Woran der Umstieg auf Elektro beim Motorrad (noch) scheitert

Setzen sich E-Mopeds und Motorräder bei uns jemals durch?

Beim Thema Elektro-Zweiräder hinkt Europa eher hinterher. In Asien sind fast die Hälfte der Neuzulassungen elektrisch, bei uns kräht fast kein Hahn danach. Woran das liegt, haben wir uns angesehen.

In Asien boomt der E-Zweirad-Markt! Warum dort schon 42 % der 2021 zugelassenen Zweiräder elektrisch angetrieben sind, erklären wir hier im Bericht. Heute schauen wir uns die andere Seite der Welt und des Elektro-Marktes an. In Europa wachsen die Neuzulassungen von elektrischen Motorrädern und Rollern zwar auch, doch bleiben sie im Vergleich zum gesamten Zweirad-Markt nur eine Randerscheinung.

Europas Elektro-Motorräder und -Roller in Zahlen

"Über 150 Prozent Zuwachs in Deutschland" titelte motorradonline.de im Mai 2022 in Bezug auf gestiegene Zulassungszahlen bei E-Zweirädern. Klingt als wären Elektro-Motorräder und E-Roller also auch bei uns bald eine große Nummer. Doch sogleich kommt im ersten Absatz wieder die Relativierung. Von 226.793 Neuzulassungen von Krafträdern im ersten Quartal 2022 in Europa machen E-Krafträder mit 8.936 Stück nur 3,9% aus. Zum Vergleich: In China allein waren es 2021 9,5 Millionen zugelassene E-Krafträder, was knapp die Hälfte aller Zulassungen ausmacht. Auch in den USA haben Elektro-Zweiräder trotz eines frühen Starts noch keine Revolution auslösen können. Seit 2006 entwickeln die Pioniere bei Zero Motorcycle schon E-Bikes, mit im Jahr 2020 weltweit 3.500 verkauften E-Motorrädern sind die Verkaufszahlen aber überschaubar. Das gleiche Muster findet sich auch bei Harley-Davidsons Livewire oder den Motorrädern des italienischen E-Bike-Herstellers Energica wieder: Viel Aufwand beim Entwickler, wenig Interesse bei der Kundschaft. Da schaffen es eher noch die Hersteller von kleinen E-Rollern für den urbanen Verkehr ihre Maschinen an den Mann zu bringen. Super Soco holt sich im ersten Quartal 2022 mit elektrisch angetriebenen Leichtkrafträdern mit 27,04% Marktanteil die Marktführung in Deutschland. Das sind ganze 189 Stück. Selbst im Vergleich mit nur den neuzugelassenen Leichtkrafträdern des gleichen Zeitraums, insgesamt 14.514 Stück, ein verschwindend geringer Anteil. Der erste Grund für diesen durch die Bank eher mäßigen Erfolg der E-Zweiräder in Europa liegt in der Art, wie wir motorradfahren.

Das Motorrad als Hobby - Der große Unterschied im Zweirad-Markt

In den wohlhabenden Industrieländern der westlichen Hemisphäre sind Motorräder hauptsächlich ein Hobby. Ein Luxus, den man sich zur Entspannung mal gönnt, um den Kopf frei zu kriegen, Spaß zu haben und Dampf abzulassen. Dem gegenüber stehen fast alle anderen Gegenden der Welt, wo Zweiräder hauptsächlich aus pragmatischen Gründen genutzt werden. In Asien, Afrika und Südamerika können sich viele Menschen kein teures Auto leisten und nutzen stattdessen Motorräder und Roller für tägliche Fahrten. In Kombination mit den viel größeren Bevölkerungszahlen dieser Teile der Welt ist unser Luxus-Motorrad-Markt im Verhältnis unbedeutend. Weniger als fünf Tage brauchte 2020 der chinesische Markt allein, um den Jahresabsatz der Zweirad-Marktes Deutschlands zu übertrumpfen. In Indien und China allein gingen knapp 31 Millionen Zweiräder über die Ladentheke, 9,5 Millionen waren es in ganz Europa. Zwar ist der Einkaufspreis und Wert der Maschinen bei uns um ein Vielfaches höher, doch gleichzeitig kostet ein 1200 Kubik Motorrad mit modernster Elektronik, üppiger Ausstattung und feinsten Komponenten auch in der Entwicklung und Produktion viel mehr als die kleinhubigen Einzylinder-Bikes und Roller der dritten Welt.

