Tour de France
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Abseits der üblichen Pfade |
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Das Département Gard, westlich der Rhône gelegen, wird nach wie vor von den Tourismusströmen nur an seinen südlichen Gestaden berührt. Städte wie Nîmes mit dem berühmten Amphitheater, der Pont du Gard, Aigues-Mortes mit seinem verlandeten Kreuzfahrerhafen oder die Salzwassersümpfe der Camargue ziehen Jahr für Jahr 100 000e in ihren Bann. Die Schönheiten seiner nördlichen Hälfte, mit den unberührten Wäldern und Bergketten der Cevennen, tief durchfurcht von Wildwassern in steilen Schluchten, wie der Cèze oder dem Herault sind nur wenigen bekannt. | |
Die Erkundung dieser Region, die ich schon vor 36 und zuletzt vor 19 Jahren durchquert hatte, war das Ziel einer herbstlichen Reise. Ein weiteres Novum - nach langer Abstinenz auf dem Motorrad würde ich die Tour als Sozia auf einer Kawasaki Versys erleben. Die Maschine wurde von Kawasaki für die Pressereise zur Verfügung gestellt und von Jochen Ehlers dem Inhaber von Endurofun Tours, unserem Organisator gefahren. | |
Als wir Mitte Oktober mit voll gepacktem Kombi, und Motorrädern auf dem
Anhänger in einen grauen Morgen starten, reist die Sehnsucht nach
herbstlicher Wärme mit uns. Passend zum, Schengen sei Dank, kaum wahrnehmbaren Grenzübertritt reißt der Himmel über Frankreich auf, die Autobahn ist längst nicht so befahren wie in Deutschland und wir kommen nach einigen Fahrerwechseln entspannt bis Pont-Saint-Esprit. Es ist Feierabend, wir fließen mit dem Berufsverkehr nach Westen, Stadtauswärts in die Cevennen. |
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Kreuzfahrer, Seide und Hotelgäste | |
Unser Ziel ist die Magnanerie de Bernas ein Dreisternehotel hoch über
dem Tal der Cèze. In den Ursprüngen ein Gebäude aus der Zeit der Templer
und Kreuzfahrer, mit wuchtigen Mauern und Gewölben, wurde es ab dem
19.Jh.zur Seidenraupenzucht und deren Verarbeitung genutzt. Jetzt ist es ein liebevoll restauriertes Kleinod, mit großen provenzalisch eingerichteten Zimmern, die teilweise mit Kamin, eigener Terrasse und immer mit traumhaftem Blick ausgestattet sind, sei es in den großen mediterranen Garten oder weit hinein in die Bergwelt. |
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Es ist die blaue Stunde, als wir entspannt im Restaurant sitzen, auf die übrigen Teilnehmer warten und dabei einen leckeren Hauscocktail genießen. | |
Dieser erste Abend dient dem Kennen lernen innerhalb unserer kleinen
Reisegruppe und der umfassenden Information über das Departement Gard.
Die Pressereferentin Madame Lysianne Boissy D`Anglas vom Comité Départemental du Tourisme in Nîmes und ihre Kollegin Laurence vom Office de Tourisme aus dem nahe gelegenen Goudargues übernehmen diesen Part mit Kompetenz und Herzlichkeit. Unser Hotel verwöhnt uns währenddessen mit einem exzellenten mehrgängigem Menü, dass auch optisch ein Hochgenuss ist. |
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Am nächsten Morgen starten wir zu unserer Rundreise. |
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Der Inhalt der Packtaschen will genau überlegt sein, wird doch das eine
oder andere unterwegs dazu verlocken, als Mitbringsel zur Erinnerung
gekauft zu werden. Das übrige Gepäck kann bis zur Rückkehr ins Basishotel in einem separaten Raum verschlossen aufbewahrt werden und auch unser Pkw parkt sicher auf dem Hotelgelände. Für mich, als einzigen weiblichen Teilnehmer gibt es ein zusätzliches Privileg, Eric, der charmante und weltgewandte belgische Hotelier, bietet Madame an, ihr Zimmer zu behalten. Ich kann also Pumps und kleines Schwarzes im Schrank hängen lassen und freue mich natürlich sehr über dieses nette Angebot. Wie überhaupt die Gespräche mit dem Pächter der Maganerie und seiner sympathischen Frau unsere abendliche Runde perfekt ergänzen. Er selbst ist ebenfalls begeisterter Motorradfahrer und hegt zudem eine, für mich nur allzu gut verständliche, Vorliebe für den guten alten R4. |
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Ein kräftiger Mistral weht über das sonnige Kalksteinplateau, als wir
aufbrechen und über die schmale Zufahrtstraße hinab zur Cèze fahren. Welch gewaltige Kräfte durch das Wasser immer noch auf das Gestein der Cevennen einwirken wird uns bewusst, als wir auf Flusshöhe an einer Baustellenabsperrung auf die eigentliche Streckenführung der D 980 treffen, ein Felssturz hat die gesamte Straße hinab in den Fluss gerissen. Über kleine, kurvige Nebenstraßen fahren wir an diesem sonnig frischen Morgen durch zauberhaft verschlafene Orte wie Barjac, das umgeben von abgeernteten Lavendelfeldern von der Saison ausruht. Zu Ostern wird es mit seinem bekannten Antiquitätenmarkt erwachen. |
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7 Venen, 700 Kurven Uns aber begegnet kein Auto und kaum ein Mensch, als wir über zusehends schmalere Strassen durch dichte Esskastanienwälder immer höher in die Cevennen bergauf schrauben. Ihren Namen erhielten diese trockenen südlichen Ausläufer des Massif Central durch Julius Caesar, der die sieben Hauptflüsse der Region als sieben Lebensadern versinnbildlichte les sept veines, woraus Les Cevennes wurde. |
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Kurze Zeit führt unsere Route über die Grenze ins Nachbardepartement Ardèche. Über Bessèges wieder an den Oberlauf der Cèze, bis um die Mittagszeit die imposante Silhouette des Château de Portes auftaucht. Auf einem schmalen Bergkamm bewachte es einst die wichtige Handelsroute und den Pilgerpfad zum Mittelmeer. In Form eines Schiffbugs gebaut lässt seine trutzige Ruine auch noch nach 900 Jahren die einstige Wehrhaftigkeit und Bedeutung erahnen. | |
Die Landschaft verändert sich, während wir auf einer sehr gut ausgebauten Straße, der D 906 im Flusstal des Gard, der dem Departement seinen Namen gab, weiterfahren. Wir sind in einer der ehemaligen Bergbauregionen Frankreichs angelangt. Stillgelegte Minen mit rostenden Fördertürmen und verschlossenen Fabriktoren sind stumme Zeichen des wirtschaftlichen Niedergangs, der diesen Teil des Gard erfasste, als Mitte der 60er Jahre der Kohleabbau zum Erliegen kam. Inzwischen erholt sich die Wirtschaft und hat durch innovative Projekte, die auch aus EU-Mitteln gefördert wurden, wieder eine neue Basis gefunden. | |
Der Adrenalin- Kick | |
Eines dieser Projekte ist unser nächstes Ziel, der Pôle Mecanique
dAlès, ein restrukturierter Abraumhaldenbezirk, der jetzt in eine
2500m lange Rennstrecke verwandelt wurde. Das Dröhnen der auf der
