Nauders mit der KTM

Mit der KTM 990 SMT auf den Spuren von Kunst & Kultur im Dreiländereck Obergricht, Engadin, Vinschgau.

Das Dreiländereck mit der KTM 990 SMT

Grenzgang

In Nauders hat man von überall Ausblick auf die Berge. Das Klima ist hier recht mild, vom Südtirolerischen strömt warme Luft ins hoch gelegene Tal.

 
So, und jetzt mach mas umgekehrt. Ihr malts, und ich schau euch zu. Otmar verschränkt seine Arme, setzt ein hintergründiges Grinsen auf und raucht sich eine an. Vorher hat er noch Paper, Pinsel, Farben, Paletten, Bleistifte und weitere Mal- sowie Zeichen-Untensilien vor uns aufgestreut. Rund zwanzig Leute sitzen stumm um den großen Tisch herum, schauen einander ratlos an. Wie denn, was denn... Malen? Ich? Es hat schon ein bissl was von längst vergangenen Schultagen, und man ist versucht, zu sagen: Bitte, Herr Lehrer, was soll ich machen, mir fallt nix ein ...

Äh ja. Seit Jahrzehnten hat man keinen Pinsel mehr in der Hand gehabt, außer Telefon-Kritzeleien ist nichts Malerisch-Dekoratives mehr zustande gekommen. Aber: Man muss sich nur überwinden. Ein paar Minuten später wird eifrig skizziert, gemischt, geschmiert dass es nur so raschelt. Weil: Reden tut keiner mehr. Außer den Zuschauern, von denen immer mehr, hoch animiert, sagen: Bitte, ich will auch.
 
Otmar Derungs aus Strada/Engadin, der Meister der weißen Bäume vor blauem Hintergrund. Laura Bott aus Münstertal/Schweiz, ist von den Farben ihrer Heimat malerisch inspiriert

Von draußen dringen derweilen allerlei Geräusche in den Wintergarten: das Kreischen von Motorsägen, das Pfeifen von Schleifmaschinen. Handwerker? Man hat ja ehrfürchtige Vorstellungen von Skulpteuren, ob sie nun mit Stein arbeiten oder mit Holz. Bei Ersteren ist die Vorstellung die, dass mit traditionellem Werkzeug wie Hammer und Meißel, bei Zweiteren mit Messern und anderem Schnitzwerkzeug zu Werke gegangen wird. Das ist zwar noch immer so. Aber je nach Arbeitsgang spielts längst Moderne, à la Bandschleifer und Motorsäge.
 
Helmut Tschiderer, Holz-Skulpteur aus Pfunds, greift zwecks Konturierung ganz prosaisch zur Motorsäge. Gabriel Plangger aus Langtaufers/Südtirol rückt seiner Stein-Skulptur zum Feinschliff mit der Schleifmaschine zu Leibe.
   
In den Schleif- und Säge-Pausen ist noch ein anderes Geräusch zu vernehmen: Das Platschen von Regen. Bikers delight. Schon am frühen Nachmittag. Das Schleifen von Reifen auf nassem Asphalt, das Schlurfen von durchtränkten Schuhen auf nicht mehr lange trockenem Fliesenboden alle, die trotz Schlechtwetter-Warnung ausgeritten sind, kehren fluchtartig zurück. Die einen verschlägts in die Sauna oder ins Dampfbad, die anderen schauen uns Amateur-Malern zu. Bis zum Drei-Gänge-Abendmenü ists noch lang.
 
Da bleibt Zeit, nicht nur den Amateur- und Profi-Malern - wie Otmar Derungs aus Strada und Laura Bott aus Münstertal - über die Schulter zu schauen. Auch denen, die sägen und schleifen und hämmern und klopfen, mit welchem Werkzeug auch immer. Während Helmut Tschiderer, aus Pfunds, und Christian Waldegger, aus Nauders, sowie Jean Badel, aus Guarda, auf der Kaffee-Terrasse an ihren Holz-Skulpturen (Motor- und Hand-)sägen, schickt Gabriel Plangger, unterm Garten-Sonnenschirm vorm Regen gesichert, Maschinen-schleifend feine Steinstaub-Schwaden in den tiefgrauen Nachmittagshimmel. Die Skulpturen nehmen Konturen an.

