Aprilia Tuono 660 vs RS 660 Vergleichstest 2021
Quirlige Tuono oder supersportliche RS 660 - welche kann mehr?
Auf RS folgt Tuono, so war das immer schon. Naja, ursprünglich folgte auf RSV Tuono, das fehlende V beim neuen Geschwisterpaar ist aber Programm: Sowohl die neue RS 660 als auch die, nun wenige Monate später präsentierte Tuono 660 verzichten auf einen Aprilia-typischen V-Motor und setzten stattdessen auf einen Reihen-Zweier! Welche kann mehr überzeugen, die nackte Tuono 660 oder die supersportliche RS 660?
Der Wortlaut welche kann mehr überzeugen? setzt eigentlich schon voraus, dass auf jeden Fall beide Modelle überzeugen. Es muss lediglich geklärt werden, welche der beiden noch mehr als die andere ins Herz fährt. Und da fällt die Entscheidung gar nicht so leicht, denn während die Tuono mit ihrer agilen Naked Bike-Geometrie voll punkten kann, wartet die RS mit einem umfangreicheren Elektronik-Package auf. Beleuchten wir daher erst einmal die Gemeinsamkeiten der beiden Schwestern.
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Aprilia Tuono 660 und RS 660 - astreine zweieiige Zwillinge!
Denn auch wenn die beiden Aprilias in völlig anderen Segmenten angesiedelt werden, sind sie sich doch in sehr vielen Aspekten erstaunlich ähnlich. Astreine zweieiige Zwillinge quasi. Da wäre mal das völlig neue Triebwerk, erstmals wird abgesehen von den Einzylindern kein V-Motor bei einer Aprilia verbaut, sondern ein Reihen-Zweizylinder. Damit das Ganze wenigstens doch ein wenig mit den großen V4-Modellen zu tun hat, basiert das neue Triebwerk mit 659 Kubik Hubraum auf der vorderen Zylinderbank aus Tuono V4 bzw. RSV4 1100. Der Rest des Motors musste natürlich neu konstruiert werden, aber dem Hubraum entsprechend werden auch in Sachen Leistung ziemlich genau 60 Prozent der Tuono V4 1100 generiert.
Wer maximalen Spaß will, muss Tuono und RS 660 ordentlich auswinden!
Bei der RS 660 wollten die Ingenieure wohl noch zeigen, dass man stolze 100 PS aus diesem doch sehr kompakten Triebwerk kitzeln kann, bei der Tuono 660 ging man hingegen den pragmatischeren Weg: 95 PS sind kaum weniger, lassen sich aber viel einfacher (ohne zusätzliches 95 PS-Modell wie bei der RS 660) auf die A2-Führerschein-konformen 48 PS drosseln. Den Unterschied von 5 PS merkt man de facto ohnehin nicht, denn die Maximalleistung liegt sowohl bei Tuono als auch RS 660 bei 10.500 Umdrehungen an, also ziemlich knapp vor dem Drehzahlbegrenzer rund 1500 Touren später - was wiederum bedeutet, dass man beide Maschinen ordentlich auswinden muss, wenn man maximalen Spaß ernten will!
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Die gute Elastizität verdanken die beiden Aprilias ihrem Ride-by-Wire
Dass man dennoch mit beiden nicht permanent in den Begrenzer rattert, liegt daran, dass die agilen Aprilias auch schon untenrum und vor allem im mittleren Drehzahlbereich äußerst kultiviert und geschmeidig ans Werk gehen. Das liegt gar nicht so sehr an einem fülligen Drehmoment (67 Newtonmeter bei 8500 fordern ja eigentlich auch schon sehr hohe Drehzahlen) sondern an einem ausgezeichnet abgestimmten Ride-by-Wire-System - das sich bei beiden Modellen exakt gleich gut benimmt. Damit verwundert es auch keineswegs, dass die Verbräuche sich sehr gleichen, knapp 5 Liter bei normalem Mischbetrieb und rund 6 Liter bei richtig unvernünftigem Anrauchen gehen meines Erachtens noch in Ordnung.
Bremsen und Chassis - bitte wo sind die Unterschiede?
