Hinterschneiden? Besseres Kurvenfahren mit dem Motorrad!

In Motorradfahrerkreisen hat sich eingebürgert, dass man unter Hinterschneiden folgende Kurvenfahrtechnik versteht: Der Kurveneinlenkpunkt wird später gesetzt, der Kurvenscheitelpunkt ebenfalls. Durch Ausnützen deiner gesamten Fahrstreifenbreite hast du mit dieser Technik mehr Reserven zum Korrigieren, mehr Kurveneinblick und kannst früher aus der Kurve raus beschleunigen. Der größte Vorteil des Hinterschneidens aber ist, dass es einen häufig vorkommenden Fehler beim Kurvenfahren mehr oder weniger eliminiert. Nämlich das zu zeitige Einlenken. Durch das verfrühte in den Kurvenradius Fallen können große Probleme entstehen.

Leider kommt diese falsche Kurvenfahrtechnik öfter vor, als man glaubt. Irgendwie freuen sich offenbar immer noch viele Motorradfahrer, wenn sie in der Kurve sehr früh nach innen kommen. Sie fühlen sich offenbar vorerst dort sicherer. Was ihnen aber offenbar nicht bewusst ist: Dadurch haben sie einen größeren Fahrlinienradius und dadurch oft auch eine zu hohe Kurvengeschwindigkeit angesichts des eigentlichen Kurvenradius´ hier. Und dann kommt das böse Erwachen, wenn durch den weiteren Verlauf der Kurve das auf der rechten Fahrspur Bleiben nur durch eine krass enger zu wählende Kurvenfahrlinie möglich ist.

Denn eine krass engere Fahrlinie zu realisieren ist jetzt schwierig. Entweder diese Motorradfahrer erhöhen die Schräglage schlagartig oder sie reduzieren die Geschwindigkeit schlagartig. Statistisch belegt passiert keins von beidem. Die betroffenen kommen in einen panikartigen Zustand, ergeben sich der Linie und kommen auf die Gegenfahrbahn oder danach von der Straße ab, wenn das möglich ist. Meistens sind an solchen Stellen Leitplanken angebracht und das wird schmerzhaft.

Ein großes Projekt verlangt nach großen Partnern - weshalb wir uns entschieden, für unsere Berichteserie Motorradfahren lernen mit hochwertigen Herstellern wie Honda, Metzeler, Stadler und SW-Motech zusammen zu arbeiten. Für einen feinen Querschnitt durch die aktuellen Motorradkategorien haben wir von Honda eine einsteigerfreundliche CB500 Hornet, eine sportliche CBR650R sogar mit E-Clutch (muss man mal probiert haben!) und als Referenz für das Adventure-Segment eine CRF1100L Africa Twin Adventure Sports mit elektronisch verstellbarem Fahrwerk gewählt. Bestückt wurden alle Bikes mit Taschen oder Tankrucksäcken von SW-Motech, damit wir diverse Utensilien, die wir bei unseren Fotofahrten brauchten, gut verstauen konnten. Da wir natürlich nicht wussten, wie das Wetter wird, vertrauten wir bei der Kleidung auf Highend-Ware von Stadler Bekleidung, die dank GoreTex-Material und innovativen SASS-Belüftungsöffnungen sowohl bei nasskaltem als auch bei heißem Wetter ausgezeichnet funktionieren. Schließlich wollten wir auch bei den Reifen nichts dem Zufall überlassen, für unsere Vorführ-Fahrten wurden auf allen drei Maschinen Qualitäts-Pneus von Metzeler aufgezogen. Und ja, richtig vermutet, natürlich hat mit allen vier Herstellern alles problemlos funktioniert!

Also die eigentliche Ursache ist wieder einmal ganz trivial. Die betroffenen Motorradfahrer haben ihr Können und die Kurve falsch eingeschätzt. Die Kurve deswegen, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht richtig geschaut haben, sondern sich nur um die nächsten paar Meter gekümmert haben. Die nächste Ursache wurde schon erwähnt. Der großzügige Radius beim Einlenken verschleiert die Gefahr des eigentlich viel engeren Kurvenradius´ und die Kurveneingangsgeschwindigkeit ist für diesen Radius zu hoch. Der nächste Fehler ist dann mangelndes Notsituations-Management. Gemeint ist: Wenn man nicht gewohnt ist, Notfallsituationen fahrtechnisch zu bewältigen, dann steigt der Stresslevel ungemein und mit ihm die Wahrscheinlichkeit von Fehlleistungen. Die fehlende Kenntnis von grundsätzlichen fahrdynamischen Prinzipien und vom eigenen Fahrzeug tut dann das ihre noch dazu. Heißt. Die meisten richten das Fahrzeug auf, bremsen oder beides. Und dann geht´s halt der Physik folgend nach außen!

Vorweg genommen: eher nicht! Aber betrachten wir doch einmal dieselbe Kurve, wenn sie mit der Kurvenfahrtechnik Hinterschneiden bewältigt wird: Beim Hinterschneiden wird wesentlich später eingelenkt, der Fahrstreifen wird diesbezüglich optimal bis zum Fahrstreifenaußenrand ausgenutzt, danach entspricht die Fahrlinie in etwa jener der Fahrstreifenmitte. Dadurch ist die Kurvengeschwindigkeit angepasst und die einzige Geschwindigkeitskorrektur ist die sanfte Beschleunigung im letzten Drittel, allerdings mit viel Reserven zum Gegenverkehr am Kurvenaußenrand. Außerdem hast du die Blickposition etwas weiter weg vom blickeinschränkenden Kurveninnenrand und somit einen wesentlich weiteren Einblick in die Kurve.

Durch das Hinterschneiden hast du schon sehr früh in der Kurve ein Gefühl für Geschwindigkeit, Schräglage und weiteren Kurvenverlauf. Du hast auch eine geringere Eingangsgeschwindigkeit und viel mehr Optionen für die Wahl der weiteren Linie, also sehr viel Reserven in punkto Schräglage, Geschwindigkeit und im letzten (später einsichtigen) Drittel der Kurve hast du mehr Abstand zum gefährlichen Gegenverkehr. Die Beschleunigungsphase läuft dementsprechend entspannter ab. Oder noch einfacher: Nimm dir den Stress der Kurvenlinie, indem du zuerst einmal eine langsame Linie mit Reserven an deinem Fahrstreifenaußenrand wählst und erst einlenkst, wenn du genau weißt, wie es weiter geht und du trotzdem am Kurvenende in deinem Streifen innen bleiben kannst! Was natürlich nicht passieren darf: dass beim Anbremsen zu viel hinterschnitten wird, sprich, das Abbiegen zu spät und (in der Rechtskurve) im Gegenverkehr passiert.

Auch wenn das 1000PS Nachschlagewerk nicht auf einmal sondern bis Ende des Jahres immer weiter ergänzend erscheint, ist es am Ende eine große, einem Lexikon ähnliche, Database, in der man nach Kapiteln und Absätzen geordnet auf die häufigsten Fragen, die in den 1000PS-Foren in den letzten Jahren gestellt wurden, eine Antwort findet.

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