BMW S 1000 XR 2015 Test

Rot und schnell, aber aus Bayern. BMWs neuer Abenteuer-Sportler.

Was'n das? Was trägt man denn dazu? Die S 1000 XR verwirrt die Journalistenschaft und schafft Raum für freie Interpretationsmöglichkeiten. Enduro, Adventure, Sportler oder gewöhnlicher Sport Tourer? Wir durften es beim Test in Spanien herausfinden.

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Kostümball beim Pressetest

Irgendjemand hatte unrecht. Selten war die Vielfalt der journalistischen Adjustierung so groß wie beim Test der BMW S 1000 XR in Barcelona. Von der Enduro-Kluft inklusive schwerer MX-Boots, sortenreinen Textilkombis bis zu Leder/Textil-Zwittern und Racingeinteilern war diesmal alles vertreten. Am Kopf trug man Endurohelm mit Brille, On/Offroadhelm mit Scheibe, Integralhelm, Klapphelm oder Halbschale(!). Als akzentuierendes Accessoire wählten manche Rucksack, andere Banane (Ein modisches Verbrechen aus den Achtzigern, das leider nie verboten wurde). Dabei sollten wir doch alle das gleiche Motorrad fahren. Wer lag also mit seiner Einschätzung des XR-Konzepts richtig?

Deutsches Design mit scharf.

Es muss das Design der XR sein, das für Verwirrung sorgt; in eindeutiger Verwandtschaft zu ihren beiden Schwestern stehend, doch in einigen Details absichtlich anders. So verzichtete Designer Andreas Martin auf asymmetrische Scheinwerferkästen, nicht aber auf ungleiche Lichtkörper. Von vormals 3 bzw. 2 Kiemen (RR und R) ist rechts nur noch eine vorhanden. (Nur bei näherem Hinsehen sind zwei zu erkennen - Foto) Auch ein rudimentärer Schnabel spitzt unter den Scheinwerfern hervor, die schwarze Farbe aber nimmt ihm die Auffälligkeit. Die Dynamik im Design entsteht durch das Schichten und Ineinandergreifen von dunklen und farbigen Flächen. Manche Teile sind aufgesetzt, andere wirken, als würden sie auf dem schwarzen Hintergrund schweben, wodurch eine Leichtigkeit und Sehnigkeit erzeugt wird. Man würde kaum vermuten, dass dieses Motorrad über ein sehr großzügiges Platzangebot verfügt. Zur Farbwahl: Für meinen Geschmack erzeugen hier Rot und Schwarz mehr Spannung als Weiß und Schwarz.

Mit einer großen Auswahl an Zubehörteilen kann man die XR entweder zum rassigen Sportler oder zum Tourenschiff ausbauen, auch wenn sie deutlich schlanker und reduzierter daherkommt als echte Reiseschiffe. So ist der Windschutz auch nicht sehr flächendeckend ausgefallen. Zwar kann man die Scheibe manuell in zwei Höhen verstellen, doch die Windgeräusche und leichten Verwirbelungen am Helm wurden bei mir nicht weniger. Aber wer im Glashaus spazieren fahren will, der kauft sich lieber einen Luxus-Tourer - oder gleich ein Auto.

S 1000 XR Leistung: 160 PS und 112 Nm

Am Anfang war die S 1000 RR, die mittlerweile mit 199 PS tiefstapelt, dann folgte die Naked Bike - Variante S 1000 R und schließlich die S 1000 XR, für die zwar motorisch kein Aufwand mehr betrieben werden musste, weil der Vierzylinder mit 160 PS und 112 Nm in seiner Konfiguration mit jenem in der "R" ident ist, die aber geometrisch ein völlig anderes Motorrad darstellt als die (super)sportlichen Schwestern. Und gleich vorweg: Super und sportlich ist auch sie, ich lag mit meiner roten Racingpanier also genau richtig.

Top-Tipp für große Fahrer

Mit einer Sitzhöhe von 840 mm (Standardsitzbank, die sportlich aussieht und sich sehr angenehm sitzt) baut die XR um 10 mm tiefer als eine GS (zwischen 850 und 870 mm). Mit verschiedenen Ersatz-Sitzen lässt sich die Höhe von 790 bis 855 mm regulieren. Das und die Beinfreiheit sind starke Argumente, um die XR größer gewachsenen Fahrern ans Herz zu legen. Um die Zahl 10 unterscheiden sich die beiden übrigens auch beim Gewicht, denn die XR wiegt vollgetankt nur 228 Kilogramm. Auf den ersten Metern wirkt sie aber durch den mittragenden Vierzylinder-Motor nicht so flink und leichtgängig wie eine GS.

