Ducati Scrambler 1100 Test 2018

ZUWACHS IN DER SCRAMBLER-FAMILIE: GRÖSSER, STÄRKER, ERWACHSENER

Breiter Lenker, Stollenreifen, höher gelegter Auspuff – das zeichnet einen typischen Scrambler aus. Die aktuelle Baureihe dieser Klasse ist für Ducati die derzeit erfolgreichste. Bis 2017 bot der italienische Hersteller acht verschiedene Modelle von 400 ccm bis zu 800 ccm in dieser Kategorie an - logische Konsequenz des großen Erfolges: Die Erweiterung um eine weitere Hubraumklasse. Und genau das hat Ducati jetzt umgesetzt und entwickelte einen größeren und stärkeren Scrambler mit ölgekühltem 1079 ccm L-Twin-Zweiventil-Desmo-Motor.

Bei der Presse-Veranstaltung in Portugal war das Wetter für uns Fahrer zwar erst ab der zweiten Tageshälfte ein Genuss, dafür aber konnte das Bike in den verschiedensten Fahrsituationen probiert werden: nasse und trockene, ebene und holprige Stadt-, Land- und Bergstraßen. Optimale Testbedingungen also.

Gestartet wurde dabei in einem Szeneviertel in einem Industriegebiet von Lissabon, dem Village Underground Lisboa, das mit seinen Graffiti-besprühten Wänden und zu Bars umfunktionierten Oldtimer-Bussen wunderbar den urbanen Retro-Spirit des Modells widerspiegelte.

Von dort ging es ins Umland auf schön kurvige Landstraßen. Der Wetterbericht hatte keinen Regen für den Tag vorausgesagt, also hatten die meisten von uns (ich inklusive) ihre Regenklamotten im Hotel gelassen. Der Klassiker - eine halbe Stunde später fing es an zu schütten. Wir nahmen es mit Humor. Der Grip war dank der guten Reifen und super Fahrbahnverhältnissen trotzdem erstaunlich gut. Ab mittags hatte es dann wieder aufgeklart und wir konnten die Bergstraßen mit Blick auf Meer und Hafen so richtig genießen.

GENIALES FAHRGEFÜHL DANK DREHMOMENTSTARKEM MOTOR UND TYPISCHEM V2-SOUND

Der Motor der neuen Scrambler ist von der Monster EVO 1100 abgeleitet. Allerdings, dank Euro 4, nicht mehr mit 100, sondern nun mit 86 Pferden. Beim Blick auf die technischen Daten vor der Testfahrt war ich überrascht, dass der Leistungsunterschied zur 800er Scrambler nur bei 13 PS liegt. Und das trotz eines Zusatzgewichtes von 20 Kilogramm.

Diese Skepsis war allerdings nach den ersten Zügen am Gashahn verflogen. Das maximale Drehmoment von 88 Nm liegt bei 4.750 U/min an und sowohl davor als auch danach drückt der Motor ordentlich. Das machte richtig Laune und gepaart mit dem V2-Sound unterm Sitz, der durch Euro 4 zwar leiser, aber nach wie vor herrlich klingt, war ich am dauergrinsen.

ANGENEHMERE SITZPOSITION UND GRÖSSERER TANK

Ein Minuspunkt bei den kleineren Geschwistern war die, besonders für größere Fahrer, auf Dauer anstrengende Sitzposition. Diese ist bei der 1100er durch einen weniger spitzen Kniewinkel nun angenehmer und bietet zusammen mit der bequemen Sitzbank viel Komfort auch für längere Strecken. Der Lenker ist etwas tiefer montiert und die Griffe liegen weiter vorne. Man sitzt folglich stärker zum Vorderrad orientiert. Mit meinen 1,69m kam ich super zurecht aber ebenso der 1,92m große Kollege.

Wer längere Fahrten unternehmen will, freut sich auch über einen größeren Tank mit 15 Litern und einem Normalverbrauch von unter 6l/100km.

BESSERE BREMSEN UND FAHRWERK MIT VOLL EINSTELLBARER GABEL

Die neue Scrambler hat außerdem bessere Bremsen bekommen. Die leichteren 800er und 400er Modelle verzögern mit einer einzelnen Bremsscheibe vorne. Dafür hat Ducati beim neuen Modell Brembo M4.32 Monobloc 4-Kolben Doppelscheibenbremsen verbauen lassen. Und die funktionierten beim Landstraßentest einwandfrei.

Für mich war die Gabel vorne ein bisschen zu weich eingestellt und tauchte beim Bremsen etwas zu stark ein. Allgemein war mir das Fahrwerk insgesamt etwas zu straff. So neigte das Fahrwerk der Ducati besonders bei höheren Geschwindigkeiten und unebenem Untergrund in Kurven zu Lenkerschlagen. ABER: Das Fahrwerk ist vorne vollständig und hinten in der Zugstufe und Federbasis einstellbar. Je nach Gewicht, Vorlieben und Fahrbahnverhältnissen kann dies also individuell angepasst werden.

RETROBIKE – ABER MIT NEUESTER SICHERHEITSTECHNIK

Die neue Scrambler ist zwar optisch im Retro-Stil gestaltet, allerdings sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand. Das Modell bietet serienmäßig Kurven-ABS, welches das Motorrad selbst bei Bremsen in Schräglage beherrschbar macht. Letztes Jahr durfte ich das Feature bereits auf einer Teststrecke ausprobieren. In extremer Schräglage ging ich in die Eisen und wurde einfach nur langsamer, ohne dass es das Motorrad aufstellte. Hat mich überzeugt! Bringt wirklich was! Ist kein Schnickschnack!

