Suzuki GSX-S1000 im Test auf der Rennstrecke
Der edle Samurai unter den Naked Bikes
Der neue Streetfighter von Suzuki wirkt seriös – bis du Gas gibst. Dann zeigt die GSX-S1000 ihre wahre Natur. Beim Test am Pannoniaring haben wir sie von der Leine gelassen.

Es war dieser eine Moment in der vierten Kurve am Pannonia Ring, als ich plötzlich wieder 25 war. Ohne Heizdecken, ohne Werkzeugkiste, ohne den ganzen Trackday-Zirkus von heute. Nur ich, ein Motorrad und diese verdammt gute Strecke. Die Suzuki GSX-S1000 hatte mich in eine Zeit zurückversetzt, als Motorradfahren noch unkompliziert war und genau das macht sie zu etwas Besonderem in einer Welt voller Elektronik-Monster. Da sitzt man auf diesem japanischen Naked Bike, schaut in das glasklare TFT-Display und denkt sich: "Okay, sieht alles sehr vertrauenerweckend aus." Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn sobald du das erste Mal richtig am Gas ziehst, merkst du, dass unter dieser zivilisierten Oberfläche ein echter Kämpfer schlummert. Ein Kämpfer, der dir nicht jeden Tag beweisen muss, wie hart er ist, sondern einfach liefert, wenn es darauf ankommt.
Wenn aus der GSX-R ein Nakedbike wird: Suzuki GSX-S 1000
Die GSX-S1000 ist Suzukis Antwort auf eine Frage, die sich viele Motorradfahrer stellen: "Kann ich ein Naked Bike haben, das sowohl auf der Straße entspannt funktioniert als auch auf der Rennstrecke richtig Spaß macht?" Die Antwort lautet: Ja, aber mit Kompromissen. Und zwar mit den richtigen Kompromissen. Das Konzept ist klar: Man nehme die bewährte GSX-R1000-Basis, packe sie in ein aufrechtes Naked-Bike-Kleid und sorge dafür, dass sowohl der Trackday-Veteran als auch der Tourenfahrer glücklich werden. Keine Revolution, sondern Evolution mit Verstand. Suzuki hat hier nicht versucht, das Rad neu zu erfinden, sondern das bestehende Rad einfach besser zu machen. Die Zielgruppe? Ausgewachsene Motorradfahrer, die wissen, was sie wollen. Keine 20-jährigen Haudegen, die mit dem Motorrad ihre Männlichkeit beweisen müssen, sondern erfahrene Piloten, die Wert auf Qualität, Zuverlässigkeit und echtes Fahrgefühl legen. Die GSX-S1000 ist ein Gentleman unter den Naked Bikes einer, der höflich grüßt, aber bei Bedarf auch zuschlagen kann.
Das Herzstück: Wenn 999 Kubik zur Therapie werden
Steigen wir mal tief in das ein, was diese Suzuki wirklich ausmacht: den Motor und seine Verbindung zum Hinterrad. Diese "Achse des Glücks", wie ich sie nenne, ist das Kernelement dessen, was dir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Der 999-Kubik-Vierzylinder liefert 152 PS bei 11.000 Umdrehungen und 106 Newtonmeter bei 9.250 Touren Zahlen, die auf dem Papier solide klingen, aber die Realität ist viel komplexer. Das Geniale an diesem Aggregat ist sein trügerisch entspanntes Wesen. Bei den ersten Runden am Pannonia Ring ertappte ich mich dabei, wie ich mit viel zu niedrigen Drehzahlen unterwegs war. Der Motor gleitet so herrlich geschmeidig durch den unteren und mittleren Drehzahlbereich, dass man vergisst: Das ist immer noch ein Vierzylinder, der oben richtig zulegen kann. Und wenn er das tut, liefert er kreischende Performance bis in den roten Bereich bei 11.500 Umdrehungen. Aber das wahre Geheimnis liegt im Quickshifter-System. Zusammen mit dem Getriebe und dem atemberaubend guten Ansprechverhalten des Gasgriffs bildet er das, was ich die "Achse des Glücks" nenne. Die Verbindung von Gasgriff zu Motor, zu Schaltgestänge, zu Hinterrad ist derart harmonisch abgestimmt, dass sie zur emotionalen Essenz dieses Motorrads wird. Der Quickshifter arbeitet mit Blipper-Funktion also sowohl beim Hoch- als auch beim Runterschalten. Das System ist so feinfühlig kalibriert, dass es sich anfühlt, als würde das Motorrad deine Gedanken lesen. Kupplungslos hochschalten funktioniert butterweich bis in den Begrenzer, und beim Runterschalten sorgt der Blipper für perfekt angepasste Drehzahlen. Das ist Technik, die das Fahrerlebnis verbessert, ohne sich aufzudrängen.
