motogadget mo.view - Spiegel ohne Glas!

Weltraum-Technologien inklusive

Der Besuch bei motogadget in Berlin verlief so, wie ich es mir erhoffte - nette Leute (eh klar, Motorradfahrer eben) und atemberaubende Einblicke in neuartige Technologien, die es bisher in der Motorrad-Spiegelproduktion nicht gab. Oder hat schon mal jemand von Ultracut-Diamantfräser oder Hochfrequenz-Niederdruck-Plasmareaktor gehört?

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Ein Spiegel ohne Glas? Geht denn das? Ja, es geht und wenn man einen mo.view von motogadget in Händen hält, scheint es gar nicht mal so eine Hexerei zu sein. Allerdings kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn man sich die einzelnen Produktionsschritte ansieht, die dazu führen, dass diese Spiegel ohne Gehäuse klarerweise durch den fehlenden Rahmen kleiner und im Endeffekt auch viel leichter gebaut werden können. Das verringert natürlich auch die Vibrationen enorm - abgesehen von der Grundfunktion eines Rückspiegels ein sehr wichtiger Aspekt.

motogadget steht für Akribie und Präzision

Aber eines nach dem anderen. Wer so wie ich die Firma motogadget bereits sehr lange kennt, denkt an die genialen Mini-Instrumente, mit denen auch heute noch Custombikes und Umbauten veredelt werden. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten steht motogadget für anspruchsvolles Motorrad-Zubehör wie Blinker, Schalter, Instrumente und Schaltelektronik - wer bei seinen Umbauten Qualität will, kommt an Produkten von motogadget nicht vorbei. Was das mit den neuartigen Metalmirror-Spiegeln ohne Glas zu tun hat? Nun, diese Akribie und Präzision in allen Arbeitsschritten ist auch und eigentlich vor allem bei den mo.view Spiegeln notwendig.

Der Aluminium-Korpus wird selbst zur Spiegelfläche!

Herkömmliche Motorradspiegel sind eher schwer und oftmals schlicht und ergreifend plump und hässlich. Außerdem ist die Spiegelfläche aus Glas eine echte Schwachstelle, die aus der Fassung springen oder brechen und somit im Falle eines Sturzes sogar Verletzungen hervorrufen kann. Ziel der neuen motogadget mo.view ist es also, all diese Nachteile durch modernste Fertigungsmethoden zu umgehen. Und tatsächlich sind die zehn verschiedenen Modelle komplett anders als andere Spiegel - ihr aus dem Vollen gefräster Aluminium-Korpus wird selbst zur Spiegelfläche! So entsteht ein minimalistisches Design, ohne Rand und ohne Fassung. Der Spiegel wird außerdem besonders dünn und leicht.

In den mo.view Spiegeln stecken Technologien aus Raumfahrt und Wissenschaft

Falls sich nun jemand wundert, warum nicht auch andere Firmen einfach diese Methode anwenden, kann ich nur auf die Betriebsprüfung verweisen, die ich bei motogadget durchführen durfte - und bei der ich eben auch die abartig komplizierten Arbeitsschritte beobachten konnte. Der konsequente Verzicht auf Glas erfordert eine äußerst präzise Fertigung mit extrem hohem Aufwand und speziell ausgebildeten Fachleuten, die jeden Produktionsschritt überwachen. In einem patentierten Verfahren hat es motogadget geschafft, Technologien aus Raumfahrt, Wissenschaft und der Halbleiterindustrie miteinander zu verbinden. Das Ergebnis jahrelanger Forschung und Erprobung ist ein mehrstufiges, aufwändiges Herstellungsverfahren, das mit der Produktion von Spiegel-Rohlingen beginnt. Hierzu werden 1,5 Meter lange Aluminiumstangen (je nach Spiegelmodell ca. 20 cm Durchmesser) auf einer Bandsäge in dünne Scheiben geschnitten und dann in einer CNC-Fräse bearbeitet. 90 Prozent des Materials werden dabei abgetragen und später recycled. Nach dem Eloxieren und Beschriften mittels Laserstrahl werden der Rand und die metallene Spiegelfläche erneut abgefräst.

