Moto Guzzi V100 vs V100 S - Kaufberatung
Muss es die Luxus-Mandello sein?
Auf den ersten Blick ist der Aufpreis für die S-Version der Moto Guzzi V100 Mandello happig, bei genauerer Betrachtung, kann sie aber für den ein oder anderen direkt zum Schnäppchen werden. Analyse nach dem Vergleichstest!
Viele Gemeinsamkeiten von V100 und V100 S
Bereits zu Beginn des Jahres hatten wir die V100 S im Intensivtest in Spanien . Vauli beschreibt den charismatischen, neu entwickelten, wassergekühlten Motor samt vier frei konfigurierbarer Riding Modes, die gut zubeißenden Bremsen, die nakedbike-ähnliche Sitzposition und die Wirkung des elektronisch verstellbare Windschild dermaßen akkurat, dass mir nur noch bleibt, darauf zu verweisen. Details entnehmt ihr bitte dem oben verlinkten Bericht.
Bei einer Funktion, die sich V100 und V100 S teilen, bin ich aber anderer Meinung als er: Die - je nach Fahrmodus - immer, ab einer zwischen 30 und 95 km/h frei wählbaren Geschwindigkeit, oder nie, ausfahrenden Flaps (Windabweiser) bieten bei höheren Geschwindigkeiten und Schlechtwetter einen echten Mehrwert. Ich will dem Kollegen nicht unterstellen, ein Schönwetterfahrer zu sein (dafür gibt es zu viele Videos, wo es ihn richtig einwaschelt), aber er hatte in seiner Barcelona-Woche einfach richtig Glück mit dem Wetter. Ich hingegen durfte auf österreichischen Autobahnen auch im Regen testen und kann den Windabweisern einen echten Mehrwert attestieren. Die Knie und Oberschenkel, aber auch die Körpermitte werden durch die Flaps gut aus dem Fahrtwind und damit auch aus dem Regen genommen, umgekehrt macht es bei hohen Außentemperaturen einen spürbaren Unterschied, ob kühlende Fahrtluft zum Fahrer gelangt oder nicht. Das adaptive Aerodynamik-System, wie es Moto Guzzi großmundig nennt, ist also nicht nur Show, sondern ein beachtlicher Schritt in Sachen Fahrkomfort und Reisetauglichkeit!
Die Unterschiede zwischen Moto Guzzi V100 und V100 S im Überblick
Insgesamt unterscheidet sich die S-Version von der Basis-Guzzi in fünf Ausstattungsmerkmalen.
- Quickshifter
- Moto Guzzi Connectivity MIA
- Heizgriffe
- Reifendruckkontrollsystem TPMS
- Öhlins-Fahrwerk semiaktiv und elektronisch verstellbar
Diese werde ich in den kommenden Absätzen Punkt für Punkt durchgehen, euch mitteilen, ob sie auch einzeln erhältlich sind und deren Vorzüge bewerten, so kann abgewogen werden, ob einem die Funktionen den Aufpreis für die V100 S wert sind. Der Preisunterschied zwischen Moto Guzzi V100 und V100 S in Österreich beträgt 3000 Euro, in Deutschland 2500 Euro und in der Schweiz 2600 Franken.
Moto Guzzis erster Quickshifter - naja…
2023 ist also das erste Modelljahr, in dem die italienische Traditionsmarke einen Schaltassistenten anbietet. Dieser ermöglicht das Rauf- und Runterschalten ohne Kupplung, soweit die Theorie. In der Praxis merkt man dem Quickshifter sein Erstlings-Dasein durchaus an. So landet man schon einmal zwischen den Gängen oder Schaltvorgänge werden gar nicht erst ermöglicht, den Leerlauf zu finden ist so wahrscheinlich wie ein 3er im Lotto. Hier ist also in Zukunft noch einiges an Feinarbeit nötig, um eine zufriedenstellende Funktion zu gewährleisten. Man muss den Ingenieuren in Mandello del Lario zu Gute halten, dass die Voraussetzungen für einen Schaltautomat bei dem Fahrzeug nicht leicht waren. Der immer noch raue Längs-V2 in Kombination mit dem Kardanantrieb sind zweifelsohne keine ideale Basis und auch renommierte Hersteller scheitern an der Kombination Kardan und Quickshifter. Hier wären die Versuche von BMW in den Boxermodellen und in jüngerer Vergangenheit die von Triumph in der großen Tiger zu nennen und das, obwohl BMW und vor allem Triumph in anderen Modellen nahezu perfekt agierende Quickshifter verbauen. Für 190 Euro Aufpreis ist der Schaltassistent auch als Zubehör für die Standardvariante der V100 erhältlich. Geld, das man sich (aktuell noch) sparen kann.
