Neue Royal Enfield Meteor 350 im Test 2021

Preis-Leistungs-Verhältnis von einem anderen Stern

Ein Wohlfühlcruiser zum Spartarif schlägt 2021 am Markt auf. Aber wie gut ist die kleine Meteor wirklich? Kann dieses Motorrad auch anspruchsvolle Tester zufriedenstellen?

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Das Leben des Motorradjournalisten ist abwechslungsreich. Man ist verwöhnt, bewegt an schönen Orten exklusive Motorräder und quasi die gesamte Saison ist der Fuhrpark mit schicken Dauertestern bestückt. Nach knapp zwei Jahren bei 1000PS hatte ich die Befürchtung, dass die Leistungsmonster ala Super Duke, V4 und Co mich abstumpfen lassen. Kann ich Hausmannskost noch wirklich genießen? Zeit für einen Selbstversuch!

Die Royal Enfield Meteor 350 - ein Brot und Butter-Motorrad?

Als der Test der 20,2 PS starken und vollgetankt mit Zubehör 198 Kilogramm schweren (natürlich haben wir sie auf der 1000PS Waage gewogen) Royal Enfield Meteor 350 anstand, habe ich mir dieses wohl unspektakuläre Motorrad selbst zum Testen zugeschanzt. Bei einem Preis ab 4000 Euro für die Meteor 350 war die Erwartungshaltung dem kleinen indischen Cruiser gegenüber überschaubar. Als Strecke für die Ausfahrt wählte ich kleine Nebenstraßen im Großraum Baden, unweit vom 1000PS Büro Richtung Wien. Also erst einmal auf die Autobahn, um bei der Anreise keine Zeit zu verlieren. Die Stadtautobahn ist kein Problem, aber unbegrenzte Abschnitte gestalten sich zäh. Bei 120 km/h am Tacho ist Schluss, hier endet der Vortrieb den der 349 Kubik große Eintopf bietet. Gnadenlos brennen dich Senioren in Kleinstwagen her. Das ist Fakt. Also runter vom Bandl und ab in die Weinberge und Wälder mit ihren kurvigen Straßen.

Prompt fühlt man sich am richtigen Fleck, hier ist die Meteor Motorrad, hier will sie sein. Entspanntes Cruisen im Geschwindigkeitsbereich zwischen 70 und 100 km/h ist ein Heimspiel für die Enfield. Die 27 Newtonmeter Drehmoment reichen sogar für das ein oder andere Überholmanöver und der schön dumpfe Klang des Einzylinders rundet das Gesamtbild ab. Auf einen Drehzahlmesser verzichtet das aufgeräumte Cockpit, das Erinnerungen an US-amerikanische Musclecars weckt, zwar, der geht einem aber auch nicht ab. Intuitiv fühlt man wann geschaltet werden sollte. Die fünf Gänge sind übrigens cruiser-typisch mit einer Schaltwippe zu schalten. Das fühlt sich leicht gewöhnungsbedürftig an und bedarf einiger Übung, ist aber ein witziges Feature, das man z.B. bei der 6x so teuren BMW R 18 extra bezahlen muss. Pilot(inn)en mit kleinen Füßen können alternativ auch klassisch schalten, mit großen Stiefeln ist das Einfädeln des Fußes unter den Schalthebel eine Fummelei.

Easy cruisen - das Heimspiel der kleinen Enfield 350 Meteor

Die mögliche Schräglagenfreiheit ist durchaus beachtlich, da die Fußrasten segmentgerecht vorne aber auch relativ hoch angebracht sind. Die Sitzposition ist entspannt, sowohl ich mit meinen 1,87 Metern als auch Mittester Horvath (175 cm) haben gut auf der Metor Platz gefunden. Das traut man dem kleinen Cruiser auf den ersten Blick gar nicht zu - cool! Die Standardsitzhöhe ist mit 765 mm einsteigerfreundlich niedrig.

Fahrwerk, Bremsen, Reifen - stimmiges Paket für die Royal Enfield

Das Thema Bremsleistung ist bei kleinen Royal Enfields ja nicht immer ganz zufriedenstellend gelöst worden, Stichwort: Royal Enfield Himalayan Test. Insofern gab es im Vorfeld dieses Tests durchaus die Befürchtung, dass wir auch hier Erfahrungen in dieser Richtung machen werden. Glücklicher Weise bewahrheitete sich diese nicht. Die 300 mm Einzelscheibe vorn macht einen echt guten Job, auch hinten bremst die Meteor 350 mit einer 270 mm Scheibe - das passt.

