Zu radikal für die Alpen? - Suzuki GSX-S1000GT im Alpentest 2022
Suzukis Sporttourer beweist sich bei den Alpenmasters
Das alpine Gelände stellt besondere Herausforderungen an Motorräder aller Art. Nicht umsonst finden jedes Jahr dort die Alpenmasters statt, so auch heuer. Im Rahmen dieses prestigeträchtigen Vergleichs kommt auch die Suzuki GSX-S1000GT unter die Lupe. Kann sie in den Alpen überzeugen?
Dass sie sportlich kann, das hat uns schon unser erster Test der Suzuki GSX-S1000GT 2022 gezeigt. Aber ob der SportTOURER auch auf langen Ausfahrten glänzen kann, dass zeigt sich heuer bei den Alpenmasters. Nach zwei Jahren am Großglockner ziehen die Kollegen von MOTORRAD mit dem größten Vergleichstest Europas wieder in die Südtiroler Dolomiten, und wir sind auch mit dabei. Vom MoHo Motorradhotel Gassenwirt sind es nur wenige Kilometer zur legendären Sella-Runde und jeder Menge Pässe mit mehr als 2000 Metern Höhe. Steile Auf- und Abfahrten, wechselnde Bedingungen und die dünne Luft fordern aber alle Bikes. Wie schlägt sich da so eine auf lange Radien getrimmte Sportlerin wie die GSX-S1000GT?
Mehr zur Konkurrenz der Suzuki GSX-S1000GT
Altbekanntes Kraftpaket - Motor & Leistung der Suzuki GSX-S1000GT 2022
Sobald die Rede vom K5-Motor von Suzuki ist, wird geradezu gebetsmühlenartig vom bauchigen Druck, der Laufruhe und der Kraft aus der Mitte geschwärmt. Aber der 999 ccm Reihen-Vierzylinder ist nun einmal ein Wunder der Kraftentfaltung, liefert seine 152 PS sauber und zugänglich ans Handgelenk, ohne dabei zahm oder weichgespült zu wirken. Kaum ein Motor schafft es dermaßen mühelos und smooth mit 45 km/h im 6. Gang durch den Ort zu cruisen, gleichzeitig aber auch rasant hochzudrehen und unter dröhnendem Kreischen den Pass hinaufzuschießen. Einzig die Übersetzung ist für die Landstraße etwas lang gewählt. Ein Ausdrehen der Gänge ist aufgrund des mächtigen Drehmoments in der Drehzahlmitte zwar nicht zwingend notwendig, macht aber verdammt viel Spaß. Leider ist man dann schon mit dem 2. Gang auf knapp 150 km/h und damit weit jenseits des legalen Bereichs. Gerade auf den eher eng geschlängelten Passstraßen denkt man sich bei sportlicher Gangart, dass man die Gänge 3-6 auch ausbauen könnte.
In langen Radien daheim - Handling und Ergonomie der Suzuki GSX-S1000GT 2022
Der Ursprung des K5-Aggregats geht auf die GSX-R 1000 aus dem Jahr 2005 zurück und dementsprechend spürt man auch im Kern der GSX-S noch die Supersport-Gene. Nicht nur der Motor, sondern auch das Handling zeigt diese durch seine Liebe für die langen, weiten Radien. Bestens beweist uns das der neu asphaltierte Valparola-Pass, der uns mit Rennstrecken-tauglichem Asphaltbedingungen und wunderschön geschwungenen Kurven und breiten Kehren verwöhnt. Arschbacke nach innen schieben, leichte Hang-Off-Lage einnehmen und schon zieht die GSX-S1000GT extrem sauber durch den Radius. Die voll einstellbare USD-Federgabel vorne gibt feines Feedback von der Straße, das steife Chassis verhält sich schön stabil und der Motor hängt sauber am Gas, feuert satt aus der Kurve hinaus. Aber auch Fans des neutralen oder drückenden Fahrstils kommen auf der GSX-S1000GT auf ihre Kosten, denn die Ergonomie ermöglicht viele Formen der Fortbewegung. Der breite Lenker lädt zum Drücken ein, die Sitzposition ist nicht übertrieben gebückt und auch der Kniewinkel ist für meine 1,85 m Körpergröße nicht übermäßig spitz. Dieser gute Mittelweg sorgt auch dafür, dass sich die Suzuki nicht nur Supersport-like in den langen Radien wohlfühlt, sondern auch enge Kehren lässig durchfahren kann.
