Honda Crossrunner Test

Der Tausendsassa überzeugt. Der Motor dreht bis 12.000 und befeuert ein Motorrad welches sich ganz schwer einordnen aber wunderbar einfach fahren lässt.

Crossrunner steht weniger für Crosscountry sondern mehr für Crossover.
Also eine Mischung aus verschiedenen Fahrzeugkonzepten.

 

Honda Crossrunner Test

Der erste Eindruck war falsch, der zweite überraschend. Crossover ist cool!

 
Auf den ersten Crossrunner Bildern sah das Motorrad etwas plump und behäbig aus. Hier am Parkplatz vor unserem Basislager auf Mallorca wirkt sie schon graziler. Von vorne wirkt sie recht schlank, von hinten sogar zierlich, nur von schräg vorne ist die Optik noch ungewohnt. Das liegt daran, dass die Designer ordentlich in die Trickkiste greifen mussten um alle die Anforderungen an das Motorrad und vor allem einen echten V4 Motor in ein solches Bike zu stecken.

Was genau ist dieser Honda Crossrunner? Journalisten aber bestimmt auch Mitarbeiter in einer Motorradentwicklungsabteilung haben ständig Zugriff auf unterschiedlichste Motorräder. Für die Rennstrecke sucht man in der linken Ecke der Garage, für die Reise in der rechten Ecke und für die Stadt holt man sich den Roller welcher in der Gasse steht. Doch nicht jeder lebt im Motorrad-Schlaraffenland und so wurde die Idee geboren ein perfektes Motorrad für jeden Tag zu entwickeln. Der Entwicklungsansatz war also relativ pragmatisch. Hier gibt es keine große Gefühlsduselei, keine imageträchtige Modellgeschichte sondern nur nackte Marktforschung. Es sollte genau das gebaut werden, was der Kunde oder die Kundin möchte.


120 Windkanalläufe.


120 Windkanalläufe später, nach unzähligen Meetings in den Entwicklerbüros bei Honda aber auch beim Reifenpartner Pirelli stand das fertige Motorrad am Podest und bei Honda gibt man sich offiziell wie auch inoffiziell sehr zufrieden. Das Herzstück, der V4 Motor, hat seine Wurzeln klarerweise in der VFR 800. Die Ingenieure standen vor der großen Aufgabe daraus ein Aggregat mit einem druckvollen Drehzahlkeller und einer fülligen Mitte zu machen. Die Spitzenleistung sollte nicht zu weit über 96 PS schießen. 96 PS ist die magische Grenze für Motorräder die man ab 2013 im EU Raum auch als 48 PS Leichtmotorradvariante anbieten darf. Unter uns gesagt ist den Honda-Leuten vermutlich nur der erste Teil der Aufgabenstellung geglückt, die Motorräder scheinen in Sachen Serienstreuung eher nach oben zu tendieren.
 

Herzergreifender Sound, harte Drehzahl.


Herzergreifend schreit das Aggregat in ungewohnter Umgebung. Im Sattel vom Crossrunner fühlt man sich doch irgendwie wie auf einer Reiseenduro. Zumindest von der Hüfte aufwärts. Der Kniewinkel erinnert eher mehr an ein Nakedbike und der Motor bietet diese supersportliche Soundkulisse. Dieses mit 102 PS vermeintlich unspektakuläre Aggregat hat mich persönlich aber sehr begeistert. Selbst nach einer ausgiebigen ersten Testrunde hier auf Mallorca verblüfft der V4 mit scheinbar unendlichen Drehzahlreservern. Bisher war man bei solch aufrechter Sitzposition einen Einzylinder, 2-Zylinder oder bei Triumph bestenfalls einen Dreizahlinder gewohnt. Der interne Schaltblitz blinkt schon hellrot wenn die Honda herrlich heiser auf die nächste Kurve zusteuert doch der rote Bereich vom Motorrad beginnt erst bei 12.000 Umdrehungen. Man hat hier tatsächlich ein nutzbares Drehzahlband von sage und schreibe 10.000 U/min und das fühlt sich richtig gut an. Es kostet viel Überwindung das Enduro / Supermoto / Tourer / was auch immer - Aggregat in den Begrenzer zu jagen, doch man wird oben mit noch feinerem Schub belohnt.
 
