Tour de Mondäne

Tiefe Täler, hoher Kurs. Unterwegs im hochalpinen Geldbeutel Europas.
 

Tour de Mondäne

Zur Veranlagung ihres Wechselgeldes fährt die Mother in die Schweiz. Dort ist das Geld sicher....weg.

 
Nachdem der Euro dauernden Spekulationen unterliegt, war die Überlegung für die heurige Tour, möglichst viel davon in Sprit, Reifengrip, Speis und Trank in den mondänsten bekannten Wintersportorten zu veranlagen, ergo lag nichts näher als in die Schweiz zu biken, wo zum einen unsere Währung mitlerweile mit Sloti gleichgesetzt werden kann und einem mit einer historisch angeborenen schwyzerischen Raubgold-Selbstsicherheit jeder Cent aus der Kombi gezogen wird. Soviel kann bereits verraten werden: die 8-tägige Tour hat jedem Teilnehmer mehr gekostet als 1 Woche im ehemaligen Chalet von Curd Jürgens auf den Bermudas mit drei Thailänderinnen. Noch nicht eingerechnet sind dabei die drohenden Verkehrsstrafen - trotz der bekannten drakonischen Geldbußen für's Schnellfahren kam ich mir bei zweimaligem Blitzgewitter im Tunnel und einmal im Kreisverkehr vor wie der Stargast bei der Rose von Montreux.

Die erste Erkenntnis, die ich wiedermal gelernt habe: Das Durchdesignen einer Motorradtour bringt Hotel Garni, weil es technisch immer anders kommt als erwartet. Die zweite Weisheit wurde schon vor der Abfahrt ignoriert, nämlich den bremsenden Notar nächstes Jahr zuhause zu lassen, da er sich mit seinem Drang nach tristen Witterungsverhältnissen als Regenmacher entpuppte. Womit wir nicht gerechnet haben war, dass 8 Wochen vor Antritt keine 3 Stellplätze mit dem Autoreisezug nach Feldkirch sondern nur nach Innsbruck zu bekommen waren (unbedingt Sitzplatz reservieren, ab 3 Personen mit Motorrad gibt es einen Sonderrabatt von 15 Prozent).
   
Die Tour begann damit, dass mir der Notar seinen im blauen Schonungspackerl noch eingehüllten Arai beim Aussteigen genau aufs rechte Auge beförderte, mit Cut und einem Kopf wie nach einem einwöchigen Urlaub am Ballermann ging's aufs Banderl, der bremsende Notar war natürlich begeistert über das bremsschonende Banderlfahren von Innsbruck nach Feldkirch.

1.Tag: Appenzeller Alpen-Einsiedeln: Der erste Zwischenstopp direkt bei der Abfahrt Rankweil Nord war ein absoluter Geheimtipp, wo ich meine Kopfschmerzen mit zwei Hellen etwas kühlte. Bei der Motorradlounge WERKSTATT sind Harleys aufgereiht wie auf einer Perlenkette, eine V2-Motorenausstellung im Lokal und die beste Burgerkarte von Chili bis Barbecue runden das Programm ab, in der Werkstatt wird von knackigen Damen mit tiefen Einschnitten jalles serviert, nur keine Motorräder repariert.


Der erste Abstecher führte uns nach Appenzell, sanft hügelige Bergwiesen gepaart mit einsam in der Gegend verstreuten Gehöfen, aber Vorsicht, sogar im entlegensten Hinterhof gibt es neben der Strasse Radarlaternen statt Urlaub am Bauernhof. In Appenzell , einem mit Fahnen herausgeputzten Dorf, durften wir dem Scheunenfest am STOSSplatz beiwohnen , wo noch Brauchtum gelebt wird und leicht zu unterhaltende Trachtenpärchen im Greisenalter in einem überfüllten Zelt Vorpetting betrieben. Dass die Schweizer bekannterweise net unbedingt die ausländerfreundlichste Bevölkerung hat, zeigte sich, als wir beim Spaziergang durch die Fussgängerzone gemustert wurden als würden wir eine Drehlocation für einen 3er Road Porno suchen.