Ganz ähnlich verhält es sich bei der Hardware von Fahrwerk, Chassis und Bremsen - nahezu alles gleich. Die Brembo-Vierkolbenzangen mit 320er-Doppelscheiben packen von Beginn an ordentlich zu, was aber durchaus zum sportlichen Charakter der beiden Italienerinnen passt. Das Aluchassis mit dem Motor als tragendes Element erweist sich bei beiden als angenehm stabil, die Radstände sind mit herrlich kurzen 1370 Millimeter exakt gleich. Sogar die Sitzhöhen sind mit jeweils 820 Millimeter in jenem Bereich, der noch niedrig genug ist, um Anfänger nicht abzuschrecken, aber auch hoch genug, um eine sportliche Fahrweise zu ermöglichen.
Die bessere Gabel kommt dem Ego auf der Aprilia RS 660 zugute
Beim hinteren Mono-Federbein, in Zugstufe und Federvorspannung verstellbar, geht die Gleichteilepolitik weiter. Wenigstens findet man an der Gabel geringfügige Unterschiede: Bei beiden werkt eine 41er-USD-Gabel von Kayaba, in Federvorspannung und Zugstufe verstellbar. Dass die Gabel der RS 660 an beiden Holmen verstellt werden kann, bei der Tuono nur am rechten Holm, tut dann vor allem dem Ego auf der RS 660 gut, hat aber keinen entscheidenden Vorteil im Fahrbetrieb. Denn beide Italienerinnen benehmen sich (wie schon mehrmals erwähnt) äußerst handlich.
Am Lenker sollt ihr die beiden Italienerinnen unterscheiden!
In diesem Zusammenhang kommen wir nun aber doch zum größten Unterschied zwischen den beiden Aprilias - die Lenker. Auf der Tuono 660 ein breites Superbike-Geweih, das nicht nur zufällig an jenen Lenker der großen Tuono V4 erinnert. Damit wird eine angenehm aufrechte, aber doch vorderradorientierte Sitzposition ermöglicht. Auf der RS 660 hingegen niedrigere Lenkerstummel, die tatsächlich unbequemer als auf der Tuono 660 sind, allerdings weit davon entfernt, den Rücken wie auf einem echten Supersportler arg zu strapazieren. Die RS 660 erinnert stattdessen an einen Sporttourer, mit dem man ja in der Regel auch lange Reisen absolvieren kann, eben nur noch vorderradorientierter.
Sogar bei Windschutz und Gewicht sind die beiden Aprilias auf Augenhöhe
Im Gegenzug muss sich die Tuono 660 in Sachen Windschutz nicht wirklich vor ihrer RS-Schwester verstecken. Schon erstaunlich, wie viel Verkleidung ein Naked Bike haben kann und trotzdem noch luftig leicht sowie auf das Wesentliche reduziert aussieht. Genau genommen ist nämlich auch die Tuono 660 bis auf den Schnitt in den Seitenteilen vollverkleidet und hat sogar eine verhältnismäßig große Scheibe an der Front. Daher sind sich Tuono 660 und RS 660 auch beim Gewicht absolut einig: 169 Kilo trocken, 183 Kilo fahrfertig sind sowohl bei einem fast 100 PS starken Naked Bike als auch bei einem alltagstauglichen Supersportler Garanten für ein wahnsinnig agiles Fahrerlebnis. Das geringe Mehrgewicht der Verkleidung macht die RS 660 offenbar durch ihre Lithium-Ionen-Batterie wett, die Tuono 660 hat noch einen herkömmlichen Blei-Akku.
Das Elektronik-Paket macht die RS 660 paradoxerweise zum billigeren Bike
Kommen wir also zu dem Punkt, der die RS 660 rein nach Vernunft in die vorderste Position in Sachen Begehrlichkeit schiebt: Das Elektronik-Paket. Nicht falsch verstehen, die Tuono 660 hat mit verstellbarem ABS und Traktionskontrolle, einstellbarer Engine Brake(!), justierbarer Wheelie-Control, fünf wählbaren Fahrmodi (zwei davon frei konfigurierbar), 5 Zoll Farb-TFT-Display und sogar serienmäßigem Tempomat ein richtig gutes Elektronik-Paket mit auf den Weg bekommen. Das einzige Problem ist, dass die RS 660 mit ihrer IMU (ermöglicht dank der Gyro-Sensoren Kurven-ABS und schräglagenabhängige Traktionskontrolle) eben ein noch besseres Package ab Werk an Bord hat. Man kann bei der Tuono 660 dieses IMU-Paket zwar dazu bestellen, damit ist der Preisvorteil von gerade mal 400 Euro gegenüber der RS 660 aber schnell dahin. Killerargument für die RS ist schließlich der serienmäßige Schaltassistent samt Blipperfunktion - der auch noch richtig gut funktioniert! Denn damit wird die RS 660 paradoxerweise trotz höherem Grundpreis zum günstigeren Angebot.