Das Fahrwerk der Enfield setzt sich aus einer nicht einstellbaren 41 mm Teleskopgabel mit 130 mm Federweg und klassischen Stereo-Federbeinen mit 6-stufig verstellbarer Vorspannung hinten zusammen. Während die Gabel in Anbetracht des niedrigen Gesamtpreises überraschend gut anspricht, geben die Federbeine Schläge relativ unvermittelt an den Fahrer weiter. Wenigstens ist der Sitz angenehm gepolstert und dadurch wird der Ritt auf der Enfield erträglich.

Die Bereifung in den Dimensionen 100/90/19 vorne und 140/70/17 hinten schürte den Gedanken, dass die Meteor eher zur Kurvenfahrt überredet werden möchte. Dem war jedoch ganz und gar nicht so. Willig lenkt die 350er ein und bietet genug Stabilität, um die Fuhre auf Kurs halten zu können. Der breite Lenker erleichtert das Handling zusätzlich.

Verbrauch, Standgeräusch, Reichweite, Zuladung - der indische Cruiser im Praxistest

Bei einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 375 kg und einen angegeben Eigengewicht von 191 kg, bietet die Royal Enfield Meteor eine Zuladung von 184 Kilogramm. Nicht schlecht für so ein kleines Motorrad! Die Sitzbank bietet zudem Auch genügend Platz für Ausritte zu zweit und das nicht nur bis zum nächsten Eiscafe oder zum Badeteich.

Das Standgeräusch ist mit 91 dB angenehm dezent, der Sound dennoch schön dumpf. Mit dem 15 Liter fassenden Tank kommt man über 440 Kilometer weit, da sich der kleine Cruiser mit einem Testverbrauch von 3,4 Liter Super auf 100 km begnügt. Der niedrige Verbrauch ist zum einen erstaunlich, weil man aufgrund der begrenzten Leistung hauptsächlich mit Vollgas fährt, zum anderen freut er in Kombination mit dem kleinen Hubraum das Börserl doppelt, weil sich dadurch die Abgaben an Vater Staat und an die Versicherung in engen Grenzen halten. Ein günstiges Vergnügen also, auch im Alltag und für Pendler.

Austattung: Viele Plus- und wenig Minuspunkte für den kleinen Cruiser

An elektronischen Spielereien darf man sich in dieser Klasse und vor allem zu diesem Preis eigentlich nichts erwarten. Royal Enfield packt dann aber neben dem obligatorischen ABS noch eine kleine einen TFT-Farbbildschirm beherbergende runde Zusatzeinheit mit ins Cockpit, die einen echten Mehrwert bietet. Die Royal Enfield Turn-by Turn Navigation (ehem. Tripper genannt) nutzt in Verbindung mit einem Smartphone und der Royal Enfield App das Kartenmaterial von Google Maps um ein Navi anzubieten! Nutzt man ein Headset kann man sich die Richtungsanweisungen zusätzlich zu den Pfeilen im Display auch direkt ins Ohr ansagen lassen. Das ist ein echter Mehrwert und war in diesem Preissegment bislang unvorstellbar - Bravo Royal Enfield!

Der günstige Preis der Maschine wird an den allermeisten Stellen gut kaschiert. Die Verarbeitungsqualität ist im Großen und Ganzen in Ordnung. Die Materialanmutung auch, einzig der Tankdeckel aus Plastik, oder der verbaute Kunststoff am (optionalen) Seiten-Koffer fallen etwas negativ auf. Die verbaute kreisrunde LED-Tagfahrleuchte ist ein schöner Kontrapunkt zum klassischen Auftritt der Enfield, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Scheinwerfer von der Leuchtkraft her eher in der Grablicht-Abteilung einzuordnen ist.

