A2-Scrambler im Vergleich - Triumph vs Royal Enfield vs TVS
Intensivtest: Wie gut schlagen sich die indischen Scrambler?
Drei in Indien gefertigte A2-Motorräder müssen sich auf kleiner Abenteuertour zwischen den friulanischen Bergen beweisen. Manche sind mehr, andere weniger günstig. Genauso wie manche mehr, andere weniger bekannt sind und manche mehr, andere weniger in Indien Zuhause sind. Trotz ihrer Unterschiede müssen sie die gleichen Herausforderungen auf und abseits der befestigten Wege meistern.
Das erste Motorradrennen fand vermutlich statt, als das zweite Motorrad fertig gebaut war. Doch damals, in den Kindertagen des motorisierten Zweirads, gab es keine spezialisierten Racingbikes und Rennstrecken, sondern einfache Motorräder und rudimentäre, oft unbefestigte Straßen. In den 1920er Jahren liefern sich Gentleman wüste Rennen quer über die Feldwege und rauen Straßen Englands. Ganz ohne festgelegten Streckenverlauf geht es nur darum, wer schneller von A nach B kommt. Ein Radiomoderator nennt einen dieser chaotischen Wettbewerbe einen "Scramble" und so sind die Scrambler, ursprünglich eigentlich modifizierte Straßenmaschinen, als vielleicht erstes Motorrad-Segment geboren. Und es gibt sie bis heute, in groß und klein, teuer und günstig. Doch wie viel vom alten Abenteuergeist steckt noch in den modernen Scramblern? Drei Tage quer über die friulanischen Alpenpässe werden uns zeigen, aus welchem Holz unsere neuen und günstigen Scrambler geschnitzt sind.
Moderne Scrambler aus Indien
Das Trio, welches im Süden Österreichs an den Start geht, teilt sich eine gemeinsame Herkunft und ist doch recht verschieden. Die Triumph Scrambler 400 X ist vermutlich noch den meisten ein Begriff. Die kleinen Hubraumklassen der britischen Motorradmarke werden aber nicht daheim in Hinkley, sondern bei Bajaj in Indien in Pune gebaut. Mit 40 PS ist sie nicht nur die stärkste Maschine in dem Trio, sondern mit einem Preisetikett von knapp 7.000 € auch die teuerste. Die Scram 411 stammt von Indiens Platzhirschen im Zweiradbereich, von Royal Enfield aus Chennai, und baut um den 411-Kubik Einzylinder aus der alten Himalayan. Mit 24 PS kann sie der Triumph nicht das Wasser reichen, obendrein wiegt sie mit 193,5 kg bei vollem Tank auch mit Abstand am meisten. Dafür kostet die Scram nur knapp über 5.000 € und bietet ernstzunehmende Federwege von 190 und 180 mm. Als drittes der Exot in der Runde, die Ronin vom Hersteller TVS aus Myhore in Indien. Mit ihren 17-Zoll-Reifen ist es diskutabel, ob sie überhaupt als Scrambler gewertet werden kann, aber sie drängt serienmäßig mit recht stolligen Reifen, Motorschutzplatte Sturzbügel und mächtigen 20 PS aus dem 225-Kubik Einzylinder dennoch ins Abenteuer, also haben wir sie als dritte günstige und indische A2-Maschine mitgenommen. Und günstig ist noch zu wenig gesagt, denn mit einem Preis von nur 3.800 € ist die TVS Ronin das Schnäppchen auf unserer Reise.
Kleine Motoren zwischen großen Gipfeln - A2-Scrambler im Test
Unsere Reise startet in Kärnten am Nassfeldpass. Dieser Pass an der Grenze zu Italien mit seinen schönen, runden Kurven und teils recht hoher Steigung zeigt uns gleich, wie gut sich die kleinen Motoren unserer A2-Scrambler für die anstehenden alpinen Straßen eignen. Als leistungsverwöhnter Europäer stellt man die Praxistauglichkeit der 20 PS der TVS Ronin und 24 Pferdchen der Royal Enfield Scram 411 schnell in Frage. Doch unsere ersten Kilometer zeigen sogleich, dass sie zwar keine Beschleunigungsrennen gewinnen, dennoch aber Fahrspaß bieten können. Die Triumph schafft es in den Kurven bergauf noch zu beschleunigen, auf der Scram und Ronin geht es eher gemütlich voran. Die Royal Enfield legt dabei einen traditionelleren, tuckernden Einzylinder-Charakter an den Tag. Sie hat mit 32 Nm nur knapp weniger Drehmoment, als die hubraumstärkere Triumph mit 37,5 Nm, die auf der Scram aber schon um 2.250 Umdrehungen früher bei 4.250 U/min anliegen. Dadurch zieht auch die Royal Enfield gar nicht viel langsamer den Berg hoch. Auf der TVS Ronin wiederum braucht es mit ihren 19,93 Nm Drehmoment Geduld oder Freude an der Entschleunigung. Eine gute Laufkultur, zugängliche Dosierung und unaufgeregte Leistungskurven bieten alle drei Motoren. Dass die TVS bei gleichem Tempo am meisten rackern muss, merkt man an leichten, hochfrequenten Vibrationen, aber nicht in einem störenden Ausmaß. Doch, apropos Geschwindigkeit, wie viel geht denn mit den A2-Scramblern? Nach dem Nassfeldpass geht es für uns weiter westwärts und dabei geht es auch mal auf flacheren Straßen dahin. Während die Triumph sich locker bis zu Autobahngeschwindigkeiten und darüber hinaus treiben lässt, geht der Scram 411 bei ca. 110 km/h spürbar die Luft aus, sie schafft maximal um die 125 km/h. Die TVS Ronin muss schon bei 90-95 km/h so ziemlich alles geben. Mit etwas Rückenwind und viel Schwung lässt sich die 100 km/h Marke noch knacken.