Aprilia Tuono 660 oder RS 660 - Herz oder Verstand?
Mein Herz würde trotzdem mehr für die Tuono schlagen, zumindest in den beiden getesteten schwarzen Versionen, die von Aprilia trotz exakt gleichem Schwarz und Grellrot unterschiedlich heißen: Tuono 660 Concept Black, RS 660 Apex Black. Denn da hat die Tuono 660 mit mehr grellrot eingefärbten Teilen noch mehr Pepp als die, im Vergleich fast schon bieder wirkende RS 660. Quickie mit Blipper dazu und schon hat man ein herrlich agiles Naked Bike, das auch im Alltag und dank der guten Verkleidung sogar auf weiteren Strecken Spaß machen kann. In Acid Gold, jeweils mit grellroten Felgen sieht (meiner Meinung nach) wiederum die RS 660 besser aus. Und wer seine 660er-Aprilia in geschichtsträchtiger Replica-Farbgebung namens Lava Red will, muss ohnehin zur RS 660 greifen, dafür gibt es nur die kleine Tuono in Iridium Grey. Tja, egal ob mit Herz oder Verstand, die Entscheidung zwischen Tuono 660 und RS 660 fällt wirklich nicht leicht!
VAULI
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Fazit: Aprilia RS 660 2021
Mit der RS 660 schließt Aprilia gekonnt die Lücke zwischen den kleinen Bonsai-Sportlern und den mächtigen Superbikes. Die neue Mitte der Italiener kann dank bequemer Sitzposition und Gimmicks wie Tempomat sehr gut den Alltag bewältigen, allerdings können der quicklebendige Motor und das hochwertige Chassis mit guten Federelementen auch richtig sportlich bewegt werden. Die Bremse bewegt sich dazu passend irgendwo dazwischen und die Elektronik könnte nicht umfangreicher sein. Schließlich setzt die RS 660 beim Design neue Maßstäbe und will sich partout in keine Kategorie einordnen lassen.- antrittsstarker und elastischer Motor
- schöner Sound
- gute Bremsen
- ausgezeichnetes Handling
- wenig Gewicht
- angenehme Sitzposition
- riesiges Elektronik-Paket
- wunderschöne Optik
- Leerlauf lässt sich schwer finden
- schlecht ablesbarer Drehzahlmesser
VAULI
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Fazit: Aprilia Tuono 660 2021
Die neue Aprilia Tuono 660 ist eine würdige Trägerin des mittlerweile ehrwürdigen Namens Tuono. Der „herzige“ Hubraum täuscht nämlich, der Reihen-Zweizylinder ist agiler, als man erwarten würde und zeichnet sich dennoch durch überraschend gute Elastizität aus. Fahrwerk, Ergonomie und Bremsen setzen den Kompromiss zwischen Sport und Komfort (mit einem klaren Hang zur Sportlichkeit) ausgezeichnet fort. Der Windschutz der herrlich feschen Verkleidung ist erstaunlich gut. Das Elektronik-Paket kann sich sehen lassen, das IMU-Package, das etwa das Kurven-ABS ermöglicht, kostet allerdings leider Aufpreis. Apropos Aufpreis: unbedingt den Schaltassistenten mit Blipper ankreuzen!- Herrlich agiler Motor mit gutem Sound
- gelungene Optik
- sportliches Handling
- gute Ergonomie
- ordentliche Bremsen
- umfangreiche Elektronik
- Tempomat Serie
- IMU-Paket kostet extra
- Kupplungshebel schwer zu erreichen
Bericht vom 04.03.2021 | 25.497 Aufrufe