 

An den Grenzübergängen zur Schweiz war schon im Vorjahr nicht mehr wirklich kontrolliert worden.

 
Ort des Geschehens ist Nauders. Wer kein Skifahrer ist, aber von den KTM-Days 2006 gehört hat, weiß, wo das ist. All jene, die je auf der B 180 von Zams durchs Oberinntal zur Staatsgrenze mit Italien, knapp vor dem Reschenpass durchgefahren sind, können sich vielleicht an die Ortstafeln erinnern oder haben im kleinen, aber feinen Örtchen am Schnittpunkt dreier Regionen Obergricht/Österreich, Vinschgau/Südtirol, Engadin/Schweiz - eventuell eine Kaffee- oder Essenspause eingelegt. Aber die meisten fahren durch, registrieren, dass die Reschenstraße bis zum an Kurven und Tunneln reichen Finstermünzpass keine fahrerischen Höhepunkte, dafür viele vielversprechende Abzweigungen bietet. Und das ist schade. Weil Nauders viel mehr zu bieten hat: Neben liebevoll gepflegten Häusern, Bauernhöfen und etlichen Kirchen auch der Lage am Schnittpunkt dreier Regionen gemäß eine Menge Grenzgängiges.
 
Liebevoll gepflegte Anwesen bestimmen das Ortsbild von Nauders. Man kann gut und gerne auch einmal ein Stück zu Fuß gehen. Zum Verirren ist Nauders eigentlich zu klein, trotzdem verhelfen innerörtliche Wegweiser auf die richtige Spur.

Einer, der den Grenzgang kultiviert
, im wahrsten Sinne des Wortes, ist Kurt Kleinhans, Chef des Viersterne-Hotels Naudererhof. Er überschreitet Grenzen grundsätzlich, nicht nur zwischen den Regionen, er lässt sich nicht kategorisieren. So ist sein Haus seit mehr als fünfzehn Jahren Motorrad-Hotel, als Zentrum des Alpen-Rider-Bikerclubs, gleichzeitig Ski- und Bergsport Zentrum, Wellness-Oase, Gourmet-Tempel, Familien- & Gruppen- sowie Einzelgänger-Herberge und - Kunst & Kultur-Mittelpunkt.
 
Einen Anfang machte er mit der Ausrichtung auf Art- und Design-Hotel, eine Fortsetzung war im Hochsommer das Künstler-Symposium grenzARTig, ein Auftakt für eine Kunst- und Kultur-Initiative der speziellen Art: Er hat sich im Hochsommer dieses Jahres Bildhauer und Maler aus den drei Nachbar-Regionen ins Haus geholt. Innerhalb von drei Tagen kreierte jeder der Akteure ein Kunstwerk. Eines, das ein Jahr lang nebst einer Auswahl der eingangs erwähnten Mal-Kunstwerke im Naudererhof ausgestellt bleibt. Bis zum nächsten Sommer und zum nächsten Künstler-Symposium. Mit anderen Akteuren.

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Das klingt alles hochtrabend und -preisig. Nach Smoking & Cocktail-Kleid & dicker Brieftasche. Ist es nicht. Im Gegenteil. Vielmehr holt sich Kurt in erster Linie Regionales ins Haus, von der Zimmer-Einrichtung aus heimischen Materialien bis zur Köchin, die alle Spielarten der regionalen (und internationalen) Küche meisterhaft kocht, um das örtliche Kulturerbe zu präsentieren, zu beleben und zum Erlebnis zu gestalten, und zwar Bildnerisches und Akustisches ebenso wie Kulinarisches. Das gehört für den Nauderer alles untrennbar zusammen, ist etwas zum Angreifen, zum Erleben, zum Zuhören, zum Verkosten - mit allen Sinnen zu genießen. Und selber Mitmachen.
 
Dazu gehört auch, mit den Künstlern kommunizieren, sprich unter anderem zu reden, untertags beim Meisseln und Schleifen, am Abend an der Bar beim einen oder anderen Bier, um festzustellen: Das sind keine Außerirdischen! Sogenannte Interaktionen zwischen Akteuren und Gästen sind erwünscht und werden gefördert, auch von Küche und Keller des Hauses, und da ist es völlig unerheblich ob man mit einer Kante anreist, und kein Cocktail-Kleid in der Gepäckrolle untergebracht hat, mit T- und Sweat-Shirt zum Hauben-verdächtigen Abendmenü erscheint, oder ob man mit dem Bayrischen angereist ist und High Heels sowie Designer-Teile in den Vuitton-Koffer gepackt hat.
 