Moto Guzzi Connectivity - MIA gibt sich aufgeräumt und intuitiv
Beim Thema Konnektivität scheiden sich selbst unter weitreisenden Motorradfahrern noch die Geister. Die einen sagen, ohne Möglichkeit, das geliebte Smartphone mit dem Bike zu verbinden, fällt die Kandidatin direkt aus der Wahl. Die anderen meinen: so etwas hat auf einem Motorrad nichts verloren. Bei Moto Guzzi werden beide fündig, Das Moto Guzzi MIA Connectivity System ist Teil der Serienausstattung der V100 Mandello S. Diese Technologie ermöglicht es, das Smartphone über Bluetooth mit der Bordelektronik zu verbinden. Dadurch kann der Fahrer zusammenfassende Statistiken über jede Fahrt erhalten und Anrufe, Nachrichten und Musik verwalten, ohne jemals die Hände vom Lenker nehmen zu müssen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Funktion mittlerweile tadellos ist. Auch Piloten, die sich für die Standardvariante entscheiden kommen in den Genuss des perfekt abblesbaren TFT Screens und können MIA auch noch nachträglich noch für 179 Euro nachrüsten. Hier gebe ich kein Urteil ab, ob das Feature Sinn macht, jeder kann und soll selbst entscheiden, ob es ihm den Aufpreis wert ist.
Heizgriffe auf einem Reisemotorrad? Aber sicher!
Den Punkt Heizgriffe kann ich schnell abarbeiten. Hier kommt es auf den Einsatzzweck und -zeitraum an. All jene, die die V100 zum Reisen und/oder ganzjährig nutzen wollen, kommen aus meiner Sicht um diese Investition (Moto Guzzi verlangt 269 Euro fürs Nachrüsten) nicht herum zumal die Guzzi in beiden Varianten - wohl aus ästhetischen Gründen - auf Handguards verzichtet.
Reifendruckkontrollsystem TPMS
Etwas anders gestaltet sich die Situation beim Reifendruckkontrollsystem. Zum einen ist es ein Sicherheitsfeature, das Unfälle verhindern kann, zum anderen kommt man beim aufmerksamen Kontrollieren vor Fahrtantritt hoffentlich ohnehin auf Mängel drauf und bei einem plötzlichen Druckverlust, kann das System auch nichts ausrichten. Neben diesen allgemeinen Überlegungen, kommt bei der Testmaschine noch dazu, dass der Reifendruck in der S-Version nur phasenweise korrekt angezeigt wurde. Einige Fehlermeldungen und Kontrollen an Tankstellen später, musste ich mich damit abfinden, dass man sich auf das Moto Guzzi TPMS besser nicht verlässt. Der Aufpreis beträgt 249 Euro und im Funktionsumfang, den die Testmaschine bot, kann ich keine Empfehlung für das Reifendruckkontrollsystem geben.
Semi-aktives Öhlins-Fahrwerk für 1604 Euro!
So könnte Moto Guzzi in Deutschland meiner Meinung nach die V100 S ausgezeichnet bewerben. Addiert man die Nachrüstkosten der sonstigen Features der S-Version und subtrahiert sie dann vom Aufpreis bleiben exakt 1604 Euro Mehrpreis für ein topaktuelles Spitzenfahrwerk übrig. Ein Deal, der einem wohl so schnell nicht mehr unterkommt. Will man in den Genuss des Öhlins Smart EC 2.0 Fahrwerk kommen, muss man deutlich mehr Geld in die Hand nehmen. Namen wie Fireblade, Tuono Factory oder Panigale V4 S schießen einem da ins Gedächtnis. Erschwerend im positiven Sinne kommt hinzu, dass in einem Reisemotorrad der Spagat aus Komfort und Sportlichkeit, den eben nur ein semi-aktives Fahrwerk bietet, noch viel stärker zur Geltung kommt, als bei Trackday-Raketen, wie einer RSV4.
Die Einstellmöglichkeiten des Öhlinsfahrwerks sind mannigfaltig. Grob zusammengefasst bietet es zwei automatische (A1,A2) und zwei manuelle Modi (M1,M2). Bei A1 und A2 lässt sich das Setup vom Basiswert in jeweils 5 Stufen nach oben und unten anpassen, während M1 und M2 Einstellungen in nicht weniger als 31 Levels erlauben. Die einzige Komponente, die nicht elektronisch verstellbar ist, ist die Federvorspannung im Heck, hierfür ist ein Handrad auf der linken Fahrzeugseite vorhanden.
Standardfahrwerk in der V100 sportlich straff
Der Unterschied zum Standardfahrwerk ist frappant. Dieses ist zwar ebenfalls einstellbar, man benötigt jedoch Werkzeug dafür. Das Grundsetup des konventionellen Fahrwerks ist eher auf der straffen Seite. So straff, dass man Bodenunebenheiten relativ ungefiltert in den Bandscheiben spürt. Komfortbewusste Piloten werden den Aufpreis, der für die S-Version fällig wird, nicht als abschreckend empfinden. Sportliche Fahrer mit einem eher eindimensionalen Einsatzfeld können sich die Mehrkosten hingegen sparen. Insgesamt würde ich mit meinem Anforderungsprofil keine Sekunde zögern und die Extra-Euro in die S-Version investieren.