Die weitere Tagestour führte uns entlang am dramatisch aufragenden Alpsteinmassiv mit dem berühmten Säntis (2502m) über die Schwaigalp-Passhöhe. Weiter im Toggenburg, eine herrliche voralpine Region, die sich hinter den sieben Bergen versteckt und wo wir an die erste massive Regenfront prallten, die sich bis zum Wallensee zog, wo bis zu 1000m hohe Steilwände gleichsam ins Wasser fallen bis nach Einsiedeln mit dem bombastischen Benediktinerkloster, anhielt. Als Guide versuchte ich mit komplett durchtränkter Regenkombi wie ein Outlaw einen Unterschlupf in den Wallfahrthotels für uns drei zu finden.

Entweder lag es an meiner angesoffenen Thermounterflak, die sich wie eine Windelhose aufgebläht hatte, oder am verzweifelten Gesichtsausdruck des bremsenden Notars, keiner der schon beim Fondue befindlichen Katholiken wollte uns Einlass gewähren, um 23 Uhr hatte eine 70-jährige in einem Motel Erbarmen, wobei sich beim Zahlen in der Früh mit 60 Euro pro Mann/Frau und Nase für ein winziges Kaspar Hauser Zimmer mit Frühstück bestehend aus Zwieback und Tee das Mitlied mit uns offenbar wiederum in Grenzen hielt.
 

 
2.Tag: Vierwaldstättersee-St.Gotthardpass - Lago di Maggiore: Der Vierwaldstättersee, der wahrscheinlich landschaftlich schönste See der Schweiz, begegnete uns in der Früh im Nebel, aus Trotz fuhr ich ohne Regenkombi, der bremsende Notar freute sich schon auf den nächsten Regenguss, der pünktlich 15 Minuten nach Abfahrt wieder einsetzte und bis über den Gotthardpass anhielt. Negativ fiel auf, dass in der Schweiz die meisten Tankstellen sterile Bankomatzapfsäulen sind. Bei der ersten Tanke mit Shop bei Andermatt, dem zentralen Punkt für eine Reihe der wichtigsten Pässe wie Furkapass mit dem unglaublichen Rhonegletscher, Gimsenpass und dem Nuefenenpass, fäustelten sich die Schweizer um ein paar eingeschweißte Kipferl als stünde der schwyzer Befreiungskrieg bevor.
 
 
Nachdem wir den Gotthardpass bei leichtem Schneeregen und Nebel überquert hatten, gab es die erste Krisenbesprechung wegen der Routenführung, gedacht war die Schweiz bis rein zur Route des Grandes Alpes in Frankreich, geworden ist es nach lauten Diskussionen das Banderl Richtung Süden am Lago di Maggiore. Erster Anlaufpunkt war Ascona, der mondänste Ferienort am Lago, der nach wie vor mit seiner Uferpromenande, hinter der sich die Altstadt aufbaut, ausschaut wie aus den 60 er Jahr Sex-Filmen. Mondän war dann auch der Preis fürs ****Best Western Hotel: nachdem wir komplett erfroren waren, forderte die Kawamaus eine warme Motorradgarage und ein bisserl Wellness, was folgendermaßen ausschaute: die Saunakabine war auf einer 20 m tiefen und halben Meter schmalen Wendeltreppe im Heizungsraum, wo nicht einmal der chinesische Verwindungskünstler von Ocean's Eleven reingepasst hätte und im Schwimmingpool wateten 80 -ährige Italienerinnen, deren offenes zerfurchtes Dekoltee einen fast erblinden ließ. Machte in Summe 120 Schweizer Franken, ergo 95 Euro mit Frühstück.

3.Tag: Ascona-Val Verzesca-Simplonpass-Saas Fee-Zermatt-Matterhorn: Am nächsten Tag präsentierte sich das Wetter etwas heiterer, trotzdem ging der bremsende Notar aufgrund stärker werdenden Heimwehs davon aus, dass wir schon in Richtung Heimat aufbrachen. Zuerst bereisten wir das Val Verzesca nördlich des Lagos, ein landschaftliches Kleinod, wo sich die Tessiner Gebirgskultur mit uralten Steinhäusern unverfälscht erhalten hat (Prädikat sehenswert verdient Lavertezzo am Ausgang des Tals , wo das smaragdgrüne Wasser der Verzesca vom zweibogigen Ponte die Salti überspannt wird). Der bremsende Notar bestellte nach Überquerung der Grenze nach Italien bei der ersten Rast im Val Vigezzo (westlich vom Lago) auf Italiano raushängend lässig einen Kafi de Letto und bekam unter schwerem allgemeinen Gelächter statt dem Kaffeehäferl ein Letschoschnitzel. Der Schuster sollte bei seinem Leisten bleiben, stellt sich nur die Frage, bei welchem Leisten.

