Moto Morini X-Cape vs. CFMOTO 800MT Touring Vergleich & Test

Zwei chinesische Bikes - zwei Level an Ausgereiftheit

Die Moto Morini X-Cape und CFMOTO 800MT stammen beide aus chinesischer Fertigung und setzen auf lizensierte Motoren bekannter Hersteller. Klingt als wären sie auf Augenhöhe, sind sie in der Praxis aber nicht!

CFMOTO wird hierzulande von der Pierer Mobility AG, die sonst bekannt ist für Marken wie KTM, Husqvarna und Gas Gas, vertrieben, gehört aber dem chinesischen Konzern Zhejiang Chunfeng Power. Moto Morini ist eine der vielen ehemals italienischen Marken, die durch fernöstliches Geld wiederbelebt wurden. Die Marke gehört der Zhongneng Vehicle Group. Technisch setzen beide auf das Baukastenprinzip und Motoren aus Lizenzbau.

Motoren im Vergleich - Moto Morini X-Cape versus CFMOTO 800MT Touring

Die Herzen der zwei Eisen sind sich in einigen Punkten ähnlich. Die CFMOTO nutzt eine lizensierte Version des Reihen-Twins aus den KTM 790er Modellen. In der 800MT leistet der 799 cm³ Reihen-Zweizylinder mit Hubzapfenversatz 91 PS bei 9.250 U/min und 77 Nm Drehmoment. Die X-Cape leiht sich die Motortechnologie von den 650er Kawasaki Modellen und hat einen 649 cm³ Reihen-Zweizylinder mit 60 PS bei 8.250 U/min und 56 Nm Drehmoment verbaut. Vergleicht man diese zwei Motoren mit den Originalen, fällt auf, dass einige PS auf der Strecke liegen geblieben sind. 4 Pferdchen sind es bei der CFMOTO, 8 PS bei der Moto Morini, und das bei jeweils 250 Umdrehungen mehr. Doch die Endleistung ist nicht ausschlaggebend, wenn Leistungsabgabe, Handling, Ergonomie und alles, was sonst noch zum Motorradfahren dazugehört, leiwand ist. Aber genau hier tun sich die Unterschiede auf, wie die Fahreindrücke schildern.

ContiRoadAttack 4 als Einheitsbereifung

Vorher noch ein schnelles Wort zu den Reifen. Die Moto Morini setzt in Serie auf Pirelli Scorpion Rally STR, also auf Pneus mit relativ stoppligem Profil. Die CFMOTO wiederum setzt auf wesentlich straßenorientiertere Maxxis Reifen. Um für Vergleichbarkeit zu sorgen, haben wir beiden ContiRoadAttack 4 auf die Räder mit den Dimensionen 110/80-19 an der Front und 150/70-17 am Heck aufgezogen. Es handelt sich bei diesem Vergleich um einen Straßen-Test, da ist der Hyper-Touring-Reifen von Continental mit seinem exzellenten Handling und tollen Nass- und Kaltgrip genau richtig. Um die Haftung am Boden mussten wir uns also keine Gedanken machen, trotzdem hatte ich im Laufe des Tests mehrfach Sorgenfalten unter dem Helm.

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Ergonomie und Sitzposition im Vergleich - Moto Morini X-Cape versus CFMOTO 800MT Touring

