichtiges Verkaufsinstrument sind. Das hören wir immer wieder von Messebesuchern und auch von unseren Händlern. Nur hier haben interessierte Kunden die Möglichkeit, die Modelle für die Sie sich interessieren, direkt live zu sehen, anzufassen, Probe zu sitzen und Fragen zu stellen. Immer wieder hören wir von Kunden, dass Sie den ordentlichen Messeauftritt eines Herstellers sehr wertschätzen und auf der anderen Seite sehr enttäuscht sind, wenn ein Hersteller fehlt. Da wir die lokalen Händler im Umfeld des Messestandortes stets mit Personal ins Boot holen, haben die Händler einen echten Mehrwert und verkaufen direkt auf der Messe nicht selten mehrere Fahrzeuge."

Auch Mike Sommer von BMW Motorrad Deutschland sieht es ähnlich: "Die Intermot ist für uns die perfekte Gelegenheit, die Begeisterung für BMW Motorrad zu teilen probesitzen, live erleben, Benzin reden. Wir freuen uns auf den direkten Austausch mit allen, die Motorradfahren lieben."

Und Ralf Czaplinski vom Elektromotorradhersteller Zero Motorcycles sagt dazu: "Messen sind für unsere Marke enorm wichtig. Wir sind noch immer eine junge Marke, die jede Chance nutzen möchte und muss, um in Kundenkontakt zu kommen. Messen sind daher ideal für uns, weil wir dadurch sehr nahe an unserer Kundengruppe dran sind, den direkten Kontakt haben, Aufklärungsarbeit leisten können und das in einer entspannten und interessierten Umgebung. Daher nutzen wir so gut wie jede Chance, um auf Messen Präsenz zu zeigen und die Marke Zero Motorcycles zu präsentieren."

Messe heißt sich zu vergleichen

Spricht man mit jenen Firmen, die ihr Messe-Engagment zurückgefahren oder gar komplett eingestellt haben, werden oft monitäre oder logistische Gründe genannt. Denn eines ist klar: Messen kosten die Aussteller Geld. Und zwar nicht nur für den Messestand, die Standmiete sowie Getränke und Goodies am Stand selbst. Oft sind es vor allem die Personal- (Wochenendzuschläge / Überstunden) und Logistikkosten (Hotels, Transport), die hohe Summen verschlingen. Daher ist es nur gerecht, das jedes Unternehmen für sich selbst die Rechnung aufmacht: Wie viel ist mir meine Kundennähe wert?

Als Unternehmen eine Messe auszulassen, kann total berechtigt sein, mitunter sogar sinnvoll, wenn einem beispielsweise die Idee fehlt, wie man sein Produkt publikumswirksam präsentieren kann. Denn kein Stand ist fürs das eigene Image vermutlich weniger schadhaft als ein schlechter, liebloser Stand mit ungeschultem Personal. Denn wenn direkt daneben die Konkurrenz auftrumpft, wirkt man auch schon mal verloren.

Es mag hart klingen, aber: Messe bedeutet auch, sich mit dem Mitbewerb zu messen. Der Vergleich zum Rennsport liegt nahe: Wenn ich wirklich felsenfest davon überzeugt bin, dass mein Superbike das Beste oder meine meine Wettbewerbsenduro die Beste ist, werde ich den Wettbewerb suchen. Und selbst wenn ich dann in der Meisterschaft unterliege, lerne ich etwas für die Zukunft und kann mich intern neu orientieren.

Andererseits heißt es auch: Nicht dabei zu sein, ist auch eine Nachricht an mein Publikum. Denn: Messen sind auch Imageträger, wie man in manchen Statements ein paar Zeilen weiter oben herauslesen konnte. In einer immer digitaleren Welt, sind Präsenzmessen fast schon ein Highlight, ein Comeback ruhigerer Tage.

Kommentar Motorradmessen
Viele Bikes, viele Kenner der Branche: Eine Messe ist mehr als nur eine Ansammlung von Bikes an einem Ort.

Muss man Messe neu erfinden?

Dieser Artikel ist ein Kommentar. Es liegt in der Natur der Sache, dass das ein subjektives Schriftstück ist, welches Meinung transportiert und keinen Anspruch auf universelle Gültigkeit hat. Daher möchte ich noch einen letzten Gedanken auf eine Frage teilen, der mir als häufiger Messebesucher seit über 20 Jahren am Herzen liegt: Müssen sich Messen im Jahr 2025/2026 zwangsläufig neu erfinden?

Ich sage nein. Messen sollen entweder Firmen untereinander vernetzen (bei B2B-Messen) oder ein Brückenschlag sein zwischen Industrie und Publikum (bei B2C-Messen). Ich war auf Automessen, wo Mitten im Sommer Eisräume gebaut wurden, größer als Einfamilienhäuser und Achterbahnen mit echten Autos auf drei Etagen durch die Messehallen führten. Es war ein Schaulaufen von "Wer hat den Größten" (IAA). Braucht es das? Nein. Es beeindruckt, aber es braucht es nicht. Was zeichnet also eine gute Messe aus? Leidenschaft. Auf beiden Seiten.

Es braucht eine Industrie und vor allem Industrievertreter auf den Messeständen, die hinter ihren Produkten stehen, diese gerne präsentieren und ebenso gerne ins Gespräch kommen. Andererseits braucht es auch ein Publikum, was anerkennt, dass eine Messe eine gewisse Leistungsschau ist. Aber nicht von unnötigen Spektakeln, sondern von produktseitigen Highlights getragen wird. Ich brauch keinen Eisraum und 3D-Lasershow, wenn ich alle Neuheiten in allen Farben zum Probesitzen vor mir habe und ein geschultes, leidenschaftliches Standpersonal, welches mir Rede und Antwort steht.

Ich brauche nicht 35 Foodtrucks, sondern 2-3 solide Messerestaurants, die mir zu einem fairen Preis ein solides Essen servieren. Manchmal ist weniger mehr. Auch bei Messen. Back to basics - wie man heute wohl eher zu sagen pflegt. Und vielleicht muss man anerkennen, dass Messen heute trotzdem etwas anders sind als vor 20 oder 30 Jahren. Dinge ändern sich, Messen ändern sich. Was bleibt: Die Möglichkeit, einen ganzen Tag nur Motorräder und Zubehör zu sehen, Benzingespräche mit Gleichgesinnten zu führen und neue Marken und Produkte zu erspähen. Und das ist auch nach 20 Jahren noch toll - gut so.

Bericht vom 14.11.2025 | 267 Aufrufe

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