Nun kommt im anspruchsvollen europäischen Markt noch der komplexe Elektro-Antrieb hinzu und möchte sich etablieren. Doch während sich die kurzen Fahrten im dichten Gedrängel der fernöstlichen Metropolen ohne große Probleme elektrisch zurücklegen lassen, gilt das schon nur mehr bedingt für unsere Verwendungszwecke. Selbst eine kurze Wochenendausfahrt kann schnell länger als 300 km ausfallen und das schaffen nur die wenigsten E-Zweiräder, selbst wenn man die Herstellerangaben hernimmt. Und dann lieben es auch noch viele der heimischen Biker das Gas aufzureißen und mit breitem Grinser flott durch die Radien zu zirkeln, was der Reichweite des E-Antriebs den Todesstoß versetzt. Selbst Elektro-Reisemotorräder, wie zum Beispiel die Energica Experia mit ihren 420 km Reichweite am Papier, schaffen unter den typischen Touren-Bedingungen deutlich weniger als vergleichbare Verbrenner-Bikes und können obendrein nicht in wenigen Minuten wieder komplett aufgefüllt werden. Aber die Ungleichheit zwischen Verbrenner-Bikes und E-Zweirädern beginnt nicht erst auf der Straße, sondern ist schon im Schauraum des Händlers zu finden.

Förderungen für Elektro-Motorräder und -Roller - Ein Tropfen am heißen Stein

28.786 Euro kostet eine Energica Eva Ribelle in Deutschland. Noch ein paar Häkchen beim Zubehör angeklickt und der Preis hält schnell mal erst knapp unter 40.000 €. Zero Motorräder sind auch kein Schnäppchen. Ab 26.415 € kann man zum Beispiel ein SR/S Modell erstehen. Da sind aber weder Rapid-Charger, oder der größere Power Tank dabei, die jeweils noch einmal mehrere Tausend Euro Aufpreis mit sich bringen. Auch die kleine, 15 PS-starke Zero DS kostet beachtliche 18.405 €. In Österreich das gleiche Bild: Die Harley-Davidson Livewire liegt mit ihrem Startpreis von 33.625 € im gehobenen Preissegment, um es nett auszudrücken. Vor allem in Anbetracht des gebotenen Pakets, meist üppige Ausstattung, edle Komponenten, endlos Drehmoment aber gleichzeitig auch wenig Reichweite und hohe Massen, ziehen die E-Motorräder beim Preis/Leistungs-Vergleich gegen die Verbrenner den Kürzeren. Aber selbst für Piloten, die der Umwelt zuliebe die Nachteile der E-Maschinen in Kauf nehmen, wird vom Staat nur kaum unter die Arme gegriffen.

800 € Förderung gibt es in Österreich für E-Mopeds (Klasse L1e). Für E-Leichtmotorräder (Leistung = 11 kW) lässt der Staat 1.200 € springen, für E-Motorräder (Leistung > 11 kW) 1.900 €. Im Vergleich zu den oben beschriebenen, exorbitanten Preisen höchstens ein Tropfen am heißen Stein und kein wirklicher Anreiz, sich ein Elektro-Motorrad zuzulegen. Lediglich im Bereich der kleinen E-Stadtroller stehen Kaufpreis und Förderung in einem vernünftigen Verhältnis. 3.179 € kostet zum Beispiel der Yamaha NEO Roller, da machen 800 € Förderung einen Unterschied. In Deutschland gibt es keine bundesweiten, einheitlichen Förderungen für E-Motorräder und -Roller. Manche deutschen Städte und Kommunen bezuschussen jedoch den Kauf von Elektro Fahrzeugen mit zwei Rädern. So werden in München zwei- und dreirädrige Elektroleichtfahrzeuge mit 25 % der Nettokosten bis maximal 1.200 € gefördert. Außerdem gibt es noch eine Förderung über die Treibhausquote vom Bund, die gleichermaßen auf E-Autos und E-Zweiräder angewendet werden kann. Die THG Quote des Umweltbundesamtes wird entsprechend des jeweiligen E-Fahrzeug Typs berechnet, liegt zwischen 250 bis 400 Euro jährlich (Stand: 01/2022) und wird monatlich ausbezahlt. Alles schön und gut, doch auch weit entfernt davon, bei den teuren E-Motorrädern einen relevanten Unterschied zu machen.

Der Krux mit dem Wetter - Das kalte Klima als Hindernis für E-Motorräder und -Roller

Ein weiterer, zwar ziemlich offensichtlicher, doch weitreichender Grund, warum E-Zweiräder bei uns nicht boomen, ist das kältere Klima. Das gilt womöglich weniger für die südlichen Länder, doch die Wintermonate Mittel- und Nordeuropas machen den Umstieg vom Auto auf Zweiräder sehr unattraktiv. Zwar ist die Fahrt mit dem Moped in der Regenzeit in Asien sicher auch kein Spaß, doch im Gegensatz zu den Europäern sind die ärmeren Bevölkerungen der Entwicklungsländer nicht allgegenwärtigen Luxus und Komfort gewöhnt. Der Fabrikarbeiter in Vietnam muss sich zwar nicht mit Minustemperaturen und Schneefahrbahnen herumschlagen, fährt aber auch bei Wind und Regen mit seinem Moped zur Arbeit. Zusätzlich wird aber auch die Technik des E-Antriebs von kalten Temperaturen beeinträchtigt und der Akku entlädt sich schneller. Dass es auch in Europa widerstandsfähige Leute gibt, die sich vom Wetter nicht abhalten lassen, beweist die finnische Gemeinde Oulu. Obwohl die Stadt nur 200 km südlich vom arktischen Kreis liegt, ist sie ein Hot-Spot für Fahrradfahrer. Damit sich aber größere Teile der Bevölkerung den äußeren Widrigkeiten aussetzen, bräuchte es andere starke Gründe für E-Zweiräder. Und die fehlen bisher noch!

