Ducati DesertX Test auf Landstraße und im Gelände

Ein waschechtes Offroad-Eisen aus Bologna?

Desert X. Unter diesem Namen rollt 2022 die erste Ducati fürs Grobe in die Schauräume der Händler. 21-Zoll Vorderrad, anständige Federwege und ein kräftiger V2, verpackt in ein schlankes Design im Look der glorreichen 80er und 90er Dakar-Bikes aber voll mit modernster Technik. Wir durften sie auf Sardinien im Straßen- und Geländebetrieb für Euch testen. Als erste echte Enduro der Neuzeit von den Roten aus Bologna haben wir sie natürlich besonders genau unter die Lupe genommen.

Die Bilder im Trailer von Ducati schrauben die Erwartungshaltung hoch. Gewaltige Offroad-Action inklusive ansehnlicher Sprünge und Drifts im tiefen Sand der Wüstenlandschaft. Scheinbar ein waschechtes Offroad-Eisen mit beachtlichen Nehmerqualitäten. Doch wie extrem gibt sich die neue DesertX sich in der Praxis und wo genau liegen die Unterschiede zur Multistrada V2, welche ebenfalls vom bestens bekannten Testastretta V2 angetrieben wird? Ein Blick auf das Datenblatt zeigt außerdem, dass die Gewichtsangabe nicht ganz mit der schlanken Optik mithalten kann. Werden ihr die zusätzlichen Pfunde im Gelände zum Verhängnis? Mit jeder Menge Fragen im Gepäck wird also die Reise nach Sardinien angetreten.

Ducati DesertX - ein erster Eindruck

Nähern sich die knirschenden Enduro Stiefeln langsam der DesertX, fällt sofort der sehnig, schlanke Aufbau der Maschine ins Auge. Stattlich wirkt sie mit ihrem 21 Liter Tank, dem hohen Cockpit und der Sitzbank in luftigen 875 Millimeter Höhe nur in der direkten Seitenansicht. Der 937 Kubik V2 in L-Form ermöglicht eine erfreulich schlanke Taille. Sitzbank und Gitterrohrrahmen bilden zusammen eine spartanische Heckpartie. Der matt weiße Lack schimmert verführerisch in der italienischen Morgensonne.

Schweift der Blick weiter über die Fahrwerkskomponenten, ist festzustellen, dass Ducati das Offroad Thema ernst nimmt. Der Stahlrahmen trägt an der Front eine massive 46mm Upside-Down-Gabel mit 230mm und am Heck ein Federbein mit 220mm Federweg. Beides von Kayaba und voll einstellbar. 1.608 Millimeter Radstand, 122 Millimeter Nachlauf und ein vergleichsweise flacher Lenkkopfwinkel von 27,6 Grad lassen bereits im Stand auf ein stabilitäts-orientiertes Fahrgefühl schließen. Das 21 Zoll Vorderrad, wie auch das 18 Zoll Hinterrad, welches von einer schön geformten Alu-Schwinge geführt wird, sind standesgemäß und zur Fahrzeuggattung passend als schlauchlose Speichenräder ausgeführt. Die Gedanken fräsen mit der Ducati bereits über weitläufige Schotterpisten.

Ducati DesertX serienmäßig mit umfangreicher Elektronik ausgestattet

Spätestens beim Blick ins Cockpit und die vielfältigen Einstellmöglichkeiten am Dispaly ist der puristischen Ersteindruck verflogen. Vollausstattung! In Sachen Elektronik und Fahrassistenzsysteme ist bei der Desert X tatsächlich alles an Bord, was man auch aus höheren Klassen kennt: Schaltautomat, ABS und Traktionskontrolle schräglagenabhängig, Wheeliekontrolle, ein Tempomat sowie sage und schreibe 6 unterschiedliche Fahrmodi stehen bereit. Ein 5-Zoll-TFT-Display im Hochformat informiert über das Geschehen. Smartphone Connectivity? Ehrensache im Jahr 2022. Erste Kritik darf an dieser Stelle aber auch gleich angebracht werden: Auf ein einstellbares Windschild muss an der neuen Ducati Enduro leider verzichtet werden. Ein Problem? Werden wir später herausfinden. Endlich wird der Motor gestartet und unsere Tour geht los.

Auf den ersten Metern fällt der breite und komfortabel gekröpfte Lenker auf, der zusammen mit einem äußerst entspannten Kniewinkel zu einer lockeren, aufrechten Sitzposition verhilft. Die Beine schmiegen sich eng an den Tank, der Gashahn wird das erste mal voll geöffnet und relativ rasch sind die Gänge bis 5 durchsortiert. Die kürzere Getriebeabstufung im Vergleich zur Multistrada ist deutlich zu spüren. Ob das Bewegen der Desert X im härteren Gelände dadurch wirklich vereinfacht wird, zeigt erst die später folgende Offroad-Etappe in unserem Test. Der sechste Gang ist in jedem Fall wieder deutlich länger ausgelegt und soll damit für akzeptable Verbrauchswerte sorgen. Wer den Gasgriff offen hält, wird mit einer linearen aber durchaus auch drehfreudigen Leistungsabgabe belohnt. Über 7.000 Umdrehungen legt der Motor nochmal etwas nach, bevor bei rund 9.000/min die Höchstleistung von 110 PS erreicht wird.

Die Tour beginnt sofort auf bestem Asphalt mit herrlich geschwungenen Landstraßen. Leichtfüßig lenkt sie in die ersten Kehren ein und bleibt in Schräglage angenehm stabil. Das zuvor erwähnte, ordentlich breite Lenkrohr verhilft zum souveränen Dirigieren durch die Radien. Zügig gefahrene Wechselkurven fühlen sich im Sattel zwar auch zielgenau und sicher an, gehören aber mit der stabilitätsorientierten Fahrzeuggeometrie, wie bereits anhand des Datenblatts vermutet, nicht zur Lieblingsdisziplin der DesertX. Die Serien-Bereifung in Form des grobstolligen Pirellis Scorpion Rally STR verhält sich auch auf Asphalt großartig und verzahnt sich bestens mit der sardinischen Landstraße. Das schmale, große 90/90 - 21 Vorderrad zeigt erst bei richtig tiefer Schräglage und schnellem Umlegen sanft seine Grenzen auf.

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Ducati DesertX Erfahrungen auf der Landstraße

Ducati DesertX Test auf Landstraße
Großartig, wie satt und stabil die DesertX im Radius liegt - beinahe ist die schlanke Enduro Bereifung vergessen.

Ortsdurchfahrten und zäher Stadtverkehr erfordern etwas Eingewöhnung auf der neuen Reiseenduro aus Bologna. Die Sitzhöhe wird für Fahren unter 1,75 Meter Körpergröße im Stop-and-Go etwas zur Herausforderung. Der Motor entwickelt erst über 3.000 Umdrehungen seine guten Manieren, darunter ist er eher ein rauer Geselle und auch der Quickshifter läuft erst über 4.000 Umdrehung zur Bestform auf. Das kürzer gestufte Getriebe hilft etwas dabei, den Motor im Wohlfühl-Bereich zu halten. Positiv sei an dieser Stelle auch die, im Vergleich zur Multistrada V2, überarbeitete Kupplung erwähnt. Dank neuer Armatur und veränderter Übersetzung ist deutlich weniger Handkraft notwendig. Trotzdem gut, dass unsere Tour schnell wieder raus auf die weiten Landstraßen führt, dem Parade-Revier der DesertX.

DesertX mit Superbike Bremsanlage - funktioniert das auf einer Reiseenduro?

Beim ersten richtig beherzten Griff in die Bremse kommt Sportbike-Feeling auf. Die Brembo Stylema Monoblock Anlage in Paarung mit einer 320 mm Doppelscheibe verbauen andere Hersteller auf ihren Superbikes und Powernakeds. Im Straßenbetrieb bleiben damit definitiv keine Wünsche offen. Der Initialbiss fällt dank recht defensiv gewählter Bremsbeläge nicht ganz so heftig aus, wie es die Eckdaten vermuten lassen. Verzögerungsperformance und Standfestigkeit sind dennoch über jeden Zweifel erhaben. Aufstellmoment beim Bremsen ist in Paarung mit den Pirelly Scorpion Rally STR Reifen erfreulich wenig zu spüren. Auch auf der Bremse lässt sich die DesertX damit sportlich, sauber einlenken. Beinahe vergisst man im Fahrbetrieb, dass an der Front ein großes und schmales 21 Zoll Rad die Führungsarbeit macht.

Ducati DesertX Federweg und Fahrverhalten im Straßenbetrieb

Mittlerweile bestens mit dem Gerät vertraut, wird das Tempo auf unserer Tour gesteigert. Hier zeigt sich die DesertX wieder von ihrer besten Seite. Erwähnte Stabilität schafft Vertrauen. Auch der Motor zeigt sich bei zügigem Tempo von seiner besten Seite. Gasannahme und Lastwechselverhalten waren in allen versuchten Fahrmodi auf top Niveau, kaum ein minimaler Ruck ist wahrnehmbar. Die langen Federwege sind hingegen naturgemäß im sehr sportlichen Fahrbetrieb doch etwas zu spüren. Schaukelig wirkt die DesertX bei alledem aber nicht. Hier hat man bei Ducati einen wirklich gelungenen Spagat geschafft. Dank voller Einstellbarkeit der Kayaba Hardware kann zudem noch weiter nach individuellen Vorlieben optimiert werden.