Mit 825 mm und 820 mm zählen weder die CFMOTO, noch die Moto Morini zu jenen Reiseenduros, die nur für großgewachsenen Piloten erklimmbar sind. Sie sind keine langbeinigen Abenteurer, sondern eher entspannte Touring-Maschinen. Das spiegelt sich auch in der Sitzposition wieder. Der Kniewinkel fällt nicht übermäßig spitz aus, die Arme ruhen ohne Druck auf breiten Lenkern und der Oberkörper bleibt stets aufrecht. Im Sattel sitzend zieht sich die Front der 800MT etwas höher als bei der Moto Morini, deren TFT-Display zwar riesig, der Windschild dafür aber deutlich kleiner ausfällt. An und für sich nimmt man auf beiden eine Reiseenduro-typische Haltung ein. Doch der Teufel liegt im Detail begraben und hier beginnt ein Muster, welches sich durch den ganzen Test zieht. Die Moto Morini ist weniger ausgereift, als die CFMOTO, gefühlt ein paar Jahre in der Entwicklung hinten nach. Im Falle der Ergonomie äußert sich das zum Beispiel bei der Anbringung der Soziusfußrasten. Die Streben dieser gehen von den Fußrastenanlagen des Fahrers gerade nach hinten und sind dabei so positioniert, dass man mit der Ferse in jeder Fußstellung daran stößt oder sogar hängen bleibt. Keine große Sache, aber schon nervig und vor allem technisch nicht gut gelöst. Auch die Schaltereinheiten und die Haptik der Lenkerelemente auf der X-Cape können nicht mit der CFMOTO mithalten und fühlen sich fummeliger an.

Fahrverhalten auf der Landstraße - Moto Morini X-Cape versus CFMOTO 800MT Touring

Endlich in Bewegung gesetzt, werden die Unterschiede im Niveau noch eindeutiger. Wir fahren das nächste Winkelwerk an und zischen motiviert durch die Radien. Dem Motor der CFMOTO sind die fehlenden Pferdchen nicht anzumerken, er geht genauso quirlig und spaßig ans Werk, wie das Original in den 790er KTMs. Das Gas ist fein dosierbar und schon ab der Mitte des Drehzahlbandes marschiert die 800MT brav vorwärts. Interessanterweise besitzt sie keinen Standard-Fahrmodus, sondern "nur" Sport und Rain. Der Sport-Modus legt das Gas recht scharf an, im Regen-Modus wiederum wird ganz sanft Leistung ans Hinterrad geliefert. Diese Behutsamkeit liegt vielleicht daran, dass die 800MT Touring keine Traktionskontrolle mit verbaut hat. Die gibt es erst beim Topmodell, der 800MT Explore, dafür dann gleich schräglagenabhängig.

Die Moto Morini hat nicht nur weniger Power, sie läuft auch wesentlich unrunder. In den Kawasaki Modellen ist der 650er Twin bekannt als vielleicht etwas unaufgeregtes, doch verlässliches und sehr einfach, sauber zu fahrendes Aggregat. Doch sobald der Motor der X-Cape unter Last steht, unabhängig von der Drehzahl, sind hochfrequente Vibrationen im ganzen Motorrad spürbar. Hinzu kommt, dass sie die fehlenden 8 PS aufgrund ihres hohen Gewichts und der niedrigeren Leistungsklasse wesentlich dringender benötigt hätte, als die CFMOTO ihre "verlorenen" 4 PS. 234 kg bringt sie vollgetankt auf unsere 1000PS Viehwaage. Das sind nur 3,5 kg weniger als die 800MT Touring, die aber mit Sturzbügeln, Kofferaufnahmen und Zusatzscheinwerfern ausgestattet ist.

Dieses hohe Gewicht sorgt in Kombination mit dem Fahrwerk für ein weiteres Problem beim Kurvenwetzen. Die CFMOTO setzt auf ein voll einstellbares Kayaba Fahrwerk mit 160 mm Federweg vorne und 150 mm hinten. Die Moto Morini baut aber auf noch längere Federwege und gleichzeitig weniger wertige Federelemente. Die voll einstellbare 51 mm Marzzocchi Gabel mit 175 mm Federweg schlägt sich dabei gar nicht so schlecht. Sie bleibt recht stabil und knickt auch beim härteren Bremsen nicht übermäßig ein. Doch das Kayaba Federbein mit 165 mm Federweg ist zu weich. Federvorspannung und Dämpfung sind zwar verstellbar, doch der Einstellungsbereich eher gering. Der Fahrer plus das hohe Fahrzeuggewicht sind schon eine große Belastung und bei Bodenwellen oder Unebenheiten kann die X-Cape die Kräfte hinten nicht mehr aufnehmen. Ausgiebiges Nachschaukeln und Unruhe im Heck sind die Folge. Dank der Reifen kippt die Moto Morini willig in die Kurve, doch wenn der Belag dort nicht komplett eben ist, macht es die Schaukelei schwer die Fahrlinie präzise zu treffen.

