Kawasaki KX450F 2012

Die Launch Control schont die Arme, aber leider nur bis in den dritten Gang. Erste Fahrt mit dem 2012er Modell von Kawasaki

Kawasaki präsentiert die neue KX450F vom Modelljahr 2012 im italienischen Gallerate. Mehr Elektronik, wertige Details, viele Einstellmöglichkeiten.

 

Kawasaki KX450F Test


Große "haben will" Gefühle schon im Stand


Ich will sie haben! Die neue KX450F erzeugt schon aufgebahrt im Stand ein großes "haben will" Gefühl. Man muss kein echter Motocross-Insider sein um zu erkennen, dass hier die feine Ware bis in die Details verbaut ist. Man tastet sich an der neuen Sitzbank entlang. Sie wurde nun etwas kompakter und vermittelt den Eindruck ewig zu halten. Und dann diese feine blauen Details. Die Deckeln auf den Gabeln, ein paar Schrauben am Motor blau eloxiert und schon hat man wieder ein Gesprächsthema im Fahrerlager. Schwinge und Rahmen machen den Eindruck als würden Sie einen Sprung in den Grand Canyon verkraften. Doch der Rahmen zum Beispiel wurde im oberen Bereich etwas flexibler und unten bei den Fußrasten etwas kräftiger.

Anders als bei den Straßenmotorrädern spricht hier niemand mehr über Motorleistung. Schon gar nicht bei der Kawasaki. Sie war schon bisher schon üppig bestückt und im neuen Modelljahr hat sie im ganz niedrigen Drehzahlbereich etwas mehr Drehmoment und ganz oben dreht sie ein wenig härter aus. Die Journalisten kreisten um das gute Stück und nickten zufrieden - das soll ein guter Tag werden.


Der Mann am Traktor hatte Mitleid


Die Motocross Strecke in Gallarate war bis vor wenigen Jahren noch Austragungsort von WM-Läufen. Das sind die schlechten Nachrichten. Die guten Nachrichten: Der Mann am Traktor hatte Mitleid mit uns und hat die Strecke sauber abgezogen und anständig eingewässert. Die KX 450 F verlangt einen kräftigen Tritt, springt dann aber zuverlässig an. Im Laufe des Tages konnten wir uns in allen Temperaturbereichen von dem guten Startverhalten des Motorrades überzeugen. Die ersten Runden machten klar, dass sie für einen Hobbypiloten natürlich viel zu stark ist. Aber es wurde auch klar, dass das Chassis eine ausgesprochen benutzerfreundliche Harmonie bietet. Ex WM Piloten zählen hier ebenso zu den Testfahrern wie nationale MX-Cracks aber wie in meinem Fall auch echte Gelegenheitsfahrer. Komischerweise waren alle mit der Chassis zufrieden. Die schnellen Jungs meinten nach dem ersten Turn das Heck ist etwas zu tief und legten bei der Federvorspannung Hand an. Schon beim zweiten Turn hatte jeder Mann hier ein gutes Setup gefunden. Bemerkenswert! Die Bandbreite der Piloten könnte größer nicht sein und trotzdem findet jeder sein Setup. Die edel wirkenden Einstellschrauben am Fahrwerk sind also nicht bloße Zierobjekte. Bei der 450er vertraut Kawasaki auf Kayaba. Das Ansprechverhalten ist sehr feinfühlig und die Reserven bei Fehler oder fehlendem Gas am Table aber ebenfalls vorhanden.

Fluch und Segen: Spontan am Gas!


Die Gespräche der internationalen Toppiloten zu belauschen war interessant und aufschlussreich. "Endlich mal eine Vorderbremse auf einem Japaner die nicht nachlässt", meint der Eine. "Das spontane Ansprechverhalten vom Motor ist grandios", meint der Andere. Da hat der liebe Hr. Kollege meinen wunden Punkt angesprochen. Offen gesagt, war es ganz schön schwierig in der Kurve das Gas sauber zu dosieren. Schon kleinste Bewegungen am Gasgriff werden gnadenlos aber präzise in Vortrieb umgesetzt. Gut, dass man auch bei der Motorabstimmung eine breite Zielgruppe an Piloten zufrieden stellen kann. Kawasaki liefert die 450er mit drei verschiedenen "Mapping Steckern" aus. Grün (mittel), schwarz (sanft) und weiß (sehr direkt) stehen zur Auswahl. Damit wird das Motormanagement deutlich variiert. Wesentlich angenehmer präsentierte sich die Kawasaki für mich mit dem milden Stecker.

