BMW S 1000 RR im großen 1000PS-Test
Wir fahren das 210PS-Superbike auf Landstraße und Rennstrecke.
Die Doppel-R ist so etwas wie der Einser-Schüler in der Superbike-Klasse: immer vorbereitet, selten laut, aber wenn’s darauf ankommt, schiebt sie dir die Arme lang. Wir sind sie mit voller Testcrew auf Landstraße und Rennstrecke gefahren – inklusive Trackday-Hitze, Spitzkehren und IDM-Know-how unterm Helm. Ergebnis: ein sehr schneller Reality-Check mit reichlich Technik-Nerdtum und ein paar ehrlichen Kanten.

Das bayrische Superbike musste gegen Ducati Panigale V4 S und Aprilia RSV4 Factory ran - und zwar am Track und auf der Landstraße. Dabei besetzt die Doppel-R recht bald eine klare Positionierung. Welche genau, arbeiten wir hier im Detail heraus.
BMW S 1000 RR - Ein Motor der viel kann
Der 999-Kubik-Reihenvierer bleibt die Kernkompetenz im S 1000 RR-Rahmen, ganz nach dem Motto: linear & berechenbar. Untenrum höflich, ab ~8.000/min dann der freundliche Hinweis halt dich fest! oben raus drückt der Bayer so konsequent, wie mans sich von einem echten Superbike erwartet. Am Slovakiaring stehen rund 280 km/h im Display Ende Start-Ziel, und ja: Es fühlt sich genauso an, wie es klingt schnell.
Wichtig für schnelle und saubere Runden: die Gasgriff-Charakteristik. Auf den ersten Millimetern super feinfühlig, damit du dir in Schräglage nicht die Linie versaust; ganz am Ende wirds progressiv die Kurve geht spürbar steiler nach oben. Resultat: exakt dosierbare Leistung, die du wirklich ans Hinterrad bringst, statt nur am Datenblatt zu sehen. Aber: Um die vollen 210 PS wirklich einsetzen zu können, braucht es Erfahrung und Können im Sattel, denn die Gerade werden kurz mit so viel Leistung - gleich wie breit die Rennstrecke ist.
Klartext zur Schattenseite: Vibrationen. Zwischen rund 6.0009.000/min kribbelts spürbar in den Stummeln; mit Serien-Lenkergewichten okay, aber auf Dauer merkt man es. Der M-Motor ist spürbar feiner gewuchtet, die S 1000 RR liegt in Sachen Laufruhe dahinter nicht schlimm, aber der Unterschied ist da.
Pluspunkte fürs Herz: Zwischengas beim Runterschalten jedes Blip ein kleiner Endorphin-Kick und auch beim Hochschalten gibt es ab und an einen bauchigen Knall aus dem Auspuff bei den Zündunterbrechungen - schön.
Was man merkt: Der Reihenvierzylinder baut breite rals ein V4. Das ist kein Drama und ist für Unsereins nicht der maßgebliche Faktor, um schnelle Rundenzeiten zu produzieren, aber im direkten Vergleich spürt man den Unterschied.
Auf der Rennstrecke kann man die 210 Pferde bei 13.750 U/min ausreizen (wenn man sich traut), auf der Landstraße freut man sich über die 113 Nm Drehmoment bei 11.000 U/min, weil man diese tatsächlich nutzen kann. Denn der Reihenvierer geht in engen Spitzkehren weich und sauber ans Gas und lässt einen auch in Schrittgeschwindigkeit ohne böse Lastwechselreaktionen den Radius linientreu ausfahren. Wären da nicht die kribbelnden Vibrationen, wäre der Antrieb eine glatte Eins.