Produkttipps
Auch auf schlechten Strecken keine Folterbank - Suzuki GSX-S1000GT im Alpen-Test
Das Pordoijoch, teil der Sella-Runde, ist im Gegensatz zum Valparola-Pass eine typische Alpenstraße. 180-Grad-Kehren, vom Frost gezeichneter Asphalt und reichlich Dreck am Wegesrand warten hier auf die Suzuki GSX-S1000GT. Und sie schlägt sich auch hier echt passabel. Selbst bei flotter bergab Fahrt, wenn man vor der Kehre ambitioniert in die Brembo Bremsen greift, bleibt die GT stabil und poltert über Unebenheiten ruhig drüber. Die Bremserei selbst geht auch kräftig, wenn auch nicht extrem scharf, ans Werk und bleibt gut dosierbar. Vor allem mit der Hinterradbremse lässt sich die Kurvengeschwindigkeit präzise regulieren. Den engen Radius selbst zu durchfahren ist durch die Stabilität nicht weiter schwer, die 226 fahrbereiten Kilogramm der GT liegen satt auf der Straße.
Elektronik der Suzuki GSX-S1000GT 2022
Am Kurvenausgang kommt, es sei denn man dreht die langen Gänge führerscheinverachtend aus, schnell der Quickshifter zum Einsatz. Der bringt die Gangwechsel sehr knackig und flott über die Bühne, nur ganz niedrige Drehzahlen unter ca. 3500 Touren sind ihm nicht geheuer. Die Elektronik der Suzuki ist mit einem Tempomaten, TFT-Anzeige, drei Fahrmodi und fünfstufig einstellbarer Traktionskontrolle eigentlich sehr üppig. Trotzdem gab es bei der Vorstellung der GT Kritik, dass das Fehlen eines Schräglagensensors nicht mehr zeitgemäß sei. Die Konkurrenz à la KTM Super Duke GT, Kawasaki Ninja 1000 SX, oder BMW R 1250 RS haben alle eine 6-Achsen-IMU mit an Bord. Die Suzuki versucht es stattdessen mit den verschiedenen Stufen der Traktionskontrolle. Im realistischen Alltagsbetrieb funktioniert das auch ganz gut. Mit etwas Ausprobieren, vorsichtigem Herumspielen mit den verschiedenen Stufen und einer nicht gänzlich unvernünftigen Gashand kommt man selbst bei schlechtem Belag und im Nassen sehr gut mit der Suzuki zurecht. Der Motor ist so fein dosierbar, dass die Traktionskontrolle nur selten zum Einsatz kommen muss, dann aber sehr flott und feinfühlig eingreift. Für das Kurven-ABS ist ein Ersatz natürlich deutlich schwieriger zu finden, hier braucht es einfach mehr Vor- und Voraussicht beim Verzögern.
Komfort der Suzuki GSX-S1000GT 2022
Das Touring sollte in Sporttourern auch nicht zu kurz kommen, da spielt der Komfort im Sattel eine wichtige Rolle. Das in Zugstufe und Vorspannung verstellbare Federbein schafft im Serientrimm einen guten Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort und macht die Fahrt bei unebenem Belag sehr erträglich. Der Passo Falzarego ist einer der holprigsten Pässe des Tages und sorgt mit massiven Bodenwellen für eine Herausforderung. Hier vermisst man dann doch die längeren Federwege von großen Tourern und Reiseenduros. Die Sitzposition ist aber immerhin angenehm genug, um die Pässe auf der und rund um die Sella-Runde auch an einem langen Fahrtag auf einmal zu inhalieren. Lange Autobahnanreisen sind dank Tempomat auch kein Problem, nur der Windschutz könnte auf der GT besser sein. Die Konkurrenz wartet durch die Bank mit verstellbaren Windschilden auf, bei der Suzuki ist er aber fest und leitet den Wind, es sei denn man sitzt MotoGP-like auf der GT, ca. auf Kinnhöhe an den Helm des Fahrers.
