Testbericht Suzuki GSX-R 600 2005

Mehr als nur ein Supersportler

Freud und Leid liegen oft nah beieinander. Zum Beispiel, wenn man das mehrtägige Race Around Austria mit einem waschechten Supersportler wie der Suzuki GSX-R 600 bestreitet. Warum auf der Gixxer aber die Freude klar überwog.

Zugegeben, ein 18 Jahre altes Supersport-Bike mit hochgezüchtetem Vierzylinder-Motor und knapp 20.000 Kilometern auf der Uhr klingt wahrlich nicht wie ein geeignetes Motorrad für eine mehrtägige Tour durch Österreich und seine Nachbarländer. Doch überraschenderweise hat die Suzuki GSX-R 600 (K5) bei genau dieser Herausforderung diverse ungeahnte Qualitäten und sich selbst als Sportler für alle Fälle bewiesen. Warum? Lest ihr in den folgenden Absätzen.

Schwierige Ergonomie für eine lange Tour

Als ich nach fünf Tagen und einer vierstelligen Zahl an Tour-Kilometern auf dem Tripzähler zum letzten Mal den Rucksack über den Lederkombi ziehe, kann ich es nicht erwarten, ihn am kommenden Abend zurück in der Heimat wieder ablegen zu können. Für länger als nur eine Nacht. Vor uns liegt der letzte Tag des Race Around Austria. Und die vergangenen Tage haben Spuren hinterlassen. Besonders der Hintern und die Schultern schmerzen, auch die Handgelenke fühlen sich alles andere als frisch an und vom Nacken wollen wir gar nicht erst anfangen. Wer selbst schon mal länger mit einem Supersport-Bike auf Tour war, kann's nachempfinden. In gebückter, weil Vorderrad-orientierter Haltung über dem Tank hängend, macht sportliches Motorradfahren bekanntlich besonders großen Spaß - doch eher auf kurzen Etappen. Beim Race Around Austria sind jene aber lang, hunderte Kilometer pro Tag. Und laden auch nicht immer zur aktiven Fahrweise ein. Rein ergonomisch ist die Suzi hier nicht die beste Wahl.

Technisch zeigt sich die Suzuki noch immer tadellos

Trotzdem bereue ich diese Wahl keine Sekunde. Denn schließlich kann man einem Motorrad seine Natur nicht zum Vorwurf machen. Wer eine 600er Gixxer kauft, der will nichts von ihrer Sportlichkeit gegen Touring-Qualitäten eintauschen. Und wer sich auf sie einlässt, der findet Letztere trotzdem. Zum Beispiel im seidenweichen Reihenvierzylinder-Motor. Aus 599 Kubikzentimetern generiert er maximal 120 PS bei 13.000/min. Bei meinem schwarz-roten Exemplar ist die Spitzenpower zwar auf 98 PS reduziert, doch das ändert am Charakter im Landstraßen-relevanten Bereich nichts. Der ist sehr zugänglich, denn der Reihenvierer ist auch im unteren Drehzahlbereich laufruhig und außerdem fordert die Kupplung nur wenig Handkraft. Klar, wer bei niedriger Drehzahl die Drosselklappen öffnet, sollte kein Leistungsfeuerwerk erwarten. Doch fein dosierbarer und unkomplizierter Schub steht jederzeit zur Verfügung. Beschleunigt man die Suzuki bis in den fünfstelligen Bereich - wie Bartin Mauer (nein, kein Buchstabendreher) bei der Race-Challenge in Brünn - geht's richtig vorwärts. So vereint die GSX-R 600 in ihrem breiten Drehzahlband Sanftmut und Feuer.

Und auch dem Fahrwerk gelingt unterm Strich ein guter Kompromiss. Sportlich-straff abgestimmt, doch trotzdem mit sehr gutem Ansprechverhalten, quält es die Bandscheiben über kleinere Unebenheiten nicht dauerhaft. Viel Komfort über gröbere Verwerfungen darf man freilich nicht erwarten - aber das gehört ja wie gesagt zum Konzept.

Produkttipps

GSX-R 600 auf frischen Michelin Reifen

Vorderradgefühl gibt's dafür im Überfluss. Die für die Landstraßenetappen aufgezogenen Michelin Power 5 geben über die straffe Gabel glasklares Feedback in die Lenkerstummel. Obendrein bieten sie bei Trockenheit wie auch bei Nässe hervorragenden Grip und lassen das 18 Jahre alte Bike in Kombination mit den gut gewarteten Federelementen in die Kurven stechen, als wäre es gerade erst vom Band gerollt. Handlich und doch stabil rollt die GSX-R durch Wechselkurven. Und auch als wir für den Abstecher auf die Rennstrecke vom Michelin Power 5 auf den Michelin Power Cup 2 wechseln, in Sachen Performance und Grip einer der besten straßenzugelassenen Reifen überhaupt, beweist das Fahrwerk Standfestigkeit. Beweise? 2:17 Minuten auf dem Brno Circuit mit Bartin Mauer. Zur Erinnerung: mit gerade mal 98 PS und Straßenreifen.

Michelin Power 5
Der Michelin Power 5 hat auf der Tour nicht enttäuscht.

Und mit der Serienbremse. Vor dem Race Around Austria wurde die noch mit frischen Belägen bestückt und hält selbst der harten Beanspruchung von Bartin Mauer stand. Auf der Straße ist der Biss vor allem gut handelbar und zwei Finger am Hebel genügen jederzeit.

Die Suzuki wächst ans Herz

Trotz der harten Beanspruchung auf der Rennstrecke und den vielen Kilometern auf Landstraße und Autobahn ließ mich die Gixxer übrigens nie im Stich. Keine unangenehmen Geräusche, keine Startprobleme oder irgendetwas, das auch nur die geringsten Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit aufkommen lassen könnte. Die Suzuki GSX-R 600 beweist vom ersten bis zum letzten Meter des Race Around Austria, dass Vierzylinder-Supersportler von Suzuki in dieser Hinsicht schlichtweg top sind.

Aus all diesen Gründen freue ich mich zwar, mich am heutigen Abend von Rucksack und radikaler Ergonomie verabschieden zu können. Der Abschied von meiner GSX-R wird mir aber umso schwerer fallen. Sie ist mehr als ein Supersport-Bike, kann in vielerlei Hinsicht auch auf einer langen Tour wie dem Race Around Austria überzeugen.

Fazit: Suzuki GSX-R 600 2005

Die Suzuki GSX-R 600 (K5) schafft es trotz radikaler Ergonomie und hochgezüchtetem Sportmotor, auf den langen Etappen des Race Around Austria zu überzeugen. Ihr Motor läuft kultiviert und das Fahrwerk bietet mehr als nur ein Mindestmaß an Komfort. In Kombination mit den handlichen Michelin-Reifen formt es ein sportlich-direktes Fahrgefühl, wie man es von einem 18 Jahre alten Motorrad nicht erwarten würde. Und wenn´s um schnelle Runden auf der Rennstrecke geht, liegt die Gixxer noch immer hoch im Kurs. Die Rundenzeit in Brünn (2:17 Minuten) mit Bartin Mauer spricht für sich.


  • Laufruhiger Motor mit sportlicher Drehfreude
  • Solide, standfeste Technik
  • Starke Bremse
  • Agiles und doch stabiles Handling
  • Radikale Ergonomie
  • Sportliches Fahren fordert hohe Drehzahlen

Bericht vom 23.12.2023 | 17.983 Aufrufe

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