Chassis und Fahrwerk - Die Agile
Die BMW S 1000 RR regelt die Dämpfung elektronisch über Magnetventile (DDC) seit Jahren im BMW-Programm und mittlerweile richtig gut feingetunt, rennstreckentauglich und auch auf der Landstraße zu gebrauchen. Das Fahrwerk besitzt also eine breite Spreizung, die den Alltag erleichtert. Der Grundcharakter der DDC: In Schräglage hält sie das Heck beim Rausbeschleunigen spürbar hoch. Vorteil: enge Radien trotz Gas, das Motorrad bleibt willig auf der Innenlinie. Der Haken: In maximaler Schräglage gibt das Hinterrad etwas früher auf als die Front, es beginnt der kontrollierte Hinterradsliden. Herrlich zu fahren, zumal die schützende Hand der Traktionskontrolle einem Hilft den Powerslide sicher zu Ende zu fahren. Will man aber die letzten Hundertstel finden auf seiner Runde, und die Reifen sind nicht mehr die frischesten, vermisst man das letzte bisschen Feedback.
Aber Achtung, um in diesem Bereich vorzudringen, braucht es das Fahrkönnen und das Gespür eines Ex-IDM-Champs wie Martin Bauer, der bei unserem Test genau hier noch den Unterschied erfühlt hat. Hat man in seiner Garage nicht reihenweise Pokale am Regal stehen und verbringt jedes Wochenende im Paddock, sondern lässt es vereinzelt mal an einem Trackday mit der S 1000 RR krachen, braucht man sich über das Fahrwerk keine Gedanken zu machen. Das funktioniert für Hobbyfahrer tadellos.
Im Race-Modus wirkt das Fahrwerk straff und liefert tolles Feedback vorausgesetzt, du bewegst die BMW dynamisch. Positiv: Sie taucht beim Anbremsen nicht schlagartig ein; du kannst das Vorderrad kontrolliert einsetzen und am Ausgang sauber hinten arbeiten lassen.
Genereller Charakter: agil, fast verspielt die S 1000 RR ist die Kandidatin mit dem größten Spieltrieb im Testfeld, ohne ins "zu Nervöse" zu kippen. Die optionalen M-Carbon-Felgen reduzieren rotierende Massen und machen Richtungswechsel noch leichter, bei unserer Testmaschine waren diese montiert. Trotzdem muss man sagen, dass sie nicht die gleiche Highspeed-Stabilität hat, wie andere Superbikes am Markt. Auffällig wird das aber erst, wenn man schon richtig flott unterwegs ist und den direkten Vergleich hat. Und auf der Landstraße macht sie genau diese agile Grundauslegung einfach zu fahren - vor allem kräfteschonender.
Bremsen - Druckpunkt neu definiert
Die M-Bremssättel unseres Testbikes sind ein echtes Highlight: knackiger Druckpunkt wie auf einer Rennanlage beeindruckend, was BMW trotz langer Leitungen und Schräglagen-ABS an Direktheit an den Hebel bringt. Der Biss ist ernst minimaler Leerweg, dann packt es brutal zu. Auf der Rennstrecke ein Traum, auf der Landstraße wünschen sich Nicht-Pros einen Tick mehr Hebelweg für Wohlfühl-Feindosierung.
Randnotiz: Wir hatten ein leichtes Rubbeln unklar, ob Beläge oder Scheibenlauf die Gesamtleistung bleibt aber schlicht gigantisch. Und: Die BMW bleibt stabil auf der Bremse, man kann also die Hardware-Performance real in späte Bremspunkte umsetzen.
Produkttipps
Elektronik - Volle Hütte, volle Performance
Die Doppel-R spielt Elektronik-All-Inclusive: Rain, Road, Dynamic, Race, Race Pro 1-3, dazu DTC fein einstellbar in ±7 Stufen, Wheelie-Control, ABS Pro, Launch Control, Pit-Limiter und das alles logisch am 6,5-Zoll-TFT über das bekannte BMW-Drehrad bedienbar.
Wichtig: Das System ist nicht nur Sicherheitsnetz, sondern ein Speed-Feature. Beispiel Traktionskontrolle: Mit unseren Einheitstestreifen Pirelli Supercorsa SP V4 sind -3 bis -4 perfekt die Regelung unterstützt dich raus aus der Kurve, ohne dich einzubremsen.