 
Das Fahrverhalten vom Crossrunner passt zum Konzept. Die Zielgruppe ist breit gefächert und es werden Anfänger genauso kaufen wie alte Hasen. Die neue Honda spendet sofort Vertrauen und es bedarf keiner Eingewöhnungsphase. Der Lenker ist relativ breit, liegt in angenehmer Griffweite und das Motorrad lenkt willig ein.

Eine eigene Wissenschaft ist eine optimale Balance zwischen Handling und Stabilität. Bei diesem Motorrad ist genau diese Balance richtig gut gelungen. Also nicht kippelig aber eben handlich genug. Das schenkt Vertrauen und macht auch erfahrene Piloten schnell. Bei flotten Kurven, harten Bremsmanövern oder auch auf der Autobahn bleibt das Motorrad stabil. Meistens waren wir gemütlich unterwegs doch bei dem kurzen aber schmerzlosen Journalistenduell musste der Crossrunner auch als Henker dienen. Die Bremse ist tatsächlich richtig gut. Man hat ein modernes ABS zur Verfügung welches mit einem CBS (combined braking system) kombiniert ist.


Pragmatische Fahrwerksabstimmung - gut gelungen.


 Für alle Nicht-Honda-Freaks: Betätigt man die Hinterbremse, bremst man leicht vorne mit und umgekehrt. In der Praxis ist das für die meisten von uns und in den meisten Situationen richtig gut, da so das Motorrad perfekt verzögert und gleichzeitig stabil bleibt. Es gibt aber auch Motorradfahrer die bringen gerne mal ein wenig Instabilität in die Fuhre - z.B. vor der Spitzkehre oder auch vor der Cafehauskurve. Ihre Coolness müssen sie eben mit anderen Manövern unter Beweis stellen. Zum Beispiel mit endlos langen Wheelys - dem breiten Drehzahlband sei Dank.

Gabel und Federbein lassen auch viel Fahrspaß zu und sind auch für europäische Verhältnisse gut abgestimmt. Diesmal hat wohl kein 60-Kilo Japaner die Testarbeit übernommen. Wer von einer Reiseenduro zum Crossrunner umsteigt, wird jedoch vom hinteren Federbein etwas enttäuscht sein. Die Federvorspannung muss mit dem Hakenschlüssel eingestellt werden. Der fehlende Hauptständer kann als Extra mitbestellt werden. Wenn man schon beim Geldausgeben ist, kann man sich dann auch das gefällige Gepäcksystem, die hochwertigen Heizgriffe oder wer will sich auch das große Windschild gönnen.

 
Das Thema Windschutz ist aber auch mit dem Standardschild ganz gut gelöst. Vorne ist der Tausendsassa doch ganz Tourer und hat viel Verkleidung zu bieten. Das weit nach oben gezogene Cockpit hat nicht jedem gefallen, ich fand die Positionierung sehr gut. Weniger gut jedoch die Qualität vom Drehzahlmesser Display. Am anderen Ende des Anmutungs-Spektrums dann die sexy Einarmschwinge samt Felgen.

Kein Stress im Sattel


Auf dem teilweise recht rutschigen Asphalt würde man im Sattel mancher Motorräder ordentlich Stress bekommen. Das Gripniveau ändert sich quasi in jeder Kurve und die Radien wechseln ständig. Doch das sind genau jene Situationen wo die strebsamen und pragmatischen Honda Ingenieure zufrieden nicken. Saubere Bremse, durchschaubares Handling, makellose Motordosierung und eine beherrschende Sitzposition sorgen für eine souveräne Fahrt. Souverän sind natürlich auch jene Elemente die schon immer ein Honda Heimspiel waren. Also die Schaltbarkeit und die Qualität vom Getriebe oder auch die Kupplung. Bei sämtlichen Bedienelementen gibt es nichts zu meckern. Auch die Spiegel fallen positiv auf. Sie wirken fesch, nicht zu groß, bieten aber ein ausgezeichnetes Blickfeld. Auch beim Blick wird Dir klar - hier sind mehr Zylinder als bei anderen Motorrädern dieser Liga am Werk - das Bild ist scharf!

