Yamaha Tracer 700 Testbericht

neuer MT07 Ableger im Sporttourer Kleid

Die Tracer 700 ist bereits der vierte Ableger der MT-07. Doch wer bei der Tracer einfach eine MT-07 mit großem Tank vermutet, hat weit gefehlt. Yamaha hat es geschafft, mit kleinen durchdachten Änderungen ein komplett neues Bike aufzustellen.

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Ganz ehrlich, den Begriff Sport Touring hab ich immer mit Touring Bikes in Verbindung gebracht, bei denen die Ingenieure verzweifelt versuchten, die Sportlichkeit eines Superbikes mit Nützlichkeit und Komfort eines Alltagsfahrzeuges zu verbinden. Dementsprechend skeptisch war ich, als ich zu der Präsentation der Tracer 700 fuhr.

Ich hatte bereits vor zwei Jahren die Ehre, als einer der Ersten die MT-07, welche die Basis für die Tracer 700 stellt, auf der Präsentation zu fahren. Damals war ich von dem Bike wie viele Motorradfahrer schwer begeistert. Die MT-07 zählt seit Anbeginn zu den meistverkauften Bikes in Europa. Keine schlechte Ausgangsbasis also, um einen neuen Ableger auf den Markt zu bringen. Wie aber eingangs schon erwähnt, machte mich das Wort Sport Tourer etwas skeptisch. Auf den Bildern sah die Tracer zwar schon ganz annehmbar aus, allerdings kann man ein Bike erst so richtig beurteilen, wenn es in voller Größe vor einem steht. So geschehen letzten Donnerstag, als uns die kleine Tracer auf der Pressekonferenz vorgestellt wurde. Und ja die Tracer sieht auch in natura sehr gut aus. Yamaha lehnte sich in Sachen Design stark an die große Schwester an. Kantige Linienführung, größerer Tank, verstellbares Windschild, Doppelscheinwerfer - die neue Tracer soll auch als Solche erkannt werden.

Eine der wichtigsten Aufgaben eines Motorradjournalisten ist ja, die wichtigsten Details der meist 2 stündigen und dementsprechend lähmenden Pressekonferenzen, die in ganz arger Selbstbeweihräucherung enden, herauszufiltern. Hier also wie folgt:

  • Frontpartie: große Doppelscheinwerfer für optimale Ausleuchtung bei widrigen Lichtbedingungen, kantiges Design, verstellbares Windschild, höherer und breiter Lenker
  • Fahrzeugmitte und Heck: größerer 17 Liter Tank soll für bis zu 370 Kilometer reichen (ist sich beim Test nicht ausgegangen) einteilige Komfortsitzbank, steiferer Heckrahmen um die Reisetauglichkeit mit Sozia und Gepäck zu erhöhen. Eine längere Schwinge bringt mehr Ruhe in das Motorrad.
  • Fahrwerk: die Gabel wurde nur leicht modifiziert um das Mehrgewicht von 17Kg gut zu handeln. Deutlich straffer viel die Abstimmung des Federbeines aus, um für das zusätzliche Gewicht von Sozia und etwaigen Gepäck gerüstet zu sein.

Wahrscheinlich gibt es keine bessere Gegend, um ein Touring-Motorrad vorzustellen, als die Dolomiten in Italien. Wir fuhren dort während der Präsentation insgesamt 250 Kilometer und inhalierten da ganz normal acht (8!!!) Pässe und unzählige Kehren. Unsere Tour startete im Fassatal und führte uns gleich hoch zu den 3 Zinnen. Was mir an der Tracer 700 gleich gefiel, war das einfache Handling. Nach dem Powerpoint Marathon am Vorabend hatte ich durch die längere Schwinge und dem Mehrgewicht von 17kg ein etwas trägeres Fahrzeug vermutet. Doch weit gefehlt, die kleine Tracer wirkt zwar optisch etwas wuchtig, ist aber federleicht zu manövrieren. Das geniale daran, sie wirkt aber nie instabil oder nervös, meines Erachtens nach hat man bei der Tracer die optimale Balance zwischen stabilen und agilen Fahrverhalten gefunden.

Sehr angenehm fand ich auch die Sitzposition, entspannter Kniewinkel und eine schön aufrechte Rückenposition, machen deinen Chiropraktiker überflüssig. Gewalttouren über tausende Kilometer? Mit der Tracer 700 gerne! Zu der angenehmen Sitzposition trägt auch der höhere und etwas breitere Lenker bei. Übrigens legte man bei der Tracer viel Wert auf Vielseitigkeit, deshalb ließ man den Lenker nicht zu breit werden, um sich im täglichen Gedränge der Rushhour immer noch flink durch den Stau schummeln zu können.