Die Wheelie-Control wirkt wie Zauberei: Über Kuppen fährt das Vorderrad ein paar Zentimeter über dem Asphalt unaufgeregt, reproduzierbar, schnell. Mehr passiert an der Front nicht!
Quickshifter/Blipper: typisch BMW Hebelgefühl eher weich/knatschig, aber die Gänge rasten präzise mit kurzen Wegen ein. Funktional exzellent.
Bedienung/Ergonomie der Knöpfe: Seit Jahren Standard wer einmal BMW gefahren ist, fühlt sich sofort daheim. Ist man neu im BMW-Bedienuniversum, muss man sich kurz an das Rad gewöhnen, da man es praktisch dreidimensional nutzen kann.
Fahrverhalten auf der Rennstrecke
Die S 1000 RR fährt sich eher agil und leichtfüßig, lässt sich aber gleichzeitig auf Profi-Pace schieben, wenn man weiß wie.
Die Kurvenlage ist grundsätzlich präzise, der Einlenken / Umlenken geht auffällig einfach. Linientreue am Ausgang: Dank hohem Heck und feiner DTC richtig gut du kannst enge Radien auch unter Last halten.
Was auffällt: Die Grundabstimmung ist massiv auf leichtes Handling ausgelegt Schräglagenwechsel gehen spielerisch, Einlenken fällt leicht wie bei einem Naked Bike. Bei sehr hohem Tempo fehlt vorn manchmal Transparenz die BMW wirkt dann überempfindlich auf Input, bleibt aber kontrollierbar.
BMW kompensiert das mit einem manuellen Lenkungsdämpfer mit spürbarer Grunddämpfung. Tipp: Auf engen Kursen nicht zu stramm einstellen, sonst wirds schwergängig.
Summa summarum: Eine 1A-Trackday-Waffe gerade für Novizen zugänglich und für Cracks schnell genug, solange der Hinterreifen frisch und griffig ist.
Fahrverhalten auf der Landstraße
Hier zeigt die Doppel-R ihre Gutmütigkeit: Die sanfte Gasannahme lässt dich auch in engen Spitzkehren korrigieren, ohne dass dir die Linie verhakt selbst im falschen Gang.
Der 1. Gang ist im Superbike-Vergleich nicht übertrieben lang so kommst du aus sehr langsamen Kehren sauber raus, ohne immer gleich die Kupplung bemühen zu müssen.
Die Agilität macht Landstraßen-Zirkeln zur Freude, der Lenkungsdämpfer liefert auf welligem Belag die nötige Grundstabilität. Ehrlich währt am längsten: Die hochfrequenten Vibes an den Stummeln können auf langen Strecken die Hände müde machen. BMW hat dagegen Gewichte an den Lenkern hilft, aber ganz weg ist es nicht. Unterm Strich bleibt die S 1000 RR auf der Straße: schnell, zivilisiert, erstaunlich beherrschbar und eher einfach zu fahren - vor allem im direkten Vergleich mit anderen Superbikes der 1000-Kubik-Klasse.
Ergonomie - Die Bequeme
Für 1,85 Meter sitzt man gut, etwas breitbeiniger am Tank, spitzer Kniewinkel, Sitz relativ nah am Lenkkopf. Das macht das Bike agil und handlich im Alltag.
Die Sitzhöhe ist eher tief für die Klasse(rund 832 mm), was Neulingen gefällt: leichter Bodenkontakt und Hand aufs Herz das Knie kommt früher runter - Ego approved.
Große Piloten feiern die RR traditionell: Mit M-Sitzbank etwas höher, Stummel nicht ultra-radikal, ergo sportlich, aber komfortabel genug für Halbstunden-Stints ohne Fitness-Studio-Gefühl. Das 2025er Windschild ist voluminös faltet man sich klein zusammen im Sattel, passt der Windschutz hervorragend.
