Wunderlich Fahrwerke im Test: Elektronik trifft Präzision

Nordschleifen-Check: Wie gut sind die Wunderlich Fahrwerke?

Im Rahmen eines Tests wurden die neuen Wunderlich Fahrwerke auf der Nordschleife erprobt. Ziel war es, die Kombination aus elektronischer Steuerung und mechanischer Anpassung unter realen Bedingungen zu bewerten und ihre Wirkung auf Fahrverhalten und Stabilität zu untersuchen.

Trackfotos by pixelrace.de

Die Fa. Wunderlich ist bereits eine bekannte Größe im Bereich Zubehör mit Fokus auf BMW. In den letzten Jahren hat sich Wunderlich aber in Zusammenarbeit mit TracTive Suspension auch sehr intensiv im Fahrwerksbereich engagiert und sehr innovative Möglichkeiten entwickelt. Gerade auf dem elektronischen Fahrwerkssektor hat man nun eine Lösung, die einen Austausch der Serienfederelemente gegen optimierte ermöglicht, ohne eine Fehlermeldung hervorzurufen.

Elektronisches Fahrwerk ohne Fehlermeldung

Das gelingt durch die Verwendung eines Magnetventils, dass mit den selben Anschlüssen und Bestromungen funktioniert, wie die Originalelemente. Dadurch erkennt die Elektronik keinen Unterschied und eventuelle Fehlermeldungen bleiben unterbunden. Auch die Diagnosemöglichkeiten bleiben weiterhin aufrecht, was die Servicefreundlichkeit beim normalen Motorradhändler erleichtert.

Nachdem das Magnetventil aber einen anderen Aufbau hat, kann die entsprechende Dämpfung bei selbiger Bestromung angepasst werden. Lediglich der Regelalgorithmus der Fahrwerkselektronik bleibt so wie in der Serie vorprogrammiert. Das ist ein Punkt, der auch von Fahrwerksherstellern nicht leicht geändert werden kann, da hier auf die interne Fahrwerks ECU zugegriffen und geändert werden müsste.

Um aber auch hier eine Anpassung durchführen zu können, geht man bei Wunderlich einen sehr pragmatischen Weg, und versieht das Magnetventil mit einem zusätzlichen herkömmlichen Dämpfungskolben mit passendem Shim Setting um auch in diesen Bereichen Optimierungen durchführen zu können. In Kombination mit mechanischen Einstellern am Ausgleichsbehälter kann somit auf herkömmlichen Wege die Dämpfung zusätzlich per Inbus geändert werden. Die elektronischen Einstellmöglichkeiten übers Display bleiben natürlich erhalten und können wie in der Serie auch, während der Fahrt geändert werden. Man mischt sozusagen die Vorteile beider Welten zusammen.

Aufwand, der sich lohnt

Und warum macht man das? Nun, die elektronischen Fahrwerke bieten gerade unter Verwendung elektromagnetischer Ventile einen sehr großen Verstellbereich, der zusätzlich innerhalb von nur 10 Millisekunden jeden beliebigen Wert anfahren kann. Hier steuert vereinfacht gesagt nur eine Nadel in einer Bohrung die Dämpfung. Um hier eine ähnliche Dämpfungscharakteristik zu erhalten wie ein herkömmliches Dämpfungssystem, muss die Nadel bei unterschiedlichen Einfedergeschwindigkeiten auch unterschiedliche Positionen anfahren. Das bedeutet einen sehr komplexen Regelvorgang, bei dem auch die Einfedergeschwindigkeiten zu erfassen und zu berücksichtigen sind. Aufgrund der teilweise noch mangelnden Erfahrungen ist es eben nicht ganz so einfach, nur über die Elektronik ein Fahrwerk in allen Betriebszuständen optimiert zu bekommen. Das hat sich besonders bei den ersten voll-elektronischen Fahrwerken wie bei der HP4 gezeigt. Gerade in Grenzbereichen wie im Rennsport ist man da sehr schnell an Grenzen gestoßen, die man nicht einfach lösen konnte. Deswegen hat man in diesen Bereichen meist auf bereits gut bekannte und bewährte Dämpfungsysteme mit Dämpfungskolben und Setting umgerüstet.

Mit der Kombination der beiden Systeme verbinden die Fahrwerke von Wunderlich nun die Vorteile miteinander und um das zu demonstrieren, hat Wunderlich zur umfassenden Testfahrt geladen. Es wurden dabei vier Motoräder unterschiedlichster Klasse mit den elektronischen Nachrüstfahrwerken ausgestattet und wohl zu der Teststrecke schlechthin gebracht - die Nordschleife. Eine 20 km lange Strecke die quer durch die Eifel führt und jeden der mit Motorsport auch nur annähernd zu tun hat, wohl sofort ein Begriff ist. Mit unterschiedlichsten Kurvenkombinationen, extremen Steigungen, blinden Kurven und unterschiedlichsten Bodenbeschaffenheiten wird dem der das erste mal auf die Nordschleife einbiegt schnell klar, warum die Strecke auch "die grüne Hölle" genannt wird. Nachdem diese aber seit kurzem für Motorräder leider fast nicht mehr befahrbar ist, hat Wunderlich in Kooperation mit dem ADAC und Doc Sholl, eine Testfahrt auf der legendären Strecke ermöglicht.

Und wie funktionieren die Fahrwerke jetzt?