Zusätzlich dazu bietet aber auch das Chassis sehr simple aber vielfältige Einstellmöglichkeiten. Den Lenker stellte ich nach vor und die Fußrasten setzte ich um 5 mm tiefer. Ein paar zusätzliche Löcher machen es möglich und die langen Typen nehmen die Möglichkeiten dankend an. So hatten wir alle die Chance uns eine ganz persönliche KX zu basteln. Die Crew hier hatte jedoch noch nicht einmal alle technischen Möglichkeiten mit dabei. Kawasaki Techniker Alois Turic:"Unsere Kawasaki Händler haben insgesamt sieben vom Werk vorgefertigte Mappings parat. Beim Beginner Mapping zum Beispiel, spricht das Fahrzeug noch deutlich sanfter an. Wer mit der KX 450 F möglicherweise in der ACC an den Start gehen möchte, kann zusätzlich dazu auch noch die schwerere Schwungscheibe montieren. Dann kann man im kniffligen Gelände auf mehr Traktion zurückgreifen."


Keine Detonationen


Sechs Turns zu je 20 Minuten nahm uns die grüne Fuhre in die Mangel. Wie durch ein Wunder detonierte hier niemand auf der feinen Italostrecke. Oder steckte mehr dahinter als ein Wunder? Die Kawa bietet einfach ein richtig gutes Gesamtpaket. Die Cracks drücken das Eisen mit kurzen Impulsen in den Anlieger und ich selbst erfreue mich an der Stabilität auf den schnellen Passagen. Auch am Nachmittag als die Bodenwellen die Unterarme auf eine harte Probe stellten, blieb das Motorrad immer sauber auf Kurs.
 

Traktionskontrolle?


Am Abend vor dem Event machte noch kurz ein Gerücht von einer Traktionskontrolle die Runde. Doch da hat jemand kräftig übertrieben. Tatsächlich findet man erstmals einen solide wirkenden Knopf "Launch Control" am linken Lenkerende. Damit soll beim Starten mehr Traktion und Stabilität geboten werden. Das System aktiviert man mit einem Drücker am Knopf während man im Leerlauf am Vorstart steht. Das System bleibt dann so lange aktiv und blinkt bei eben diesem Knopf hell orange bis man erstmals den Dreier einlegt. Es werden dabei aber keinerlei Informationen vom Fahrzeug zurück zur Launch Control gesendet. Also Schlupf, Drehzahlanstieg oder gar Schräglagenwerte. Es wird einfach aber effektiv eine nach dutzenden Testläufen ermittelte "Start-Map" mit weniger Vorzündung drüber gelegt. Die Cracks konnten tatsächlich Vorteile bei der Traktion ermitteln, ich selbst fragte bei den Technikern ob es nicht möglich sei das Wunderding bis in den fünften Gang zu aktivieren.

Alois entschuldigte sich jedoch für mich, verpasste mir einen Magenreiber und schickte mich zurück auf die Strecke. Zu allem Überfluss bestand der strenge Kawasaki Techniker auch noch auf einen Testlauf mit dem harten weißen Mapping Stecker. Klarerweise waren meine Unterarme und auch der Rest des Körpers am Kurvenausgang schwer überfordert. Doch es gab tatsächlich Streckenabschnitte wo man auch als Weichei Vorteile aus der harten Zünd- und Einspritzkurve ziehen kann. Beim kurzen Sprung vor dem Bergabstück schaffte ich es nie bis über die Kuppe, sondern schlug immer schon vorher am Gipfel ein. Ich nahm einfach viel zu wenig Speed in diesen Streckenabschnitt mit hinein. Doch mit dem weißen Gift an der Motorelektronik reichte tatsächlich ein Meter Vollgas um die Fuhre hinunter ins Tal zu katapultieren. Was für ein grandioses Erfolgserlebnis! Noch grimmiger war aber natürlich der Sprung quasi bis ins Tal vom deutschen Kollegen (siehe Video).

Instinktiv erfasst man neue Geräte nicht nur mit dem Auge sondern auch mit dem Tastsinn. Die Sitzbank streichelt der Kenner mit Genuss. Beim Rahmen kriegen die Endkunden nun dass, was die Kawasaki WM Piloten schon seit heuer in ihren Raketen haben. Oben etwas flexibler, unten etwas steifer.
Schrauben, Kupplungsdeckel, Hebeln und Schweißnähte - das Technikerauge inhaliert die liebevoll gemachten Details mit Genuss. Der eine Knopf hält den Motor an, der andere Knopf hält in zumindest ein wenig zurück. Die "Launch Control" soll beim Holeshot für das gewisse Extra sorgen.