Neben Traktionskontrolle, LED-Scheinwerfern und USB-Stecker unter der Sitzbank bietet das Bike drei verschiedene Fahrmodi zur Auswahl: ACTIVE, der sportlichste, JOURNEY sowie CITY. Letzterer regelt am sanftesten und reduziert die Leistung auf 75 PS. Jeder der Fahrmodi ist jedoch auch ganz individuell programmierbar. Außerdem sorgt das moderne Ride-By-Wire-System für ein sehr sanftes Ansprechen des V2-Motors.

Das Display besteht aus einem großen runden und einem kleineren ovalen Element. Zugegebenermaßen erstmal gewöhnungsbedürftig aber letztendlich habe ich mich schnell damit angefreundet. Es konzentriert sich auf das Wesentliche und zeigt Geschwindigkeit, Gang, Drehzahl, Level der Traktionskontrolle, Fahrmodus und Tankfüllung an. Vom Design des Dashboards war ich nicht sofort begeistert - hatte mich aber nach kurzer Zeit daran gewöhnt. Akzeptabler Kompromiss aus Klassik und Moderne, wie ich finde.

DREI VERSIONEN DER SCRAMBLER 1100 MIT FARBEN, AUSTATTUNG UND PREISEN

Scrambler 1100

ab 12.990 € (Deutschland), 14.495 € (Österreich), 14.090 CHF (Schweiz)

62 Yellow, mit schwarzem Rahmen und schwarzem Sitz

Shining Black, mit schwarzem Rahmen und schwarzem Sitz

Scrambler 1100 Special

ab 14.290 € (Deutschland), 15.995 € (Österreich), 15.490 CHF (Schweiz)

Custom Grey, schwarze Drahtspeichenräder, brauner Vintage-Sitz, verchromte Auspuffkrümmer, Aluminium Kotflügel vorne und hinten, gebürstete Aluminium-Schwinge

Scrambler 1100 Sport

ab 14.990 € (Deutschland), 16.795 € (Österreich), 16.090 CHF (Schweiz)

Viper Black, mit gelben Akzentstreifen seitlich und doppelter Rallye-Streifen auf Tank und Kotflügeln, schwarzer Rahmen und Felgen

Öhlins-Fahrwerk

DUCATI SCRAMBLER 1100 DETAILS UND TECHNISCHE DATEN:

1079 Kubik L-Twin, luftgekühlt, 6 Gänge, Ride-by-Wire

Leistung 86 PS bei 7500 U/min.

Drehmoment 88,4 Nm bei 4750 U/min.

Fahrwerk vorne bei Scrambler 1100 und 1100 Special: 45 mm Marzocchi Gabel, voll einstellbar

Fahrwerk hinten bei Scrambler 1100 und 1100 Special: Kayaba Monoshock, Vorspannung und Zugstufe einstellbar

Fahrwerk vorne bei Scrambler 1100 Sport: 48 mm Öhlins, voll einstellbar

Fahrwerk hinten bei Scrambler 1100 Sport: Öhlins Monoshock, Vorspannug und Zugstufe einstellbar

Bremsen vorne 2x320 mm, Brembo M4.32 Monobloc 4-Kolben

Bremsen hinten 1x245 mm, 1-Kolben

Reifen Pirelli MT 60 RS, 120/80-18 und 180/55-17

Felgen 10-Speichen Aluminium

Federweg vorne 150 mm

Federweg hinten 150 mm

Tankinhalt 15 l

Radstand 1514 mm

Länge 2190 mm

Lenkkopfwinkel 24,5°

Gewicht 206 kg

Sitzhöhe 810 mm

Fazit: Ducati Scrambler 1100 2018

Mit der neuen Ducati Scrambler 1100 ist Ducati ein wunderschönes Lifestyle-Bike im Retro-Design aber mit neuester Sicherheitstechnik als Serienausstattung, wie beispielsweise Kurven-ABS, Traktionskontrolle, drei Fahrmodi, uvm., gelungen. Klar sind die Preise happig, man bekommt aber auch eine top-ausgestattete, echte Ducati. Und zwar eine, die für jeden gut fahrbar ist. Die Sitzposition ist im Vergleich zu den kleineren Modellen der Klasse angenehmer, die Gabel ist vorne voll einstellbar, hinten können Zugstufe und Federbasis individuell an Fahrer und Fahrsituation angepasst werden. Durch das höhere Gewicht und den längeren Radstand fühlt sie sich etwas weniger agil an als die 400er und 800er Scrambler – allerdings wirkt sie allgemein erwachsener, größer und stärker. Von der Leistung der „nur“ 86 PS sollte man sich nicht beeindrucken lassen. Durch das kernige Drehmoment bereits im Drehzahlkeller wirkt die Italienerin eindeutig stärker, als auf dem Papier angegeben. Eine gute Mischung aus Scrambler-Optik und Monster-Technik, wie ich finde. Auf jeden Fall macht der spaßige Motor gepaart mit dem bollernden V2-Sound einfach richtig Laune!


  • wunderschönes Retro-Design
  • Kurven-ABS
  • Traktionskontrolle
  • 3 Fahrmodi
  • komfortable Sitzposition
  • Fahrwerk vorne komplett und hinten in Zugstufe und Federbasis einstellbar
  • drehmomentstarker Motor
  • relativ hohes Gewicht
  • weniger Leistung als vergleichbare Modelle

Bericht vom 26.03.2018 | 55.131 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts