KTM 1290 Super Duke R Vergleich alt gegen neu

Geht's noch ärger? Ist die neue Super Duke besser als die alte?

Wenn etwas ultimativ extrem ist, stellt sich die Frage, ob dessen Evolution eine Verbesserung herbeiführen kann. Im Falle der Super Duke die interessanteste Frage der kommenden Saison.

Super Duke neu gegen alt - Design

Kompromisslos konstruierte Produkte stärken Fangemeinde und Feindgemeinde gleichermaßen. Wer heute auffallen will, muss auf den Tisch hauen und das gefällt nicht jedem. Doch gestalterische Extreme laufen nicht nur Gefahr, momentan als überzogen und übertrieben auffällig (Stichwort: Prolo) wahrgenommen zu werden, sondern ihr Sensations- und Begeisterungspotenzial schneller einzubüßen als sie von 0-100 beschleunigen. KTM scheint mir eine seltsame Ausnahme zu sein und ich habe noch nicht herausgefunden, warum. Möglicherweise liegt es an der tatsächlichen Einzigartigkeit der Modellgestaltung, denn selbst mutige Meilensteine aus der Zeit scharfkantiger, großflächiger Verkleidungen wie die erste 950 Adventure oder der Supersportler RC8 empfinde ich heute noch nicht als überholt oder fatalen Futurismus von gestern.

Eine weitere Herausforderung, die sich aus dem Ausreizen von Geschmacksgrenzen ergibt: Irgendwann scheint es kaum noch extremer zu gehen. (Die Designer bei KISKA werden da anderer Meinung sein, die Grenzen liegen wohl eher im technisch und gesetzlich Möglichen.) Bei der Super Duke beschränkte sich KTM auf eine feine Schlankheitskur und die Definition des Muskelpakets. Das Heck wurde drahtiger, die Seitenflügel länger, die Lichtmaske durch einen Alurahmen und einen kompletten Glaskörper leichter und "luftiger". LED und TFT waren genau jene State-of-the-Art-Akzente, die der Super Duke gefehlt haben, schließlich bewegen wir uns hier im hochpreisigen Premiumsegment.

Super Duke neu gegen alt - Display

Wie viele konservative Kollegen jammere ich den analogen Instrumenten nach, besonders für die Anzeige der Drehzahl. Irgendwie ist es für mich schneller fassbar, wenn sich die Spitze einer Nadel entlang einer Kreisbahn von unten nach oben bewegt, als die zwar kreativen, aber oft nur schwer lesbaren Digitalanzeigen in allen erdenklichen Farben auf modernen Motorrädern. Bei KTM ist das etwas anders. Da gefielen mir die völlig pragmatischen LC-Dashboards - angefangen bei der RC8 - besser als beispielsweise die aus zwei separaten LCDs und einer Analoganzeige zusammengezimmerte Instrumenteneinheit der Super Duke. Nun sind wir im TFT-Zeitalter und somit bei der Smartphone-Optik angelangt, was nicht so ganz zum radikalen Ready-to-Race-Charakter passen mag. Die gute Ablesbarkeit und der leichte Retro-Charme der Grafik retten es für mich dann aber doch.

Super Duke neu gegen alt - Motor

WOW! 177 PS und 141 Nm. KTM nimmt mit seinem 1301 Kubik V2-Reaktor locker die EURO4-Hürde und steigert die Leistung. Aber standen da nicht mal 144 Nm Drehmoment am Papier? Die Super Duke hat wirklich ein wenig an Spitzendrehmoment eingebüßt, doch gleichzeitig wurde das Drehzahlband nach oben erweitert und der "nutzbare" Bereich ausgedehnt. Hier geht's zum Leistungsdiagramm 1290 Super Duke R 2017. Schon ab 2.500 Touren stehen über 100 Nm zur Verfügung. Was bei unserem Test auf der Rennstrecke weder zu überprüfen noch von Interesse war, sind die Angaben zu einem niedrigeren Verbrauch und verringertem CO2-Ausstoß. Allerdings müssen wir zugeben, dass uns das auch in Zukunft nicht interessieren wird - bei so einem Motorrad jedenfalls.

Bei Autos wurde schon länger versucht, die größtmögliche Performance mit Fahrbarkeit und Alltagsnutzen zu verbinden, die Motorräder zogen aber nach und bieten jetzt ein unfassbares Leistungsspektrum. Die Super Duke durch kollabierenden Stadtverkehr pressen, ohne dass der Puls über 80 steigt, entspannt und bequem über die Landstraße zur nächsten Rennstrecke katapultieren und dort die Superbikes von Hobby-Hang-Off-Koffern versägen - alles in einem Aufwasch.

Super Duke neu gegen alt - Fahrwerk und Geometrie

Hier stecken die entscheidenden Änderungen an der neuen Super Duke drin, die für mehr Stabilität und Präzision besonders bei höheren Geschwindigkeiten sorgen. Um mehr Druck auf das Vorderrad des Wheelie-Monsters zu kriegen, wurde der um 20 mm breitere Lenker um 5 mm weiter nach unten und um 18,5 mm weiter nach vorn versetzt. Er kann allerdings in 4 Positionen um 22 mm in der Länger versetzt werden. Man sitzt nicht spürbar sportlicher im Sattel, sondern immer noch wie auf einem richtigen Naked Bike, also mehr aufrecht als aufgespannt. Die härtere Feder in der Gabel und die sportlichere Abstimmung waren schwer zu beurteilen, weil man für den Rennstreckeneinsatz ein noch strafferes Setting wählte. Ich hätte es nach meinen Erfahrungen in Brünn mit der alten Super Duke nicht für möglich gehalten, wie stabil die Kante in der Kurve sein kann.