 
 
Von Domodossola führte uns der Weg über das Val Divedro zur Gondoschlocht, einer der wildesten Strassenengpässe der Alpen über den Simplonpass mit herrlichem Hospiz. Unbedingt ein Erinnerungsfoto beim Ort Engeloch machen, es bestand zeitweilig die Befürchtung, dass der bremsende Notar bei den  zwei Schweizerinnen in engen Gwandel am Strassenrand seine eingerostete Fahrradpunpe betätigen würde.

Das Ende des 3.Tages führte uns ins Saastal bis nach Saas Fee, das gleich von zehn Viertausendern umgeben ist und ins Mattertal nach Täsch (Talsperre!!), dem Inbegriff der schweizerischen Alpinwelt. Das ***Matterhornressort (letztes Hotel links vor der Talsperre) ist eine Wucht, Cordon Bleu vom Feinsten, Top Zimmer mit riesiger Terrasse, Garage und unfassbarem Wellnessbereich mit Matterhornmalereien zu moderaten Preisen.

Der nächste Tag präsentierte sich bei strahlendem Sonnenschein, ein Muss ist eine (unfassbar teure) Luxusbahnfahrt nach Zermatt, das sich von einem wallischen Bergdorf mit 600 Jahre alten Holzhäusern auf Stützen in einen mondänen Ferienort mit ausschließlich Elektroautos und Kutschen mit dauerblitzenden Japanern gewandelt hat. Am Gornergrat auf 3110 m hat man einen bombastischen Ausblick auf das wie eine Jungfrau ausschauende Matterhorn (spitz und eng) und 29 Gletscher von Viertausendern , einzig und alleine die wie Sexsklaven gehaltenen Bernadiner mit Rumfasserl um den Hals fürs Fotoshooting dauergrinsender Japaner sind ein Graus.

 
 
4.Tag: Zermatt-Sion-Leukerbad-Crans Montana-Martigny- Verbier: Die Nachmittagsetappe führte uns in die Weinbaugegend rund um Sion mit dem Pflichtprogramm Leukerbad, das wie ein Adlernest in den Bergen klebt und Crans Montana, wo man zu Tode geliftete pelzbemantelte Witwen und Roger Moores mit Bentleys besichtigen kann.

5.Tag: Grand et Petite San Bernando-Val Dìsere- Col de Iseron Albertville-Megeve: Ein Geheimtipp vor dem Angriff auf den Grand San Bernando ist der Skiort Verbier nach Martigny, bereits französisches Ambiente , pippifeine Steakrestaurants (das Millenium ist ein Wahnsinn), Übernachtung im Hotel *** Hermitage mit riesigen Pappkameraden am Dach (vom Biker bis zum Golfer).

 
 
Der grosse St.Bernhard , der zwischen der Mont Blanc Gruppe und den Walliser Alpen ins Aostatal führt, ist für Biker ein Top Ten Muss, nachdem der Verkehrsweg schon von Hannibal benutzt wurde. Ich lieferte mir bis zur Grenze nach Frankreich rauf einen bestialischen Fight mit einem Fettsüchtigen auf einer neuen, leider großartig anreissenden Sado Maso 990 KTM. Ich war heilfroh das kürzere Kranzel aufgezogen zu haben, mit dem Einser aus den Kehren (bis max. 2.Gang bis zur nächste Kehre) auf dem Hinterradl wie ein vollgepackter störrischer Lastengaul war es unmöglich an mir vorbeizukommen - bis auf einen Mulistrada Ducatisten der am nicht minder spektakulären kleinen St.Bernhard Pass ohne Vorwarnung de facto über mich drüber fuhr und sogleich wie ein Geist entschwunden war.