Solides Getriebe


Beinahe wollten wir schon die Notizblöcke schließen als jemand noch das Getriebe ansprach. Darauf hätten wir beinahe vergessen - das lag wohl daran, dass es durch Unauffälligkeit glänzte. Soll heißen: Präzise, einfach zu schalten und zuverlässig. 

Gutes Paket, welches man aber auch richtig schnüren muss.


Insgesamt ist die KX 450 F von Kawasaki ein richtig gutes Motocross Motorrad geworden. Einerseits glänzt sie mit toller Performance für die Ehrgeizler. Andererseits lässt sie aber auch untrainierte Hobbyracer einen richtig schönen Tag erleben. Das Motorrad ist sehr universell und lässt sich auf seine Bedürfnisse einstellen aber auch mit dem eigenen Fahrkönnen weiter entwickeln. Fakt ist aber auch, dass eine gute Betreuung durch den Fachhändler obligatorisch ist. Die Möglichkeiten mit dem KX Calibration Kit sind enorm und gemeinsam mit den Einstellmöglichkeiten am Chassis sowie am Fahrwerk sowieso sind nur mit viel Erfahrung richtig auszukosten. Gut, dass es bei Kawasaki eine kleine aber ausgesprochen feine MX-Händlerschaft gibt, die hier individuelle Traumgeräte aufbauen kann.


Kawasaki KX450F Bilder


Viele Bilder in der Slideshow zur Kawasaki KX450F. Link: Bilder Kawasaki KX450F


Kawasaki KX450F 2011 Video


 

Pressetest der neuen Kawasaki KX450F auf der italienischen Strecke Gallarate. NastyNils gab zumindest hinter der Kamera alles.

 

Kawasaki KX450F Links

 

Kawasaki KX450F - Technische Daten


Motor
Motortyp Flüssigkeitsgekühlter Viertakt-Einzylinder
Hubraum 449 ccm
Bohrung x Hub 96,0 x 62,1 mm
Verdichtung 12,5:1
Zylinderkopf DOHC, 4 Ventile
Gemischaufbereitung Kraftstoffeinspritzung: 43 mm, Keihin
Zündung Digital DC-CDI
Starter Primär Kickstarter
Schmiersystem Druckumlauf, Semi-Trockensumpf
Antrieb
Getriebe Fünfgang
Endantrieb Kette
Primärübersetzung 2,727
1. Gang 1,750
2. Gang 1,412
3. Gang 1,188
4. Gang 1,000
5. Gang 0,875
Endübersetzung 50/13
Kupplung Druckumlauf, Semi-Trockensumpf
Chassis
Rahmentyp Perimeter, Aluminium
Federweg vorn 314 mm
Federweg hinten 315 mm
Reifen vorne 80/100-21 51M
Reifen hinten 120/80-19 63M
Lenkkopfwinkel/Nachlauf 26,9 Grad, 113 mm
Lenkwinkel, links / rechts 42 Grad / 42 Grad
Federelemente
Radaufhängung vorne 48 mm Upside down AOS Teleskopgabel, Druckstufe 22-fach verstellbar, Zugstufe 20-fach verstellbar
Radaufhängung hinten Neue Uni-Trak-Federung, Druckstufendämpfung, 22-fach (Low-Speed), 2 Umdrehungen oder mehr (High-Speed). Zugstufendämpfung: 22-fach, Federvorspannung: voll einstellbar
Bremsen  
vorne Semi-schwimmend gelagerte 250 mm-Petal Scheibenbremse. Doppelkolben-Schwimmsattel
hinten 240-mm Petal Scheibenbremsen, Einkolben-Schwimmsattel
Masse und Gewicht
Abmessungen 2.180 mm x 820 mm x 1.275 mm
Radstand 1.480 mm
Bodenfreiheit 330 mm
Sitzhöhe 955 mm
Gewicht fahrfertig 113 kg
Tankinhalt 6,2 Liter

Fazit: Kawasaki KX450F 2011

Insgesamt ist die KX 450 F von Kawasaki ein richtig gutes Motocross Motorrad geworden. Einerseits glänzt sie mit toller Performance für die Ehrgeizler. Andererseits lässt sie aber auch untrainierte Hobbyracer einen richtig schönen Tag erleben. Das Motorrad ist sehr universell und lässt sich auf seine Bedürfnisse einstellen aber auch mit dem eigenen Fahrkönnen weiter entwickeln.


  • Gutes Gesamtpacket
  • starke Vorderbremse
  • stabil
  • präzises, solides Getriebe
  • Obligatorische Betreuung durch den Fachhändler.

Bericht vom 04.07.2011 | 16.147 Aufrufe

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