Ducati DesertX im Offroad Test

Nach den ersten Metern auf unbefestigtem Terrain wird schnell klar, dass das stabile Chassis auch hier seine Vorzüge voll ausspielt. Die DesertX vermittelt auf Anhieb ein unglaublich souveränes und sicheres Fahrgefühl. Bewundernswert auch die Grätsche, welche Ducati mit den Federelementen hinbekommen hat. Ohne das Setup anzupassen, hat es sich im Wechsel von On- zu Offroad ebenfalls vom Fleck weg gut angefühlt. Die Reserven auf rauem Terrain mit Schlaglöchern, Wasserrinnen und kleineren Sprüngen sind zudem mehr als ausreichend. Besonders für Begeisterung hat dabei das Setup der Gabel gesorgt. Sie saugt Unebenheiten sauber auf und überzeugt mit feinstem Ansprechverhalten. Die Heckpartie scheint etwas straffer abgestimmt. Lange Wellen werden auch vom Stoßdämpfer sauber absorbiert, schnelle Schläge von groben Geländekanten oder Schlaglöchern werden aber gefühlt nicht ganz so fein aufgenommen wie von der Fahrzeugfront. Alles in allem Kritik auf hohem Niveau. Wirklich leiwand, wie souverän und zügig mit der DesertX über Schotterpisten und selbst leicht verblocktes Gelände gebrettert werden kann, da geraten auch die zwei Kilogramm Mehrgewicht im Vergleich zur Multistrada V2 schnell in Vergessenheit.

Ducati DesertX Offroad Drift
Die DesertX vermittelt auch im Gelände ein unglaublich souveränes und sicheres Fahrgefühl

Wer braucht dreistellige PS Zahlen auf losem Untergrund?

Der "Enduro" Modus begrenzt die Leistung der DesertX auf 75 PS. Immer noch reichlich Dampf für losen Untergrund, doch im Sattel fühlt sich damit alles geschmeidig und kontrolliert an. Das ABS ist an Front wie Heck aktiv und regelt nach einem speziell abgestimmten Offroad-Schema. Die Traktionskontrolle lässt etwas Schlupf und Driftwinkel am Hinterrad zu, hält die Fuhre aber dennoch recht sicher in der Spur. Auch wenig versierte Fahrer werden damit im Gelände gut zurecht kommen und bekommen ein sicheres Fahr-Erlebnis vermittelt. Könner und Offroad-Enthusiasten werden im Modus "Rallye" zufrieden gestellt. Hier liegen die vollen 110 PS an und die Traktionskontrolle hält nur noch sanft ihre schützende Hand über das wilde Treiben. In Sachen Bremse beschränkt der Blockierverhinderer sein Tun nur noch auf das Vorderrad - und selbst das kann noch deaktiviert werden. Toll gelöst von Ducati!

Ducati Desert X Abgrenzung zu Multistrada V2

Nach dem geschilderten Fahreindruck auf unbefestigtem Terrain wird auch schnell verständlich, wo die Abgrenzung zur Multistrada V2 stattfindet. Letztere ist zwar per Definition auch eine Reiseenduro ist aber doch sehr auf sportliches Fahren auf befestigten Straßen ausgelegt. Ambitionierte Heizer, welche sich bestenfalls auf einen sanften Schotterweg verirren sind bei Ihr vermutlich besser aufgehoben. Sie vermittelt das etwas agilere, direktere und vertrauenerweckendere Fahrgefühl, speziell bei hohem Tempo. Die DesertX hingegen ist mehr als Allrounderin zu sehen und bringt speziell auf losem Untergrund durchaus beachtliche Qualitäten mit. Freunde eines klassischen Enduro-Designs kommen mit ihr zudem voll auf ihre Kosten.

Ducati DesertX Standgeräusch & Verbrauch

Hinsichtlich des Standgeräusches gibt es eine erfreuliche Nachricht für Fahrten auf Tiroler Passstraßen. Ducati teilte uns zum Testzeitpunkt mit, der Wert liegt unter 95 dB(A) - nannte aber noch keine genaue Zahl. Betreffend Spritverbrauch haben wir die Werksangabe von 5,6 l auf 100 km etwas übertroffen. Nach über 250 durchaus sportlichen Kilometern im On- und Offroad-Mix standen genau 6 Liter als Durchschnitt am Display abzulesen.

1000PS.com - Unsere internationalen Websites für Ducati

Für unsere 1000PS Freunde aus anderen Ländern bieten wir unter 1000PS.com folgende Inhalte an:

Fazit: Ducati DesertX 2022

Die erste echte Enduro der Neuzeit von Ducati ist gelungen - und wie! Ein herzerwärmendes Design im Look der glorreichen 90er Dakar-Bikes aber vollgepackt mit edlen Komponenten und modernster Technik. Das hochwertige und stabile Chassis-Konzept spielt im On- wie Offroad-Betrieb voll seine Vorzüge aus. Die DesertX vermittelt auf Anhieb ein unglaublich souveränes und sicheres Fahrgefühl. Bewundernswert auch die Grätsche, welche Ducati mit den Federelementen hinbekommen hat, egal ob Straße oder Gelände, es fühlt sich einfach gut an.


  • tolles Chassis mit voll einstellbarer Federung
  • ausgeklügelte Fahrmodi
  • kräftiger Motor
  • starke Bremse
  • durchdachte Detaillösungen
  • umfangreiche Serienausstattung
  • Laufkultur des Motors im unteren Drehzahlbereich
  • Fahrzeuggewicht kann nicht ganz mit der schlanken Optik mithalten
  • Ansprechverhalten Federbein leicht hinter dem der Gabel

Bericht vom 04.05.2022 | 47.697 Aufrufe

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