Honda DCT vs. E-Clutch im Alltags- & Touren-Test

Zwei alternative Motorrad Schalttechnologien im Vergleich

Automatische Schaltsysteme werden immer populärer. Honda setzt mit DCT seit Jahren Maßstäbe, die neue E-Clutch verspricht Komfort ohne Kontrollverlust. Wir vergleichen beide Systeme im echten Touren-Alltag von der Stadt bis zur Landstraße.

Automatische und halbautomatische Schaltsysteme sind längst kein exotisches Nischenthema mehr. Gerade Honda treibt diese Entwicklung seit Jahren konsequent voran und bietet mit dem Doppelkupplungsgetriebe DCT eine Lösung an, die sich über mehr als ein Jahrzehnt am Markt bewährt hat. Mit der neuen E-Clutch erweitert der Hersteller sein Angebot nun um ein System, das bewusst näher an der klassischen Motorradbedienung bleibt. Beide Technologien wurden bereits technisch analysiert und einzeln vorgestellt. Was jedoch oft fehlt, ist der direkte Vergleich unter realistischen Bedingungen. Genau hier setzt dieser Test an. Ziel ist es nicht, theoretische Vorteile abzuwägen, sondern herauszufinden, welches System im echten Motorradalltag überzeugt. Vom morgendlichen Stop and Go in der Großstadt über entspanntes Cruisen bis hin zu sportlicher Landstraßenfahrt zeigt sich, wie unterschiedlich die beiden Konzepte funktionieren und für welche Fahrertypen sie gedacht sind.

DCT oder E-Clutch? Großstadtverkehr als erste Bewährungsprobe

Der Startpunkt liegt im dichten Morgenverkehr Wiens. Kaum ein Umfeld ist besser geeignet, um Komfortsysteme auf Herz und Nieren zu prüfen. Beim Honda DCT übernimmt die Elektronik vollständig das Schalten. Zwei elektronisch gesteuerte Kupplungen bedienen abwechselnd die geraden und ungeraden Gänge. Während eine Kupplung öffnet, schließt die andere, wodurch Gangwechsel extrem schnell und nahezu frei von Lastwechselreaktionen ablaufen. Die Steuerelektronik berücksichtigt Parameter wie Geschwindigkeit, Drehzahl und Gasgriffstellung und entscheidet selbstständig über den optimalen Gang. Dieses System ist seit rund 15 Jahren am Markt und gilt zu Recht als Platzhirsch unter den automatisierten Motorradgetrieben.

Die E-Clutch verfolgt einen anderen Ansatz. Statt eines komplexen Getriebes kommt ein rund zwei Kilogramm leichtes Modul zum Einsatz, das direkt am Kupplungsdeckel montiert ist. Elektromotoren steuern die Kupplung, während ein klassisches Kupplungsseil erhalten bleibt. Geschaltet wird weiterhin über den Fußhebel, die Kupplungsbetätigung erfolgt elektronisch. Gerade im Stadtverkehr zeigt sich, wie sinnvoll diese Kombination sein kann. Beide Systeme erfordern eine kurze Eingewöhnung, da die Leistungsabgabe direkter erfolgt als bei einem Roller oder manueller Kupplungsdosierung. Verzögerungen gibt es nicht, die Kraft wird sofort ans Hinterrad übertragen.

Feinfühligkeit und Kontrolle im Stop and Go Verkehr

Im direkten Vergleich offenbart das DCT seine enorme Reife. Das Anfahren gelingt extrem sanft und gleichzeitig präzise. Der Sweetspot zwischen kontrollierter Kraftentfaltung und geschmeidigem Vortrieb wird nahezu perfekt getroffen. Selbst enges Durchschlängeln zwischen Autokolonnen wirkt mühelos. Mit gezieltem Einsatz der Hinterradbremse lassen sich selbst kleinste Manöver sauber ausführen. Die E-Clutch agiert etwas direkter. Nach kurzer Gewöhnung funktioniert auch hier das Mitschwimmen im Verkehr problemlos, gelegentlich wird die Kupplung jedoch etwas zügiger freigegeben. Dieser Effekt bleibt eine Nuance, denn in der überwiegenden Zeit erleichtert die E-Clutch den zähen Stadtverkehr deutlich. Ein entscheidender Vorteil ist die jederzeit verfügbare manuelle Kontrolle. Wenn es wirklich eng wird, kann der Fahrer sofort selbst eingreifen. Zudem lässt sich durch bewusstes Fahren im zweiten Gang ein besonders sanfter Vortrieb erzeugen, da die Kupplung länger schleift und die Leistung behutsamer aufgebaut wird.

Vom Stadtrand ins entspannte Cruisen

Sobald der Verkehr abnimmt und sich Wiens Stadtrand öffnet, verändert sich der Charakter der Fahrt. Das Tempo wird gleichmäßiger, der Fokus liegt nun auf entspanntem Vorankommen. Hier tritt der grundlegende Unterschied der Systeme deutlich hervor. Beim DCT entfällt jegliche Schaltarbeit, während die E-Clutch den Fahrer weiterhin aktiv einbindet. Dieser Unterschied wirkt zunächst simpel, beeinflusst das Fahrerlebnis jedoch spürbar. Die Schaltpflicht ist aber kaum ein Nachteil für die E-Clutch. Der seidig laufende 650er Reihenvierzylinder der CBR erlaubt es, extrem schaltfaul unterwegs zu sein. Hohe Gänge lassen sich über einen erstaunlich großen Geschwindigkeitsbereich nutzen. Selbst im Ortsgebiet kann der fünfte oder sechste Gang problemlos gefahren werden, ohne dass der Motor unruhig wirkt.

Selbst für schaltfaule Piloten eignet sich die CBR650R, da der Reihenvierer extrem elastische Gänge bietet und sehr gut mit der E-Clutch harmoniert. Es wird spannend, wie es sich zukünftig bei anderen Honda Modellen und Motorkonzepten verhält.
Selbst für schaltfaule Piloten eignet sich die CBR650R, da der Reihenvierer extrem elastische Gänge bietet und sehr gut mit der E-Clutch harmoniert. Es wird spannend, wie es sich zukünftig bei anderen Honda Modellen und Motorkonzepten verhält.

Interessant ist auch das Verhalten bei Abbiegevorgängen. Selbst wenn im hohen Gang abgebogen wird, dosiert die elektronische Kupplung den Kraftschluss so präzise, dass der Vorgang kaum auffällt. Zwar bedeutet das ein längeres Schleifen der Kupplung und ist aus Verschleißsicht nicht ideal, im Fahrgefühl bleibt es jedoch unauffällig. Vergessene Schaltvorgänge werden im Display per farbigem Pfeil angezeigt doch in der Fahrdynamik elegant kaschiert, die Drehzahl passt sich sanft an, bis die Kupplung vollständig schließen kann.

Unaufgeregt, smooth, intuitiv - das DCT überzeugt seit Jahren.
Unaufgeregt, smooth, intuitiv - das DCT überzeugt seit Jahren.

Produkttipps

Beschleunigen und Überholen im direkten Vergleich

Beim Thema Beschleunigung und Überholen zeigt die E-Clutch ihre emotionale Stärke. Auch wenn das Schalten weiterhin Aufgabe des Fahrers ist, entsteht hier ein sehr direktes und aktives Fahrerlebnis. Gerade beim Herausbeschleunigen aus Ortschaften oder bei spontanen Überholmanövern überzeugt die Kombination aus drehfreudigem Motor und schnellen, ruckfreien Gangwechseln. Mit der E-Clutch kann man auch mit Vollgas herunterschalten. So macht das Runterknallen mehrerer Gänge in Begleitung des immer höher kreischenden Motors sehr viel Spaß. Der Reihenvierzylinder benötigt Drehzahl, um Druck aufzubauen, und genau hier spielt die E-Clutch ihre Vorteile aus.

Da die elektronische Steuerung der E-Clutch auch bei Gangwechseln aktiv wird, kann man mit voll geöffneter Drosselklappe runterschalten und den Reihen-Vierer zum Kreischen bringen. Ein cooles Gefühl!
Da die elektronische Steuerung der E-Clutch auch bei Gangwechseln aktiv wird, kann man mit voll geöffneter Drosselklappe runterschalten und den Reihen-Vierer zum Kreischen bringen. Ein cooles Gefühl!

