Die Wissenschaft der Dragster-Rennstrecken

Wie eine 1/4-Meilen-Strecke präpariert wird

Mit eher unkonventionellen Mitteln wird auf den Dragster-Rennstrecken gearbeitet, um diese zu präparieren. Rennslicks werden zerschnitten, fest auf den Asphalt gedrückt und hinter einem Traktor nachgezogen, um den Dragstern den perfekten Grip zu bieten. Henrik Vomdohre verrät uns die Geheimisse der Streckenpräparation.

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In wohl keinem anderen Motorsport als im Beschleunigungssport wird der Rennstrecke mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Nur vier bis vierzehn Sekunden dauernde Action, Motoren bis zur maximalen Leistungsfähigkeit getuned, Mega-Slicks, die sich in den Asphalt krallen, auf der Suche nach dem letzten bisschen Grip, und Fahrer, die sich innerhalb von Sekundenbruchteilen der körperlichen Belastungsgrenze ausgesetzt sehen. So präsentiert sich der Dragster-Sport dem Zuschauer. Gerade der unglaublich hohe Grip ist so wichtig und unerlässlich für diesen so faszinierenden Motorsport.

Leider wurde bei den diesjährigen NitrOlympix im ersten Qualifying am Freitag schnell deutlich, dass die Strecke, sagen wir mal, noch nicht optimal war. Als die ersten Fahrer pro Klasse auf die Strecke rollten, zeigte sich, dass unzählige Teams mit der im letzten Jahr neu asphaltierten Strecke zu kämpfen hatten, zum Leidwesen der zigtausend Fans. Viel zu oft sah man die Rennfahrzeuge, ähnlich wie beim Burnout, eingehüllt in weißem Qualm der durchdrehenden Räder, die Strecke herunter fahren. Dies sieht zwar wie ein riesiges Spektakel für die Zuschauer aus, hat aber wenig mit professionellem Motorsport zu tun.

Vorbereitungen der Formel 1 - zu viel geputzt.

Ursache für den fehlenden Grip war die Aufforderung der FIA zur Reinigung der Strecke für den Formel 1 GP. Während üblicherweise nur ein Teil der 402 Meter langen Dragster-Strecke für den normalen Motorsport benötigt und dafür gereinigt wird, waren die Hochdruckreiniger in diesem Jahr offenbar annähernd auf der kompletten Quartermile zum Einsatz gekommen. Für eine gute Vorbereitung einer Rennstrecke benötigt man viel Erfahrung, technisches Know-How und chemische Unterstützung. Bereits weit im Vorfeld ist die Streckencrew mit den Vorbereitungen beschäftigt. Bis zu drei Wochen vor der Veranstaltung beginnen die Arbeiten auf der Strecke. Die Hockenheim Ring GmbH wird für dieses Mega-Event durch die Streckencrews vom Santa Pod Raceway aus England und der Jade Race Crew unterstützt. Bei den professionellen Klassen im Drag Racing werden auf speziell präparierten Rennstrecken Beschleunigungsrennen ausgetragen. Diese Rennen unterliegen den strengen Regularien der FIA, FIM oder anderen Verbänden. Damit eine Dragsterrennstrecke ausreichend Haftung für die Reifen bietet und Beschleunigungen von 0 auf 300 km/h in weniger als drei Sekunden möglich sind, werden die Strecken vor den Rennveranstaltungen präpariert.

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Die ungewöhnliche Herstellung des passenden Grips.

Spezielle Maschinen und Equipment, meist selbst konstruiert und gebaut, sorgen für eine Erleichterung der notwendigen Arbeitsschritte. Sinn und Zweck ist es, dass die unterschiedlichen Poren und Risse im Asphalt (der Asphalt ist eine spezielle Rezeptur, die mit der NHRA abgestimmt wurde) geschlossen werden und eine gleichmäßige Gummischicht aufgebracht wird. Im Gegensatz zu den Drag Strips in den USA, wo bei den meisten Strecken die ersten 100 m betoniert sind, wird in Europa fast ausschließlich auf Asphalt gefahren.