A2-Scrambler im alpinen Winkelwerk im Test
Die italienische Seite des Nassfeldpasses ist schon wesentlich enger und verwinkelter als die österreichische Nordrampe und das ist erst der Anfang. Unser Tagesziel ist das MoHo Motorradhotel Bellavista in Ravascletto und dafür müssen wir uns westlich halten. Statt der langweiligen Umfahrung über Tolmezzo nehmen wir den extrem schmalen und kurvigen Lanzenpass, der in einem ausholenden Bogen Pontebba mit Paularo verbindet. Hier wird das Handling unserer A2-Scrambler gefordert. Die nur einspurige, teils sehr mitgenommene Straße windet sich zwischen Almen und dichtem Wald an Felswänden entlang und erfordert eine saubere Fahrlinie, um gut durchzukommen. Scram 411 und Scrambler 400 X brauchen durch das 100/90-19 Vorderrad etwas mehr Input über den Lenker, um agil durch die Kurven zu wedeln. Die Triumph zieht hierbei noch eine Spur flotter und präziser durch die Radien, während die Scram etwas träger der Fahrlinie folgt. Der Hauptgrund hierfür sind die Unterschiede im Federweg. Die Scrambler 400 X ist mit 150 mm besser für die Straße geeignet und bleibt bei Unebenheiten in Schräglage stabiler, dafür sind die Strecken mit schlechtem Asphalt auf der Royal Enfield dank 190 und 180 mm Federweg komfortabler. Zu den Federwegen der Ronin gibt es keine Angaben von TVS, doch sind die Fahrwerksreserven sicher am kürzesten. Dennoch performt das kleinste Bike der indischen A2-Scrambler überraschend gut.
Ihre Sitzposition geht im Gegensatz zu den anderen beiden Kontrahentinnen weg von der typisch aufrechten Naked Bike Haltung in Richtung Cruiser-Sitzposition. Die Fußrasten sind sehr weit vorne Platziert, der Lenker reckt sich recht weit in Richtung Fahrer, was den Kniewinkel nahezu rechtwinklig und die Körperhaltung entspannt hält. In dieser Haltung heraus steuert man die Ronin mit einer erstaunlichen Agilität durch die Kurven. Sie fällt sehr willig in Schräglage und folgt dort stabil der Fahrlinie. Für ihren Preispunkt ist das nicht verstellbare Fahrwerk überraschend gut abgestimmt. Es ist nicht übertrieben weich, bietet Stabilität in Schräglage und gleichzeitig passablen Komfort bei härteren Schlägen. Die Schräglagenfreiheit des TVS Motorrads ist recht begrenzt, aber eilig darf man es mit der Ronin sowieso nicht haben. Stattdessen wedelt man auf ihr tiefenentspannt und mühelos durchs Winkelwerk und hat auch noch Kapazitäten für den Landschaftsgenuss. Alle drei A2-Scrambler führen zu breiten Grinsern unter dem Helm, die auch nach unserer Ankunft beim MoHo Bellavista noch zu sehen sind. Hier genießen wir tollen, auf Biker-ausgerichteten Service und holen uns noch ein paar Streckentipps zur Umgebung. Am nächsten Tag soll es nämlich abenteuerlich werden.