Man muss sich nur darauf einlassen wollen. Und einmal mehr als eine Nacht an einem Ort verbringen, auf den ausgefahrenen Routen inne halten und ein paar Tage verweilen, der Gegend und der Umgebung auf den Grund gehen, entgegen dem weit verbreiteten Motto: Ich weiß zwar nicht genau, wo ich war, dafür war ich schneller durch.

In Nauders hat man von überall Ausblick auf die Berge. Das Klima ist hier recht mild, vom Südtirolerischen strömt warme Luft ins hoch gelegene Tal.


Keine Frage, dass sich Nauders als Ausgangspunkt für Kurvengenuss-Süchtige anbietet.
Knapp 1.400 Meter hoch gelegen, ist der Ort nicht nur aufgrund seiner Lage am Schnittpunkt der drei bereits angesprochenen Regionen gut gelegen, auch klimatisch ist er begünstigt: Vom Südtirolerischen her profitiert man von wärmeren Luftströmungen auf der südlichen Seite des Finstermünz-Passes, Apfel- und Weinduft aus dem Süden liegt in der Luft. Die Fülle an Routen und Touren, die von hier ausgehen, geht in eine einzige Woche ganz bestimmt nicht hinein. Kurt kennt die Gegend wie seine Westentasche, und er hat jede Menge Tipps in der Tasche sofern er die Highlights nicht gleich selbst inszeniert und als Tour-Guide fungiert. Und er weiß absolut, dass das Gas seiner GS rechts ist.
 
Abgesehen von den bekannten und dicht befahrenen Highlights wie Stilfser Joch und einer Reihe von Schweizer Alpenpässen bieten sich kleine, aber nicht minder feine Kurz-Ausflüge an. Zum Beispiel in jene Schlucht, die man von der Reschenstraße im Verlauf des Finstermünz-Passes aus nur erahnen kann: Hinunter zum Inn, zur Ur-Mutter der jetzigen B 180, der Via Claudia Augusta entlang gehen und einen Blick in die Burg Altfinstermünz werfen, die gerade restauriert wird. Oder an der alten Römerstraße nach Grenzsteinen pirschen. Hermann Klapeer, Nauderer und ehemals Lehrer, weiß alles darüber. Und er erzählt gerne. Unter anderem auch darüber, wie die Reschenstraße gebaut wurde. Bevor es Pressluftbohrer und hämmer gab, als Heerscharen von Straßenbau-Arbeitern mit Hammer und Meißel dem Fels die Straße abtrotzten, die die Ingenieure offenbar mit größter Ehrfurcht vor den Bergen geplant hatte. Und auch das ist eine Kunst. Übrigens ist für die Planung der Vorgängerin der jetzigen Straße zum Reschen ein von der Semmeringbahn her bekannter: Karl Ritter von Ghega. Immerhin gehört diese Strecke mit zum Weltkulturerbe Semmering.
 

Die Kajetansbrücke, vor oder nach dem Finstermünzpass je nach Fahrtrichtung. Die ehemalige Holz- ist seit Mitte der Fünfziger Jahre eine Beton-Konstruktion. Sie wird gerade fertig verbreitert.


Auch einen Ausflug in die Vergangenheit
offeriert ein Sprung nach Strada, ins Engadin (mittlerweile definitiv ohne Pass-Kontrollen beim Grenzübertritt in die Schweiz). Im örtlichen Buchdruckmuseum Stamparia taucht man ein in eine Zeit, als Bücher noch lange keine Selbstverständlichkeit, sondern Einzelstücke und jedes für sich Kunstwerke waren. Und man taucht wieder auf, als die letzten Bleisatz-Maschinen in Pension geschickt wurden. Gleichzeitig gewährt das Haus einen Einblick, wie man früher in dieser Region gewohnt und gelebt hat, geradezu irritierend sind zum Beispiel die Dimensionen der für heutige Begriffe winzigen Betten.