 

Das Gesamtkonzept bietet genug Schräglagenfreiheit, viel Fahrkomfort und eine niedrige Sitzhöhe. Am Ende der Tour wurde mir der Kniewinkel jedoch schon etwas zu eng.

Von der Instrumenteneinheit könnte man sich etwas mehr Liebe zum Detail wünschen. Der Drehzahlmesser ist bei Sonneneinstrahlung schwierig abzulesen, die Abdeckung rundum wirkt nicht hochwertig und die gebotenen Informationen sind spartanisch.

Eine ganz andere Liga ist da schon die Hinterradaufhängung. Die Alu-Einarmschwinge hält ein sexy Rad und die Hinterradaufhängung macht einen tollen Job. Vorsicht für Reiseenduroumsteiger: Keine hydraulische Federvorspannung!

Die Front ist neu und musste 120 Windkanalläufe über sich ergehen lassen. Der Windschutz und die Aerodynamik sind sehr gut gelungen.

Die Auspuffanlage windet sich kunstvoll um den beeindruckenden V4 Motorblock und schickt die Abgase durch einen schräglagenoptimierten Endtopf. Soundfetischisten werden mit diesem Motorrad eine Freude haben.
 

Honda hätte es sich auch leicht machen können und dem neuen Motorrad anstelle des gänzlich unbekannten Namen irgendeinen klingenden Namen aus der Firmenhistorie zu verpassen. Also mit dem Namen "Africa Twin" gesegnet, hat man es bestimmt leichter um zum Gesprächsthema am Stammtisch zu werden. Doch das wäre Etikettenschwindel und Honda präsentiert das neue Motorrad genau so wie es ist: Es ist neu, es ist ganz was anderes und wir wissen auch noch nicht ganz genau Fahrer welcher Motorräder auf dieses Motorrad umsteigen werden. Man versucht auch nicht mit irgendwelchem Abenteuer- und Wüstenlatein auf großes Weltenbummler-Motorrad zu machen. Das Motorrad fährt zwar mit einigermaßen viel Bodenfreiheit und erinnert ein wenig an Reiseenduros doch der Einsatz wird sich auf die eine oder andere Schotterpiste hin zu einem tollen Aussichtspunkt oder sonstigen Geheimtipps beschränken. Der Crossrunner erfüllt jedoch die Erwartungen der Entwickler ein perfektes Motorrad für einen sehr breiten Einsatzzweck zu bauen sehr gut.


Wenig Marketinglatein, viel Motorrad.


Wir fuhren in der Stadt, auf der Autobahn, im Stau, in engen Kurven und schnellen Radien und erlebten schöne Stunden im Sattel. Schwächen entdeckten nur jene Piloten, welche mit falschen Erwartungen in den Test gegangen waren. "Der Kniewinkel ist für eine Reiseenduro zu eng", meinte der Eine. "Die Sitzposition ist mir für ein Nakedbike nicht sportlich genug", raunte der Andere. Das liegt wohl daran, dass die Crossrunner die goldene Mitte darstellen möchte. Bei keinem anderen Motorrad am Markt ist jedoch eine Probefahrt dringender von Nöten um zu klären ob sie auch die persönliche goldene Mitte trifft. Denn ohne Vergleichsmöglichkeiten, Referenzen und Anhaltspunkte fällt es schwer nur anhand von Testberichten sein Urteil zu fällen. Erste Vorführmotorräder sollen im Zuge einer Roadshow in den nächsten Wochen zu den Händlern kommen. Zu kaufen gibt es das neue Motorrad jedoch erst mit einem Auslieferungsdatum Anfang Juni.