Was es sonst noch zur Guzzi V100 und V100 S zu wissen gibt - Gewicht, Soziusbetrieb, Zuladung
Die Zuladung beträgt in beiden Versionen 210 kg, die Guzzis taugen also grundsätzlich absolut als Reisemotorrad zu zweit. Allerdings sollte die Sozia/ der Sozius nicht allzu groß gewachsen sein, der Kniewinkel in Reihe zwei ist eher spitz und auch die Platzverhältnisse sind begrenzt. Moto Guzzi gibt für beide Versionen der V100 Mandello ein fahrfertiges Gewicht von 233 kg an. Aufgrund der erheblichen Mehrausstattung der S samt elektronischem Fahrwerk konnte ich das kaum glauben, also haben wir die beiden Sporttourer randvoll getankt auf die 1000PS Viehwaage gestellt. Das Ergebnis: Die S-Version ist mit 240 kg tatsächlich nur ein halbes Kilogramm schwerer als die Standardvariante mit ihren 239,5.
Sinnvolles Original-Zubehör für die Moto Guzzi V100 und V100 S
- Touringwindschild Fläche +35% - für alle die noch mehr Wind- und Wetterschutz brauchen
- Zubehörsitzbank Sitzhöhe + 20 mm oder -15mm und beheizbar - für Große, Kleine und Verwöhnte
- USB Anschluss im Cockpit - für Energiedurstige
- Kofferset, das in die eleganten Ausnehmungen passt - für Reisende mit Stil
Aufpreis Moto Guzzi V100 S vs. V 100 im Detail aufgeschlüsselt
- Quickshifter 199 Euro
- Moto Guzzi Connectivity MIA 179 Euro
- Heizgriffe 269 Euro
- Reifendruckkontrollsystem TPMS: 249 Euro
- Öhlins Smart EC 2.0 Fahrwerk je nach Land 1604 Euro (D), 2104 Euro (AT), 1704 CHF (CH)
POKY
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Fazit: Moto Guzzi V100 Mandello 2023
Die günstigere Alternative zur V100 S bringt sehr viel der guten Eigenschaften der Luxusschwester mit und kommt mit den optisch interessanteren Felgen daher. Ein gelungener Sporttourer, der aus der Masse heraussticht, ohne italienische Kapriolen zu zeigen. Das Fahrwerk ist für ein Reisemotorrad zu straff abgestimmt, ansonsten fällt es schwer ein Haar in der Suppe zu finden.- Souveränes V2-Triebwerk mit typischen Guzzi-Vibrations
- ausgezeichnete Brembo-Bremse
- bequeme Sitzposition
- elektrisch verstellbarer Windschild
- einzigartige Flaps für Wetterschutz der Körpermitte
- gutes Handling
- edle Optik
- Fahrwerksabstimmung für ein Reisemotorrad zu straff
- hohe Hitzeentwicklung im Stadtbetrieb
POKY
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Fazit: Moto Guzzi V100 Mandello S 2023
Moto Guzzi will die V100 Mandello S nicht in das Segment der Sporttourer schieben und spricht von einem tourentauglichen Roadster - und tatsächlich ist sie von der angenehmen Sitzposition und dem agilen Handling her eher ein Naked Bike, das mit seinem elektrisch verstellbaren Windschild erstaunlich viel Touring-Charakter vermittelt! Die einzigartigen Flaps merkt man wohl erst bei ganz niedrigen Temperaturen, dafür passt der Motor perfekt zum souveränen Auftritt und die Bremsen sind bravourös abgestimmt. Die S-Version verwöhnt schließlich noch mit serienmäßigem Quickshifter samt Blipper, Heizgriffen, MIA-Kommunikationssystem, Reifendruckkontrolle und dem elektronisch verstellbaren Öhlins-Fahrwerk Smart EC 2.0. Dafür knapp unter 20.000 Euro zu verlangen, mag daher nur auf den ersten Blick heftig erscheinen.- Souveränes V2-Triebwerk mit typischen Guzzi-Vibrations
- ausgezeichnete Brembo-Bremse
- bequeme Sitzposition
- elektrisch verstellbarer Windschild
- einzigartige Flaps für Wetterschutz der Körpermitte
- gutes Handling
- umfangreiche Serienausstattung
- elektronisches Öhlins Smart EC 2.0-Fahrwerk
- edle Optik
- Schaltassistent arbeitet nicht sauber
- hohe Hitzeentwicklung im Stadtbetrieb
Bericht vom 15.06.2023 | 36.516 Aufrufe