Das DCT schaltet ebenfalls schnell und lastfrei, wirkt dabei jedoch etwas distanzierter. Der Zweizylindermotor der NC bietet mehr Drehmoment im unteren Bereich, aber weniger Drehfreude. Dadurch fällt die emotionale Komponente beim Beschleunigen geringer aus. Zwar kann der Fahrer auch hier manuell eingreifen, doch die Freiheit bleibt etwas eingeschränkter als bei der E-Clutch. Positiv fällt auf, dass das DCT in dieser Ausführung sehr nah an einer menschlichen Schaltlogik agiert und selten Entscheidungen trifft, die irritieren.

Vielseitige Landstraßen als idealer Prüfstand

Die Route Richtung Ottensteiner Stausee bietet perfekte Bedingungen für einen praxisnahen Vergleich. Vom flachen Tullner Feld über hügelige Abschnitte bis hin zu schmalen, kurvigen Straßen mit wechselnder Asphaltqualität ist alles dabei. Beim entspannten Dahingleiten überzeugen beide Systeme durch hohe Souveränität. Je enger und fahraktiver die Strecke wird, desto deutlicher treten jedoch ihre Eigenheiten hervor. Gerade dieser direkte Vergleich auf einer einzigen Tagestour macht sichtbar, wie stark das jeweilige Schaltkonzept das Fahrerlebnis prägt.

Sportliche Fahrweise und DCT Regelstrategie

Auf flotteren Passagen zeigt das DCT, wie gut seine Regelstrategie funktioniert. Der Wechsel vom Standard in den Sportmodus verändert das Schaltverhalten deutlich. Die Gänge werden länger gehalten, Hochschaltvorgänge erfolgen später und das Getriebe bleibt konsequent in höheren Drehzahlen. Selbst bei rund 100 kmh verweilt es im dritten Gang, solange der Fahrer aktiv am Gas bleibt. Erst bei längerer konstanter Fahrt wird hochgeschaltet, wobei der sechste Gang bewusst gemieden wird. So steht jederzeit ausreichend Leistung zur Verfügung. Besonders für den eher gemütlich ausgelegten Zweizylindermotor ist das ein klarer Vorteil. Das Schaltverhalten wirkt logisch und vorhersehbar, manueller Input bleibt jederzeit möglich.

Das DCT schaltet schon von selbst sehr natürlich und intuitiv, aber gerade vor engeren Kurven lohnt es sich über die Tasten manuell einzugreifen, um die Motorbremse optimal zu nutzen.
Das DCT schaltet schon von selbst sehr natürlich und intuitiv, aber gerade vor engeren Kurven lohnt es sich über die Tasten manuell einzugreifen, um die Motorbremse optimal zu nutzen.

E-Clutch und sportliches Motorradfahren

Mit der E-Clutch bleibt das sportliche Fahrerlebnis näher an dem, was man von klassischen Motorrädern kennt. Die Gangwahl liegt vollständig beim Fahrer, die elektronische Kupplung sorgt für saubere Übergänge. Auffällig ist, dass Runterschalten unter leichter Gasöffnung oft geschmeidiger gelingt als bei geschlossenem Gas. Beim harten Anbremsen und gleichzeitigen Runterschalten in Schräglage zeigt sich jedoch eine Eigenheit. Da kein klassischer Blipper mit aktivem Rev Matching verbaut ist, kann die einsetzende Motorbremse leichte Unruhe ins Heck bringen. Dieses leichte "Schwanzeln" fällt vor allem dann auf, wenn das Hinterrad durch starkes Bremsen entlastet ist. Wer den typischen Blipper Effekt schätzt, könnte diesen Aspekt vermissen. Insgesamt fühlt sich die E-Clutch jedoch sehr natürlich an und vermittelt das Gefühl eines klassischen Motorrads, das im Hintergrund intelligent unterstützt.

