Das Gebiet der Ardèche

Die Ardèche ist eine der am meisten beeindruckenden Landschaften Frankreichs.
Tour durch das Gebiet der Ardèche

Wheelie, Wein und weicher Käse

 

Der Genuss beginnt bereits bei der Ankunft auf dem Hotelparkplatz, am Fuße des Bergdorfes Montréal bei Largentière, mit dem Blick auf die gleichnamige Burg, die ein Bad in der Abendsonne nimmt. Sie strahlt uns an als würde sie uns nach einer stundenlangen Regenfahrt herzlich willkommen heißen. Start- und Zielpunkt, der von Jochen Ehlers geführten Onroadtour ist das Hotel Domaine de leau Vive, einem Anwesen, das sich sehr harmonisch in seine natürliche Umgebung einbettet und von der englisch sprechenden Patronin Sabine mit selbstbewusstem und souveränem Stil geführt wird. Hier, in Largentière, beginnt und endet unsere Reise, eine dreitägige Rundtour aus dem Programm von endurofuntours, einem Reiseanbieter, der sich vor allem einen Namen mit Offroad- Touren gemacht hat. Doch wir wollen uns von den Onroad-Qualitäten des Tausendsassas Jochen überzeugen.
 


"Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.

Johann Wolfgang von Goethe, Faust - Zweiter Teil


 

Der Weg ist das Ziel

Die Ardèche, das Département im Süden Frankreichs, dessen gleichnamiger Fluss sich auf einer Länge von 120 km vom Massiv De Tanargue hinab schlängelt, um auf 50 m über dem Meeresspiegel in die Rhone zu münden, ist das einzige Departement, das weder über einen Autobahnanschluss noch über einen größeren Flughafen verfügt. Und wer glaubt, dann mal eben in den TGV steigen zu können, um die Ardèche anzufahren, der wird auch in diesem Punkt enttäuscht werden. Aber wer braucht schon solch überflüssige infrastrukturäre Nichtigkeiten, wenn es darum geht, Land und Leute während einer Motorradtour kennen zu lernen. Und eine Beschreibung, in der auf bestimmte Streckenabschnitte mit besonders tollen Kurven oder Wahnsinnspässe hingewiesen wird, halten wir für überflüssig. Einfach losfahren und alles wird geschmeidig, interessant, kurvenintensiv. So ist das in der Ardèche.
 

 
Kurvenornamente par excellence

Bei Lachapelle-sous-Aubenas geht es dann gleich mal runter von der vergleichsweise fetten D104 auf eine schmale Landstraße, einem flüssig gesteckten Parcours gleich, der die Reifenflanken harmonisch abarbeitet. Und was uns erst als hartes Schicksal erschien, nehmen wir nun als großzügiges Geschenk an: Wir haben eine Goldwing in unserer Gruppe. Das gibt uns die Gelegenheit, auf den Geraden den Blick in Ruhe und Gelassenheit über diese grandiose und farbenfrohe Landschaft schweifen zu lassen. Die vierte Dimension, die einem beim Dahingleiten zuteil wird, ist der Duft. Oder besser gesagt, eine Duft-Melange aus Thymian, Klatschmohn und Ginster, die das, was das Auge erfasst, olfaktorisch genussreich und intensiv unterstreicht. Der Blick in den Rückspiegel beendet jedoch diesen Augen- und Riechkolbenschmaus: Die Goldwing hat aufgeschlossen und die Aufmerksamkeit kann wieder den rhythmischen Schräglagenwechseln gewidmet werden. Im Wechsel der schnellen Kurven und langsamen Geraden gelingt es so, sich dem Sinnesrausch aus unterschiedlichsten Eindrücken hinzugeben. In Aubenas, einer mit dem Europapreis gekrönten Stadt (für außerordentliche Leistungen zur Verbreitung des europäischen Einigungsgedanken) gönnen wir uns eine Berauschungspause in einem Bistro an der Hauptstraße. Mit den vorbei wheelenden coolen Jungs der Stadt, die alle Blicke auf sich ziehen, erinnert die Szenerie fast an ein Straßencafé an der Leopoldstraße in München- Schwabing.