Nicht für Motorradfahrer geeignet - Die Elektro-Infrastruktur

Die notwendige Infrastruktur für Fahrzeuge mit E-Antrieb, allen voran Ladestationen, wird zurzeit stark ausgebaut. Ladesäulen sprießen regelrecht aus dem Boden, in Österreich gibt es schon 13.809 öffentliche Ladepunkte, in Deutschland sind es mit Stand 1. Oktober 70.751 Ladesäulen. So weit, so gut. Doch zwei Probleme hat die Infrastruktur noch, gerade im Bezug auf Motorrad- und Rollerfahrer. Im städtischen Bereich, wo E-Zweiräder gut reinpassen, ist vor allem die Dichte der notwendigen Ladestationen eine Herausforderung. Wenn Städter in großem Stil auf E-Fahrzeuge umsteigen, werden unzählige Lademöglichkeiten auf engstem Raum gebraucht, meist auch noch zur gleichen Zeit. Dies bei dem schon jetzt beschränkten Platz großer Städte zu schaffen, ist schwer. Die Lösung könnten austauschbare Akkus sein, die bei zentralen Ladestationen aufgeladen und bei Bedarf einfach umgesteckt werden können. In Taiwan hat der Roller-Hersteller Gogoro genau damit den Markt übernommen und auch hier in Europa haben sich KTM, Piaggio und Co. schon auf einen gemeinsamen Standard für Wechsel-Akkus geeinigt.

Das zweite Problem der Infrastruktur liegt in der Priorisierung des PKW-Sektors. Ladestationen werden zwar fleißig gebaut, doch noch beschränken sie sich hauptsächlich auf stark befahrene Gegenden, wie urbane Gebiete, Autobahnen und Verkehrsknotenpunkte. Das sind jedoch genau die Gebiete, die viele Motorradfahrer bewusst meiden. Als freiheitsliebendes Hobby findet Motorradfahren eher auf abgelegenen Strecken, kurvigen Straßen oder hohen Gebirgspässen statt. Doch ohne E-Motorräder in großer Zahl, lohnt sich der aufwendige Bau von Ladestationen für die Betreiber nicht. Ohne Ladestationen an den Motorradstrecken gibt es aber wieder einen weiteren Grund, der Biker vom Kauf eines E-Motorrads abhalten kann. Mit der Zeit kann sich die gesamte Situation natürlich ändern, doch derzeit wird der Motorradmarkt nicht wirklich beim Ausbau der E-Infrastruktur bedacht.

E-Antrieb, Wasserstoff, oder E-Fuels? - Die Zukunft des Motorradfahrens auf der Kippe

Also werden sich E-Mopeds und -Motorräder bei uns jemals durchsetzen? Die Antwort: Wer weiß was die Zukunft bringt? Manche Prognosen sind sich sicher, dass E-Zweiräder nur eine Frage der Zeit sind, manche Motorradhersteller wiederum sehen den E-Antrieb als keine Option für leistungsstarke Motorräder. Wie auch immer die Zukunft aussehen mag, derzeit sprechen hierzulande einige Dinge gegen E-Motorräder. Die Fahrdynamik von Motorrädern macht eine Implementierung des elektrischen Antriebs sehr schwer. Bei leistungsschwachen Rollern und Motorrädern im urbanen Umfeld ist dieses Problem zwar nicht vorhanden, doch dem Erfolg stehen hier unsere Auto-zentrierte Kultur, das kältere Klima und fehlende Infrastruktur im Weg. Hinzu kommt die besondere Stellung des Motorrads als Hobby und die extrem hohen Preise von E-Motorrädern, die kaum vom Staat abgefedert werden. Technologische Innovationen und verstärkte Bemühungen in den Sektor könnten zukünftig Abhilfe schaffen. Doch inzwischen sind nicht nur Teile der Motorrad-Community skeptisch, auch manche Hersteller zweifeln den E-Antrieb als nächsten Schritt für die Motorrad-Industrie an. So hat zum Beispiel KTM angegeben, dass sie für die leistungsstarken Modellreihen in Zukunft keinen Umstieg auf den Elektro-Antrieb planen. Stattdessen sieht man in Mattighofen die E-Fuels, oder den Wasserstoff-Antrieb als vielversprechender. Mehr als Kaffeesudlesen und gespannt abwarten bleibt uns Endnutzern derzeit nicht. Doch mit nahenden Verbrennerverboten und einem verstärkten Fokus auf alternative Energiequellen ist eines fix: Die nächsten Jahrzehnte werden für den Motorradmarkt sicher turbulent und revolutionär.

Quellen: protocol.com, oeamtc.at, focus-mobility.de, BloombergNEF, Bundesverband Elektromobilität Österreich, virta.global

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Bericht vom 17.12.2022 | 20.756 Aufrufe

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