Um auf einer Bahn gleichmäßige Leistungen zu erbringen, muss diese vor jedem Rennen abgeschabt, gereinigt, neu geklebt und mit Gummi belegt werden. Es ist viel Arbeit, aber die Fahrer wissen dann, dass die Strecke gleichmäßig in der Qualität und somit sicher ist.

Bitte Reifen zerschneiden, fest aufdrücken und ziehen!

Wenn wir von Gummiauftragen sprechen,dann bedeutet das mitunter, dass z.B. in Hockenheim über 150 brandneue Hoosier Rennslicks ihr Gummi lassen mussten. Da nur die Laufflächen der Reifen benötigt wurden, hat man die Reifenflanken abgetrennt. In einer eigens angefertigten Vorrichtung werden die Reifen mit einem Zugfahrzeug (Trecker) auf die Fahrbahnoberfläche gedrückt und über die Strecke gezogen.

Das Wichtigste: der Kleber

Ein spezieller Klebstoff (Hersteller z.B. VHT) wird gleichmäßig und ganz leicht auf die Strecke versprüht, um die winzigen Gummipartikel an der Streckenoberfläche zu binden. Ziel ist es, vergleichbar wie beim Lackieren, Millionen feinster Tröpfchen zu sprühen, die sich dann auf der Oberfläche alle gegenseitig berühren und eine gleichmäßige, dünne Schicht erzeugen. Beim Lackieren gilt, ist die Lackschicht zu dick lackiert, fängt die Farbe an zu laufen, zu tropfen, und die Schicht wird uneben. Mehrere dünne Schichten ergeben eine saubere, ebene Oberfläche. Beim Kleber verhält es sich ebenso, d.h. eine dicke Schicht erzeugt eine weiche, elastische Oberfläche, so dass sich unter Belastung der Gummi hin und her bewegt. Wenn der Kleber gleichmäßig auf die Bahn aufgetragen werden soll, spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Die Geschwindigkeit, mit der das Sprühgerät über die Bahn geht, der Abstand der Sprühdüsen zur Bahn (hier spielt auch die Windgeschwindigkeit eine wesentliche Rolle), der Sprühdruck und die Größe der Düsen.

Nur genaue Arbeit hilft.

Die Höhe der Düsen über der Strecke soll auf der ganzen Fahrt gleich bleiben. Und zwar nur so hoch, dass der Klebernebel nicht zu sehr austrocknet, bevor er die Bahn trifft, aber auch nicht so tief, das nasse Streifen erzeugt werden. Auch beim Gummiauftragen ist es sehr wichtig, die Unebenheiten der Strecke zu kompensieren. Eine neue Maschine ermöglicht es nun, einen kontinuierlichen (einstellbaren) Anpressdruck auf die Pneus zu erzeugen. Somit ist es möglich, Unebenheiten auf der Strecke auszugleichen. Pausen sind enorm wichtig. Wenn immer möglich, sollte der Kleber 2 Stunden Zeit zum Trocknen bekommen, Es wäre aber auch technisch möglich, schon wenige Minuten nach dem Sprühen zu fahren. Um beide Bahnen gleichmäßig zu kleben, wird darauf geachtet, dass jede Bahn die gleiche Anzahl von Sprühgängen und Gummi erhält. Nur so sind sie gleichwertig.

70-80.000 Euro im Jahr.

Es ist ein allgemeiner Irrglaube, mehr Kleber (nach dem Motto viel hilft viel) ergebe eine bessere Traktion. Es ist besser, ordentlich Gummi aufzutragen und dann dünn zu sprühen. Zuviel Kleber macht die Bahn schwammig. Der Kleber wird herum geschoben, sodass der Gummi sich ablöst oder sogar Blasen wirft. Für die höher motorisierten Renner ist die Klebrigkeit bis zum Bahnende enorm wichtig. Schlingern und Durchdrehen der Hinterräder wird so entgegengewirkt. Nachdem einmal eine gute Bahnoberfläche erreicht wurde, weiß man in Zukunft, wie viel Kleber nötig ist. Bis zu 800 Liter des teuren Klebers sind nötig, um eine komplette Rennstrecke zu kleben. 70-80.000 Euro veranschlagt der Hockenheim Ring für die jährliche Strecken-Präparation. Andere Rennstrecken haben den wesentlichen Vorteil, mehrere Dragster Rennen in der Saison zu veranstalten. Die Strecken sind also mehr in Gebrauch und man hat einen Basisgrip. Die jeweilige Streckencrew hat mehr Praxis und weiß genau wie ihre Strecke sich verhält.