Alltags- & Reisetauglichkeit der Suzuki GSX-S1000GT 2022
Es sei denn man besitzt ein Chalet oder eine Almhütte in der Nähe, muss die Suzuki in den Alpen auch Gepäck transportieren können. Die Hartschalen-Seitenkoffer aus dem Suzuki-Zubehör bieten 36 Liter Stauraum und passen fließend ins Erscheinungsbild der GSX-S1000GT. Für unsere kurzen Tagesausflüge vom MoHo Gassenwirt aus reicht aber eine Hecktasche, weshalb wir kurzerhand eine SW-Motech PRO Rackpack draufschnallen. Mag etwas klobig wirken, hält aber bombenfest und bietet genug Platz für jede Menge Film-Equipment. Neben dem Platz am Motorrad ist die Reichweite auch noch ein großes Thema. Der K5-Motor ist, vor allem bei sportlicher Gangart, ein recht durstiger Geselle und gönnt sich schnell mal mehr als 6 Liter auf 100 km. Um trotzdem ausreichende Reichweiten zu ermöglichen, wurde der Tank im Vergleich zur nackten GSX-S Schwester um 2 Liter erweitert und fasst nun 19 Liter. Damit sollte man über 300 km weit kommen, Sparfüchse schaffen sogar mehr als 350 km.
Fazit zur Alpen-Performance der Suzuki GSX-S1000GT 2022
Ist die Suzuki GSX-S1000GT also zu radikal für die Alpen? Unsere klare Antwort: Nein! Sicherlich sehnt man sich teilweise den überragenden Komfort von Tourern und Reiseenduros herbei, dafür bietet die GSX-S1000GT deutlich mehr rasanten Fahrspaß. Sie schafft den Kompromiss aus Sport und Touring, wie es sich für einen Sporttourer gehört, außerordentlich gut. Sportliche Piloten können beruhigt zugreifen mit dem Wissen, dass sie vom Rastenschleifer-Valparola-Pass bis zur Buckelpiste am Falzarego überall eine gute Figur macht. Einzig eine kürzere Übersetzung würde ich mir wünschen, damit man bei ambitionierter Gangart mehr vom glorreichen Motor hat, als nur die unteren zwei Drittel des Drehzahlbandes oder die ersten zwei Gänge. Die restlichen kleinen Schwächen sind in der Realität nicht weiter störend und können beim Passheizen den Spaß im Sattel der Suzuki GSX-S1000GT nicht trüben.
GREGOR
Weitere Berichte
Fazit: Suzuki GSX-S1000GT 2022
Die Grand Touring Variante der GSX-S vereint die supersportlichen Gene der Modellreihe mit erstaunlich viel Touring Potential. Das top Chassis und der bombige Motor garantieren Fahrspaß. Gleichzeitig ist die Ergonomie vielseitig genug gestaltet, um auch entspannte Etappen zu ermöglichen. Die Suzuki nimmt als echte Sporttourerin sowohl den Sport, als auch das Touring ernst und schafft diesen Kompromiss ausgesprochen gut. Lediglich die Übersetzung könnte für den Landstraßeneinsatz etwas kürzer sein und Technokraten könnten schräglagenabhängige Systeme vermissen. Davon abgesehen bietet die GSX-S GT aber üppige Ausstattung und ein rundes Gesamtpaket.- Geiler Motor mit viel Drehmoment aus der Mitte
- Stabiles Chassis
- Vielseitige Ergonomie
- Guter Sound
- Top Quickshifter
- Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Ziemlich lange Übersetzung
- Windschild nicht verstellbar
- Kein Schräglagensensor
Bericht vom 14.06.2022 | 31.684 Aufrufe