Ab dem Beginn der Route des Grandes Alpes begann es wieder zu schiffen, dass wir in Tignes und Val D`Isere nicht einmal die scheußlichen Hochhausburgen wahrnahmen. Auf den Col De Iseran setzte dann schwerer Nebel ein, auf der Passhöhe bei eisiger Kälte suchten Horden von Bikern ihre Tourenkollegen, die sie bei der Rauffahrt offenbar verloren hatten. Mehr Leid als uns selber taten uns nur mehr die leicht bekleideten, gedopten Möchtegern Tour de France Radler, die uns komplett erfroren entgegenkamen. Aufgrund des schlechten Wetters entschlossen wir uns am Banderl über Albertville bis nach Megeve zu blasen. Die Übernachtung im 2* Motorrad-Motel bei kaltem Wasser war wie bei einer Kneippkur im Kloster Pernegg..

 
 
6.Tag: Chamonix Route des Grandes Alpes bis Evian Les Bains (Genfersee)-Montreux Col de la Croix-Col des Moses- Gstaad- Adelboden: Nach einem äußerst opulenten Frühstück in Chamonix gingen wir auf die Route des Grandes Alpes bis zum Genfersee, die Strasse gehört so unabdingbar wie der Puffbesuch eines jungen Mannes vor der Volljährigkeit zur Allgemeinbildung eines jeden Bikers. Am Genfersee erwartete uns endlich angenehmes Sommerwetter, zu besichtigen gibt es zum einen das bombastische Casino in Evian, zum anderen das Schloss des Dauerungustels und aktiven Formel 1 Pensionisten Schumi. Bemerkenswert sind auch die Preise an der Uferpromenande von Montreux, wo einem für 2 Kugeln Maschineneis 7 Euro abgenommen werden.

Die Strecke über den Col de la Croix-Col des Moses nach Gstaad gestaltet sich wie eine Nostalgiefahrt in einem James Bond Film von Sean Connery. In alten Mercedes SL und Jaguar kutschieren zahnlose todgeweihte Herren blutjunge minderjährige Augenweiden herum, sodass wir eine zweistündige Pause einlegten und mit weißem Schaum vor dem Mund die tollen Pelze begutachteten.

 

Als Abschluss ist Adelboden mit dem Adlerhof sehr empfehlenswert, beim Anblick der liebreizenden Rezeptionistin, die mit ihrem Hafenbar-Ficki-Ficki Akzent ausschaute wie Heidis ältere Schwester mit Riesenvorbau, besserte sich erstmals auf der Tour die Laune des bremsenden Notars zumal in Hoffnung auf eine Vermählung.

7.Tag: Grindelwald: Zum Schluss unserer Tour hoben wir uns das Beste auf, das Gebiet um Grindenwald ist ein Paradies mit tosenden Wasserfällen, uralten Holzhäusern, gepaart mit der kitschigen Grindelwaldbahn schaut alles wie im Heidemuseum aus, unbedingt die weltweit einzigen im Berginneren zu begutachtenden Wasserfälle am Talende bei Wengen anschauen.

8.Tag: Die Heimfahrt nach Feldkirch: ...erinnerte wie ein Deja Vu an die Hinfahrt, Regen wohin das Auge reicht, nur mit dem Unterschied, dass ich beim Festverzurren der Motorräder mein 50 kg schweres Topcase zufällig im Knie des bremsenden Notars versenkte, womit die Revanche für mein Cut geglückt war.


 
 
Fazit der Tour: Die Schweiz hat sich mit den alten Hütten, Hospizen und Bahnen die historische Naturbelassenheit , die man in Österreich mittlerweile oft vermisst, bewahrt, die Beherbergungen sind im Schnitt grenzwertig und taugen allenfalls für Stundenhotels, außer wenn man bereit ist, tief in die Tasche zu greifen. Die Vielzahl an aneinander gereihten Pässen macht sprachlos. Aufgrund der Wetterkapriolen geht's nächstes Jahr in ganz warme Gefilde, die Schwiegermutter wird bei Bedarf berichten.
 

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Text/Fotos: mother in law

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Bericht vom 12.01.2011 | 5.628 Aufrufe

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