„Golddust“ hält Stand, wo andere versagen.

Die Hitze und Reibung der Reifen auf der Bahn beim Start sind enorm, deshalb ist am Start die Kohäsion (Zusammenhangskraft) des Belages wichtiger als die Adhäsion (Anhangskraft). Der Kleber muss diesen enormen Kräften standhalten. Um ein noch besseres Ergebnis im Startbereich zu bekommen, greift man gern auf den sündhaft teuren Haftvermittler Namens Golddust zurück. Aufmerksame Besucher können Fahrer oder Teammitglieder beobachten, wie sie im Startbereich mit dem Schuh kurze, schnelle Stöße auf den Asphalt ausüben. Diese Prozedur gibt Aufschluss, ob der Gummi fest auf der Oberfläche haftet. Falls der Gummi abgeht, ist die Traktion schlecht, andersherum, löst sich kein Gummi, sollte alles in Ordnung sein. Etwas ausgefeilter ist eine Art Haftungsmessgerät, welches anzeigt, wie viel Haftung in dem jeweiligen Bereich vorherrscht. Darüber hinaus sieht man viele Rennfahrer dabei, die die Strecke mehrmals abschreiten und dabei auf jede Veränderung (Risse, Poren Oberfläche etc.) achten.

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Einflüsse auf die Fahrbahn.

Während einer Rennveranstaltung mit über 300 Teams mit Starts im Dreiminutentakt ist es unumgänglich, dass das Streckenpersonal schnell und kompetent auf Verschmutzung durch Öl, Flüssigkeit oder anderes reagiert. Sehr oft sieht man Streckenpersonal mit griffbereiten Lumpen oder mit einem Feudel bewaffnet im Startbereich. Dadurch wird gewährleistet, dass schnell eingegriffen werden kann. Verschmutzung kann somit nicht tief in Risse der Bahn eindringen und ist leichter zu entfernen. Es gibt spezielle Lösungsmittel für Dragsterstrecken. Bei einem größeren Öl-Down kommt spezielles Ölbindemittel Namens Billys zum Einsatz. Mit Gasbrennern wird vorsichtig synthetisches Öl von der Bahn geflammt. Merkt ein Fahrer, dass er Öl oder Kühlflüssigkeit verliert, so ist er offiziell angewiesen unverzüglich an den Rand der Bahn zu fahren und sofort das Fahrzeug zu stoppen, somit wird die Fahrbahnmitte sauber gehalten.

Auch die Natur hat ihre Finger im Spiel.

Auch Witterungseinflüsse können eine Strecke in kürzester Zeit verändern. Die Temperatur der Streckenoberfläche ist dein bester Freund oder dein schlimmster Feind. Bei extremen Temperaturen ist die Traktion immer schlecht. Ölreste und Flüssigkeiten kommen aus Rissen an die Oberfläche, Feuchtigkeit steigt durch und der Kleber verliert seine Fähigkeit, Gummi am Untergrund zu binden. Egal welcher Kleber eingesetzt wird, Temperaturen unter 5 Grad Celsius oder über 80 Grad Celsius sind das Ende der Fahnenstange. Ein guter Kleber verträgt die normalen Temperaturschwankungen über den Tagesverlauf, ohne dass sich die Bahnbedingungen dramatisch verändern.

Im Drag Racing wird das Rennfahrzeug, ob Auto oder Motorrad, auf die jeweiligen Streckenverhältnisse abgestimmt. Nicht immer sind die Bedingungen an einem Rennwochenende optimal. Alle Teilnehmer haben aber die gleichen Voraussetzungen. Der eine kommt gut mit den Bedingungen zurecht und ein anderer weniger gut. Genau dieser Aspekt ist es aber auch, der diesen extremen Motorsport so interessant und einzigartig macht.

Autor

Bericht vom 28.10.2014 | 26.492 Aufrufe

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