Zahllose Varianten und viel Zubehör für die Meteor

Wir hatten die Royal Enfield Meteor 350 in der (mir persönlich etwas zu langweiligen) Farbvariante Stellar Black ausgefasst. Auf der Maschine waren der Windschild, der Motorschutzbügel, der Kunststoff Seitenkoffer (inkl. wasserdichter Innentasche), eine niedrigere Sitzbank, die Sissybar und die Deluxe-Fußrasten montiert. Insgesamt lässt sich die Meteor in 7 verschiedenen Farben ordern und mit über 140 Original-Zubehörteilen veredeln, Details entnehmt ihr bitte McGregros Vorstellung der Royal Enfield Meteor 350. In jedem Fall ist der kleine Cruiser eine ideale Basis für Customizer, denen bei dem günstigen Basis-Bike noch einiges Budget für diverse Umbauten übrig bleiben dürfte.

Horvaths Meinung zur Royal Enfield Meteor 350

Einen Royal Enfield-Test ohne den Horvath zu machen, den einzigen 1000PSler der auch privat ein Motorrad der indischen Marke bewegt, wäre ja beinahe frevelhaft. Daher gibt es im folgenden Absatz seinen Senf zur Meteor 350:

Was für eine Überraschung! In der Klasse der preisgünstigen Cruiser sind die Erwartungen relativ niedrig - da kann es verblüffen, wenn ein Motorrad wie die Meteor 350 daher kommt. Motorisch wird sie zwar keine Berge versetzen, doch das kompakte Aggregat hängt herrlich sanft am Gas und lässt sich wunderbar dosieren. Dass sich der Verbrauch, trotz der langen Vollgas-Etappen in Grenzen hält, ist ein zusätzlicher Pluspunkt. Nicht ganz so harmonisch lässt sich das Getriebe aufgrund der Schaltwippe bedienen - hier fehlt es an klarem Feedback, ob der gewünschte Gang auch wirklich eingerastet ist. Fahrwerk und Bremsen sind der Leistungsklasse entsprechend und lassen keinerlei Wünsche übrig. Für das Geld ist die neue Royal Enfield Meteor 350, mit ihrer gefühlt endlosen Möglichkeit des Customizings, ein traumhaft rundes Paket, das als erstes Bike für EinsteigerInnen, oder als Zweitbike für erfahrene PilotInnen viel Freude spenden wird.

Die Royal Enfield Meteor 350 bringt Entwarnung für Poky

Um meine eingangs gestellte Frage zu beantworten und somit den Selbsttest einem Ende zuzuführen: Nein, ich bin nicht abgestumpft! Im Gegenteil, die Tage in bekannten Gefilden mit der kleinen und günstigen Royal Enfield Meteor 350 waren herrlich entspannt. Die Grundessenz des Motorradfahrens, ist für mich die Abwechslung, die ich im Sattel verspüre. Auch wenn ich eine Strecke das 100. Mal fahre, ist sie nie komplett gleich. Da ein schöner alter Bauernhof, dort eine blühende frühsommerliche Wiese, hier eine neue Abzweigung - es gibt so viel zu entdecken! Auf der Meteor hat man Zeit die Seele baumeln zu lassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren - Motorradfahren genießen!

Fazit: Royal Enfield Meteor 350 Stellar 2021

Ob als Einsteigerbike oder Zweitmotorrad, die Royal Enfield Meteor 350 bietet verdammt viel Motorrad zu einem mehr als fairen Tarif. Eines ist aber auch klar: Wer auf der Suche nach Rundenzeiten oder Hausstreckenrekorden ist, sollte sich ein anderes Motorrad zulegen. Alle anderen machen mit der gefällig designten Meteor 350 garantiert nichts falsch. Ein tolles Motorrad, das ohne echte Konkurrenz am Markt durchaus zum Kassenschlager werden könnte!


  • unschlagbarer Preis
  • Motor hängt gut am Gas
  • Turn-by-Turn Navigation
  • gute Ergonomie für groß und klein
  • stark individualisierbar
  • stimmiges Konzept
  • Fahrwerk und Bremsen passen
  • groß genug für zwei
  • gute Schräglagenfreiheit
  • einsteigerfreundlich
  • Verarbeitung und Materialanmutung vereinzelt auf niedrigem Niveau
  • Scheinwerfer mit geringer Lichtausbeute
  • Motorleistung etwas schwach für Autobahnetappen

Bericht vom 12.06.2021 | 73.228 Aufrufe

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