Strecke fahrenden Motorräder vibriert unter unseren Füssen, während wir
im Tower den Ausblick auf die Rennstrecke genießen. Nicht nur Profis, sondern auch motorsportbegeisterte Privatleute und Clubs testen hier ihre Maschinen und Material, erfahren wir bei einer Führung. Die Mitarbeiterin des örtlichen Office de Tourisme, Magali Bonnet, versorgt uns umfassend mit Informationen. Welche Bedeutung unserer Reisegruppe beigemessen wird, lässt sich daran erkennen, dass der Chef des örtlichen Tourismusverbandes persönlich erscheint um uns zu begrüßen. Ein freundlicher Südfranzose, klassisch im dunklen Jackett mit Goldknöpfen und stolz, uns dieses Erfolgsprojekt vorführen zu können. So erfahren wir, dass sich um die eigentliche Rennstrecke herum viele Betriebe aus der Zulieferer-Industrie angesiedelt haben, sowie mit dem Motorsport arbeitende Handwerksbetriebe. Es gibt Rundkurse für Quads, für Karts, Enduros und eben die Haupt-Rennstrecke. Dazu entstand auch alles an notwendigen Versorgungstrakten mit entsprechendem Personal, die sämtliche mögliche Situationen im Rennbetrieb unterstützen und absichern können. Cool bewegen sich die jungen Fahrer und Mitarbeiter zwischen Büros und Rennstrecke, geprägt durch den lässigen Charme ihres korsischen Chefs. Wir genießen inzwischen ein großartiges Buffet im Tower mit jenem Adrenalinkick, der nur zu spüren ist, wenn der Boden im Takt der sonoren Zweizylinder vibriert. Immer wieder springt einer von uns auf, weil der wespengleiche Klang der Vierzylinder am Start ihn nicht mehr beim Essen hält. Die Sonne brennt inzwischen heiß, ich verfluche meine morgendliche Entscheidung für Thermobekleidung und die Jungs nehmen begeistert das Angebot an, während der Rennpausen einige Runden drehen zu dürfen. Philippe, südfranzösischer Journalist, ehemaliger Rennprofi und Erwin auf seiner BMW, sowie Jochen Ehlers versuchen also den Rundenrekord zu knacken. Na ja, nicht wirklich, aber dafür sind sie mit großem Vergnügen unterwegs. Die drei Stunden auf dem Ring verfliegen und wir verabschieden uns von Laurent Corric, dem dynamischen, korsischen Geschäftsführer des Pôle Mécanique. Nach dieser aufregenden Phase des Tages ist es schwer unserem nächsten Ziel noch die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. |
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Unterirdisch | |
Wir besichtigen die Museumsmine Mine Temoine dAlès. Ursprünglich als Ausbildungszentrum für den Bergarbeiternachwuchs gedacht, bietet sie seit ihrer Schließung einen umfassenden Eindruck von den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bergleute. Beklemmend ist die Dunkelheit und Enge unter Tage. Schrecklich hart und kurz war das Leben der Bergarbeiterfamilien, die oft genug von Kindesbeinen an hier schufteten, Männer, Frauen, Kinder und Grubenpferde, alle gezeichnet von Entbehrungen und den daraus folgenden schweren Krankheiten. Tief atmen wir die herrlich frische Luft beim Verlassen des Stollens ein, in die sich inzwischen die Kühle des Spätnachmittags mischt. Unser Reiseveranstalter drängt sanft zur Eile, denn vor uns liegen noch einige Kilometer Fahrstrecke, bevor wir unser Ziel erreichen werden. |
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Wölfe hinter den Bergen | |
In nördlicher Richtung verlassen wir Alès und passieren den 722m hohen
Col de Baraque. Immer einsamer, immer kurvenreicher wird die Strecke
während wir auf der D 54 über den Col de Penedis nach St.Germain de
Calberte über St.Etienne, Moissac-Vallee-Francaise bis zum Col dExil
fahren.
Endlos scheint sich im Abendlicht Bergkette hinter Bergkette zu reihen.
Die Wälder versinken in tiefere Schatten.
Ab und zu schmiegt sich ein Weiler ins Tal, trutzige Steinhäuser mit
Schieferdächern, aus den Schornsteinen steigt senkrecht der Rauch auf,
es riecht nach Holzfeuern.
Aber viele der Höfe sind verlassen, nur noch Schutzhütte oder Stall für
das Vieh, dessen Glockengeläut leise von den Almen heraufklingt, - die
hellen Töne gehören den Ziegen, die dunklen zu den wenigen Kühen.