Ich würde das Muster gerne durchbrechen, doch es setzt sich auch in der Bremszone fort. Für das hohe Gewicht ist die Bremserei der Italienerin zu wenig. Diese mag zwar von Brembo kommen, ist mit 298 mm Doppelscheiben und nur einem Zweikolben-Bremssattel in der Konfiguration auf der X-Cape aber zu schwach dimensioniert. Der Druckpunkt ist recht weich, erst nach viel Hebelweg spürbar und braucht dann viel Handkraft für eine anständige Verzögerung. Das Bremssystem von J.Juan auf der CFMOTO ist vielleicht auch keine Sensation, erledigt mit 320 mm Doppelbremsscheiben und radial verschraubtem Vierkolben-Bremssattel seine Arbeit jedoch passabel.

Langstreckentauglich? Ausstattung im Vergleich - Moto Morini X-Cape versus CFMOTO 800MT Touring

Nach dem Winkelwerk öffnet sich das Gelände und wir fahren auf breiten Landstraßen und nehmen auch ein Stück Autobahn mit. Bei der Reichweite liegen die beiden Testmotorräder ungefähr gleich auf, mit einem Verbrauch von ca. 5L/100km und einem 19 Liter Tank in der CFMOTO und 18 Liter Fass in der Moto Morini. Aber verbringt man auch gerne 300+ km in ihren Sätteln? Auf der CFMOTO 800MT Touring lässt es sich gut aushalten. Hinter der breiten Front ist man gut vor Wind und Wetter geschützt und die breite Sitzbank bietet für lange Etappen ausreichend Komfort. Sehr nützlich kommt beim Kilometerfressen auch die üppige Ausstattung der 800MT Touring. Sitzheizung, Heizgriffe, Reifendrucksensor, Smartphone-Konnektivität mit möglicher Navigationsanzeige, einen stufenlos verstellbaren Windschild und sogar einen Quickshifter mit Blipper-Funktion hat sie in Serie mit an Bord. Auf den monotonen Strecken der Tour kommt aber vor allem der serienmäßige Tempomat recht. Ab dem 4. Gang und 40 km/h kann dieser eingeschaltet werden, seltsamerweise aber auch nur bis 120 km/h die Geschwindigkeit halten. Das reizt schon in Österreich nicht die erlaubte Autobahn-Geschwindigkeit aus und gerade in Deutschland fahren viele deutlich flotter auf den unbegrenzten Stücken. Kann man sich jedoch mit dieser maximalen Reisegeschwindigkeit abfinden, dann bietet die 800MT Touring so viele Features und Annehmlichkeiten, wie sonst nur wesentlich teurere Reiseenduros.

Auch die elektronische Ausstattung der X-Cape kann sich sehen lassen. Vor allem das mächtige, gut ablesbare 7-Zoll TFT-Display macht Eindruck. Die Moto Morini bietet ebenfalls Smartphone Konnektivität inklusive Navigationsanzeige und Musiksteuerung an. Neben dem TFT liegt noch ein doppelter USB-Ausgang. Auch der Windschild soll einhändig verstellbar sein, doch bei unserer Testmaschine war der Verstellmechanismus dermaßen festgefahren, dass wir keine Chance hatten ohne Werkzeug. Heizgriffe, Sturzbügel, Alukoffersystem, Motorschutzplatte aus Aluminium, Touring-Windschild und eine niedrigere Sitzbank - all das gibt es im Zubehör der Moto Morini X-Cape. Tempomaten und Quickshifter sucht man jedoch vergeblich. Was aber kein großes Drama ist, denn schließlich liegen zwischen 800MT Touring und X-Cape einige tausend Euro. Mit der Ausstattung kann man sich arrangieren, die größten Problemzonen bleiben die gleichen wie vorhin. Vor allem die permanenten Vibrationen nerven auf Dauer.