Zuerst konnte ich einige Runden auf der S1000RR mit elektronischem Fahrwerk, dem Superbike aus dem Hause BMW, abspulen. Hier Verbesserungen zu machen ist kein Leichtes, da bereits in der Serie die Fahrwerke einen guten Job machen und die RR von der Grundgeometrie sehr viel Stabilität mit sich bringt. Trotzdem gibt es gerade bei extremen Fahrsituationen wie hartes Beschleunigen aus tiefen Schräglagen oder Einlenken bei maximaler Verzögerung immer noch Bereiche, wo Fahrwerke über die Alltagstauglichkeit hinaus noch weitere Kriterien erfüllen müssen. Und da kann man als Fahrwerksoptimierer ansetzen. Und in diesen kleinen Bereichen spürt man eben auch diese, zugegebenermaßen, kleine Unterschiede. Als mittlerweile ergrauter Ex-Rennfahrer und Fahrwerkstechniker freut es mich, dass ich neben der elektronischen Verstellung auch mechanische Versteller zur Verfügung habe, die mir vor Ort auch eine Anpassung ermöglichen. Diese sind auch spürbar, bei Verstellung dieser Einsteller verschiebt man spürbar den Dämpfungsbereich zusätzlich zur elektronischen Regelung. Mir war zum Beispiel die Dämpfungseinstellungen für manche Bereiche auf der Nordschleife zu knackig, was aber mit einfacher Verstellung der Compression Adjuster gut gemildert werden konnte. Das selbe gilt natürlich auch für die Gabel. Wunderlich bieten nicht nur Federbeine an sondern auch fertige elektronische Closed Cartridge Kits, die die Innereien der Seriengabeln ersetzen und somit die gleichen Möglichkeiten wie die Federbeine bieten.

Nach der RR bin ich auch die M1000R gefahren mit ebenfalls umgebauten Fahrwerk. Dieses Bike ist bei besonders hohen Geschwindigkeiten nicht gerade die Ruhe in Person und tendiert in der Serie gerne zu leichten Rühren in der Lenkung. Der Fahrwerksumbau hilft dabei etwas die Stabilität zu verbessern, an ein Fahrverhalten wie bei der RR ist aber konzeptbedingt nicht zu denken. Hier können die Fahrwerke auch bei bester Funktionalität kein Superbike daraus zaubern. Trotzdem helfen die Wunderlichkomponenten, das Bike berechenbarer und in den oben bereits beschriebenen Extrembereichen transparenter zu gestalten.

Verbesserung auch für Tourenmotorräder

Neben den sehr sportlich angehauchten Bikes "R" und "RR" gab es nun aber auch die Gelegenheit mit der M1000XR, dem tourentauglichen und komfortorientierten Vierzylinder und der Boxer 1250 GS aus dem Hause BMW die Fahrwerke zu testen. Hier muss ich sagen, waren dann aber auch sehr große und für jeden Fahrer spürbare Unterschiede zu bemerken. Diese Motorräder sind von Grund aus sehr stark auf Komfort ausgelegt und besitzen in der Serie eine dementsprechende Fahrwerksauslegung. Will man aber damit dann sportlich über die Landstraße oder sogar Rennstrecke wetzen, dann kommt man selbst bei sportlichster Einstellung schnell in Bewegung und vermisst dadurch die im Grenzbereich notwendige Rückmeldung.

Trackfotos by pixelrace.de
Trackfotos by pixelrace.de

In diesem Fall bieten die Wunderlich Fahrwerke eine deutliche Verbesserung und machen aus der XR und sogar aus der GS eine rennstreckentaugliche Version. Das hat auch der technische Entwicklungsleiter Frank Hoffmann eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dank seiner guten Nordschleifen Kenntnisse hat er in beeindruckender Manier mit der GS die Linie vorgegeben. Mit seiner langjährigen Erfahrung im Fahrwerksbereich ist er somit maßgeblich an der Auslegung der Fahrwerke involviert. Zusätzlich bekommt er noch von einem Vollblut Racer und ehemaligen IDM Teamkollegen von mir - Stefan Nebel - Unterstützung. Das auch er immer noch weiß wie man Motorräder schnell bewegt hat er eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Somit ist er eine sehr gute Ergänzung und auch seit vielen Jahren bereits Teil des Entwicklungsprozesses bei Wunderlich. Für mich war das gemeinsame Fahren mit Stefan wie ein Flash Back an eine sehr schöne Zeit gemeinsam mit ihm. Deshalb war es für mich nicht nur ein Test sondern auch ein Treffen mit sehr netten Leuten. Diese gute Stimmung findet sich auch bei allen Beteiligten wieder. Eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung.

Résumé - Wunderlich Fahrwerkstest auf der Nordschleife

Wunderlich hat in den 2 Tagen demonstriert, dass man nicht nur einfaches Motorradzubehör kann, sondern auch einen großen Schritt in Richtung hochwertiger Fahrwerkskomponenten gemacht hat. Mit dem Hauptaugenwerk auf BMW kann aber Wunderlich auch für viele andere Motorradmarken Fahrwerke in unterschiedlichster Form anbieten. Unabhängig von der tatsächlichen Funktion, können die neuen elektronischen Fahrwerke von Wunderlich aber nahezu an jeden Fahrerwunsch angepasst werden und machen somit auch die elektronisch geregelten Fahrwerke deutlich mehr Rennstreckentauglich. Bei Bestellung kann durch Angabe von Fahrerwunsch und Gewicht, sowie Einsatzzweck eine Grundauslegung bereits bei der Auslieferung berücksichtigt werden.

Somit steht ein weiterer Globalplayer am Fahrwerkssektor in den Startlöchern und es lohnt ein genauerer Blick auf die Modell-Liste der Firma Wunderlich: Wunderlich Online Shop.

Autor
Martin_Bauer

MARTIN_BAUER

Weitere Berichte

Bericht vom 05.09.2025 | 5.481 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts