KTM 1290 Super Duke R 2017 Test

Beast 2.0. Ist brutaler besser?

Testfahrt mit dem Beast 2.0 in Katar am 8. Dezember 2016. Der 177 PS-KTM-Krampus für alle, die böse gut finden.

Extreme muss es geben. Extreme dienen dazu, Limits zu lokalisieren, maximal Mögliches zu messen und Werte einzuordnen - und uns selbst. Ohne Extreme gäbe es keine Mitte und ohne Mattighofen keine Extreme. Denn KTM startet immer dort, wo beim letzten Mal aus technischen Gründen Schluss war. So werden extreme Designs, extreme Motoren und extreme Elektronik noch extremer. Das führt in der oberösterreichischen Ready-to-Race-Philosophie aber nicht zur Unfahrbarkeit, sondern deren Gegenteil. Mensch und Maschine im extremen Einklang.

Nicht mehr jugendfrei

Die Optik allerdings ließ mich an der Entwicklung zweifeln. Im Zeitalter der Live-Videos angekommen, fällt es mir scheinbar zunehmend schwerer, Bilder richtig zu verstehen und zu deuten.; sonst wären mir die tiefgreifenden Änderungen an der Super Duke schon auf den ersten Pressefotos sofort aufgefallen. Das Design hat sich von allen Seiten zugespitzt, der LED-Scheinwerfer in einem Aluminiumrahmen ist völlig neu, Heck und Tankspoiler wurden filigraner. In Schwarz ist die Super Duke eigentlich nicht mehr jugendfrei.

Auf der EICMA stand ohne Zweifel das Beast 2.0 vor mir, aber man lässt sich nur allzu leicht von der beständigen Strahlkraft der Leistungsangabe in PS blenden, die in diesem Falle 177 Einheiten erreicht hat. Der irre V2 aus dem Innviertel entwickelt einen Zorn wie Godzilla auf Koks und sollte niemals von Grünschnäbeln gereizt werden, selbst wenn zahlreiche elektronische Fahrhilfen einen stabilen Beißkorb bilden.

Was ist neu?

Facts first. Was rund um den Reaktor sonst noch zu finden ist: Ein breiterer, niedrigerer Lenker, Brembo-Monoblock-Bremsen, MSC mit Kurven-ABS von Bosch, feinste Federelemente von WP Suspension, ein Multifunktions-TFT-Display und eine bis 200 km/h funktionierende Geschwindigkeitsregelanlage. Mit dem "Performance Pack" kommen die Motorschleppmoment-Regelung, der Quickshifter+ und das KTM MY RIDE-System dazu. Das ebenfalls optionale Track Pack beinhaltet Launch-Control, eine Schlupfanpassung, einen Track-Fahrmodus, freie Auswahl der Zündkurven und das KTM MY RIDE.

Die erste Testfahrt mit der KTM 1290 Super Duke R wird uns nach Katar/Doha führen. Bei sommerlichen Temperaturen werden sich Tränen der Furcht mit Flüssen von Angstschweiß und kalten Schauern vermischen. Ob das Biest noch gieriger, oder eher gemütlicher geworden ist, wissen wir in etwas mehr als einer Woche.

Straßentest 1290 Super Duke R 2017

Viel gibt es leider nicht zu berichten von der ersten Ausfahrt mit der neuen Super Duke, da es sich nur um eine kurze, klar strukturierte Fotoaktion zwischen geklonten Häuserblöcken auf einer künstlich geschaffenen Insel handelte. So viel wie hier von den Doozers von Doha wird kaum wo gebaut. Vielleicht aber haben wir bei unserem entspannten Stadtlauf genau das rausgefunden, was man sonst nur ungern und auf der Rennstrecke unmöglicherweise behandeln kann: die Super Duke als genehm-gehorsamer, der Allgemeinheit wohlgesonnener Bürger, dem der Verlust seiner Contenance in jeder Lebenslage fremd ist, und würde diese einen solchen auch noch so rechtfertigen. Es ist kaum zu glauben, welchen Weg die Super Duke seit ihrer Inkarnation in Sachen Performance wie Laufkultur zurückgelegt hat. An dieser Stelle ist den so genannten Nerds - Elektrotechnikern, Programmierern etc.- größter Dank auszusprechen.

Super Duke in der Stadt: Wellness-Urlaub

EURO4 verlangte kurz nach der jüngsten Ausbaustufe nach einem weiteren Schritt. Weniger Verbrauch, weniger Abgase, weniger Pfui - aber 177 PS und 93 dB auf der Plakette. Und ein harmonischer, geradezu sanfter Motorlauf, dass man sich sogar vorstellen kann, den 1301 Kubik großen V2 einfach mal Gassi zu führen, ohne gleich alles und jeden zurechtzuweisen. (Kniet nieder!) Sogar im Stop-and-Go wirft man nicht mehr die Nerven weg. Reinste Rennsporttechnik in alltagstauglicher Ausführung. Der breiteste Spagat im Motoren- und Motorradbau. Auch die recht knackig gepolsterte Sitzbank, der um 5 mm tiefer, um 18,5 mm niedriger angebrachte und um 20 mm breitere Lenker (in 4 Positionen / um 22 mm längs verstellbar) und das sportlicher abgestimmte Fahrwerk samt härterer Gabelfeder fielen aufgrund der Kürze der Ausfahrt nicht negativ auf. Auf der Rennstrecke werden sie dagegen sicher Sinn machen.

Minimale Vibrationen. Sehr ruhiger Rennsport.

Wie man ein Kraftwerk wie den 62 kg leichten LC8-Reaktor so vom Rahmen entkoppeln kann, dass das Handy in der Brusttasche beim SMS-Empfang dagegen wirkt wie ein Presslufthammer als Herzschrittmacher, ist mir ein Rätsel. Ebenso unauffällig verhielten sich die elektronischen Helferlein, die an- und abzuwählen keinen Sinn machte, wobei das intuitiv in Sekundenschnelle bewerkstelligt ist. Serienmäßiges Kurven-ABS, Traktionskontrolle und optionale Launch-Control blieben im Sack, aus dem wir sie auf der Rennstrecke gerne wieder hervorholen. Aventadoren gab es ohnehin keine für ebenbürtige Duelle, nur 5.7 l V8 Land Cruiser.

Erster Test KTM 1290 Super Duke R Rennstrecke

Das Biest wandelte also heute maximal im Halbschlaf durch Doha, doch morgen soll und wird es erwachen. Wir haben etwas eitel formuliert Respekt, ehrlich gesagt ist es Angst. Flut- das Sonnenlicht werden zu Tage bringen, was die Super Duke wirklich dazugelernt hat.

Ob man die Flutlicht bestrahlte Rennstrecke von Losail wohl aus dem Weltall sieht, frage ich mich, und wie nahe ich den Sternen käme, würde ich die nächste Kurvenkombination falsch erinnern, oder mich eine seltene, doch umso gefährlichere spätabendliche Fata Morgana täuschte. Und ich frage mich, warum ich mich das frage während der Nightsession in Doha, die mit höchste Konzentration abverlangt. Ohne die beiden Schutzengel Kurven-ABS und schräglagenabhängige Traktionskontrolle wäre es schon einige Male finster geworden.

Quickshifter+ und Track-Mode nur optional

Auf unseren Testbikes außerdem zur Stelle: Quickshifter + mit Blipper und neben den üblichen Fahrmodi voll einstellbarer Track-Modus mit 'Slide-Control'. Die Launch-Control, die man aktivieren kann und die dann auch aktiviert bleibt, bis nach 3 Starts eine Schonzeit eingelegt wird, demonstrierte beim Drag-Race, dass die Mensch-Maschine existiert. Vollgas an der Linie, Kupplung kontrolliert-knackig einfahren lassen und im besten Falle in unter 3 Sekunden auf 100. Die Testfahrer schaffen das in Serie. Im schlechtesten Fall bei deaktivierter Wheelie-Control nach hinten absteigen. Auch das geht. Restrisiko Humanoid. Die Metzeler Racetec RR K3 waren auf der Rennstrecke erste Wahl, die M7 RR sind es auf der Straße als Erstausrüstung.

Geänderte Geometrie: Mehr Druck am Vorderrad

Ich kann mich noch gut an unseren Vergleichstest in Brünn erinnern. Auch MotoGP-Strecke, auch schnell. Aber glücklich war ich damals nicht, zu unruhig war's im Sattel der Super Duke, schnelle Kurven ein wilder Ritt. Durch das straffere Fahrwerk, die härtere Gabelfeder und die geänderte Geometrie am Lenker, hat KTM die Unruhe am Vorderrad und im gesamten Bike deutlich verbessert. So, dass ich glücklich bin. Und wie! Das Handling ist nach wie vor von einer anderen Welt. Man muss sich immer wieder sagen: 1301 Kubik, 177 PS, 142 Nm. Die Super Duke wirkt wie diese kleine Waffe aus Men in Black, die Grille, die so klein wie eine Barbie-Handtasche und so zerstörerisch wie eine Panzerfaust ist. Besonders beim Kennenlernen eines Tracks hilft die Möglichkeit der blitzschnellen wie wirkungsvollen Korrekturen auch bei groben Schnitzern. Hat man die Linie mal gefunden, bewegt man den Lenker dann etwas feinfühliger, was das Motorrad weiter beruhigt. Nur der Schaltautomat werkte in der langen Links zu grob und ließ das Bike bei halber Schräglage ordentlich hinten einsacken. Er müsste schneller und nahtloser operieren, was sich sich einstellen ließe.

V2-Grobian? Fehlanzeige!

Im Straßenbetrieb und im Schongang habe ich den manierlichen V2 für seine Laufruhe und die geringen Vibrationen gelobt, bei voller Attacke hätte ich aber erwartet, dass er irgendwann beginnt, grob zu werden wie vergleichbare Hochleistungsmotoren. Fehlanzeige. Er dreht problemlos und sauber aus dem untersten Drehzahlkeller (100 Nm schon ab 2500 U/min.) bis oben raus, was ein extrem schaltfaules Fahren möglich macht. In dieser Beziehung - und nur in dieser - habe ich heute nichts anders gemacht als die beiden KTM-Rennfahrer. Bei der Streckenbesprechung war auch bei ihnen öfter die Rede davon, mehrere Kurven mit einem Gang durchzuziehen, weil das Drehzahlband ermöglicht. Auf der Bremse gibt sie sich mit 320er Scheiben und brembo-monoblocs ebenfalls keine Blöße. Im Supermoto-Modus, wo das ABS an der Front aktiviert, hinten aber deaktiviert wird, fühlte ich mich übrigens am wohlsten.

Naked Bike-Racing is back!

Ich habe Blut geleckt, Naked Bike-Racing macht mir mehr Spaß denn je. Ohne Frage wäre man mit einem ordentlichen 1000er-Supersportler schneller, weil stärker, stabiler und präziser, aber diese Action im Sattel des "Beast" ist so jenseitig, dass ich gerne auf meine bestmöglichen Rundenzeiten verzichte. Doch wenn man denkt, es wär´ am schönsten, schiebt dir die KTM-Crew das Racebike aus der Box, mit noch besserem Fahrwerk, schärferer Geometrie, Racing-Sitz, Fußrastenanlage, Akrapovic, Dunlop-Slicks...und die Welt ist wieder eine andere, eine klarere. Man erhält plötzlich Feedback, als würden Außerirdische mit einem sprechen, was man erstmal verarbeiten muss. Das gilt auch für das wahrscheinlich schärfste Handling, das ich je bei einem Naked Bike der 1000cc+ Klasse erleben durfte. Hier taucht man schon in eine wunderbare Traumwelt ein, in der alles so ist, wie man es sich wünscht. Ich werde noch lange daran denken - bis KTM die nächste Benchmark setzt. Denn es ist einfach nie genug.

Fazit: KTM 1290 Super Duke R 2016

KTM kennt kein Zurück und KTM kennt kein Pardon. Deshalb ist die neue 1290 Super Duke R zwar noch etwas umgänglicher als die Vorgängerin, aber auch noch etwas stärker und schneller. Schon bei 2500 Touren stehen über 100 Nm zur Verfügung, maximal sind es 141, die Topleistung wird mit 177 PS angegeben. Das kann zuviel sein, muss es aber nicht. Die Elektronik bleibt der Rettungsschirm in dieser Kategorie, in der sich nach wie vor die Entwicklung kräftig vorwärts bewegt. KTM hat dort angesetzt, wo es Schwierigkeiten hab und das war die Stabilität. Änderungen an der Geometrie und am Fahrwerk haben diese deutlich verbessert, was den Ritt auf dem Biest nicht nur schneller, sondern auch sicherer macht. Das Handling ist deshalb nicht weniger radikal und die Supermoto-Gene so deutlich zu spüren wie bei keinem anderen Naked Bike. Es kann eben nur eine Super Duke geben.


  • monströser Motor und Drehmoment
  • breites Drehzahlband
  • wenig Vibrationen
  • starke Bremsen
  • umfangreiche Elektronik
  • tolle Extras
  • hochwertige Details
  • konkurrenzlos aggressive Optik
  • Schaltautomat etwas zu grob

Bericht vom 07.12.2016 | 93.105 Aufrufe

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