Preisvergleich der Moto Morini X-Cape & CFMOTO 800MT Touring 2023

13.490€ kostet die CFMOTO 800MT Touring in Österreich, die Moto Morini nur 8.500 bis knappe 9.000€. Das sind immerhin bis zu 5.000€ Differenz, ein spürbarer Unterschied zwischen den zwei Motorrädern war also zu erwarten. Doch die X-Cape plagen vor allem Probleme, die nichts mit der Preisklasse zu tun haben sollten. Auch andere Hersteller schaffen es in den günstigsten Motorradklassen sauber laufende Motoren zu bauen. Für mich stehen die zwei Bikes eher für unterschiedliche Stufen des chinesischen Motorradbaus. Die Moto Morini X-Cape ist wie ein Zeitzeuge aus der Anfangsphase des fernöstlichen Marktauftritts in Europa von vor ein paar Jahren, als wenig qualitative Zweiräder zu Spottpreisen in die kleinhubigen Segmente eingeführt wurden. CFMOTO wiederum zeigt eindrucksvoll die Entwicklung der chinesischen Bikes der letzten Jahre und dass diese inzwischen verdammt nah an die großen Player rankommen.

Fazit: Moto Morini X-Cape 2023

Kawa 650er Twin-Motor, eine entspannte Ergonomie, voll einstellbares Fahrwerk und viele elektronische Features - am Papier macht die Moto Morini X-Cape einen vielversprechenden Eindruck. In der Realität hat sie aber leider einige Problemzonen. Allem voran der zahnlose, doch stark vibrierende Motor und das hohe Gewicht. Mit viel Liebe und Modellpflege könnten die Mankos der X-Cape sicher noch behoben werden, doch bis dahin ist sie eher nur was für eingefleischte Fans der italienischen Marke und Liebhaber von Exoten.


  • Entspannte Sitzposition
  • Niedrige Sitzhöhe
  • Gute Ausstattung für die Klasse
  • Voll einstellbare Gabel
  • Hochfrequente Vibrationen unter Last
  • Federbein neigt zum Schwingen und Schaukeln
  • Eigenwillige Ergonomie
  • Sehr hohes Fahrzeuggewicht

Fazit: CFMOTO 800MT Touring 2023

Die CFMOTO 800MT Touring ist eine entspannte, straßen-orientierte Reiseenduro mit einem sensationellen Ausmaß an Ausstattung für ihre Preisklasse. Im Fahrbetrieb punktet sie mit dem quirligen 790er Zweizylinder aus den KTM 790 Modellen und einem voll einstellbaren Fahrwerk. On Tour freut man sich über serienmäßige Sitzheizung, Heizgriffe, Tempomat und Quickshifter. Sie kommt verdammt nah an die etablierten Player im Reiseendurosektor, leistet sich aber hier und da ein paar Eigenheiten, wie zum Beispiel beim Tempomaten der die Geschwindigkeit nur bis 120 km/h halten kann. Davon abgesehen, aber ein gutes Motorrad mit top Preis-Leistung-Verhältnis.


  • Sehr viel Ausstattung für die Preisklasse (Hauptständer, Tempomat, Heizgriffe, Sitzheizung, Connectivity, TFT-Display, Quickshifter, Fahrmodi, Sturzbügel, etc.)
  • Quirliger, spritziger Motor
  • Voll einstellbares Fahrwerk
  • Entspannte Ergonomie
  • Guter Windschutz mit verstellbarem Windschild
  • Tempomat geht nur bis 120 km/h
  • Standard-Fahrmodus fehlt neben Sport und Rain
  • Keine Traktionskontrolle

Bericht vom 23.10.2023 | 20.542 Aufrufe