Yamaha R7 World GP 60th Anniversary Test 2022
Schön, schnell und praktisch - Yamaha Testtag 2022
Wo sonst kann man Motorräder besser auf ihre sportlichen Fähigkeiten testen, als auf der Rennstrecke?! Genau deshalb machte ich mich auf den Weg zum Yamaha-Testtag 2022 auf der französischen Rennstrecke Anneau du Rhin um vier verschiedene Yamaha-Modelle auf ihre Sportlichkeit zu prüfen. Von der wunderschönen Yamaha R7 World GP 60th Anniversary-Edition über die bärenstarke MT-10 und die agile Tracer 9 GT bis zur dreirädrigen Niken GT - welche ist wohl die beste für einen handlichen Kurs?
Ich erwähne es lieber gleich zu Beginn, bevor Unklarheiten auftauchen - ja, es hat wie so oft geregnet, als ich zum Yamaha Testtag 2022 nach Frankreich reiste. Natürlich könnte es ein unbelegter Mythos sein, dass es regnet, wohin auch immer ich reise. So wie das Märchen, dass es in London stets und ständig regnen würde. Angeblich haben zahlreiche Regionen dieser Erde, die man mit besonders wenig Niederschlag in Verbindung bringt, statistisch mehr Regen als London. Irgendetwas Wahres dürfte aber dran sein, wenn sogar schon das Gros der Journalisten die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und raunzt: Na bravo, wenn du da bist, muss es ja regnen!
Die Yamaha MT-10 - Unterstützung statt Unterdrückung!
Macht nix, sag ich mir, machen wir das Beste daraus, immerhin sind die Testbikes allesamt mit modernen, Silica-aufgepeppten Reifen und Sicherheitsfeatures ausgestattet. Mal mehr, mal weniger, denn gerade bei den elektronischen Assistenzsystemen trennt sich die Spreu vom Weizen. Da wäre mal als Aushängeschild der von mir getesteten vier Maschinen die MT-10, die sich mit dem Jahrgang 2022 völlig neu präsentiert und im Zuge der Euro5-Updates nicht nur 6 PS mehr bekam (166 PS statt vormals 160 PS), sondern auch ein Elektronik-Package, das dermaßen unauffällig und gut funktioniert, dass der Spaß niemals unterdrückt sondern einfach nur unterstützt wird.
Die Yamaha Tracer 9 GT - am Ende von ihrer Charakteristik geschlagen
An Power und Performance mangelt es also der MT-10 am vergleichsweise kleinen Anneau du Rhin keinesfalls und die vergleichsweise aufrechte Sitzposition geht auch voll in Ordnung - eine klare Siegerin also? Im Bereich der Hyper-Naked Bikes gewiss eine der besten Optionen, für mich allerdings trotzdem nur die zweite Wahl. Also doch lieber die agile Tracer 9 GT? Vom grenzgenialen CP3-Triebwerk her könnte sie durchaus eine Gefahr für die MT-10 sein, denn die 119 PS aus dem ohnehin stärker wirkenden Reihen-Dreier gehen so herrlich kräftig ans Gas, dass es nur so eine Freude ist. Und auch bei ihr regeln die elektronischen Helferlein wie Traktionskontrolle und Riding Modes herrlich angenehm und schlüssig. Allerdings steht dem Sieg am Ende doch das höhere Gewicht, die hochbeinigere Charakteristik und insgesamt nun mal das gesamte Konzept als Reisetourer im Weg. Bitte nicht falsch verstehen, die Tracer 9 GT kann mit ihrem bärigen Triebwerk und der ohnehin genialen Handlichkeit innerhalb ihres Segments so ziemlich alle anderen Sporttourer schlagen - aber meine Favoritin eben nicht.
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Die Yamaha R7 - ein Supersportler ist für die Rennstrecke nun mal am besten
Ihr werdet es schon geahnt haben, welche der vier Maschinen wohl meine (kleine) große Liebe ist - die Yamaha R7 stellt als Supersportler nun mal das beste Bike für die Rennstrecke dar. Allerdings war ich selbst überrascht, dass mir die R7 so gut gefällt, denn man könnte ihre Auslegung durchaus als halbherzig beurteilen. Schon alleine der Motor holt mit vergleichsweise lächerlichen 73,4 PS und 67 Newtonmeter Drehmoment niemanden hinter dem Ofen hervor, doch gerade das macht die R7 auch auf der feuchten Piste so erstrebenswert: Der CP2-Reihenzweizylinder geht erstaunlich kräftig aber eben doch gut kontrollierbar ans Werk. Auch die Sitzposition ist ein Hammer, keineswegs völlig rennstreckenorientiert mit arger Last auf den Armen, sondern mit einer gemäßigten Lenkerhöhe, die aber immer noch das beste Gefühl für das Vorderrad in meinem Quartett bringt.
Yamaha R7 World GP 60th Anniversary-Edition - Besitzerstolz inklusive!
Die Bedienung der Elektronik dürfte schließlich auch niemanden überfordern - außer einem herkömmlichen, nicht verstellbaren ABS gibt es nämlich nichts an Bord. Fehlte mir aber auch nicht, sogar das klassische LCD-Cockpit stört nicht, obwohl ich davor und danach auf modernste Farb-TFT-Displays blicken durfte. Bei der R7 60th Anniversary Edition macht sich bei mir schließlich auch dieser gewisse Besitzerstolz bemerkbar, auch wenn ich sie nur für einige Turns auf der Rennstrecke besaß. Aber Schönheit hat offenbar nicht zwangsläufig mit hohen Kosten zu tun, der Perlmutt-Lack mit den roten Akzenten, das gelbe Startnummern-Feld an der Front und vor allem die (voll verstellbare) goldene Gabel an der Front sind ein absoluter Hingucker. Wem die R7 trotzdem zu billig ist - es gibt auch von der R1 eine 60th Anniversary Edition. Und falls sie jemandem immer noch zu teuer ist, es gibt auch die R3 und sogar die R125 in diesen Editions, jeweils ebenfalls mit der tollen Lackierung und den goldenen USD-Gabeln! Der Aufpreis sollte jedenfalls kein Hindernis sein, bei den kleineren Modellen mit rund 300 Euro/Franken, bei der R7 mit 400 Euro/Franken und bei der R1 mit 500 Euro/Franken ist der Mehraufwand fast schon unverschämt niedrig!
Die Yamaha Niken GT - Siegerin beim Anders-als-die-anderen-Faktor
Und wer mich nun daran erinnern möchte, dass ein Quartett doch eigentlich aus vier Modellen besteht, hat natürlich Recht. Was ist denn mit der Niken GT, die doch eigentlich auf nasser Fahrbahn mit ihren zwei Vorderrädern einen riesigen Vorteil haben müsste? Das lässt sich in der Tat nicht leugnen, mit keiner anderen Maschine bin ich ab dem ersten Meter so sorglos und ungeniert in die Kurven gestochen, wie mit der Niken GT. Und man kann auch wirklich viel Spaß mit diesem einzigartigen Konzept haben. Allerdings ließen sich (für mich) das hohe Gewicht von 263 Kilo fahrfertig (75 Kilo mehr als die R7!) und die vergleichsweise doch etwas behäbigere Front nicht wegdenken. Auch die etwas ruppige Traktionskontrolle ließ weniger Spaß als bei den anderen Modellen aufkommen. Geht es allerdings um Einzigartigkeit und den Anders-als-die-anderen-Faktor, hat die Niken GT ohnehin schon vor dem ersten Meter gewonnen.
VAULI
Weitere BerichteBericht vom 25.03.2022 | 9.838 Aufrufe