Wo bleiben die Wölfe? Ich wäre nicht erstaunt, einen über die freien Hangflächen in den Wald einwechseln zu sehen. Dann eine etwas längere Rast in der einsetzenden Dunkelheit in Les
Plantiers, einem Dorf am Zusammenfluss des Borgne mit einem kleineren
Bergbach. Zwei Restaurants, eine Post, eine Telefonzelle und herrliche
Platanen, eine Steinmauer zum Beine baumeln lassen (und die Seele gleich
mit), das alles bei zunehmender abendlicher Kühle, Stille und Zwielicht. 7000 Serpentinen bis zum Zeitsprung Doch wir müssen weiter, 25 km liegen noch vor uns, die in der Nacht zur Herausforderung werden können.Nach den Serpentinen der D 193 wird am 833m hohen Pass Col du Pas gewartet bis unsere Fünfer-Gruppe wieder komplett beieinander ist, bevor wir hinab ins Tal fahren. Valleraugue, ein beschaulicher Ort am Fluss Herault, ist unser Ziel. Fröstelnd steigen wir von den Motorrädern, als uns der nette Patron des Les Bruyeres durch eine großes, altes Tor in das Gewölbe hineinwinkt, das einst sicher für Kutschen gedacht war und nun als Tischlerei und Holzlager genutzt wird. Wir sind gerade in ein anderes Jahrhundert gefallen, geht es mir durch den Kopf, während wir ihm durch verwirrende Gänge ins Innere dieses noch völlig unveränderten Logis de France folgen. Eine weitere Tür öffnet sich knarrend und wir stehen mit Helmen, Motorradbekleidung und Packtaschen beladen, Zeitreisenden gleich, in einer alten Gaststube. Ein Feuer brennt im Sandsteinkamin, massives, dunkles Mobiliar. Ein Tresen an dem sicher schon seit den Zeiten der französischen Revolution Rotwein und Pastis getrunken wird und eine Freundlichkeit empfangen uns, wie sie nur in touristisch unerschlossenen Gebieten typisch ist. Nach einem ersten erfrischenden Glas Wein bringen wir das Gepäck auf die Zimmer und treffen uns kurze Zeit später im geräumigen Restaurant zum abendlichen Menü. Wir sind nicht die einzigen im gut besuchten Restaurant und der Grund dafür wird uns schon beim Entree klar: die Küche ist hervorragend und wir genießen jeden Gang des Menüs. Für den kommenden Tag stehen uns erneut spannende Bergstrecken bevor und ich bin sicher nicht die einzige, die sich auch im Schlaf noch in die Kurven legt. |
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Nach einem französischen Déjeuner, verlassen wir das Hotel, um ausgestattet mit reichhaltigen Lunchpaketen zu einem Gipfelsturm zu starten. | |
Doch der neue Morgen enttäuscht durch wolkenverhangene Berge und wir
beschließen, uns zunächst das kleine Städtchen genauer anzusehen. Der
Fluss Herault hat ein breites Kiesbett, doch nur in dessen Mitte fließt
noch das klare Gebirgswasser mitten durch den Ort . Kleine Geschäfte,
einige Marktstände und die Geruhsamkeit des unentdeckten Hinterlandes
verführen zum Durchstreifen der Gassen und altertümlichen Torbögen. Als sich der Nebel hebt und den Blick frei gibt auf sonnenbeschienene Bergkuppen beschließen wir aufzubrechen. Doch was für ein Pech, die BMW von Fred unserem Tourteilnehmer aus Berlin, verweigert sich hartnäckig allen Bestrebungen sie in Bewegung zu setzen. 5 erfahrene Motorradfahrer und Bastler können selbst mit vereinten Kräften das Elektronikproblem nicht lösen! Als feststeht, dass auch keine geeignete Werkstatt in der Nähe ist, wird der ADAC eingeschaltet und traurig lassen wir Fred zurück, der den Rückweg mit seiner Maschine antreten will. |
