Nolan Helme: So entsteht ein Motorradhelm in Italien

Inside Nolan: Ein exklusiver Blick in die Helmproduktion

Wie entsteht ein Motorradhelm? Bei Nolan in Bergamo beginnt alles mit Granulat und endet mit einem zertifizierten Sicherheitsprodukt. Wir waren vor Ort und zeigen exklusiv, wie aus Kunststoff und Faserverbund Hightech-Helme entstehen - komplett Made in Italy.

Von der Schutzschicht über dem Kopf bis zur finalen Designlackierung - Motorradhelme sind weit mehr als nur Zubehör. Bei Nolan im italienischen Bergamo wird der gesamte Produktionsprozess hausintern durchgeführt. Das Team von 1000PS durfte die Fertigung hautnah miterleben - und bekam einen faszinierenden Einblick in eine der wenigen Firmen, die Entwicklung, Produktion und Qualitätssicherung vollständig unter einem Dach vereinen.

Komplette Produktion unter einem Dach

Nolan gehört zu den wenigen Helmherstellern, die sämtliche Produktionsschritte - von der Entwicklung bis zum Versand - im eigenen Werk durchführen. Der Rundgang durch das Werk beginnt auf dem weitläufigen Gelände in Bergamo. Schon beim Betreten wird deutlich: Hier lagern hunderte Helmschalen, Innenleben und Zubehörteile, fein säuberlich sortiert nach Modellen und Produktionslinien.

Zwei Fertigungswege stehen bei Nolan zur Verfügung: Helmschalen aus CFK/GFK-Faserverbundstoffen oder Spritzguss-Kunststoff (Lexan). Beide Verfahren haben ihre spezifischen Vorteile - und beide verfolgt Nolan mit höchster Sorgfalt.

Innenleben mit variabler Dämpfung

Die Besichtigung startet bei der Herstellung der Innenschalen, dem Herzstück der Aufpralldämpfung. Nolan verwendet Granulat mit unterschiedlichen Härtegraden, das im Spritzgussverfahren zu geformten Innenschalen verarbeitet wird. Ziel ist es, unterschiedliche Steifigkeiten in verschiedenen Zonen des Helms zu realisieren, um den Schutz bei einem Unfall zu optimieren. Das Granulat wird aus großen Silos in die Maschinen geführt, dort erhitzt, gemischt und unter hohem Druck in CNC-gefräste Stahlformen gepresst.

Die Basis jeder Innenschale: Das Granulat.
Die Basis jeder Innenschale: Das Granulat.

Formen aus Stahl - Präzision für jedes Modell

Die Produktionsformen für die Helmschalen bestehen aus massivem Stahl und werden per CNC-Fräse hochpräzise bearbeitet. Für jedes Helmmodell wird eine eigene Form gefertigt. Ein solcher Formenblock kostet rund 100.000 Euro - entsprechend versucht man, mit wenigen Außenschalen möglichst viele Helmgrößen abzudecken.

Die Produktionsschalen bei Nolan.
Die Produktionsschalen bei Nolan.

Deshalb bietet Nolan zwei Außenschalengrößen: eine für XS bis M, die zweite für L bis XXL. Die Feinanpassung erfolgt durch unterschiedliche Innenpolster.

Lexan - das Multitalent für Außenschalen

Im nächsten Schritt geht es zur Produktion der Außenschalen aus Lexan, einem schlagzähen, flexiblen Kunststoff. Lexan wird als Granulat angeliefert, erhitzt und im Spritzgussverfahren in Form gebracht. Innerhalb von 90 Sekunden entsteht eine komplett montierbare Außenschale, inklusive aller Aussparungen und Befestigungspunkte.

Die Außenschale aus dem Kunststoff Lexan.
Die Außenschale aus dem Kunststoff Lexan.

Ein großer Vorteil gegenüber CFK/GFK-Schalen: Lexan-Schalen müssen kaum nachbearbeitet werden - das spart Zeit, Ressourcen und Kosten.

Automatisierte Nachbearbeitung

Die Spritzguss-Schalen werden nach der Entnahme aus der Form direkt von einem Roboterarm übernommen, geschliffen und zur Weiterverarbeitung vorbereitet. Die hohe Präzision erlaubt eine weitgehend automatisierte Produktion - ein deutlicher Unterschied zur GFK/CFRP-Produktion, wo viele Arbeitsschritte manuell erfolgen.