Strada: ein kleines, ursprüngliches Dorf mit großen Sehenswürdigkeiten, siehe die Stamparia, das Buchdruck-Museum.

 
Eine kurze und kurzweilige Angelegenheit ist es, auf einen Sprung zum Reschenpass zu fahren, die Staatsgrenze zu überschreiten und einen echten italienischen Caffè mit Blick auf den Reschensee zu genießen, bevor man per pedes eine Runde ums Gewässer dreht. Auch wenn es da noch Südtirol oder Alto Adige heißt, auf jeden Fall ist man noch im Vinschgau, der geografisch bis zum Finstermünzpass reicht. Also gehört auch Nauders dazu, das aber verwaltungstechnisch zum Obergricht gehört, welches bis zur Pontlatzer Brücke, knapp vor Landeck reicht.
 
Mehr Zeit, gut einen Vor- oder einen Nachmittag lang, brauchts für die Kaunertaler Gletscherstraße. Die ist ihrerseits auch wieder ein Kunstwerk. Eines des Straßenbaus, was unter anderem in der Bibel der Pässe-Fahrer, dem Denzel, nachzulesen ist. Oder im Internet, wenn man nicht mit einem dicken Buch im Tankrucksack unterwegs sein will. In der Hochsaison gilt hier, was für alle touristischen Trampelpfade gilt: Zu den Stoßzeiten meiden, um nicht auf allzu viele Fahrkünstler aufzulaufen. Das könnte heißen, in aller Frühe aufzubrechen. Da ist es zwar auf 2.750 Höhe noch kernig kühl, und es könnte auch noch Nebel die Sicht trüben, aber dafür kann man in aller Ruhe von Kehre zu Kehre schwingen. Wenn die andern alle raufkommen, ist man dann schon entspannt auf dem Weg bergab. Und muss sich im Selbstbedienungs-Restaurant nicht ewig anstellen.
Schäumender Inn entlang der Via Claudia Augusta, die das heutige Verkehrsaufkommen nicht im entferntesten derpacken würde. Entlang der Via Claudia Augusta stößt man alle paar Schritte auf einen Grenzstein.
Viele Wege führen zur Via Claudia Augusta, einer der ehemals wichtigsten Römer-Straßen. Die Kaunertaler Gletscherstraße, ein Exempel der Straßenbau-Kunst: 26 Kilometer, 29 Kehren, 12 % maximale Steigung.

Gar nicht anstellen muss man sich,
kehrt man zur Home-Base nach Nauders zurück. Die Bar ist ganztags geöffnet, auf der Terrasse kann man sich auch gemütlich niederlassen, wenn das Wetter nicht mitspielt, weil man hier beschirmt ist, und ist das Wetter schön, ist die Liegewiese im Garten hinterm Haus eine Ruhe-Oase der Sonderklasse (wohin auf Wunsch der Kaffee auch serviert wird), nämlich eine mit dem Hoch-Genuss der Kunst des Müßiggangs. Denn auch der will gepflegt werden. Ob drei Tage oder gleich eine Woche lang, ist unerheblich. Hauptsache überhaupt.
 
So betrachtet und erfahren ist es nicht abwegig, Urlaub & Freizeit - ob mit oder ohne Motorrad - mit Kunst an sich und als solcher unter einen Hut zu bringen. Und abschließend muss noch festgestellt werden, dass in Wirklichkeit nichts Verwerfliches daran ist, der Kunst des Straßenbaus zu huldigen - sofern sie Berg und Tal nicht bös vergewaltigt. Es gehört gewürdigt, wie in früheren Zeiten die Menschen mit Hammer und Meissel dem Fels einen Weg abgetrotzt haben. Und letztlich sind Straßen auch dazu da, Verbindungen herzustellen zu anderen Kulturen. Und damit wiederum zur Kunst.
 

Zum Abschied von Nauders: Kunstwerk und Designerstück - Skulpturen unter sich.

 
Interessante Links:

Text: Trixi Keckeis
Fotos: Trixi Keckeis, Claudia Lengenfelder,
            Kaunertaler Gletscherbahnen, Nauderhof

 
 
Autor

Bericht vom 15.09.2009 | 8.216 Aufrufe

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