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Eiskalte Aussichten | |
Uns führt Tourguide Jochen weiter in die Bergwelt. Die Serpentinen der D
986 parallel zum LHerault hinauf, durch dichte Wälder, zum
zweithöchsten Gipfel der Cevennen, dem 1567m hohen Mont Aigoual. An
seinen Flanken entspringen zahlreiche Flüsse der Region und die
Bergspitze krönt die letzte Gebirgswetterwarte Frankreichs. Die Luft wird zusehends kälter, der Blick der leicht verfrorenen Sozia fällt auf einen Zaun und den nebelgrauen Abgrund dahinter. - Schafwolle hat sich darin verfangen und weht im Wind. - Schafwolle ? ! Nein, es ist windgeformtes Eis! Ich mache mich ganz klein, bin froh über jede Schicht Thermofutter und mein Visier beginnt am Rand zu vereisen. Jochen werden die Finger klamm, er klopft sie auf dem Tankrucksack warm. Die Baumgrenze ist längst überschritten, fast haben wir den Gipfel erreicht, die karge Landschaft ist dick mit Raureif überzogen, als sich aus dem Nebel der majestätische, trutzige Bau des Observatoire ins Blickfeld schiebt. Riesige Steinquader, wenige Fenster, einer abweisenden Festung gleich trotzt es dem rauen Klima der Bergwelt. Doch wir werden freundlich erwartet, einzig für uns findet eine Führung durch die 600m² Ausstellungsfläche statt. Delphine, die Meteorologin geleitet uns durch die Räume in einem verwirrenden auf und ab steinerner Gänge, Gewölbe und Hallen. Beeindruckend wirken auf mich die beiden riesigen Bildschirme im Eingangsbereich. Sie zeigen, im Minutentakt aktualisiert, das Weltwetter auf dem einen und Frankreichs auf dem anderen an, - was für eine Rechnerleistung in dieser Abgeschiedenheit und Höhe. Bei klarer Sicht bietet sich den Besuchern ein traumhaft schönes Panorama über den Süden Frankreichs und im Winter ist der Aigoual ein beliebtes Wintersportgebiet. Große Fotografien zeigen uns diese Seite des Berges, die uns verborgen bleibt, während wir im Ausgangsbereich die Souvenirabteilung durcheilen. |
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Doch halt, - mein Blick bleibt an einem Stapel handgestrickter
Kaschmirschals in harmonischen Farbabstufungen hängen. In Anbetracht der
Kälte, die draußen auf uns wartet, komme ich ins grübeln: soll ich,
brauch ich? Die Entscheidung fällt nicht wirklich, ich werde
entschieden, die anderen setzen bereits die Helme auf und ich beeile
mich ihnen zu folgen. Auf der D 269 geht es Richtung Tal, aber erst beim Erreichen der D 48 Richtung Süden wird es langsam wärmer. Wir passieren im dichten Bergwald mehrere Wasserfälle, halten kurz an den Cascades de Orgon und den C. de lHerault. Schmal sind so kurz hinter der Quelle die in den Fels gegrabenen Rinnen und dick mit saftig grünem Moos überzogen. Eine Märchenwald Atmosphäre mit würziger Waldluft, in der es nach Herbstlaub und Pilzen duftet, umfängt uns. In den Esskastanienwäldern die jetzt unseren Weg begleiten, sammeln französische Familien Maronen. |
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Freaks und französischer Kaffee | |
Auf der gut ausgebauten aber kurvenreichen Straße erreichen wir rasch
das nächste Etappenziel: Le Vigan, im Tal der Arre gelegen.
In der kleinen Gemeinde wurde morgens Markt abgehalten, die meisten
Stände sind bereits verpackt und während die städtische Kehrmaschine
blinkend und ratternd den Platz umkurvt, sitzen Händler und Kunden
entspannt in den Cafes.