Die Arbeit am breiten Lenker - sogar für mich dürfte die schöne Alustange nicht mehr breiter sein - macht durchaus Sinn und ist beim schnellen Einlenken oder Richtungswechsel unbedingt zu empfehlen. Die XR ist kein Motorrad, das man mal locker aus der Hüfte fährt. Um die Vibrationen an der Lenkstange zu minimieren, sind Lenkeraufnahme und Gabelbrücke entkoppelt, das heißt durch Gummilagen getrennt. Die Vibrationen waren für mich wahrnehmbar, aber nicht störend. Ich mag den Rest an Räudigkeit, den sich ein Vierzylinder leisten dürfen muss, sonst wird das Fahrerlebnis zu steril.

ABS und ASC serienmäßig. "Pro" für das volle Programm.

Für Stabilität und Sicherheit im Kurvenein- und ausgang sorgen das serienmäßige Integral-ABS und die ASC (Automatic Stability Control). Das reicht eigentlich auch, um sich richtig sicher und geborgen zu fühlen, wie das auf allen modern ausgestatteten BMWs der Fall ist. ABS Pro, das landläufig Kurven-ABS genannt wird, die dynamische Traktionskontrolle und natürlich das Dynamic ESA sind nur optional gegen gutes Geld erhältlich, aber eben auch ein Luxus, den man sich gönnen sollte. Vorausgesetzt, das gute Geld ist auch vorhanden - und dann macht es definitiv Sinn, es auch auszugeben. Im Serienprogramm sind lediglich die Fahrmodi Rain und Road enthalten mit zwei verschiedenen Leistungsstufen, das "Fahrmodi Pro"-Paket ergänzt die Modi Dynamic und Dynamic Pro.

Ich bin pro Schaltassistent Pro!

Beim Testbike ebenfalls verbaut war der Schaltassistent Pro, der es durch die Blipper-Funktion ermöglicht, ohne zu kuppeln auch runterzuschalten. Beim Hochschalten muss man also am Gas bleiben, was die Beschleunigung optimiert, beim Runterschalten muss man vom Gas gehen, um einen sauberen Gangwechsel nach unten zu ermöglichen. Ich habe das weniger dafür eingesetzt, ein paar Zehntel auf den Zwischengeraden gut zu machen, als vielmehr aus reiner Bequemlichkeit, was im Alltag auch meistens so sein wird. Sollte man sich allerdings doch mal auf eine Rennstrecke verirren, hat man den entscheidenden Wettbewerbsvorteil schon an Board. Andere Annehmlichkeiten wie Heizgriffe, elektronischer Geschwindigkeitsregler oder der Bordcomputer mit Wählrad, mit dem man sich am BMW-Navi ca. 1001 Informationen anzeigen lassen kann, sind eher was für Vielfahrer oder einfach Fans solcher Gadgets.

Schütze sie vor Sand und Schotter!

Das Integral-ABS hält die XR im Radius auch beim starken Bremsen stabil, das Aufstellmoment wird minimiert, der Radstand tut sein Übriges. Ein Lenkungsdämpfer unter der Scheinwerfermaske beruhigt die Front bei Schlägen in der Schrägen oder wenn das Vorderrad mal abhebt. Entweder, der Dämpfer arbeitet so unauffällig, oder man könnte sogar auf ihn verzichten, weil das Motorrad ohnehin dauerstabil ist. Die 46 mm Upside-Down-Gabel verfügt über einen Federweg von 150 mm, das Federbein von 140 mm. Das sind 30 bzw. 20 mm mehr als in einer S 1000 R. Ungemütliche Straßen sind damit schlag- und stressfreier zu überqueren, von Sand und Schotter würde ich die XR aber fernhalten. Mit ihren Pirelli Diablo Rosso II (Testaussttatung) und den Bridgestone T30 Evo (Serienausstattung) ist sie zu 100% für die Straße gemacht. Wir sollten uns an dieses Bild gewöhnen, denn das ist die Zukunft der Sport Tourer, wie ich sie sehe. Und scheinbar nicht nur ich.

Fazit: BMW S 1000 XR 2015

Die BMW S 1000 XR ist ein hervorragend verarbeitetes Performance-Motorrad mit stolzem Stammbaum, das mit tadellosen Touringeigenschaften und solider Reisetauglichkeit glänzt. Eine breite Auswahl an Accessoires trimmen das Bike entweder noch stärker in Richtung Sport oder rüsten es für die große Reise. Mit ABS und ASC serienmäßig ist man immer auf der sicheren Seite und bleibt durch die angenehme Ergonomie stets entspannt. Man darf die XR nur nicht als Enduro für On/Offroad mißverstehen, sondern muss sie als Evolution eines Sport Tourers verstehen.


  • scharfer Motor
  • scharfes Design
  • hochwertige Verarbeitung
  • stabile Straßenlage
  • ABS und ASC Serie
  • bequemer Sitz
  • gelungene Ergonomie auch für große Fahrer
  • leichte Vibrationen vom Motor
  • Windschutz könnte besser sein

Bericht vom 13.05.2015 | 39.880 Aufrufe

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