LiveWire S2 Mulholland im Test: Was kann der E-Cruiser?

Ein echter Alltags-Cruiser?

Die LiveWire S2 Mulholland sieht aus wie ein Cruiser - ist aber ein leiser, elektrischer Stadtflitzer. Wir haben getestet, ob sie echtes Easy Rider Feeling aufkommen lässt. Spoiler: Jein.

Mit der S2 Mulholland bringt LiveWire - die Elektromarke von Harley-Davidson - ein Motorrad auf den Markt, das optisch wie ein amerikanischer Cruiser auftritt, technisch aber ganz auf moderne E-Mobilität setzt. Der Name verweist auf den berühmten Mulholland Drive über den Hollywood Hills, wir haben uns für den Test aber an die Hohe Wand in Niederösterreich begeben - eine kurvenreiche Panoramastraße mit Blick über das Wiener Becken. Dort haben wir die Mulholland unter die Lupe genommen, um herauszufinden, wie viel echtes Cruiser-Feeling in einem elektrisch betriebenen Motorrad stecken kann.

LiveWire S2 Mulholland - Antrieb und Leistung

Das erste Lob gebührt dem Antriebsstrang. Wie schon bei der sportlicheren S2 Del Mar setzt LiveWire auch bei der Mulholland auf den bekannten Arrow-Plattform-basierten E-Antrieb. Die Hochvoltbatterie liefert 10,5 kWh und versorgt einen Permanentmagnetmotor, der mit 84 PS und satten 263 Newtonmetern Drehmoment ordentlich anschiebt - und zwar vom ersten Millimeter Gasgriff an. Das Fahrgefühl ist typisch elektrisch: sofortige Kraftentfaltung, keine Schaltpausen, kein Kupplungsspiel. In der Stadt und auf kurzen Strecken sorgt das für Begeisterung, vor allem in Kombination mit den konfigurierbaren Fahrmodi, die sowohl Ansprechverhalten als auch Rekuperation individuell einstellen lassen. Nach dem dritten Ampelstart verliert der Effekt allerdings an Magie. Die Kraft bleibt beeindruckend, aber es fehlt an Varianz - die Erfahrung wird vorhersehbar.

Die Arrow-Plattform, die mehrere Fahrzeugkategorien zulässt.
Die Arrow-Plattform, die mehrere Fahrzeugkategorien zulässt.

Die Ergonomie verleiht nur halbes Cruiser-Feeling

Ein Thema, das uns intensiver beschäftigt hat, war die Sitzposition. Die Mulholland möchte optisch ein Cruiser sein, positioniert den Fahrer aber nicht wie ein solcher. Der Lenker ist im Vergleich zur S2 Del Mar deutlich höher montiert und kommt einem angenehm entgegen. Dadurch sitzt man aufrecht - eine Position, die durchaus Komfort verspricht. Die Fußrasten hingegen sind mittig und erinnern eher an ein Naked Bike als an einen Cruiser mit vorverlegter Fußstellung. Dazu kommt eine sehr flache Sitzbank, die dem Fahrer wenig Halt bietet. Beim beherzten Beschleunigen merkt man deutlich, wie man nach hinten rutscht. All das ergibt ein Fahrer-Dreieck, das zwar nicht unbequem ist, aber auch kein typisches Cruiser-Gefühl vermittelt.

LiveWire S2 Mulholland Erfahrungen auf der Landstraße

Viel entscheidender als die Sitzergonomie ist aber das eigentliche Fahrgefühl - und hier zeigt die S2 Mulholland deutliche Schwächen. Durch den hohen und gleichzeitig recht schmalen Lenker, kombiniert mit der allgemeinen Fahrzeuggeometrie, fehlt dem Fahrer nahezu jede Rückmeldung vom Vorderrad. Auf kurvigen Landstraßen fühlt sich die Mulholland dadurch beinahe entkoppelt von der Straße an. Man fährt - aber man spürt nicht, was unter einem passiert. Gerade in schnelleren Kurven oder beim Umlegen fehlt Vertrauen. Die Mulholland fährt sich stabil, ja, aber ohne kommunikative Bindung zwischen Maschine und Fahrer. Das Vertrauen liegt hier ganz im Dunlop Sportmax Roadsmart IV, der als Serienbereifung montiert wird.

Das ist umso enttäuschender, wenn man die Del Mar kennt - die trotz gleicher Antriebstechnik dank anderer Geometrie (etwa 19-Zoll-Räder vorn und hinten) deutlich mehr Feedback liefert. Die emotionale Seite des Motorradfahrens bleibt bei der Mulholland weitgehend außen vor - und das liegt nicht am E-Motor, sondern ganz klar an der Abstimmung.

