Honda CB1100EX und CB1100RS 2017 Test

Luftgekühlter Reihenvierzylinder in seiner schönsten Form

Wieviel Sportlichkeit braucht Klassik? Beim Test der beiden luftgekühlten Vierzylinder Hondas CB1100EX und CB1100RS versuchte K.OT, die Antwort zu finden.

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Ich begrüße den Retro-Trend der längst nicht allein Motorräder betrifft - nicht nur, ich verstehe ihn auch. Alte Werte in moderner Formulierung, zeitloses Design mit zeitgemäßer Technik. Weil heute doch nicht mehr jeder glaubt, dass damals alles besser gewesen sei und Ehrliches ewig halten würde, baut man Schönes eben neu und holt die Vergangenheit in die Gegenwart. Die einzige Möglichkeit der Zeitreise für sehnsuchtsvoll zurückblickende Nostalgiker.

Nostalgiker sind Ästheten

Vielleicht sind wir Nostalgiker aber auch einfach Ästheten, Gefährten mit Geschmack, von der Muse geküsste Motorradfahrer. Wenn ich mich so auf den Bildern mit der CB1100EX sehe, möchte ich es jedenfalls glauben. Sie ist bestimmt die schönere der beiden Schwestern. Die aufgepeppte RS wirkt wie der verschlimmbesserte Nachkömmling, bei dem zwar die Einzelteile, nicht aber deren Summe einen höheren Wert besitzen.

Wie immer möchte ich das Gemeinsame vor das Trennende stellen und beim Erbgut beginnen. In beiden CBs schlägt ein luftgekühltes, 1140 Kubik großes Reihenvierzylinder-Herz, das maximal 89 PS bei 7.500 Touren leistet. Das maximale Drehmoment liegt bei satten 91 Nm bei 5.500 Touren. Zum 8232324. Mal zitiert: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen.

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Wie baut man einen luftgekühlten Reihenvierer?

Die Entwicklung des bekannten und nun EURO4-genormten Motors stellte für die junge Ingenieursgeneration von Honda eine echte Herausforderung dar. Wie funktioniert und fährt so ein Luftkühler? Um Erleuchtung zu erlangen, wurden aus dem Honda-Fundus echte Klassiker aus den 70ern und 80ern ausgefasst, um nicht nur zu studieren, sondern zu spüren. Ich finde, das ist eine großartige Geschichte, weil sie zeigt, worum es beim Motorradfahren wirklich geht, um die Bewegung der Seele und nicht des Körpers.

Beide CB1100 über 250 Kilo vollgetankt.

Weitere Gemeinsamkeiten: Kettenantrieb, 6-Gang Getriebe, 16,8 Liter Tankinhalt, LED Lichter, neue Anti-Hopping-Kupplung, ein spezieller, leicht schnarrender Sound aus einer geschrumpften 4-in-2-Auspuffanlage. Viele Unterschiede sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Die RS hat mit 795 mm einen um 5 mm höheren Sitz, einen um 1° steileren Lenkkopfwinkel und um 5 mm kürzeren Radstand von 1485 mm. Gegenüber der EX spart sie, unter anderem durch Kotflügel aus Kunststoff, um 3 kg Gewicht ein und bringt 252 kg auf die Waage. Die 43 mm Dual Bending Valve-Gabel von Showa sowie die hochwertigeren Federbeine erkennt man an der goldenen Farbe. Das Fahrwerk ist bei beiden Modellen nur in der Vorspannung einstellbar.

Sportlichere Komponenten an der CB1100RS.

Die Bremsscheiben vorne messen an der RS 310 mm, an der EX nur 296 mm, die Zangen liefern Tokico bzw. Nissin, bei der RS radial montiert, unterstützt wird man in Turbulenzen von einem Zweikanal-ABS. Das ist nur leider alles kein Grund, der RS ungschaut den Vorzug zu geben. Der für mich entscheidende Vorteil der EX: Die wunderherrlichen Speichenfelgen im 18-Zoll Format mit den eleganten Reifendimensionen 110/80-18 und 140/70-18, Erstausrüstung Dunlop Sportmax Touring D205. Die 10-Speichen Aludruckgussfelgen der RS sind dagegen klassisch mit 120/70-17 und 180/55-17 bereift, in unserem Fall waren es Bridgestone T30. Das ist aber keine reine Frage der Optik, im Gegenteil. Es ist auch der Grund, warum die EX besser fährt als die RS.

Wie schnell möchte man mit der CB1100EX fahren?

