Harley-Davidson Pan America 1250 Special im Touren-Check

Bereit für die Reise zu zweit

Wir haben die neue Harley-Davidson Pan America 1250 Special bereits im großen Reiseenduro-Vergleich gegen die Top-Modelle der arrivierten Konkurrenz antreten lassen, sie dabei über Stock und Stein gejagt. Aber wie schlägt sie sich im richtigen Leben, im Alltag, auf Tour und mit Sozia? Unser Reiseenduro-Spezialist Wolf hat sich den Newcomer aus Milwaukee noch einmal für zwölf Tage geschnappt, um das herauszufinden.

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Das Anforderungsprofil könnte kaum breiter gefächert sein

Wofür kauft bzw. braucht man überhaupt eine Reiseenduro? Die ja gerne auch als SUV auf zwei Rädern bezeichnet werden und die meisten dann wie ihre vierrädrigen Pendants vornehmlich genau dort bewegen werden, wo man mit allen anderen Motorrädern genauso hinkommt. Nur wenige fahren damit ernsthaft ins Gelände, aber können sollten es die dicken Brummer genauso, wie eben die flotte Pässehatz im verwinkelten Kurvenwerk, den Weg durch den Großstadtdschungel sowie Autobahn oder überhaupt das Kilometerfressen vollbeladen und/oder zu zweit, bei gutem und bei schlechtem Wetter. Ganz schön breit gefächert, dieses Anforderungsprofil, das eine moderne Groß-Enduro oder so ein Stelzen-Sportler, wie sie unser lieber Zonko gerne bezeichnet, zu bewältigen hat…

Automatische Fahrwerks-Absenkung erspart Nervenkitzel

Beginnen wir gleich mit dem Alleinstellungsmerkmal der Pan America. Ein solches 2021 mit dem ersten Wurf am heiß umkämpften Reiseenduro-Markt überhaupt noch auf die Beine zu stellen, ringt Respekt ab. Zumal es im konkreten Fall eines ist, das du im tagtäglichen Gebrauch spüren und, mit der "richtigen" Körpergröße, schätzen wirst. Die automatische Fahrwerks-Absenkung im Stillstand wird Fahrern unter 1,80 Meter manch Nervenkitzel ersparen, der mit den naturgemäß hohen Reiseenduros speziell auf unebenen Untergründen immer wieder einmal vorprogrammiert ist, aber auch größere Piloten werden kaum etwas an einem besseren Stand mit beiden Füßen am Boden auszusetzen haben, wenn sich etwa die Sozia auf den Sattel des voll beladenen Motorrads schwingt.

Weniger Sinn sehe ich in der Einstellungs-Möglichkeit, das Fahrwerk bereits beim Langsamfahren im Schritttempo automatisch abzusenken: Solange das Motorrad rollt, gehören die Füße auf die Rasten und im diffizilen Terrain, wo man mitunter so langsam unterwegs sein wird, bist du über jeden Zentimeter Bodenfreiheit froh. Natürlich kann man mit einer gewissen Routine auch mit meinen 1,75 Meter die höchsten Enduros erklimmen, ich würde mir diese Fahrwerks-Absenkung als Komfort-Feature künftig aber auf allen schweren Reiseenduros mit elektronischem Fahrwerk wünschen. Selbstverständlich lässt sich das Ding aber auch deaktivieren.

Komfort wird groß geschrieben auf der Harley-Davidson

Wobei das nicht die einzige Stärke der semiaktiven Skyhook-Federung der Pan Am ist. Wer öfter mal zu zweit oder voll beladen unterwegs ist, wird etwa die automatische Anpassung der Vorspannung schätzen und ganz allgemein die Federung, die in der Harley-Davidson eher auf der komfortableren Seite ist und sich spürbar mit jedem Fahrmodus ändert. Meine erfahrene Sozia, die jährlich auf -zig verschiedenen Motorrädern mitfährt und wahrscheinlich längst die 100.000-Kilometer-Marke hinten drauf geknackt hat, bezeichnet die Pan America diesbezüglich speziell auf unbefestigten Wegen als eine der bequemsten Reiseenduros am Markt, auch am Kopfsteinpflaster der Wiener Höhenstraße war die Federung des Offroad-Modus deutlich effizienter als Straße oder gar Sport, wo Unebenheiten doch direkter auf den Allerwertesten übertragen werden.

Auch nach langen Etappen steigt man entspannt aus dem Sattel

Platz für den Sozius ist ebenfalls ausreichend vorhanden, die Sitzbank zwar nicht die weichste, aber ein recht gelungener Kompromiss aus Komfort und der nötigen Stabilität, entpuppen sich doch zu weiche Polster auf Langstrecken meist als kontraproduktiv. So aber stiegen wir auch nach langen Tagesetappen stets entspannt aus dem Sattel, was auch dem angenehmen Kniewinkel für Fahrer und Beifahrer geschuldet ist. Großzügige, stabile Haltegriffe erhöhen das Sicherheitsgefühl und sind bei Bedarf für den Sozius immer da. Wobei ganz allgemein erwähnt gehört, dass man sich speziell bei zügiger Fahrt stets am Fahrer anhalten sollte, weil das auch die harmonischste Fahrweise erlaubt und kontraproduktives bzw. auch gefährliches Gegenlehnen ausschließt.

Stabiles, praktisches Koffersystem stört nicht beim Fahren

Wer eine Reise tut, hat meist auch einiges mitzunehmen, das von Harley-Davidson angebotene Koffersystem, bestehend aus zwei Seitenkoffern und einem Topcase mit Rückenlehne (Anmerkung der Sozia: "die könnte etwas weicher sein"), hat den Praxis-Test gut bestanden. Die stabilen Alu-Boxen sind von oben zu befüllen - was den Vorteil hat, dass nichts herausfallen kann, wenn man den Koffer öffnet - und mit wenigen Handgriffen an den Kofferträgern zu fixieren bzw. wieder abzunehmen, wofür derselbe Schlüssel wie fürs Schloss des Koffers verwendet wird. Auch der originale Tankrucksack passt ins Gesamtbild und stört so gut wie nicht beim Fahren. Die Koffer machten flottes Tempo über rumpelige Schotterpisten ebenso problemlos mit wie Autobahn-Geschwindigkeit, auch vollbeladen läuft das Motorrad spurtreu, mit dem Mehrgewicht haben 152 PS ohnehin kein Problem. Ein Tipp, der freilich für jedes Motorrad gilt: Beim Beladen der Koffer darauf achten, dass das Gewicht in etwa gleichmäßig verteilt ist, einen deutlich schwereren Koffer links oder rechts spürt man und er verändert das Fahrverhalten.

Wind- und Wetterschutz auf klassenüblichem Standard

Und weil man sich auf der Reise das Wetter nicht aussuchen kann, ist auch der Wind- und Wetterschutz speziell auf solchen Motorrädern immer ein Thema. Auch hier braucht sich die Harley-Davidson vor den arrivierten Platzhirschen nicht zu verstecken, der während der Fahrt mit einer Hand (wenn auch etwas kompliziert) verstellbare Windschild bietet guten Schutz, vom Regen bekommt das Visier des Helmes in der obersten Position zumindest mit meinen 1,75 Metern so gut wie nix ab. Die Handprotektoren, die mit einem praktischen "Klippverschluss" versehen sind, halten die Handschuhe zumindest eine Zeit lang trocken und würden bei einem Umfaller wohl wegklappen, bevor sie brechen ein guter, Wind- und Regenschutz, stabile Protektoren im Enduro-Sinn sind sie jedoch keine.

Motor "grillt" im Stop-and-Go-Verkehr die Schenkel

Im Großstadtdschungel ist die mächtige Pan America natürlich nicht wie eine Supermoto zwischen den Autoschlangen durchzumanövrieren, dank der aufrechten Sitzposition und des verhältnismäßig agilen Einlenkverhaltens findet man sich aber auch da rasch zurecht und wird bald alle die Lücken nützen, die einem der Verkehr bietet. Im Stop-and-Go-Betrieb spürt der Fahrer die Hitze des mächtigen V2, der die Innenseiten der Schenkel dann doch einigermaßen "grillt", wenn man nur eine dünne Hose bwz. Jeans trägt. Sobald es aber nur ein wenig Fahrtwind gibt bzw. allerspätestens wenn man das Ortsschild hinter sich lässt, ist das aber kein Thema mehr.

Fazit: Harley-Davidson Pan America 1250 Special 2021

Resümierend bleibt auch im Alltags bzw. Tourenbetrieb festzuhalten, was uns schon der erste Eindruck sagte: Die Harley-Davidson Pan America 1250 Special ist eine Reiseenduro, die das kann, was eine große, starke Reiseenduro 2021 können muss. Mit ausreichend Platz für zwei, mit der Möglichkeit auch Mal die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Natürlich wird man damit kaum die wildesten Offroad-Passagen angehen. Was sich der Fahrer zutraut bzw. man mit einem Motorrad dieser Gewichtsklasse angehen möchte, ist für den Beifahrer dank der hervorragenden elektronischen Federung auf der Harley aber angenehmer als bei vielen Konkurrenten. Und wenn Sozia die eine oder andere Bachdurchfahrt ausgelassen hat, dann nur, um Fotos zu machen. Und keine nassen Füsse zu bekommen. Denn das kann auch die modernste Elektronik nicht verhindern, macht aber den Spaß, den solche Adventurebikes bieten, erst so richtig aus. Erst dreckig wird sie auch vorm Eissalon als ein solches ausgemacht.


  • Sportliches Triebwerk
  • bequeme Sitzposition
  • gute Soziustauglichkeit
  • umfangreiche Elektronik
  • Originales HD-Koffersystem
  • Windschutz
  • Kurven-ABS Serie
  • Kurven-TC Serie
  • optionale Sitzabsenkung im Stand
  • gute Offroad-Eigenschaften
  • Motorhitze im Stadtbetrieb
  • Quickshifter nicht erhältlich

Bericht vom 24.08.2021 | 26.034 Aufrufe

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