Zero XB & XE im Test

Elektropower fürs Gelände – zwei Modelle, ein gemeinsamer Spirit

Es gibt Testtage, die brennen sich ins Gedächtnis wie Reifenspuren in frischem Schotter. Der Tag mit der Zero XB und der Zero XE war genau so einer. Zwei Bikes, die man nicht gegeneinanderstellen sollte, sondern die wie Geschwister auftreten – jedes mit eigenem Charakter, beide mit derselben Mission: Elektropower ins Offroad-Universum zu bringen.

Werbung
powered by Kawasaki AT
Mehr erfahren

Ich startete den Morgen auf der XB. Schon beim Schieben merkte ich, wie unglaublich leicht sie ist. Kaum über sechzig Kilo fahrbereit - ein Mountainbike auf Steroiden. Die XE daneben wirkte mit ihren gut hundert Kilo wie die erwachsene Schwester: höher, kräftiger, ernsthafter. Und doch gehörten die beiden zusammen.

Technische Basis – Moped trifft L3e

Die Zero XB ist für die AM-Zulassung gebaut, sprich: maximal 45 km/h Spitze, perfekt für junge Fahrer oder jene, die elektrisch Offroad-Spaß erleben wollen, ohne gleich den A-Schein zu brauchen. Ihr 2,4-kWh-Wechselakku hält realistisch knappe 70 Kilometer im gemäßigten Tempo. Dazu gibt's ein voll einstellbares Fahrwerk mit knapp 200 Millimeter Federweg und eine robuste 420er-Kette. Alles in einem Paket, das leichter ist als so mancher E-Mountainbike-Dämpfer.

Die Zero XE dagegen spielt in der L3e-Liga. 15,5 kW Spitzenleistung (gut 21 PS), 635 Newtonmeter Drehmoment am Hinterrad und 85 km/h Spitze machen sie zum echten Motorrad. Ein 4,3-kWh-Wechselakku sorgt für etwa 90 Kilometer Reichweite, 21/18-Zoll-Bereifung mit satten Federwegen über 200 Millimeter und eine 520er-Kette runden das Paket ab. Mit 900 Millimeter Sitzhöhe ist sie nicht für jeden gemacht, aber wer draufpasst, sitzt hoch zu Ross bereit für jedes Trail-Abenteuer.

Erste Fahreindrücke – Zero XB die kleine Wilde

Auf der XB fühlte ich mich sofort wie ein Bub im Zuckerrausch. Schon beim ersten Gasstoß bäumt sich das Leichtgewicht auf, Wheelies sind fast jederzeit möglich. In engen Kehren, wurzeligen Waldstücken oder auf verwinkelten Trails ist sie unschlagbar verspielt. Ihr geringes Gewicht lässt einen Fehler sofort vergessen einmal kurz mit dem Fuß abgestützt, schon ist sie wieder auf Kurs.

Das Fahrwerk wirkt im gemäßigten Tempo ordentlich, doch sobald man flotter über Wellen prescht, kommt es ins Schwimmen. Man merkt, dass es auf Spaß und Verspieltheit ausgelegt ist, weniger auf Präzision im Grenzbereich. Die Bremsen packen, aber das Feingefühl fehlt. Und ja, der freiliegende Antriebsriemen beziehungsweise die Kette sorgt für ein hörbares Surren - nicht dramatisch, aber präsent.

Wechsel auf die XE – die große Schwester zeigt ihre Muskeln

Nach der XB fühlte sich die XE an wie der Umstieg vom Mountain Bike auf ein Motocross-Bike. Der höhere Schwerpunkt und das zusätzliche Gewicht sind sofort spürbar. Doch sobald man Gas gibt, verschwinden die Zweifel. Die Kraft setzt sanft, aber massiv ein. Selbst steile Auffahrten verlieren ihren Schrecken, die 21-Zoll-Front frisst sich durch lose Steine, während das Hinterrad mit seinem gewaltigen Drehmoment alles wegdrückt, was im Weg steht. Die XE ist leise - fast schon unheimlich, wie sie durch den Wald pflügt, ohne mehr als ein Surren von sich zu geben. Kein Auspuffknattern, kein Gestank. Nur der Geruch von Erde, Laub und manchmal verbranntem Gummi, wenn das Hinterrad zu hart anschiebt.

Doch auch hier gibt es Grenzen: Bei richtig sportlicher Gangart merkt man, dass das Fahrwerk nicht das Niveau klassischer Highend-Enduros erreicht. Es dämpft gut, bietet Reserven, schwimmt aber bei wirklich flottem Tempo. Die Bremsen sind stärker als bei der XB, aber auch hier fehlt das letzte Quäntchen Präzision in der Dosierung. Und wenn sie einmal umkippt, dann wird das Aufheben zur kleinen Kraftprobe - 100 Kilo und hoher Schwerpunkt sind kein Pappenstiel.

Lässige Features – clever, aber mit Eigenheiten

Ein echtes Highlight bei beiden Modellen sind die kleinen elektronischen Helferlein, die den Offroad-Alltag erleichtern. Besonders cool: der Retourgang. Mit bis zu fünf km/h lassen sich XB und XE rückwärts rangieren - auf unebenen Flächen ein echter Segen, und wenn man ehrlich ist, auch ein Show-Effekt, der für staunende Gesichter sorgt. Ebenfalls praktisch ist die Berganfahrhilfe. Gerade für Fahranfänger ein dickes Plus: Sie hält das Bike an leichten Steigungen mit einer Motorbremse fest und ermöglicht entspanntes Anfahren. Bei stärkeren Hängen allerdings gibt sie den Widerstand frei, da merkt man die Grenzen. Und dann ist da noch die Wheelie Control. Auf dem Papier ein spannendes Feature, in der Praxis aber weniger zuverlässig. Wer die Vorderradkontrolle ernsthaft nutzen will, wird merken: Die Software ist noch nicht so präzise wie erhofft - der spontane Gasstoß macht oft mehr Eindruck als das elektronische Eingreifen.

Stadtbonus – unerwartete Talente

So sehr beide fürs Gelände gedacht sind, ihr Nutzen endet nicht im Wald. In der Stadt zeigt sich, wie praktisch Elektromotorräder dieser Art sind. Die XB ist der ideale Kurzstreckenflitzer: leicht, handlich, emissionsfrei und ab 15 Jahren zu fahren. Ampelstarts fühlen sich wie kleine Siege an. Die XE dagegen wirkt fast wie ein leichter Supermoto-Ersatz: hohe Sitzposition, Übersicht im Verkehr, genug Punch für schnelle Stadtrunden. Dass sie leise bleiben, ist im urbanen Umfeld nicht nur angenehm, sondern macht sie auch gesellschaftsfähiger als laute Verbrenner.

Fazit – Zwei Gesichter, ein Herz

Die Zero XB und XE zeigen, dass Elektromotorräder längst mehr sein können als Spielzeuge oder Kompromisse. Sie sind ernstzunehmende Offroad-Bikes - die eine ultraleicht und verspielt, die andere kraftvoll und geländegängig. Ihre Schwächen - schwammiges Fahrwerk bei Highspeed, Bremsen ohne Feindosierung, Sitzhöhe oder Geräuschentwicklung im Antrieb - verblassen, wenn man das Gesamtpaket betrachtet. Denn Preis, Leistung und Alltagstauglichkeit sind schlicht top. Wer jung einsteigen will, greift zur XB. Wer Abenteuer sucht, zur XE. Zusammen ergeben sie ein Duo, das kaum Wünsche offenlässt. Und das Beste: Sie machen süchtig nach mehr Trails, mehr Kilometern, mehr Elektro-Offroad.

Bericht vom 30.09.2025 | 3.529 Aufrufe