Interessierte Blicke bleiben an der Kawa Chopper VN 800 unseres
Mitfahrers Bernd hängen, dessen outfit perfekt zur Maschine paßt.
Die Szenerie ist absolut entspannend und wir beschließen mit einer
längeren Pause uns diesem savoir viere anzuschließen.
Mein Blick schweift von meiner Tasse mit dampfendem Kaffee über die
anderen Gäste, ich lausche dem Sprachgewirr und denke: hier sind sie
also abgeblieben, all die Freaks, Aussteiger, Spät- u .Original Hippies!
Älter sind sie geworden, viele mit ihren Kindern unterwegs, oder sind es
bereits die Enkel ? Das modische Styling ist jedoch so unverkennbar von
den 60er und 70er Jahren geprägt, dass ich mich kurz frage, ob hier
gerade ein Film gedreht wird.
Nein, alles ist echtes Leben und am spezifischen Geruch ist
unverkennbar, dass hier nicht nur der Dampf von Kaffeetassen aufsteigt. |
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Perfekt bis zum Abgrund | |
Auf einer Brücke aus dem 12.Jh. überqueren wir den Arre und folgen der D
48 bis Montardier, über die D 113 und Blandas geht es Richtung Cirque de
Navacelles. Ein spektakuläres Panorama liegt vor uns, als wir vom Hochplateau aus unvermittelt in den über 300m tief abfallenden Trichter blicken, den der Fluss Vis hier in das weiche Kalkgestein gewaschen hat. Über engste Haarnadelkurven winden wir uns auf einer neu asphaltierten, perfekten Straße in den Talgrund. Dort liegt im ehemaligen Flussbett der Vis das winzige Dorf la Baume -Auriol umschlossen von den steil aufragenden Felswänden. Wir folgen der D 25, Kurve reiht sich an Kurve im Gorges de la Vis, gerade Streckenabschnitte gibt es so gut wie gar nicht und ich bin als Sozia allein in der glücklichen Lage diese einmaligen Ausblicke zu genießen. Doch der pure Fahrspaß begleitet uns alle, Autos? Fehlanzeige! Jeder genießt es sich nur den Kurven und dem eigenen Fahrvermögen anpassen zu müssen und fährt so sportlich oder entspannt durch den traumhaften Canyon, wie er mag. In Madières, treffen alle wieder zusammen, um die Reise jetzt in sanfteren Schwüngen auf der nach wie vor makellosen D25 bis nach Ganges fortzusetzen. |
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Die kleine lebhafte Stadt Ganges verlockt uns zu einer weiteren Pause,
wieder sitzen wir unter Platanen, trinken Espresso und halten die
Gesichter der tief stehenden Sonne entgegen. Doch es sind der Kurven noch nicht genug! Nach dieser Stärkung führt uns Jochen weiter durch dichte Esskastanienwälder über Sumène am Rand der Montagne de la Fage, durch Colognac und Lasalle bis zum im Sonnenuntergang leuchtenden Anduze. |
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Das Tor zu den Cevennen | |
Der letzte Streckenabschnitt der D 57 bzw. D 907 ist gerade und
unkompliziert. Unseren südfranzösischen Teilnehmer Philippe auf seiner
600er Kawasaki sticht hier der Hafer, er liefert sich ein kleines
Rennen mit einem französischen Basic-car und wir verlieren ihn aus den
Augen. Während wir problemlos zu unserem Hotel finden, wird es noch eine
gute Stunde dauern, bis auch er dort auftaucht und lachend eingesteht,
sich hoffnungslos verfahren zu haben. Unser heutiges Hotel ist der komplette Kontrast zum vorherigen ! Das La Porte Des Cevennes ist ein modernes Gebäude, abseits der Strasse gelegen, mit einem herrlichen Ausblick in die südfranzösische Landschaft, die, obwohl nur wenige Kilometer Luftlinie vom morgendlichen Ausgangspunkt entfernt, hier bereits einen ganz anderen Charakter angenommen hat. Den vielen Annehmlichkeiten dieser Unterkunft wie Schwimmbad, innen und außen, oder dem Fitnesscenter kann sich keiner von uns widmen. Wir genießen erneut ein ausgedehntes französisches Menü inklusive Wein und tauschen die Eindrücke des Tages untereinander aus. Dabei verfallen wir in ein buntes englisch-französisch-deutsches Sprachgemisch, das am Nachbartisch von einem netten älteren Ehepaar in perfektem Oxfordenglisch kommentiert wird. Uns ficht das nicht an, geht es doch einzig darum, dass Philippe an unseren Gesprächen teilnehmen kann. Es ist schon skurril, - ein Südfranzose zwischen deutschen Tourteilnehmern, im eigenen Land geführt durch einen deutschen Organisator! Eine Situation über die wir an diesem Abend nicht zum ersten und letzten Mal scherzen. Der nächste Morgen bringt uns neben einem reichhaltigen internationalen