High-Tech-Kniff Ultracut-Diamantfräser für die mo.view Spiegel

Dann folgt schon der erste High-Tech-Kniff, den keine andere Firma einfach so nachmachen könnte - der Ultracut-Diamantfräser. Dabei trägt ein Naturdiamant mit 0,5 Karat eine ultrafeine Schicht (0,001 mm, weniger als 2 Prozent eines menschlichen Haares!) von der sphärischen Spiegelfläche ab. Der Span selbst ist so leicht, dass er fast schwerelos in der Luft schwebt. Die dafür nötige Ultrapräzisionsmaschine erreicht eine Rauhtiefe von 0,000002 mm. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Metallfläche überhaupt spiegelt. Die Spezialanfertigung verfügt über luftgelagerte Spindeln, hydrostatische Achsen und erschütterungsfreie Maschinenbetten aus massiven Granit, weshalb jede der beiden Maschinen rund zwei Tonnen wiegt. Eine normale Fräsmaschine wäre angesichts der nötigen Präzision im Nanometerbereich heillos überfordert.

Der Hochfrequenz-Niederdruck-Plasmareaktor sorgt für Haltbarkeit

Wenige Arbeitsschritte weiter folgt schon das nächste High-Tech-Gerät, das die schlauen Burschen von motogadget zusammen mit dem Fraunhofer Institut entworfen haben, der Hochfrequenz-Niederdruck-Plasmareaktor. Mit Radioaktivität hat dieses Gerät gottlob nichts zu tun, dafür sorgt es für einen entscheidenden Vorteil der mo.views: Resistenz gegen alle Einflüsse des harten Motorradalltags. Ohne jeglichen Schutz wäre die Aluminiumfläche nämlich nach kürzester Zeit von Oxidation, Korrosion und Kratzern verunstaltet. Daher muss eine ordentliche Beschichtung her, die PECVD-Verfahren (plasma-enhanced chemical vapor deposition) genannte, knapp zweistündige Prozedur überzieht mit Hilfe einer hochfrequenten Energiequelle die Spiegelfläche mit ionisierten Teilchen, die dem Vakuum als Gas hinzugefügt werden und sich auf dem Spiegel ablagern. Da jedoch schon kleinste Unreinheiten Fehler im Spiegel hinterlassen, werden die zu bearbeitenden Spiegel im Vorfeld per Hand mit einem Trockeneisstrahl gesäubert. Damit der Spiegel aber dabei nicht gefriert, wird er zuvor angewärmt - richtig, auf´s Grad genau von der motogadget-Mannschaft ausgetüftelt.

Der extrem hohe Aufwand für die mo.view zahlt sich aus

Dass sich der Aufwand lohnt, beweist die Qualitätskontrolle, obwohl die Schichtdicke des Siliziumdioxids nur etwa 0,003 mm beträgt, ist das Aluminium damit optimal gegen jegliche Umwelteinflüsse geschützt. Abgesehen von der Bewunderung für diese unfassbar genaue und aufwändige Produktionsfertigkeit, haben die mo.view-Spiegel auch handfeste Vorteile: Das Gewicht ist wegen des Verzichts auf Glas rund fünfmal niedriger, Vibrationen werden dadurch vermindert und wo kein Glas ist, kann auch kein Glas zerspringen. Schließlich können die mo.view durch den fehlenden Rahmen auch immer kleiner gebaut werden als vergleichbare normale Spiegel, die nun mal nicht auf ihren Rahmen verzichten können.

Die mo.view sind keine Showstücke, sondern besitzen ein ECE-Siegel

Das Beste an der Sache ist, dass diese einzigartigen Spiegel keineswegs nur Showstücke sind, die auf unfahrbaren Einzelstücken angebaut werden, sondern dank ihres ECE-Siegels auch für den Straßenverkehr zulässig sind. Derzeit gibt es 10 verschiedene Modelle in unterschiedlichen Formen und Längen, das Programm wird aber noch weiter ausgebaut.

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Bericht vom 24.04.2022 | 15.057 Aufrufe

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