In der Stadt fühlt sich der Elektro-Cruiser wohl

Interessanter wird das Bike, sobald man sich in den urbanen Raum begibt. Hier spielt die Mulholland ihre Stärken aus. Im sogenannten "Reichweiten-Modus" - dem effizientesten der Fahrmodi - überzeugt sie mit einer überraschend starken Rekuperation. Selbst bei vollem Akku, also bei theoretisch kaum möglicher Rückgewinnung, bietet die Maschine beim Gaswegnehmen eine deutlich spürbare Verzögerung. Wer vorausschauend fährt, kann sich hier fast die Bremse sparen. Das ist gerade im Stop-and-Go-Verkehr ein echter Komfortgewinn - und keineswegs selbstverständlich im Segment der E-Motorräder.

In zwei Custom Fahrmodi lassen sich die Fahreigenschaften adjustieren.
In zwei Custom Fahrmodi lassen sich die Fahreigenschaften adjustieren.

Auch abseits der Rekuperation fühlt sich die Mulholland in der Stadt deutlich wohler. Sie ist schmal, kompakt und erstaunlich wendig. Das Vorschlängeln an der Ampel geht leicht von der Hand, und die Kombination aus schmalem Lenker und leisem Fahrverhalten sorgt für eine angenehm unaufdringliche Präsenz im Verkehr. Während die Lenkergeometrie auf der Landstraße negativ auffällt, ist sie in der Stadt fast ein Vorteil. Das Bike wirkt agiler, handlicher - hier entsteht zumindest so etwas wie eine Verbindung zwischen Fahrer und Fahrzeug.

Wie lade ich die LiveWire S2 Mulholland?

Beim Thema Laden zeigt sich die LiveWire ebenfalls weitgehend praxistauglich - mit einem kleinen, aber relevanten Haken. Das Motorrad verfügt über einen Typ-2-Anschluss (IEC 62196-2) und wird mit einem passenden Kabel für die Schuko-Steckdose ausgeliefert. Damit lässt sich das Bike problemlos zu Hause laden - allerdings langsam. Wer an der Wallbox laden möchte, muss wissen: Die Mulholland akzeptiert keinen dreiphasigen Wechselstrom. Das bedeutet, dass viele 11-kW-Wallboxen mit fixer Leistungsabgabe eine Fehlermeldung auslösen. Nur regelbare Wallboxen, die sich auf eine Phase und etwa 3,5 kW begrenzen lassen, funktionieren zuverlässig. In der Praxis also: zu Hause kein Problem, unterwegs mitunter ein Thema - je nach Ladeinfrastruktur.

Geladen wird über den seitlich platzierten Typ-2 Stecker.
Geladen wird über den seitlich platzierten Typ-2 Stecker.

DC-Schnellladen funktioniert im Übrigen gar nicht. Das ist dem LiveWire Topmodell namens One vorbehalten.

LiveWire S2 Mulholland Preis und Verfügbarkeit

Will man eine LiveWire sein Eigen nennen, hat man aktuell leider noch eine eher geringe Auswahl an Händlern zur Verfügung. In Österreich fehlt der Vertrieb zudem komplett. Aber auch in Deutschland und der Schweiz liegt die Anzahl an Händlern jeweils noch im einstelligen Bereich. Ein Umstand, den LiveWire in den nächsten Jahren noch verbessern möchte.

Der Preis in Deutschland liegt bei 19.427 €, in der Schweiz bei CHF 18490.

Fazit: LiveWire S2 Mulholland 2025

Die LiveWire S2 Mulholland ist ein technisch sauberes, stark verarbeitetes Elektromotorrad, das in der Stadt mit Rekuperation, kompakter Bauweise und starkem Antrieb punktet. Im urbanen Alltag überzeugt sie mit Effizienz, Bedienkomfort und einem gewissen Coolness-Faktor. Doch wer sich vom Cruiser-Look auch echtes Cruiser-Feeling erhofft, wird enttäuscht. Auf kurviger Landstraße bleibt die Mulholland distanziert, ihr Fahrverhalten wirkt entkoppelt, das Feedback aus dem Fahrwerk ist schwach. Das hat nichts mit dem E-Motor zu tun - sondern mit der Abstimmung und Ergonomie. Sie ist also mehr urbaner Designflitzer als emotionaler Langstreckenfreund.


  • Starker E-Antrieb mit sofortigem Drehmoment
  • Gute Rekuperation, auch bei vollem Akku spürbar
  • Sehr wendig und kompakt im Stadtverkehr
  • Hochwertige Verarbeitung, modernes Design
  • Typ-2-Stecker + Schuko-Kabel serienmäßig
  • Für kurze Strecken und Pendelverkehr sehr geeignet
  • Individuell konfigurierbare Fahrmodi
  • Kaum Rückmeldung vom Vorderrad – entkoppeltes Fahrgefühl
  • Sitzposition und Ergonomie ohne echtes Cruiser-Gefühl
  • Einschränkungen beim Laden an fixen 11kW-Wallboxen

Bericht vom 21.07.2025 | 491 Aufrufe