Aprilia NA 850 Mana

Wieder etwas ganz Neues von Aprilia: V2, 850 ccm und Automatik. Ein Roller ist die Mana aber definitiv nicht!

Aprilia NA 850 Mana

Na was soll das schon werden? Rollerfahren im Motorrad-Look, ätzen Daniel und Hanspeter in knackigem Toblerone-Deutsch. Die Schweizer Kollegen sprechen aus, was sich die anderen vielleicht denken.
Ausschauen wie ein echtes Motorrad tut die Aprilia NA 850 Mana jedenfalls. Dass sie eine Automatische ist, kennt man ihr daran an, dass am Getriebedeckel der Schriftzug Sportgear steht. Und daran, dass ihr der Kupplungshebel fehlt, dafür jede Menge Tasten am linken und rechten Lenkerende sitzen.

Seis drum: Wir sitzen auf, stellen fest, dass die Mana eine vollmundige Italienerin ist
, rassig, schlank mit schmaler Taille, doch nicht knochendürr. Da ist schon ordentlich was dran. Dann werfen wir nach Automatik-Manier bei gezogenem rechten - Hansbremshebel den Murl an und verkneifen uns schnell das spielerische Drehen am Gasgriff. Außer, es ist die rechte - Hand an der Bremse. Denn beim kleinsten Zupfer am Quirl strebt die Mana vorwärts, fein am Gas hängen tut sie sowieso und willig ansprechen ebenso.
 

Fesche Italienerin mit stämmiger Figur: Die viele Technik braucht Platz und Raum, das ist sehr elegant kaschiert. Rund 200 Kilo Trockengewicht sind nicht leicht, wirken sich jedoch kaum aus.


Die Toblerones sind schon an der ersten Kreuzung verstummt

Wir fädeln uns in die Turiner Morgen-Rush-Hour ein, geleitet von einem Mana-Aprilianer, beflankt von mehreren Begleitern mit und ohne Fotoapparat auf allerlei Rollermodellen aus selbigem Hause. Das erspart uns, auf Roadbooks sowie rote Ampeln zu achten, und wir können mit der Automatik spielen. Am rechten Lenkerende wählen wir per Knopfdruck zwischen automatischem und manuellem Modus. Ersterer bietet drei Programme, Zweiterer sieben Gänge - zu schalten entweder per Fußhebel oder per Plus- beziehungsweise Minus-Taste am linken Lenkerende. Jeweils ohne Gaswegnehmen.
Das ist anfangs ungewohnt und gewöhnungsbedürftig. Geht aber schnell in Fleisch und Blut über. Und ist absolut unpeinlich, weil der Herr im TT nicht merkt, dass man die Schaltstufen ohne mechanische Kupplung wechselt und er trotzdem an der Kreuzung Zweiter bleibt. Spätestens da hören die Toblerones zu ätzen auf. Und schalten sich, wie alle anderen, durch die Programm-Varianten.
 

Drinnen in der Stadt: Erstaunlich und völlig unpeinlich ist die Automatik-Aprilia, Roller-Feeling kommt gar nicht auf.  Die Linke bleibt frei zum Nase-Kratzen oder Grüßen.


CVT, Tiptronic & Co und trotzdem weder VW noch Audi

Herzstück der Mana ist ein sequenzielles CVT-Getriebe. Der Automatikmodus bietet drei Programme: Touring, Sport und Rain, der manuelle Modus bietet die bereits erwähnten sieben Schaltstufen. Der Touring-Modus liefert durchaus kernigen, auf allen Wegen richtigen Vortrieb, im Sport-Modus dreht der Motor sportlich höher, im Rain-Modus schiebt das Aggregat betont sanft an. Kommt auch auf glatten Pflastersteinen gut.
Das Schalten per Fußhebel haben die Aprilia-Techniker mit einem mechanischem Feeling garniert, damit man sich nicht ganz so automatisch fühlt. Das Schalten per Tastendruck erfordert nur kurze Gewöhnungszeit, nur manchmal verirrt man sich zwischendurch auf die Hupe.

Fein ist, dass man wie bei Autos auch jederzeit von einem Modus in den anderen wechseln kann. Beim Stoppen im Verkehr jedoch schaltet das Getriebe immer automatisch in den ersten Gang zurück - ganz im Gegensatz zum automatisierten Kupplungssystem bei der Yamaha FJR 1300. Ach ja: Leerlauf gibts keinen. Das Zwischengas-Geben muss man sich jedenfalls abgewöhnen.
 

 

Das Antriebsaggregat stammt aus dem Piaggio-Konzernregal

Der 850 ccm-V2 ist leistungsmäßig in der Mittelklasse angesiedelt, man hat in erster Linien auf eine flache Drehmomentkurve geschaut. Das Aggregat ist ein Piaggio-Produkt und werkt auch im Mega-Roller GP 800. Demgemäß ist der Zweizylinder ein eher vibrationsarmer Geselle - solange man sich im mittleren Drehzahlbereich aufhält. Im Sport-Modus zittert er ein bissl, für die demnächst anlaufende Serienproduktion soll dem in Form von modifizierten Aufhängungs-Gummis Abhilfe geschaffen werden.

In aller relativen Zahmheit schiebt der Motor jedoch jederzeit brav und munter an. Wenn man nicht gerade ein Hochleistungs-Rennen gewinnen will (was die Techniker durchaus auch wollen und vielsagend mit alles ist möglich in Aussicht stellen), kommt man mit den zu Gebote stehenden 76 PS sehr gut aus. Auch im stetig bergan- und bergauf führenden Landstraßen-Kurvengeläuf, wie am Stadtrand-Gebirge von Turin erfahren.
Einzige Schrecksekunde: Beim (steil) Bergabfahren im Automatik-Modus, wenn die Kupplung aufmacht und man kurzfristig ohne Kraftschluss in die Ecke sticht. Das ist Gewöhnungssache, die mit Mitbremsen und Schwung mitnehmen am besten zu meistern ist.
 

Draußen auf dem Land: Anfangs ist das Fuß-Schalten ohne Kupplungshebel-Ziehen und Gaswegnehmen etwas gewöhnungsbedürftig. Ans Knopferl-Drücken gewöhnt man sich schneller.

 


Die Mana ist kein Bulimie-Model, aber leichtfüßig wie ein Dancing-Star

Obwohl nicht superschlank und federleicht ist das Handling der Mana easy und frei von falschen Gewichtungen. Sie ist leichtfüßig, wendig und agil. Das haben wir auf der Piazza zwischen Autos und Beton-Pylonen ausgiebig ausprobiert. Auch beim Rangieren bricht man sich kein Schlüsselbein.
Unterm vermeintlichen Tank ist ein Staufach, das Sprit-Reservoir sitzt unterm Sattel. Das zentriert die Massen und drückt den Schwerpunkt tief. Bemerkenswert ist auch die Ausgewogenheit, an den Kreuzungen stellt man die Füße nur dann runter, wenns wirklich sein muss.

Die Standard-Fahrwerkseinstellung ist ein guter Mittelweg für durchschnittlich Gewichtige, die Federelemente sprechen auch auf holprigem Untergrund sowie Kopfseinpflaster fein und sensibel an. Das Kapitel strenge Querschläge und bösartige Längsrillen ist noch unbeschrieben, derartiges lag nicht auf der Testroute. Jedenfalls meinte einzig ein etwas kräftiger gebauter Kollege, die Gabel würde beim Bremsen zu tief eintauchen. Der hat vielleicht zu heftig geankert, was nicht nötig ist, denn die feinen Stopper packen kraftvoll zu, mit glasklarem Druckpunkt und progressiver Wirkung.

 

Die Italiener haben einen ausgeprägten Sinn fürs Praktische

Die Idee, eine Tankattrappe als Stauraum zu nützen, hat Aprilia zwar nicht erfunden man erinnere sich an die Kurzzeiterscheinung der BWM 650 CS aber ungleich eleganter als andere gelöst. Ist es bei der (auslaufenden) Pegaso noch ein Staufächlein, so ist es bei der Mana fast schon ein Kofferraum. Immerhin passt ein, allerdings unverspoilerter, Integralhelm hinein, so, dass das Handy auch noch in einem eigenen Fach Platz hat. Sehr praktisch: 12 V-Steckdose und Beleuchtung! Geöffnet wird der vermeintliche Tank entweder via Knopfdruck am rechten Lenkerende oder per Schlüssel am Heck, worunter auch der Tankeinfüllstutzen sitzt.


Ein Topcase kann man natürlich auch montieren. Eleganter ists jedoch allemal, den Helm, siehe oben, ins Staufach zu packen.
Aprilia platziert die Mana zwischen alle Segmente. Sie wird auch nicht direkt in die Allround-Abteilung gestellt, sondern als zwei Bikes in einem tituliert, nämlich als Stadtflitzerin während der Arbeitswoche und Spritztourerin am Wochenende. Erklärte Zielgruppe sind nicht Einsteiger, die meinen, sie wären zu patschert zum Kuppeln, sondern versierte Fahrer (und auch Fahrerinnen?) um die Vierzig. Interessant.
 

Der praxis-orientierten Überlegung, dass ein Bike ohne eingelegtem Gang auf abschüssiger Fläche leicht ins Davonrollen geraten könnte, setzt Aprilia eine Hand-, pardon Feststellbremse entgegen. Praxis-orientiert ist auch das obligate Zubehörprogramm für den, ders braucht: Gepäckträgersysteme, Tankrucksack, höheres Windschild.

Das Analoginstrument zeigt das Tempo an, Leuchtdioden das Drehzahllimit. Alle anderen Informationen spielen sich im Mäusekino ab, u. a. die Fahr-Modi, automatisch oder manuell. Nachdem der Tank unter der Sitzbank zwecks Massen-Zentrierung und Schwerpunkt-Tieferlegung - sitzt, sitzt der Zugang zum Tankeinfüllstutzen im Heck. Sozius-Sitzbank aufklappen und rinnen lassen.
 
Da sind die Tasten-Freaks daheim: Die Gänge werden genauso angewählt, wie man es von Tiptronic-Systemen in Autos kennt. Plus ist vorne, Minus ist hinten. Da brauchts nicht viel Fingerfertigkeit. Programmiert wird mit der Rechten: Per Knopfdruck kann man die verschiedenen Modi anwählen Automatik oder Manuell. Bei Ersterem gibts die Untermenüs Touring, Sport und Rain.
 
Kräftiger Stahlrahmen, rund ums Antriebsaggregat gebaut. Der V2 stammt von Piaggio. Die Schwinge ist aus Alu, das schräg seitlich angesetzte Federbein lässt Raum für den Auspuff-Endtopf. Die NA 850 Mana ist, wie die Shiver 750, kein Bremsen-Stiefkind deshalb verpasste man auch ihr die feinen Radial-Zangen. Der Druckpunkt ist glasklar, die Wirkung angenehm progressiv.
 
Den Kofferraum kann man entweder elegant wieder einmal per Knopfdruck öffnen. Wer zu lustlos oder zu faul ist, dafür extra die Zündung einzuschalten, findet ein Schloß am Heck der Mana. Detail mit Verstand und Sinn für Praktisches: Unter der Tankattrappe sitzt ein veritabler Stauraum mit Platz für einen Integralhelm. Zusätzlich gibts Handyfach, Beleuchtung und 12V-Steckdose.


Die Automatik-Aprilia ist die erste, wird aber nicht die letzte sein

Das Automatik-Getriebe wird nicht nur der Mana vorbehalten bleiben, geplant ist eine ganze Modellserie, die stark in Richtung Touren & Reisen weist. Das nächste Modell ist eine Pegaso-Nachfolgerin. Ein Prototyp wird in Mailand auf der EICMA stehen.

Und auch wenn die Automatik super funktioniert: Die Techniker werken bereits an der nächsten Generation, an der Verkleinerung des Systems. Größtes Problem sind derzeit die Dimensionen, Gewicht und Breite des Transmissionsriemens. Es stehen also automatische Leichtgewichte in Aussicht. Die aber nach derzeitigem Stand - frühestens in drei Jahren.
Die fertige Mana kommt jedoch schon bald, Anfang des kommenden Jahres. Ab Sommer 2008 auch mit ABS.

 

Fazit:

Außer der Lässigkeit und Funktionalität hat die Automatik einige weitere Vorteile: Zum Einen muss man hinter millimeterweise vorrückenden Zocklern im Stau nicht mehr für jeden Meter Weiterfahren die Kupplungshand strapazieren. Zum anderen hat man fast immer die Linke frei und könnte endlich wirklich jeden grüßen, der einem entgegenkommt.
Das Grüßen habe ich mir schon lange abgewöhnt.
 

Technische Daten

Motor 90° V2, 4-Takt, wassergekühlt, 4 Ventil Zylinderkopf, SOHC
Hubraum (cm³) 839,3
Leistung 76,1 PS bei 8.000 U/min
Drehmoment 73 Nm bei 5.000 U/min
Kupplung Automatisch, elektronisch
Getriebe CVT, sequenziell, 7-Gang, Automatik- und Manuell-Modus
Kraftstoffaufbereitung elektronische Einspritzung, Weber Marelli, 38 mm
Rahmen Stahl-Gitterrohr
Vorderradaufhängung USD-Gabel, 43 mm
Hinterradaufhängung Alu-Zweiarmschwinge, seitlich montiertes Mono-Federbein
Bremsen vo. 2 ø 320 mm Stahlscheibenbremsen, schwimmend gelagert mit Vierkolben-Radialbremszange
Bremsen hi. ø 260 mm Stahlscheibenbremse
Reifen vorne 120/70 ZR 17
Reifen hinten 180/55 ZR 17
Radstand 1.463 mm
Sitzhöhe 800 mm
Trockengewicht ca. 200 kg
Tankinhalt 16 Liter
 

Preis: 10.000 11.000 Euro inklusive aller Steuern

 
Interessante Links:

Text:  Beatrix Keckeis-Hiller
Fotos: Aprilia

Bericht vom 11.10.2007 | 40.164 Aufrufe

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