Honda CB300R Test

Leichter geht's nicht!

Honda legt in der A2-Klasse nach und erweitert mit der CB300R die Neo Sports Cafe Familie. Der nackte Einzylinder soll durch minimalistisch-fesches Design und einfachste Handhabung sowie möglichst geringen Wartungsaufwand punkten. Doch reichen diese Eigenschaften tatsächlich aus, um eine überlegenswerte Alternative zur meist leistungsstärkeren A2-Konkurrenz darzustellen? Eine ausgiebige Probefahrt auf Landstraße und Teststrecke konnte diese Frage relativ rasch beantworten!

Das Wetter war stabil, der Asphalt auf der Teststrecke schön griffig und meine Lust auf ein spaßiges A2-Bike ausgesprochen groß. Einzig allein das auserwählte Testmotorrad fehlte zunächst. Ich sollte im Rahmen der deutschen Honda Motorrad Testtage, welche heuer in und rund um die Honda Akademie in Erlensee (Hessen) stattfanden, nach einem ausgesprochen vergnüglichen Date mit der großen Schwester, der CB1000R, nämlich auch noch die deutlich kleinere Variante ausprobieren: Die neu erschienene Honda CB300R. Womit Honda nun also auch im stylishen Neo Sports Cafe Design ein echtes A2-Motorrad anbietet. Die 300er war zum damaligen Zeitpunkt so taufrisch, dass sie nicht gleich von Beginn an der Honda-Testtage-Veranstaltung verfügbar war. Glücklicherweise jedoch gelang es, das Motorrad am Morgen des zweiten Tags meines Aufenthalts zu liefern. So hatte ich dann schon am Vormittag die große Ehre, ein brandneues Zweirad mit null Kilometern auf der Uhr über deutsche Landstraßen und die Honda-Teststrecke zu bewegen. Und wie die sich bewegen lässt!

Es scheint, ihr fehlt's an Leistung!

Der Blick in das Datenblatt war in meinen Augen vielversprechend: Der bereits bekannte 286 Kubikzentimeter große Einzylinder-Motor aus der CBR300R, kombiniert mit sensationell niedrigem Gewicht von 143kg (vollgetankt) und der wunderbar-gefälligen Optik, welche auf mich klassisch und futuristisch zugleich wirkt - da kam definitiv Vorfreude auf. Einzig die Leistungsangabe von 31 PS und 28 Nm machte mich ein wenig misstrauisch. So haben die meisten Konkurrenzgeräte im A2-Segment doch mindestens 10 PS mehr. Allerdings hat es dann aber auch nicht mehr als drei Kurven gebraucht, bis ich wusste, dass mein Misstrauen definitiv nicht angebracht war.

Was der 300er an Power fehlt, wird durch ihre Agilität wieder wettgemacht.

Die meisten Hondas bestechen durch ausgesprochen einfaches und neutrales Handling, welches auch die CB300R aufweist. Jedoch verfügt sie über einen zusätzlichen Bonus: sensationelle Leichtgängigkeit. Die benötigten Lenkimpulse dürfen so minimalistisch ausfallen, dass man beinahe glauben könnte, die 300er ließe sich beinahe schon mit dem bloßen Gedanken ans Einlenken von links nach rechts dirigieren. Wenn auf der Kühlerverkleidung nicht 300 draufstehen würde, dann hätte ich wohl geglaubt, unabsichtlich auf die zum Verwechseln ähnlich aussehende 125er Variante aufgestiegen zu sein. So wenig benötigte Kraft am Lenker kannte ich bis dato nur aus der Achtelliter-Klasse. Wenn dann aber der Gashahn ordentlich aufgerissen wird, dann sind die vermeintlichen 125er-Assoziationen allerdings schnell wieder beendet, denn die 31 Einzylinder-Pferde machen ordentlich Spaß und sind auch zum Überholen der durchschnittlich- schnellen Verkehrsteilnehmer mehr als ausreichend.

Mehr Komfort als erwartet

Bemerkenswert fand ich weiters auch die Fahrwerksperformance. Aus der modernen A2-Klasse ist man es ja eigentlich gewöhnt, dass die günstigen Fahrwerkskomponenten zwar gut funktionieren, wenn man flott unterwegs sein möchte, sobald die Straßen aber schlechter und holpriger werden, dann bekommt man das meist im Kreuz ordentlich zu spüren. Nicht (ganz) so (arg) auf der kleinen Honda. Die Federelemente bieten genug Stabilität und Transparenz, um sich während flotter Gangart wohl und sicher zu fühlen. Gleichzeitig bringt die 41mm Upside-Down-Teleskopgabel sowie das in der Vorspannung justierbare Federbein hinten es tatsächlich auch zustande, auf schlechten Untergründen ein wenig Fahrkomfort zu bieten. Wunder braucht man sich hier freilich keine erwarten, aber mir ist dennoch aufgefallen, dass Honda den Kompromiss aus Sportlichkeit und Fahrkomfort besser hinbekommt, als die direkte A2-Naked-Konkurrenz. Die Marketingprospekt-Rede von Agilität, Stabilität und klarem Feedback ist in diesem Fall definitiv nicht gelogen.

Typisch Honda

Gut gefällt mir ebenso die Tatsache, dass Honda im verhältnismäßig günstigen A2-Bereich nicht ganz so offensichtlich zeigt, dass Geld gespart werden muss. Auch Käufer der CB300R werden mit der allseits bekannten Honda-Qualität belohnt. Das Bike wirkt hochwertig, ist sauber verarbeitet und macht einen gediegenen und erwachsenen Gesamteindruck. Ich finde ja sowieso, dass die Honda-300er dank der gelungen Neo Sports Cafe Optik das stilsicherste Motorrad im nackten A2- Segment darstellt. Wenngleich ich hier Honda widersprechen muss, die das Design als minimalistisch-aggressiv betiteln. Minimalistisch? Ja! Aber aggressiv? Nein. Zumindest nicht in meinen Augen.

Bei der Bremse ist Schluss mit Leichtigkeit

Die gefällige Optik sagt mir sehr zu und so ertappte ich mich bei der Probefahrt immer wieder dabei, die flüchtigen Spiegelbilder des Motorrads in den vorbeifliegenden Schaufenstern und Glasfassaden zu bewundern. Solange ich also am Hahn drehte und fröhlich durch die deutsche Landschaft wedelte war ich glücklich und zufrieden. Erst schärfere Kurven und die dafür benötigten Bremsvorgänge haben mir schließlich die für mich einzige Schattenseite im Fahrbetrieb aufgezeigt. Die Kraft, die es am Bremshebel braucht, um wirklich beherzt zu ankern, die war meiner Meinung nach zu groß. So groß, dass es mir mit einem Finger nicht gelungen ist, in den ABS-Regelbereich zu kommen. Die 296mm große Einzelscheibe bremst gut und hat mit dem leichten Gewicht kaum Mühe, keine Frage. Aber der dafür benötigte Einsatz am Hebel kann nicht wirklich als mühelos bezeichnet werden. Und dabei ist Honda bei der 300er gerade auf das Bremssystem sehr stolz, so wurde nämlich ein sogenanntes IMU-ABS (IMU steht für Inertial Measure Unit) verbaut. Dieses misst Kräfte aus und sorgt dafür, dass die Bremskräfte zwischen Vorder- und Hinterradbremse im Bedarfsfall gleichmäßiger verteilt werden, so dass ein Abheben des Hinterrades verhindert wird. Mir ist nicht klar, ob dieses spezielle ABS-System für den erhöhten Krafteinsatz am Hebel verantwortlich ist. Klar ist für mich nur, dass mir Bremssysteme lieber sind, die meine Muskulatur weniger stark beanspruchen.

Ausbaufähige Ausstattung

Ansonsten konnte ich im Fahrbetrieb nichts bemängeln. Der vibrationsarme Einzylindermotor hat zwar eine minimal ruckartige Gasannahme, welche aber kaum negativ auffällt. So wenig, dass ich sie bei meiner Auflistung der Kritikpunkte beinahe vergessen hätte. Die weiteren Punkte auf meiner Gefällt mir nicht!- Liste betreffen ausschließlich die nicht ganz so komplette Ausstattung des Motorrads. So besitzt die CB300R zwar wundervolle LED- Leuchtmittel. In jenen Bereichen aber, welche für das Zielpublikum der Einsteiger und Wiedereinsteiger viel wichtiger sind, da fehlt ein wenig was. So gibt es auf der top ablesbaren Tacho-Einheit beispielsweise keine Ganganzeige. Die Hebelei ist nicht verstellbar. Ebenso wird keine Anti-Hopping-Kupplung verbaut. Diese Ausstattungsmängel finde ich deshalb so schade und gleichzeitig erwähnenswert, weil es sich dabei nicht um überflüssigen Firlefanz handelt, sondern um ausgesprochen praktische Hilfsmittel. Welche einem Anfänger auf dem Motorrad das Leben schlichtweg leichter, angenehmer und sicherer gestalten können.

Ein Motorrad für Genießer

Nun bin ich aber im Endeffekt fest davon überzeugt, dass potentielle CB300R Besitzer aufgrund des irrsinnig leichten und gutmütigen Handlings sehr schnell und leicht über meine Kritikpunkte hinwegsehen werden können. Die niedrige Sitzhöhe (799mm), der 10l große Tank für Reichweiten jenseits der 300km und die vier verfügbaren Lackierungen (schwarz, rot, grau, silber) können eine ausgesprochen breite Zielgruppe ansprechen. Vor allem jene Personen, denen Motorleistung nicht ganz so wichtig ist. All jene, die ihr Glück vor allem in der Leichtigkeit des Zweirad-Seins suchen, welche tauglichen Fahrkomfort und spitzen Verarbeitungsqualität zu schätzen wissen, die werden im Sattel der neuen Honda CB300R große Freude verspüren!

Fazit: Honda CB300R 2018

Der etwas abgedroschene Sager „Leistung ist nicht alles!“ trifft bei der neuen Honda CB300R voll in's Schwarze. Das Motorrad könnte als der Inbegriff der Leichtigkeit verkauft werden, sowohl in Sachen Gewicht als auch in Sachen Handling. Die hohe Verarbeitungsqualität in Kombination mit dem gelungenen Styling werden sicherlich dabei helfen, über die nicht ganz so komplette Ausstattung hinwegzusehen. Somit stellt die CB300R eine echte Bereicherung für das A2-Segment dar!


  • Wahrlich leichtgängiges Handling
  • Fahrwerk bietet Stabilität UND Komfort
  • Top Verarbeitungsqualität
  • IMU-ABS & volle LED-Beleuchtung
  • Vorderbremse braucht mehr Handkraft als erwartet
  • Schlechter ausgestattet als die Konkurrenz

Bericht vom 20.06.2018 | 112.596 Aufrufe

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