 
Sinnesrausch und Kurvenjunkie-Attitüden

Frisch gestärkt kaum nötig zu erwähnen, dass der frische Salat mit köstlichen Putenstreifen und dem knusprigen Baguette ein Genuss war geht es weiter Richtung Norden und damit in immer höhere Gefilde bis auf 1150 Meter hinauf. Hier zeigt sich das andere Gesicht der Ardèche. Die Vegetation wird karger, die Farben bekommen einen Pastellton verabreicht und in der Duftkomposition erhält die herbe Note nun mehr Gewicht. Jedoch die Kurven bleiben völlig genial. Mit Chalençon nimmt uns ein Bergdorf in Empfang, das mit seinen alten Steinhäusern die trutzburgigen Grenzen der engen Gassen bildet. Am Rande des Dorfplatzes sitzen die Alten unter großzügig Schatten spendenden Platanen und genießen sichtlich entspannt ihren Lebensabend. Ein Bild wie man es nicht kitschiger malen könnte und doch strahlt diese Szenerie so viel Authentizität aus, dass es einem ganz warm wird ums Herz. Nach einer kurzen Verschnaufpause und dem tiefen Inhalieren dieser harmonischen Szenerie beginnt für uns von hier aus der Abstieg in südlicher Richtung nach Privas, der quirligen Hauptstadt des Départements mit süd-französischem Charme und Flair, mit einem gemütlichen Ausklang auf der beschaulichen Terrasse eines der charmanten und erschwinglichen Hotels - entspannt bei einem landestypischen Wein, der die Seele gelassen baumeln lässt.
 


Dorfleben mit Symbolkraft

Am nächsten Tag geht es frisch gestärkt weiter auf dem Chemin de la Côte du Baron, immer weiter südwärts den mediterranen Farben und Düften entgegen bis nach Alba la Romaine. Ein typisches Dorf, das die Kriterien erfüllt, um sich das Prädikat Villages de caractère zu verdienen. Dörfer mit dieser Auszeichnung verpflichten sich, ihren für die Ardèche typischen Charakter zu erhalten. Neben der Einhaltung der baulichen Vorschriften gehört auch die Pflege des Savoir Vivre zu diesem ganz besonderen Flair, das diese Orte ausstrahlen. Hier hält man gerne an, lässt sich in einem der romantischen Cafés auf der Terrasse nieder und beobachtet das bunte Treiben drum herum. Besonders an so einem Ort kann man den Frühling mit all seinen Duftvariationen tief einatmen. Nichts gegen den Singsang der nun führenden Triumph Street Triple Musik in den Ohren jedes Hintermannes - aber hier lassen sich bei einem kleinen Schluck aus dem Tässchen mit tiefschwarzen Espresso allerlei lautmalerische Geräusche wahrnehmen, die in ihrer Gesamtheit so harmonisch und friedvoll klingen, dass der Wunsch gleich nach einem ganzen Humpen Espresso wach wird. Es ist der Augenblick der inneren Stille, des Innehaltens, der nach dem letzten Schluck des starken Cafés sanft vom Impuls des Weiterfahren-Wollens verdrängt wird. Ja! Noch mehr Genuss erleben!
 
 

Genussreich reisen
Und der erwartet uns in Saint-Remèze auf dem alten Weingut der jüngsten Generation aus Cécile und Claude Dumarcher. Die charmante Cécile führt uns nach einem herzlichen Willkommen zunächst zu dem gleich hinter dem alten Gehöft gelegenen Weinreben, denen schon einige Generationen vor ihnen ihre Existenz zu verdanken hatten. Umso enthusiastischer berichtet uns die junge Frau in exzellentem Englisch von der Geschichte des Weingutes, das ihr Mann nun bereits in der dritten Generation führt und immer weiter ausgebaut und der Neuzeit angepasst hat. Von den verschiedenen Weinsorten berichtet sie anschaulich, zeigt uns nach dem Spaziergang durch das gleißende Sonnenlicht dann den tiefdunklen Weinkeller.
 