Frühstücksbuffet auch strahlenden Sonnenschein und wir verlassen Anduze,
eine einstige Hochburg des Protestantismus. |
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Wie überhaupt die Cevennen letzte Rückzugsgebiete der Hugenotten waren und in vielen der kleinen Orte vor Jahrhunderten schreckliche Gemetzel stattfanden. Auf der D 982 begleitet uns der Gardon dAnduze bis zur Einmündung in den Gardon dAles und schnell ist das erste Etappenziel erreicht. | |
Romantik | |
Vezenobres, eines jener, villages de France , dem Zusammenschluß der
schönsten historischen Dörfer Frankreichs angehörenden Gemeinwesen
erhebt sich vor uns auf einer Anhöhe. Befestigt überblickt der Ort seit Jahrhunderten die weite Ebene mit fruchtbarem Ackerland, neben den Klassikern Wein und Oliven, hat es sich einen Namen durch den Anbau von Feigen und deren Weiterverarbeitung gemacht. Am höchsten Punkt des malerischen Vezenobres zeigt eine prächtige Fayencescheibe die Himmelsrichtungen und alle am fernen Horizont nur zu erahnenden Landmarken auf. Über enge Passagen, Durchgänge, Gassengewirr und glattes Kopfsteinpflaster rollen wir durch den hübsch restaurierten Ort, mit seinen pittoresken baulichen Details, wie Sandsteinportalen, schönen alten Haustüren mit originalen Türklopfern und immer wieder Ausblicken auf die verschachtelte Dachlandschaft. Eine sonntäglich stille Komposition in Sandstein beige und Terrakotta rot. Uns erwartet jetzt wieder die Weite der Landschaft, wir tauchen ein in die Garrigues. |
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Flirrende Luft | |
Vorbei an einer herbstlichen Jagdgesellschaft führt die Route der D 115
durch ebenes Terrain. Die Straße bleibt aber schmal, kurvenreich und
völlig unbefahren. Die Temperaturen steigen, flimmernd liegt der Asphalt
vor uns, es duftet nach wildem Rosmarin, Thymian und dem Gagelstrauch,
die zusammen mit Ginster, knorrigen Steineichen und einzelnen Pinien ein
undurchdringliches Dickicht bilden, eben die Garrigue. Schon von Ferne sehen wir den 629 m hohen Mont Bouquet, wie von Riesenhand geschleudert überragt er das flache Land, ein einsamer Vorbote der weit dahinter liegenden Cevennen. An windstillen Tagen nutzen Paraglider die Aufwinde und Freeclimber seine senkrechten Steilwände. Wir nehmen lieber die Serpentinen des schmalen Zufahrtweges bergauf. Oben angekommen überrascht uns ein spektakulärer 360° Blick über das Land. Der Mistral rauscht mächtig in den windgeformten Pinien, unsere kleine Gruppe sitzt windgeschützt neben einer kleinen Kapelle in der Sonne. Die Gespräche verstummen, jeder hängt seinen Gedanken nach, während der Blick weit bis zum Mittelmeer schweift, den Mont Ventoux streift, um am fernen Alpenpanorama hängen zu bleiben. Die ersten beginnen zu dösen. Niemand fotografiert mehr, alle nehmen nur noch das magische Licht über der Ebene in sich auf. Es fällt schwer, diesen Rastplatz zu verlassen, doch die Kurven rufen wieder nach uns und wir folgen. |
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Köstlicher Duft | |
Über Lussan, einen kleinen befestigten Ort am Ufer des Flusses Aiguillon
und die Gemeinde Verfeuil gelangen wir in die Nähe des bekannten Bagnols,
biegen aber vorher auf Höhe des Chateau Sabran in Richtung Megiers ab.