Bedienung: Hebel einstellbar, Schalter logisch, das ganze Cockpit klassisch BMW. Unser Testbike hatte einstellbare Rasten (Position auf Serien-Level gelassen) im Paket hat das für unterschiedliche Fahrergrößen sehr gut gepasst und hätte sich noch weiter feintunen lassen.
Einheitsreifen im Test für maximale Vergleichbarkeit
Ein entscheidender Baustein unseres Testsettings war die einheitliche Bereifung. Weil wir auf Rennstrecke und Landstraße testen wollten, haben wir uns für den brandneuen Supercorsa SP V4 von Pirelli entschieden.
Besonders faszinierend: Die Vielseitigkeit des Reifens. Auf der Landstraße überzeugte er mit hoher Stabilität und Präzision, auf der Rennstrecke mit Grip fast auf Slick-Niveau. So war es möglich, direkt von der Garage auf den Track zu rollen ohne Umrüsten, ohne Kompromisse. Ein echtes Trackday-Highlight für all jene, die mit dem Bike sowohl im Alltag als auch auf der Rennstrecke Spaß haben wollen. Der Supercorsa SP V4 braucht auf der Landstraße etwas Temperatur und seine maximale Performance zu bringen, das klappt mit einem Superbike wie der S 1000 RR aber dank der vielen Power recht schnell.
Test-Crew Equipment: NEXX X.R3R Helm
Unsere Testcrew war einheitlich mit NEXX-Helmen unterwegs genauer gesagt mit dem X.R3R, dem sportlichsten Modell im Portfolio der Portugiesen. Die Carbon-Schale sorgt nicht nur für eine edle Optik, sondern hilft auch, das Gewicht niedrig zu halten: In Größe M bringt der Helm gerade einmal 1350 Gramm auf die Waage. Ein Pluspunkt, der auf langen Etappen für entspannte Nackenmuskeln sorgt.
Besonders aufgefallen ist die Aerodynamik: Der integrierte Spoiler verleiht selbst bei Topspeed jenseits der 200 km/h eine spürbare Stabilität. Die Belüftung arbeitet hervorragend - Stirn, Oberkopf und Kinn lassen sich gezielt durchlüften. Auch subjektiv überzeugte der Helm: Für mich war der sportlich-kompakte Sitz entscheidend, betonte Lena. Martin hingegen lobte vor allem das große Sichtfeld, das auf der Landstraße wie auch auf dem Track wertvolle Übersicht liefert. Damit punktet der X.R3R nicht nur technisch, sondern auch optisch ein aerodynamischer Blickfang, der durch verschiedene Designs auch für viele Bikes passt.
Fazit: BMW S 1000 RR 2025
Der neuen BMW S 1000 RR spürt man an, dass sie wieder etwas Feinschliff bekommen hat. Ergonomie, Elektronikabstimmung, Fahrbarkeit des Motors, Fahrwerksabstimmung (DDC) - überall dürften die BMW-Ingenieure primär an den normalen Kunden gedacht haben und nicht an verkappte Racer. Denn die S 1000 RR überzeugt durch hohe Universalität und opfert dafür vielleicht das letzte Zehntel an Kompromisslosigkeit - und das ist eine gute Entscheidung gewesen. Denn so ist das 210 PS-Superbike für eine breite Kundenschicht fahr- und beherrschbar, sowohl am Track als auch bei der Wochenendausfahrt auf der Landstraße. Nur die Motorvibrationen müssten nicht noch immer sein.- starker, alltags- und rennstreckentauglicher Motor
- tolle Elektronik die Performance und Sicherheit kann
- optionale M-Bremse mir brachialem Druckpunkt
- vergleichsweise bequeme Sitzposition für diese Klasse
- agiles Chassis, für die Landstraße von Vorteil
- Motorvibrationen im Lenker spürbar
- im HIghspeed-Bereich etwas weniger Stabil als die Konkurrenz
- umfangreiche Sonderausstattung mit teils hohen Aufpreisen
Bericht vom 08.10.2025 | 1.693 Aufrufe