Weniger begeistert hat mich das Windschild, dieses ist zwar um ca. 7cm in der Höhe verstellbar, allerdings bläst mir der Wind auch in der höchsten Einstellung noch immer ins offene Visier. Mit 1,80 bin ich jetzt kein wirklicher Riese, für das originale Windschild aber doch zu groß. Yamaha bietet hierzu aber Abhilfe im Zubehörkatalog. Dort findet man neben einer beheizbaren Sitzbank, div. Taschen und Koffern auch eine extra großes Windschild, das, so versichert mir der Yamaha Mitarbeiter, optimalen Windschutz bietet. Um gleich alle meine Kritikpunkte an einem Platz anzubringen, hier noch der zweite Punkt, der mir bei der Tracer missfiel. Das Dashboard liefert eigentlich alle nur erdenklichen Daten, von Außentemperatur über Ganganzeige und sogar der Verbrauch lässt sich einwandfrei ablesen. Jedoch lassen sich die unterschiedlichen Funktionen nur durch die Drücker am Display umschalten. Ein kleiner Drücker am Lenkerende wäre hier ein irrer Komfortgewinn. Doch das wars nun auch schon wieder von der Prinzessin auf der Erbse, die auf der Tracer sonst keine Kritikpunkte finden konnte.

Herzstück der Tracer ist natürlich der CP Zweizylinder Motor, der nun auch Euro 4 konform ist. Hier geschahen keine Eingriffe und er wurde 1 zu 1 von der MT-07 übernommen. Alles was mich damals bei der MT07 schon schwer begeistert hat, finde ich auch auf der Tracer 700 wieder. Die Tracer zeigt, wie einfach Motorradfahren sein kann. Die 75 PS (die Tracer ist übrigens auch in einer 35kw A2 Variante erhältlich) entfalten sich so schön gleichmäßig, dass selbst der ärgste Grobmotoriker mit der Tracer keine öha oder Hoppala! Momente erleben wird. Wie auch damals bei der MT07 muss ich die (am Papier lasch aussehenden) 75 PS erklären. Der CP2 Motor schafft es trotz der humanen Leistungsangabe und dank der 68Nm einfach viel Fahrspaß zu vermitteln. Auch in der etwas schwereren Tracer hat der Motor noch ausreichend Wums um einen breiten Grinser ins Gesicht zu zeichnen. Bei unserer Ausfahrt in den Dolomiten, hatten wir dutzende GSn, Adventures und Co vor uns (die Betonung in diesem Satz liegt auf hatten). Wer sich an der zu geringen Leistung stößt, sollte dem Motor der Tracer 700 bei einer Probefahrt eine Chance geben. Sie wird euch nicht enttäuschen.

Ach ja, weil ja Motorradfahren immer rationaler wird, an dieser Stelle noch ein Wort zum Verbrauch. Auf den gefahrenen 250 Kilometern hatten wir einen Durchschnittsverbrauch (lt. Anzeige) von 5,6 L/100Km, das ist jetzt für eine 700er nicht ganz wenig. Allerdings muss man eben auch berücksichtigen, dass wir wenig anbrennen haben lassen und auch die Pässe und die unzähligen Kehren nur wenig zum Spritsparen beigetragen haben. Yamaha gibt einen Verbrauchswert von 4,6 Litern an, den ich bei normalem Gebrauch auch so stehen lassen würde. Sehr überschaubar ist übrigens auch der Preis, so geht die Tracer 700 in Österreich um 8.499€ in deinen Besitz über, in Deutschland braucht man sogar nur 7.895€ um die Mopette sein eigen zu nennen.

Fazit: Yamaha Tracer 700 2016

Selten bin ich ein Motorrad gefahren, das sich so einfach fahren lässt. Der Motor hat stets gute Reserven und überfordert in keiner Situation. Die Ergonomie macht keinen Unterschied daraus ob du nur kurz Semmeln holst oder die halbe Welt umrundest, du steigst einfach immer entspannt vom Bock. Relativ egal, ob du gerade erst den Führerschein gemacht hast oder einfach nur ein gutmütiges Touringbike suchst, die Tracer 700 wird dich nicht enttäuschen.


  • Motor hat angenehme Leistungsentfaltung
  • angenehme Stitzposition
  • einfaches Handling
  • Windschild zu klein

Bericht vom 04.07.2016 | 62.637 Aufrufe

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