Wie viel Abenteuergeist steckt in A2-Scramblern? - Offroad-Test auf Schotterpässen
Panoramica delle Vette, Passo della Forcella und mehr - Im Friaul gibt es noch zahlreiche Bergstraßen, auf denen legal unbefestigter Boden befahren werden darf. Direkt in Ravascletto, quasi an der Türschwelle unseres Hotels, beginnt das Abenteuer und nach einigen hundert Höhenmetern staubt es schon unter unseren A2-Scramblern. Im Laufe des Tages befahren wir unterschiedliche Untergründe, von flach geschottert, über ausgewaschen bis zu schlammig oder steil. Die Royal Enfield Scram zeigt im losen Gelände ihre enge Verwandtschaft zur 411er Himalayan und bollert dank langer Federwege und auch fürs stehende Fahren sehr gut geeigneter Ergonomie unbeeindruckt über Stock und Stein. Die Triumph rumpelt etwas härter über Unebenheiten und benötigt mehr Bedacht bei der Linienwahl, um nicht aus der Spur zu geraten, dafür bietet die Scrambler 400 X aber auch als einzige in dem Trio genug Leistung, um kleine Drifts und andere Spielereien mit der Traktion leicht zu ermöglichen. Auf der Scram braucht es dafür eine sehr beherzte Gashand und die Ronin ist kaum zum ausbrechen zu bringen.
Die Ronin ist Offroad aber sowieso ein eigenes Kapitel, vor allem aufgrund der Ergonomie. Die weit vorne positionierten Fußrasten machen stehendes Fahren de facto unmöglich. Anfangs bin ich versucht, ihr die Offroadtauglichkeit abzusprechen und sie doch als reines Cruiser-Naked-Bike zu deklarieren. Doch dann fällt mir meine Zeit im indischen Himalaya wieder ein und wie dort die Einheimischen auf genau solchen Motorrädern wie der Ronin noch die wüstesten Straßen bewältigen. Es braucht also nur einen anderen Zugang. Und siehe da, statt performant stehend geht es tuckernd weiter und das gar nicht mal schlecht. Dank des niedrigen Gewichts von nur 162,5 kg mit vollem 14 Liter Tank und der niedrigen Sitzhöhe von 795 mm wirkt keine Passage bedrohlich, kein Hindernis beängstigend. Einfach mit konstantem Gas weitertuckern und es gibt quasi kein Halten für die Ronin. Dabei ist weniger Technik und aktives Fahrverhalten als beim stehenden Fahren gefragt, was auch massiv Spaß machen kann. Es bleibt mehr Zeit, um die Umgebung und den entschleunigten Charakter des indischen Cruiser-Scramblers unter einem zu genießen. Nach vielen Spielstunden im Sand und Schotter kehren wir zurück zum Lanzenpass und fahren nahe dessen nördlichsten Punkts den unbefestigten Weg zurück nach Österreich, wo wir auf der Straniger Alm die Nacht verbringen. Die teils groben Offroad-Passagen forderten nicht nur uns Fahrer, sondern auch das Material. Auf der Triumph leuchtet am Ende eine Warnleuchte im Display und die Scram 411 hat gelegentlich Startprobleme. Interessanterweise steckt gerade die am Papier am wenigsten geeignete und mit Abstand günstigste TVS Ronin die Reise weg, als wäre nichts gewesen.
A2-Scrambler mit pragmatischen Alltagsstärken
Der Weg zurück geht die Schotterstraße hinab ins Gailtal und dann östlich zurück in Richtung Nassfeldpass. Auf der breiten Bundesstraße können wir uns noch ein Bild von den pragmatischen Qualitäten der drei A2-Scrambler machen. Sparsam sind sie alle, auch wenn es hier doch größere Unterschiede gibt. Der Verbrauch der Triumph Scrambler 400 X liegt bei ca. 3,5 L/100km, also recht niedrig, sie kommt mit ihrem kleinen Tank mit 13 Liter Füllvolumen aber wenigsten weit, Die Royal Enfield Scram 411 verbraucht mit ca. 3,2 L/100km etwas weniger, kann mit ihrem 15 Liter Tank aber weiter fahren. Und die kleine Ronin ist knapp die Reichweiten-Siegerin im Test. Ihr Verbrauch liegt trotz des großen Vollgasanteils bei nur knapp über 3 L/100km, was mit ihren 14 Litern Tankinhalt sogar 450 km und knapp mehr ohne Tankstopp ermöglicht. Weitere praktische Nehmerqualitäten der drei Scrambler sind niedrige Versicherungskosten und Servicekosten. Die Serviceintervalle varrieren aber stark. Die Triumph muss nur jährlich bzw. alle 16.000 km zur Kontrolle, die Royal Enfield Scram 411 aber alle 5.000 km und die TVS Ronin alle 6.000 km.
Fazit zum A2-Scrambler Test & Vergleich 2024
Unser dreitägiges Abenteuer mit den A2-Scramblern hat uns wieder einmal gezeigt, wie wenig es für Fahrspaß braucht. Trotz ihrer Unterschiede, konnten alle drei Motorräder in gewissen Bereichen punkten und es gab niemals Streit, wer nun auf welchem Bike weiterfährt. Gleichzeitig bedienen die drei Scrambler aber auch unterschiedliche Zielgruppen. Die Triumph Scrambler 400 X richtet sich an jene, die sich nicht mit entschleunigtem Fahren zufrieden geben, die einen Wert auf hochwertige Verarbeitung legen und sich das auch etwas kosten lassen. Die Britin bietet sicher das vielseitigste Gesamtpaket des Trios an. Die Royal Enfield fordert durch ihre geringere Leistung etwas mehr Geduld auf dem Asphalt, kann dafür aber im Gelände weiter getrieben werden, als die Triumph. Wer es prinzipiell nicht eilig hat, mit einer Scrambler aber auch grobere Wege attackieren möchte, der sollte sich die Scram 411 näher ansehen. Die TVS Ronin bleibt bis zum Schluss unserer Reise der Exot im Team, nicht nur Markentechnisch, sondern auch bei der Fahrperformance. Um die Fahrt auf der Ronin zu genießen, muss man sich definitiv darauf einlassen. Sobald man aber den Drang zum schnellen oder stehenden Fahren verdrängt hat, fängt man an die Gemütlichkeit und stoische Souveränität des Bikes zu genießen. Egal, welche Hindernisse die Route einem in den Weg stellt, mit der TVS Ronin tuckert man unbeeindruckt hindurch und fühlt sich nie gestresst oder überfordert. Gerade für weniger erfahrene Piloten ein großer Pluspunkt. Außerdem ist die Ronin so günstig, dass auch junge Leute sich dieses Motorrad noch leichter leisten können.
GREGOR
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Fazit: Royal Enfield Scram 411 2024
Viel stylisches Motorrad zu einem fairen Preis? Ja, das bietet die Royal Enfield Scram 411. Die Verarbeitung ist für die Preisklasse angemessen oder sogar besser. Eigentlich fehlt der Scram nur ein bisschen mehr Spitzenleistung, um auch auf der Landstraße flüssig überholen zu können und eine etwas präzisere Vorderradbremse. Der Rest passt!- sehr attraktiver Preis
- schöner Klang
- Turn by turn Navigation serienmäßig
- schönes Design, solide bis gute Verarbeitung
- sehr einfaches Handling
- lasche Vorderradbremse
- etwas wenig Topspeed und Spitzenleistung
GREGOR
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Fazit: Triumph Scrambler 400 X 2024
Wer auf eine coole Scramber-Optik steht, bei der Motorisierung aber im A2-tauglichen Bereich bleiben muss, hat mit der Triumph Scrambler 400 X eine richtig fesche Vertreterin zur Auswahl. Der 400er-Motor hat ein schönes Drehmoment im mittleren Bereich, Ausdrehen ist nicht so sein Ding. Die Sitzposition ist aufrecht, das Fahrwerk komfortabel, aber doch stabil. Man kann also auch sportlich mit der Scrambler 400 X fahren, lediglich die vordere Bremse braucht zu viel Handkraft bei beherzter Fahrweise. Dafür ist die Ausstattung mit den vielen geländeorientierten Anbauteilen großzügig und relativiert den höheren Preis gegenüber der nackten Schwester Speed 400.- hochwertige modern-klassische Optik
- guter Preis
- Motor mit starker Mitte
- gut ansprechendes Fahrwerk
- gute, mit Modell abgestimmte Bereifung
- schwache Bremse an der Front
GREGOR
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Fazit: TVS Ronin 2024
Die Ronin ist ein kleinhubiges Motorrad mit einem interessanten Charakter, irgendwo zwischen Cruiser, Naked Bike und Scrambler. Naturgemäß kämpft sie mit breiten Straßen und hohen Verkehrsgeschwindigkeiten, kann dafür aber mit einigen Stärken, wie ihrer Zugänglichkeit, dem erstaunlich stabilen Fahrwerk, Komfort und Unkompliziertheit, punkten. Vor allem in Anbetracht des sehr niedrigen Preises macht die Ronin viel mit, bietet schwungvollen Fahrspaß im Winkelwerk und sogar echte Nehmerqualitäten im leichten Offroad-Einsatz. Am besten geeignet ist sie für die Stadt und für entschleunigte Tourer.- Zugänglicher & trotzdem spaßiger Motor
- Niedriges Fahrzeuggewicht
- Entspannte Ergonomie
- Niedrige Sitzhöhe
- Hart im Nehmen
- Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Nicht geeignet für Reisegeschwindigkeiten über 100 km/h
- Beschränkte Schräglagenfreiheit
- Händlernetz in Europa noch ein großes Fragezeichen
Bericht vom 13.11.2024 | 17.206 Aufrufe