Auf der Strecke: Wenn Kompromisse zu Stärken werden
Am Pannonia Ring offenbarte die GSX-S1000 ihren wahren Charakter. Das Fahrwerk eine vollverstellbare KYB-USD-Gabel vorne und ein verstellbares Zentralfederbein hinten vermittelt von der ersten Kurve an Vertrauen. Die Chassis-Geometrie mit 1460 Millimeter Radstand und 65 Grad Lenkkopfwinkel sorgt dafür, dass das Motorrad den Blicken in den Radius willig folgt. Nach wenigen Kurven triffst du die angemeldete Ideallinie wie ein alter Bekannter. Das Grundsetup war etwas weich - doch mit ein paar Justage-Anpassungen am Fahrwerk wurde die Suzuki etwas straffer. Besonders beeindruckend: die Stabilität in der Wechselkurve von rechts nach links im letzten Drittel der Strecke normalerweise eine Herausforderung für Naked Bikes. Die GSX-S1000 bleibt hier wunderbar stabil, hält präzise die Spur und bietet einen gelungenen Kompromiss zwischen Stabilität und der Fähigkeit, flink in den Radius hineinzugleiten. Wo das Bike seine Grenzen zeigt, ist bei der Bremsanlage. Die Brembo-Radialbremsen mit ihren 310-Millimeter-Scheiben sind für den Straßeneinsatz mehr als ausreichend, aber auf der Rennstrecke vermisst man den knallharten Druckpunkt einer wirklichen Supersport-Bremsanlage. Die Abstimmung vom ABS ist ebenfalls defensiv was zu den Straßenreifen passt, aber ambitionierte Trackday-Piloten nach mehr verlangen lässt. Hier merkt man, dass keine IMU mit an Bord ist! Das ABS ist auf der Rennstrecke nicht wirklich hilfreich, sondern störend. Auch die Sitzbank entpuppt sich als zweischneidiges Schwert: touristisch weich und komfortabel beim ersten Eindruck, aber zu nachgiebig für präzises Feedback auf der Rennstrecke. Hier spürt man die Kompromissnatur des Bikes es will beiden Welten dienen und muss daher in beiden kleine Abstriche machen.
Die Konkurrenz: Ein Feld voller Alphatiere
In der Liter-Naked-Bike-Klasse herrscht harte Konkurrenz. Jeder Hersteller versucht, den ultimativen Streetfighter zu bauen, und die Unterschiede liegen oft im Detail.
Die KTM Super Duke R ist der Berserker in diesem Feld roher, brutaler, kompromissloser. Sie liefert mehr Power, mehr Adrenalin, aber auch mehr Stress. Wer den täglichen Kampf im Sattel sucht, ist dort richtig. Die Suzuki hingegen ist der zivilisiertere Weg zur gleichen Faszination - und günstiger!
Die Yamaha MT-10 mit ihrem Crossplane-Dreizylinder bietet ein völlig anderes Charakteristikum weniger linear, dafür emotionaler im Ansprechverhalten. Sie ist die Dramaqueen unter den Naked Bikes, während die GSX-S1000 eher der starke, schweigsame Typ ist. In Sachen Speed sind sich beide Bikes sehr nahe.
Die BMW S 1000 R punktet mit Elektronik-Fülle und noch stärkerem Motor. Voll ausgestattet ist sie jedoch deutlich teurer.
Die Honda Hornet 1000 SP ist etwas aggressiver und in Wahrheit der härteste Konkurrent. Rahmen und Schwinge wirken auf der Suzuki schöner. An der Honda glänzt dafür die Bremse.
Erprobt unter echten Bedingungen: Die 1000PS Bridgestone Trackdays
Die Testumgebung für diesen Bericht hätte nicht besser sein können: Die Suzuki GSX-S1000 durfte sich bei den 1000PS Bridgestone Trackdays am Pannoniaring beweisen und das unter realistischen Bedingungen, fernab von Laborsettings oder geschönten PR-Veranstaltungen. Die Trackdays stehen seit über einem Jahrzehnt für entspanntes, markenoffenes Rennstreckenfahren ohne Renndruck. Gerade am Pannoniaring, einer zugänglichen und einsteigerfreundlichen Strecke mit reichlich Grip und Platz für Fehler, zeigt sich, wie ausgewogen ein Motorrad wirklich ist. Die Mischung aus freiem Fahren, professioneller Betreuung und familiärer Community-Atmosphäre macht die Events zu einem wunderbaren Prüfstand. Genau dort hat die GSX-S1000 bewiesen, dass sie mehr ist als nur ein zivilisiertes Naked Bike nämlich ein ehrlicher, kompetenter Partner für sportliche Ausritte am Limit.
Die Bridgestone S23: Wenn Straßenreifen zur Rennstrecken-Offenbarung werden
Was mich bei diesem Test besonders beeindruckt hat: Die Bridgestone S23, mit denen wir noch vor wenigen Tagen unseren Straßentest abgewickelt haben, sind exakt dieselben Reifen, die auch hier auf der Rennstrecke für sorgenfreie Runden sorgen. Das ist schon bemerkenswert in einer Zeit, wo viele glauben, für jeden Einsatzzweck spezielle Gummimischungen zu brauchen. Die S23 beweisen das Gegenteil sie sind die eierlegende Wollmilchsau unter den Sportreifen. Auf der Straße bieten sie Laufleistung und Nasshaftung, am Pannonia Ring liefern sie das Vertrauen, das du brauchst, um die GSX-S1000 wirklich auszureizen. Kein Rutschen, kein Zögern, einfach Grip, wenn du ihn brauchst. Manchmal sind es diese scheinbar nebensächlichen Details, die aus einem guten Motorrad ein großartiges Gesamtpaket machen. Die Kombination aus Suzukis solidem Fahrwerk und Bridgestones cleverer Gummimischung ist so eine Symbiose, die das Fahrerlebnis sehr angenehm macht.
Die nackten Zahlen einer Philosophie
Wenn wir über Technik sprechen, sprechen wir über Philosophie. 215 Kilogramm gewogen auf der 1000PS Waage bei 152 PS ergeben ein Leistungsgewicht, das genau in dem Bereich liegt, wo Spaß noch kontrollierbar bleibt. Der Aluminiumbrückenrahmen ist keine Innovation, aber solide Ingenieurskunst und schön anzusehen. 810 Millimeter Sitzhöhe machen das Bike auch für nicht-XL-Piloten zugänglich. Der 19-Liter-Tank reicht für respektable Distanzen, und der angegebene Verbrauch von 6,1 Litern auf 100 Kilometer ist für diese Leistungsklasse OK. Die Bodenfreiheit von 140 Millimetern ist Naked-Bike-typisch genug für normale Schräglagen, aber keine Supersport-Exzesse. Das 5-Zoll-TFT-Display ist übersichtlich und modern, die drei Fahrmodi bieten die nötigen Anpassungsmöglichkeiten, ohne zu überfordern. Wobei der Modus A etwas zu direkt ans Gas geht. Für wen ist sie gemacht? Für ausgewachsene Motorradfahrer, die ein ehrliches, mechanisches Erlebnis suchen. Für Piloten, die nicht jeden Tag beweisen müssen, dass sie das härteste Bike fahren, sondern einfach Spaß haben wollen. Für alle, die verstehen, dass 150 PS in der richtigen Verpackung mehr Freude bereiten können als 200 PS im falschen Gewand. Diese Suzuki ist kein Kampf im Sattel sie ist ein Tanz. Und manchmal ist das genau das, was man braucht.
Das Urteil: Wenn weniger mehr ist
Die GSX-S1000 erinnert mich daran, warum ich vor 30 Jahren angefangen habe, Motorrad zu fahren: nicht wegen der Zahlen auf dem Datenblatt, sondern wegen des Gefühls, wenn alles stimmt. Und bei der Suzuki stimmt vieles vielleicht sogar das Wichtigste: Sie macht glücklich, ohne zu überfordern. In einer Zeit, in der jeder das Extremste vom Extremen will, ist das fast schon revolutionär.
Nakedbike Vergleich 2025

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Fazit: Suzuki GSX-S1000 2025
Nach hunderten von Kilometern auf Straße und Strecke bleibt ein klares Bild: Die Suzuki GSX-S1000 ist nicht das extremste, nicht das schnellste, nicht das high-techischste Naked Bike. Sie ist etwas anderes – sie ist das ehrlichste. Sie ist eine wunderbar ausgereifte Maschine. Mit hochwertigen und zuverlässigen Zutaten, einer charakterstarken Optik und einem großartigen Motor. Durch die harte Konkurrenz hat Suzuki den Preis auch in realistische Sphären gebracht.- souveräner Motor
- ausgewogenes Handling
- mutiges Design
- fahraktive Sitzposition
- guter Preis
- Atemberaubend guter Quickshifter
- hervorragendes Ansprechverhalten
- stabile und vertrauenerweckende Fahrdynamik
- ausgewogene Kompromisse zwischen Sport und Alltag
- solide Verarbeitung auf hohem Niveau.
- kein 6-Achsen-IMU - kein Kurven-ABS
- zu weiche Sitzbank für sportliches Feedback
Bericht vom 26.07.2025 | 1.221 Aufrufe