Automatisiert: Die Nachbearbeitung.
Automatisiert: Die Nachbearbeitung.

Designarbeit mit Fingerspitzengefühl

Vor dem Lackieren erhalten die Helme ihre Designfolien, die manuell aufgeklebt werden. Mit Hilfe von Wasser lassen sich die Folien exakt positionieren. Frauen übernehmen bei Nolan viele dieser Aufgaben, da - laut Werksleitung - ihre Genauigkeit in der Serienfertigung besonders geschätzt wird.

Fingerspitzengefühl ist bei der Anbringung der Decals gefragt.
Fingerspitzengefühl ist bei der Anbringung der Decals gefragt.

Feinere Designs werden mit Aufklebefolien umgesetzt, großflächige Farbarbeiten erfolgen im Spritzlackverfahren. Dabei kommen moderne, umweltfreundliche Farben auf Wasserbasis zum Einsatz.

Von der Nähmaschine bis zur Hochzeit

In der firmeneigenen "Schneiderei" entstehen die Innenfutter der Helme - vom Stirnpolster bis zur Oberkopfabdeckung. Die Nähte sind nicht nur funktional, sondern auch gestalterisches Element, etwa durch farbige Kontrastnähte. An der sogenannten "Hochzeitsstation" werden Außenschale und Innenschale zusammengefügt. Die Verbindung erfolgt mechanisch über Klick- und Klemmverschlüsse - ganz ohne Klebstoffe, was das Gewicht reduziert und die Flexibilität erhöht.

Die Innenteile werden gesteckt und nicht geklebt.
Die Innenteile werden gesteckt und nicht geklebt.

Visiere, Verschlüsse und Endmontage

Auch Visiere und Klappmechanismen fertigt Nolan im Haus. Diese werden auf Langlebigkeit getestet etwa durch 70.000-faches Öffnen und Schließen. Die finale Montage umfasst das Einsetzen des Visiers, das Aufbringen von EC-Kennzeichnungen, Gewichtsangaben und die Verpackung für den Versand. Jeder Helm wird einzeln gewogen und gekennzeichnet.

GFK/CFK-Schalen: Aufwändig, aber hochwertig

Anders als bei Lexan erfordert die Produktion von GFK- und CFK-Schalen einen viel höheren manuellen Aufwand. Kohlefaser-, Aramid- und Glasfasermatten werden zugeschnitten, von Hand eingelegt und laminiert. Das Harz wird durch Druck und Hitze homogen verteilt. Anschließend kommen die Schalen in eine Formpresse, wo sie unter hohem Druck ausgehärtet werden. Die Nachbearbeitung erfolgt per Wasserstrahl-Schneidetechnologie, um Aussparungen und Bohrungen präzise und staubfrei zu erzeugen.

Die Fertigung von GFK- und CFK-Schalen erweist sich als deutlich aufwendiger.
Die Fertigung von GFK- und CFK-Schalen erweist sich als deutlich aufwendiger.

Helme mit CFK/GFK-Schale starten bei ca. 600 Euro, während Spritzgusshelme bei etwa 400 Euro beginnen.

Sicherheitstests im hauseigenen Prüflabor

Nolan testet seine Helme weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. In der firmeneigenen Prüfstation werden Helme auf Stoß, Penetration und strukturelle Integrität getestet - etwa durch Falltests oder Druckluft-Projektilbeschuss.

In der Schlagmaschine wird der Helm getestet.
In der Schlagmaschine wird der Helm getestet.

Die Norm ECE 22.06 schreibt vor, dass Helme inklusive Visier im Verbund getestet werden müssen. Dank einheitlichem Materialkonzept (z. B. Lexan auch fürs Visier) kann Nolan die Anforderungen effizient erfüllen.

Fazit: 100 % Made in Italy

Während andere Hersteller nach Asien auslagern, bleibt Nolan konsequent in Italien. Vom CAD-Design über Spritzguss oder Faserverbundtechnik bis hin zu Tests und Verpackung - alles entsteht in einem Werk. Ein Modell von Qualität, Effizienz und Engagement für Sicherheit.

Bericht vom 22.09.2025 | 2.922 Aufrufe

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