Zusammen mit ihrem Mann betreten wir das kühle Gewölbe. Der spricht zwar selten Englisch, versteht es aber bestens, schmunzelt sie uns zu Beginn ihres weiteren Vortrages zu. Von verschiedenen Lagertechniken bis hin zu den unterschiedlichsten Ausprägungen der Weine erzählt sie in ihrem kurzweiligen Bericht, der uns zum guten Schluss in den eigens dafür eingerichteten Raum für die leckeren Kostproben führt. Wieder zurück gen Hauptgebäude betreten wir das Probierstübchen unter uralten Stein-Arkaden, im Schatten der alten, mit wildem Wein bewachsenen Mauern. Im Schatten des üppig mit bunten Blumen dekorierten Innenhofes summen die Bienen, während wir in der Kühle des alten Steines einige wenige Probierschlücke zu einem Stück knusprigen Landbrots zu uns nehmen. Gerne hätten wir intensiver Gebrauch gemacht von den flüssigen Kostproben, die ja fast zu schade sind zu dem üblichen Ausspeien in den eigens dafür bereitgestellten Näpfen. Aber wir lassen uns durch das Betrachten der zahlreichen Pokale für die diversen Wein-Wettbewerbe ablenken vom zu tiefen Blick ins Glas. Dargereichte kleine Proben landestypischer Käsesorten runden unsere köstliche Weinprobe lecker ab. Die Mittagszeit beschert uns hernach ein appetitliches Mahl in der gleich einige Meter weiter gelegenen Taverne, zusammen mit vielen Einheimischen, die es sich neben würzigen Pizzen und frischen Salaten ebenso schmecken lassen wie wir. In Ruhe und Beschaulichkeit des kleinen Ortes, mitten an einer wenig befahrenen Kreuzung.
 

 

Spaß, Spiel, Sport
Gleich nach unserem köstlichen Mahl und noch bevor wir die Mopeds zum weiteren Turn anlassen, zieht in aller Gelassenheit eine große Gruppe von Wanderern an uns vorbei das nächste Hobby, dem man sich hier in der Ardèche mit Hingabe widmen kann. Wer es schweißtreibender mag, jagt per Rennrad die steilen Gebirgsstraßen rauf und runter. Was wir mehrfach mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen und uns eingestehen müssen, dass wir dafür viel zu unsportlich sind und uns lieber mit deftigen Maschinen um die zahlreichen Kurven kümmern, als noch selbst die Glieder großartig anzustrengen.

Eine weitere Möglichkeit, sich dieser einzigartigen Landschaft zu nähern und diese stilvoll zu genießen, ist das Kanufahren. Klar, Wasserwege gibt es hier zwischen den schroffen Felsklippen und üppig bewaldeten Hängen zur genüge. Was wunder, dass wir zahlreiche Rudergruppen von unseren diversen und hochherrschaftlichen Aussichtspunkten bewundern können. Ganze Vereine halten hier ihre Trainings ab, um sich an zahlreichen Wettbewerben zu beteiligen. Viele Touristen geben sich aber lieber gelassen dem mächtigen Strom hin und erpaddeln sich vergnüglich die herrliche Natur, während wir weiter mit Wonne auf unseren Krädern die unterschiedlichsten Höhen- und Tiefenlagen dieser ereignisreichen Landschaft genießen.

Lebens-Elixier der Ardèche
Unsere dreitägige Reise führt uns noch zu zwei weiteren Weingütern, die auf Grund ihrer unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit, Lage und Historie ganz verschieden in ihrem Anbau strukturiert sind. Die Menschen hier freuen sich immens über die Besucher aus Nah und Fern, die sich über die jeweiligen Weine intensiv informieren lassen möchten, bieten oftmals sogar ihre sehr stilvollen Herbergen zu einem längeren Aufenthalt an, von denen aus sich Land und Leute bestens kennen lernen lassen. So unterschiedlich die Anbaumethoden oder Arten von Weinpflanzen auch sein mögen, die Menschen hier eint ihr einzigartiger Enthusiasmus, wenn es um das Vorstellen ihrer Arbeit mit und um die Weinpflanze geht. Schließlich stimmen sie alle in einer Aussage überein: Im Durchschnitt kann ich in meinem Leben vierzig Mal eine Ernte einbringen, immer abhängig von den Wetterbedingungen und meiner Fürsorge um die Pflanzen, deren Grundlage die Existenz meiner Familie darstellt. Dem widme ich mich mit ganzem Herzen und all meiner Erfahrung. Diese Aussage begegnete uns immer wieder, und waren die Weingüter auch noch so unterschiedlich angelegt.