Fazit: Einordnung der Systeme und Zielgruppen

Am Ende der Tour lässt sich eine klare Trennung ziehen. Die E-Clutch richtet sich an Fahrer, die das gewohnte Motorradgefühl beibehalten möchten, aber gezielt in gewissen Fahrsituationen mehr Komfort suchen. Besonders im Stadtverkehr und beim entspannten Cruisen nimmt sie Arbeit ab, ohne den Fahrer zu entmündigen. Das DCT hingegen spricht jene an, die maximalen Komfort wollen und sich vollständig vom Schalten lösen möchten. Wer sich lieber auf Linie, Verkehr oder Landschaft konzentriert, findet hier ein ausgereiftes System, das auch in dieser Ausführung voll überzeugt. Beide Konzepte funktionieren hervorragend und zeigen, dass moderne Schalttechnologien längst nicht mehr nur Komfortlösungen sind.

DCT und E-Clutch sind zwei gut durchdachte Systeme und tolle Alternativen zur konventionellen Motorradtechnologie.
DCT und E-Clutch sind zwei gut durchdachte Systeme und tolle Alternativen zur konventionellen Motorradtechnologie.

E-Clutch und DCT verfolgen unterschiedliche Philosophien, überzeugen im Alltag aber gleichermaßen. Die E-Clutch bewahrt das klassische Fahrgefühl mit zusätzlichem Komfort, das DCT bietet maximale Entlastung ohne Kontrollverlust. Entscheidend ist nicht besser oder schlechter, sondern welcher Fahrstil besser zum jeweiligen System passt.

Fazit: Honda NC750X DCT 2025

Die Honda NC750X behält auch mit dem Jahrgang 2025 ihre Talente, was Alltagstauglichkeit, praktische Details, Zugänglichkeit und niedrigen Verbrauch betrifft. Das einzigartige DCT Doppelkupplungsgetriebe ist sogar noch besser, weil harmonischer abgestimmt. Ein neuer Aspekt ist nun die Sportlichkeit, die Motor- und Getriebeeinheit und das agile Handling mit tiefem Schwerpunkt schon vorher möglich machten, nun aber durch die neue, stabilere Doppelscheibenbremse an der Front auf ein neues Level gehoben wird. Durch die ausgeprägte Touren-Tauglichkeit verwundert es nicht, dass sich die NC750X trotz oder vermutlich sogar gerade wegen ihres bereits 13-jährigen Bestehens so gut verkauft. Wer es sich leisten kann, sollte unbedingt in die DCT Doppelkupplung investieren – das macht die NC750X erst so richtig einzigartig!


  • sehr handlich
  • günstig
  • niedriger Verbrauch
  • top Handling dank niedrigem Schwerpunkt
  • 23 Liter Stauraum anstelle des Tanks
  • Doppelkupplungsgetriebe DCT
  • einstellbare Fahrmodi
  • gute Bremsen
  • Windschild nicht verstellbar

Fazit: Honda CBR650R E-Clutch 2025

Die Honda CBR650R ist eine tolle Mittelklasse-Supersportlerin für die Landstraße, die den Spagat zwischen Sportlichkeit und Zugänglichkeit sehr gut schafft. Aber das schaffen auch andere Eisen der Klasse. Was die CBR besonders macht, ist der Oldschool-Reihen-Vierzylinder in ihrem Herzen. Beschleunigungsrennen gewinnt man damit keine, dafür begeistert der Reihenvierer mit seiner seidigen Leistungsentfaltung und kreischender Drehfreude im oberen Drehzahlbereich. Und mit der neuen E-Clutch Technologie holt man durch knackige Schaltwechsel das meiste aus dem Motor und erhöht durch die elektronische Bedienung der Kupplung massiv den Komfort im Stadtverkehr.


  • Kreischender, zum Ausdrehen verführender "Oldschool"-Reihenvierzylinder
  • stabile, doch nicht übermäßig harte Gabel
  • Gut abgestimmte Bremsen
  • Sportliche, doch nicht zu extreme Ergonomie
  • Grandioses E-Clutch System
  • Schönes TFT Display mit intuitivem Bedienkonzept
  • Federbein könnte in Schräglage stabiler dämpfen
  • Kniewinkel kann mit langen Beinen recht spitz ausfallen

Bericht vom 20.12.2025 | 894 Aufrufe

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