Kurz sei geklärt, was besser fahren in diesem Segment bedeutet. Ich begreife es als schöner fahren, harmonischer, rhythmischer, genussvoller. (Bin ich der Einzige, der jetzt an Sex denkt?) Sicher auch nicht langsam, im Vordergrund stehen aber die eben genannten Qualitäten. Während die EX genau diese erfüllt und ein neutrales, stimmiges Einlenk- und Fahrverhalten aufweist, spreizt sich die RS, deren schmälerer Lenker weiter vorne und weiter unten montiert ist, etwas gegen den ersten Impuls. Man hat das Gefühl, man müsste sie schneller fahren, damit sie richtig zu funktionieren beginnt.

Und tatsächlich bietet sie unter Druck mehr Stabilität und Ruhe als die EX, die irgendwann nervös wird. Allerdings beginnt das erst dort, wo ich - und wahrscheinlich auch die meisten der interessierten Kunden - mit so einem Motorrad gar nicht hin will. Die beiden Nadeln an den Analoginstrumenten sind nicht dazu da, ständig im Kreis zu rotieren. Souveränität und Klasse sind die beiden Zauberwörter, mit denen man sich hier fortbewegt. Kraftvoll aber beherrscht, bestimmt aber erhaben. Man ist kein junger Wilder, wenn man auf dieser Sitzbank Platz nimmt, aber junggeblieben.

Schwarz statt Chrom

Bei der Fahrdynamik kommt es deshalb am Ende nur auf die Gewohnheit an, was bei der Optik nicht der Fall ist. Man mag die eine, oder liebt die andere. Der Stil der EX ist fast bis ins kleinste Detail stringent und authentisch. Sie traut sich sogar richtig große, runde Blinker mit orangen Gläsern. Bei der RS hat man diese durch schnittigere Keile aus dem Zubehör ersetzt. Ebenso wurde das Chrom großflächig mit schwarzer Farbe "übermalt" und auch die bereits erwähnten Kunststoff-Kotflügel funkeln nicht mehr. Dafür strahlt sie mehr Agilität und Jugendlichkeit aus, auf die auch viele Freunde der Klassik nicht verzichten wollen.

Luftgekühlte Reihenvierer Bigbikes sprechen das Herz an und dieses tut mir jetzt schon weh, wenn ich denke, dass es mit der EURO5 endgültig aus sein könnte damit. Und ich muss es jetzt noch irgendwie schaffen, das Geld für eine CB1100EX zusammenzukratzen. Die gelbe gefiel mir schon allerbestens. Nur ein Motorrad ist noch schöner als die Honda CB1100EX in Gelb. Die Honda CB1100EX in Weiß.

Farben Honda CB1100EX und CB1100RS

  • CB1100RS:
  • Graphite Black
  • Candy Prominence Red
  • CB1100EX:
  • Candy Prominence Red
  • Pearl Shining Yellow
  • Pearl Sunbeam White (in Österreich ev. nicht verfügbar)

Fazit: Honda CB1100 EX 2017

Frage einen Menschen, er solle dir ein Motorrad zeichnen und es wird wohl aussehen wie die Honda CB1100EX, der Inbegriff eines Bigbikes mit luftgekühltem Reihenvierzylinder. Vielleicht ist die die letzte ihrer Art, was sie umso besonderer macht. Sie scheint über jeden Zweifel und jede Kritik erhaben, denn am Ende kann sie immer sagen: Ich muss nicht. So kann man ihr nicht mal ihre begrenzte Sportlichkeit vorwerfen, oder dass die Instrumente noch ein wenig klassischer sein könnten. Man muss die CB1100EX als ein Geschenk von Honda betrachten, oder an ein Denkmal für den luftgekühlten R4.


  • klassische Optik, moderne Technik
  • kräftiger, großer Reihenvierzylinder
  • Handhebel verstellbar
  • besonderer Sound
  • zeitloses Design
  • begrenzte Sportlichkeit
  • hohes Gewicht

Fazit: Honda CB1100 RS 2017

Mit der CB1100RS kommt Honda dem Wunsch von Kunden nach, die für eine klassische Optik nicht auf ausreichend Sportlichkeit verzichten wollen. Wie viel Sportlichkeit genug ist, bleibt Ansichtssache, in diesem Fall ist es einfach ein bisschen mehr als bei der CB1100EX. Das ist zwar spürbar, doch drängt sich damit die nächste Frage auf: Ist es auch wirklich notwendig? Hätte man nicht gleich zur Öhlins- und Brembo-Ware greifen sollen? Im Fahrverhalten wie in der Optik ist die RS nicht ganz stimmig und kommt erst unter Druck ein bisschen in Fahrt. Harmonischer ist die EX allemal, aber eben auch ein bisschen altbacken.


  • klassische Optik, moderne Technik
  • kräftiger, großer Reihenvierzylinder
  • Handhebel verstellbar
  • besonderer Sound
  • nicht stimmiges Design
  • im Vergleich zur EX weniger harmonisches Fahrverhalten

Bericht vom 06.04.2017 | 93.370 Aufrufe

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