 

Honda Crossrunner Bilder


Viele Bilder in der Slideshow zum Honda Crossrunner. Link: Honda Crossrunner Bilder

 

Honda Crossrunner Video


Onboard Aufnahmen und Fahreindrücke von der neuen Honda.



Technische Daten Honda Crossrunner

Motor Flüssigkeitsgekühlter 90° V4-Viertaktmotor, DOHC, 16 Ventile, VTEC Ventilsteuerung
Hubraum 782 ccm
Bohrung x Hub 72 x 48 mm
Leistung 102 PS bei 10000 U/min
Drehmoment 72,8 Nm bei 9500 U/min
Verdichtung 11,6 : 1
Gemischaufbereitung PGM-FI Elektronische Kraftstoffeinspritzung
Kupplung Mehrscheibenkupplung im Ölbad
Zündung Computergesteuerte Transistorzündung mit elektronischer Frühverstellung
Starter Elektrostarter
Antrieb O-Ring Kette
Getriebe 6. Gang
Rahmen Aluminium-Doppelrohr-Brückenrahmen
Fahrwerk vorne 43 mm Ø Teleskopgabel, Federvorspannung stufenlos einstellbar, 165 mm Federweg
Fahrwerk hinten Aluminium-Einarmschwinge mit Pro-Link-System, Federvorspannung stufenlos und Zugdämpfung 7-fach einstellbar, 145 mm Federweg
Bremsen vorne 296 mm Doppelscheibenbremse, Dreikolben-Bremszangen, Combined ABS, Sintermetall-Bremsbeläge
Bremsen hinten 256 mm Einscheibenbremse, Zweikolben-Bremszange, Combined ABS, Sintermetall-Bremsbeläge
Reifen vorne 120/70 17
Reifen hinten 180/55 17
Länge 2130 mm
Breite 799 mm
Höhe 1243 mm
Sitzhöhe 816 mm
Radstand 1464 mm
Tankinhalt 21,5 l
Gewicht fahrbereit 240,4 kg
Preis

Honda Crossrunner Original Zubehör


 
  • 29 Liter Koffersatz, aerodynamisch optimiert, mittels Zündschlüssel an- und abschließbar.

  • 31 Liter Topcase, die mittels abschließbarem Schnellverschluss am Träger bedienfreundlich anzubringen oder abzunehmen ist.

  • Strapazierfähige Polyester-Vinyl-Innentaschen für Seitenkoffer und Topcase.

  • Hohes Windschild, das die Protektion für groß gewachsene Fahrer optimiert.

  • Heizgriffe

  • ein Satz zusätzlicher Verkleidungs-Windabweiser, die den Schutz vor Fahrtwind weiter optimieren.

  • Hauptständer, passgenau und stabil

  • 12 Volt-Bordsteckdose für zusätzliches elektronisches Equipment.

  • Outdoor-Faltgarage, schützt vor Wind, Wetter und UV-Strahlung.

  • Bügelschloss und Averto-Alarmanlage mit Bewegungs- und Erschütterungssensor, 118-dB-Sirene und integrierter Backup-Batterie.

Links:

 


Interessante Links:

Text: NastyNils
Fotos: Honda

Fazit: Honda VFR800X Crossrunner 2011

Eine eigene Wissenschaft ist eine optimale Balance zwischen Handling und Stabilität. Bei diesem Motorrad ist genau diese Balance richtig gut gelungen. Also nicht kippelig aber eben handlich genug. Das schenkt Vertrauen und macht auch erfahrene Piloten schnell.


  • Herzergreifender Sound
  • harte Drehzahl. Dem Konzept passendes Fahrverhalten
  • balanciert
  • optimaler Windschutz
  • saubere Bremse
  • makellose Motordosierung.
  • Relativ unspektakuläres Aggregat
  • schlechte Qualität des Drehzahlmesser Dispalys.

Bericht vom 08.04.2011 | 40.894 Aufrufe

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