Wir sind mitten zwischen ausgedehnten Weinfeldern und Rebhängen, die
Weinlese ist abgeschlossen, uns steigt der schwere Herbstduft der
vergorenen Trauben immer wieder in die Nase, als wir auf den Hof des
Weingutes Domaine La Remejeanne einbiegen. Eine freundliche, eindeutig hoch betagte Hundemeute kündigt heiser bellend und schwanzwedelnd unser Eintreffen an. Bonjour begrüßt uns herzlich Ria Klein, die gemeinsam mit ihrem Mann Remy dieses Weingut aufgebaut hat. Nach beruflichen Stationen in Tunesien und Marokko haben sie sich hier niedergelassen und produzieren in biologischem Anbau auf 38 Hektar einen Côte du Rhône, der ihnen bereits einige Preise eingebracht hat. Nach einer Führung durch ihren Betrieb stehen wir im steinernen Gewölbe und hätten jetzt gern eine umfangreiche Weinprobe absolviert, aber wir müssen noch fahren! So bleibt es bei einigen winzigen Schlückchen und der Mitnahme ihres Kataloges, in dem auch neben den Weinen das Olivenöl der Familie Klein vermarktet wird. Fahrt doch noch nach Goudargues gibt uns Ria einen Tipp für die Weiterfahrt. |
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Zufriedenheit | |
Noch ein spätnachmittäglicher Stop in Goudargues, mit seinem malerischen
Kanal, gesäumt von Cafes und Restaurants. Ein heißer Capuccino wärmt
mich durch, denn bevor wir den Anstieg zur La Magnanerie de Bernas
antreten, soll noch ein Fotostop im wenige Minuten entfernten Montclus
eingelegt werden. Der malerische, befestigte Ort liegt direkt an der
Cèze und blickt auf eine kriegerische Epoche während der
Hugenottenverfolgung zurück. Viele der Sandsteinfassaden verfallen, aber
mindestens ebenso viele Häuser sind gerettet und werden ganz
offensichtlich als Feriendomizile genutzt. An der Brücke über die Cèze bestaunen wir ein letztes Mal die gewaltigen Kräfte des leise dahinplätschernden Flusses. Riesige Baumstämme haben sich im Frühjahrshochwasser vor den Brückenpfeilern aufgestaut und bilden, von der Sommersonne gebleicht, eine mahnende Kulisse für die letzten Fotos der Reise. Müdigkeit macht sich breit, als wir uns unserem Basishotel wieder nähern. Abendlich kühl ist es, eigentlich schon zu spät um noch draußen zu sitzen. Trotzdem - wir beschließen den Tag und die Reise mit einem Pastis auf der Terrasse. Die Straßenkarten liegen auf dem Tisch vor uns, leise Wehmut macht sich jetzt, am letzten Abend breit, die einen sind gedanklich schon auf der Heimreise, ich hingegen sehe vor mir noch immer Kurven, die sich in den Bergketten verlieren. Überragt vom Wasserberg dem Mont Aigoual, rieche ich würzige, kühl-frische Waldluft. |
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Ích muss da noch mal hin! Schon wegen der Kaschmirschals. | |
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Text: Hoyer |
VOLLI
Weitere BerichteBericht vom 15.04.2011 | 4.358 Aufrufe