Verre plein, je te vide, verre vide, je te plains- ein Sinnspruch, der übersetzt bedeutet: Volles Glas, ich leere Dich leeres Glas, ich fülle dich. Wer sich Gott in Frankreich allein wie einen ruhigen, älteren Herrn, ruhend auf einem überdimensionalen Sofa vorstellt, war nie in der Ardèche. Leben wie Gott in Frankreich bedeutet, sich mit allen Sinnen der Genussbandbreite der Ardèche in allen Lebenslagen hinzugeben.
 


Info-Kasten:

Der Weinbau im südlichen Rhônetal ist bereits für die vorrömische Antike nachgewiesen. Hier begann der Weinanbau in Frankreich, ausgehend von phönizischen und griechischen Handelsniederlassungen. Die bekannteste der Niederlassungen befand sich in Massilia, das heutige Marseille. Der Wein der Ardèche gehört zu den eher einfachen Sorten nach Aussage des Raphael Pommier, der voll Stolz und Hingabe auf seinem Weingut Notre Dame De Cousignac in Bourg St. Andeol den Wein bereits in der siebten Generation anbaut und im Sommer 2009 zum Vorsitzenden des hiesigen Verbandes deklariert wurde. Bis vor wenigen Jahren waren die Produkte aus dieser Gegend dennoch zu Unrecht nicht über das Département hinaus bekannt. Inzwischen finden sie aber zu Recht internationale Anerkennung. Ardèchetypische Rebsorten sind Syrah und Grenache. Aber auch Chardonnay und Merlot entfalten hier ihre besondere Note. Prägnant für die Weine dieser Gegend ist ihr hoher Alkoholgehalt von 14 % bis 14,5 %. Die Böden sind von unterschiedlicher Art, dem sich der Weinanbau hier durch Auswahl der entsprechenden Sorten selbstverständlich anpasst. Eine Weinrebe, die immer gehegt und gepflegt werden muss durch Stutzen und Auslese, kann bis zu 50 Jahre alt werden. Raphael Pommier propagiert den ökologischen Anbau, das heißt, er verwendet keinerlei chemische Schädlingsbekämpfungsmittel und bevorzugt das Aufrechterhalten eines biologisch ausgewogenen Kreislaufs durch Schonen der Ressourcen und Unterstützen des natürlichen Gleichgewichts.
 

Information zum Gebiet der Ardèche

Die Ardèche ist eine der am meisten beeindruckenden Landschaften Frankreichs geprägt von Kalksteinformationen, Tropfsteinhöhlen, prähistorische Fundstätten, tiefe Canyons, Bergen und Kastanienwäldern. Am bekanntesten ist die Ardèche- Region in Deutschland bei den Kanuten wegen der Wildwasserflüsse. Aber die Region hat viel mehr zu bieten. Auf der einen Seite die Flüsse mit ihren wilden Schluchten und Kalkfelsen. Auf der anderen Seite die einsamen Berge der Ardèche. Hier ist die Landschaft geprägt von Jahrhunderte alten und heute meist verwilderten terrassierten Kastanienwäldern und Obstgärten, kargen Höhenzügen, vielen kleinen Flüssen und Bächen, festungsähnlich aus Bruchstein erbauten Dörfern und Gehöften. Die meisten Besucher sind immer wieder überrascht von der Vielfältigkeit und Schönheit der Region, und das bei angenehmem, mediterranem Klima. Als Auskennerin und äußerst hilfreich erwies sich die perfekt deutschsprachige und sehr charmante Emmanuelle Istier vom Touristikinformationsbüro in Privas, siehe Link www.ardeche-guide.com

 


Interessante Links:

Ausstatterlinks:


Text: Sabine Welte
Fotos: Sabine Welte, Michael Klimmer-aXslam

 

Autor
karolettaLambretta

KAROLETTALAMBRETTA

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Bericht vom 28.09.2009 | 7.944 Aufrufe

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