Die Statur der Super Duke lässt ein Handling und daraus resultierend Korrekturen im Bewegungsverlauf zu wie sonst nur Supermotos. Dadurch läuft man besonders in der Kennenlernphase einer Rennstrecke Gefahr, selbst viel zu viel Unruhe in das Fahrzeug zu bringen. Das beruhigt sich, wenn man erstmal seinen Rhythmus und die Nähe der Ideallinie findet, aber für den Lenkungsdämpfer ist man nach wie vor dankbar. Anfangs dachten viele noch, die Wahl des Losail International Circuit mit langer Start-Ziel-Geraden und schnellen Kurvenfolgen wäre ein Fehler gewesen, doch sie war genau richtig.

Super Duke neu gegen alt - Elektronik

Wie spüre ich, was die Elektronik für mich macht? Werde ich dadurch nicht langsamer und verliere das Gefühl für das Motorrad? Zunächst spürt man die Elektronik dadurch, dass man beim ersten Gasstoß nicht auf dem Buckel liegt. Rennfahrer und KTM-Testfahrer Jeremy McWilliams hat uns abgeraten, den Anti-Wheelie-Mode abzuschalten, weil die Super Duke im Dritten extrem schnell aufsteigt. Er habe sogar eine Möglichkeit gefunden, sie im fünften Gang aufsteigen zu lassen.

Vieles wird man aber als Normalfahrer nicht merken: Wenn man eigentlich gerade einen Highsider erlebt, oder im Kurveneingang das Vorderrad überbremst, oder einen sauberen Purzelbaum geschlagen hätte. Das alles merkt man mitunter nur an ein paar Blinklichtern am Display. Ich selbst habe die meiste Zeit meiner Laufbahn ohne IMU, Traktionskontrolle, Kurven-ABS und Launch-Control verbracht und bewege mich deshalb die meiste Zeit in einem Bereich, wo ich nicht auf eben genannte Mechatronik angewiesen bin, merke aber auch genau, wenn ich nicht mehr das alleinige Kommando habe.

Für Gasbefehle gilt das ohnehin dauerhaft, denn das Ride-by-Wire verbunden mit den Fahrmodi Street, Sport, Rain und optional Track würde niemals alle 177 Pferde auf einmal auf dich loslassen. Man spürt, dass es einen Übersetzer gibt, der zwischen dem Fahrer und dem Fahrzeug die Fahrdynamik vermittelt. Ich werde auch das Gefühl nicht los, dass in der einen oder anderen Situation am Losail International Circuit vielleicht doch zuviel der Bremskraft war, insofern sollte ich dem Kurven-ABS meinen Dank aussprechen. Nur mit dem Schaltautomaten war ich nicht ganz zufrieden, weil er nicht so fein arbeitete wie ABS und TC, sondern ziemlich forsch, was beim Durchbeschleunigen in Schräglage unnötig Unruhe ins Fahrwerk brachte.

1290 Super Duke R 2017 - Fahrmodi

Street, Sport (177 PS), Rain (130 PS), Track (optional; zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten und Schlupfanpassung)

MTC mit Schlupfanpassung

Die Slide-Control von KTM

  • Level 1: MTC aktiv, viel Schlupf möglich; für routinierte Piloten empfohlen
  • Level 2 bis 8: je nach Fahrkönnen und Gripverhältnis einstellbar
  • Level 9: zur Verwendung mit Regenreifen bei Nässe empfohlen

Wheelie-Control

Der Anti-Wheelie-Modus lässt sich mit dem Track Pack wahlweise abschalten.

Launch-Control

Im Fahrmodus Track ist eine Launch-Control inkludiert, die drei Startversuche zulässt, bevor sie dem Motorrad eine Pause gönnt. Während der Fahrer Vollgas hält, bleibt die Drehzahl konstant bei 6.500 U/min. Schlupf und Wheelie-Neigung werden zur optimalen Beschleunigung ebenfalls geregelt. Das System wird erst nach 1000 km Einfahrzeit aktiv.

ABS und Supermoto-Modus

Neuestes Bosch Bremsdruckmodul, "Kurven"-ABS, abschaltbar. Im Modus "Supermoto" kann das Hinterrad blockiert werden.

Super Duke neu gegen alt - Komfort

Mit Komfort ist nicht nur jener des Sitzens gemeint, der nicht besonders hoch ist, sondern alle Annehmlichkeiten auf diesem Sportgerät. Dazu gehören die elektronische Geschwindigkeitsregelanlage, von einer anderen Firma vor langer Zeit "Tempomat" getauft, die im 3. bis 6. Gang und bis maximal 200 km/h funktioniert. Oder das Reifendruckkontroll-Steuergerät (Wir erkennen: Luxus hat lange Namen), das den Fahrer über das Display bei Druckverlust warnt. Oder das KTM "Race On"-System, das den meisten als "Keyless-Go" bekannt sein dürfte, das aber hier auch den Tankdeckel mit entriegelt. So muss man an der Tankstelle nicht mehr mit dem Schlüssel entsperren, sondern kann den Verschluss einfach über ein "Schnapperl" öffnen.

Super Duke neu gegen alt - Brutaler? Besser? Beides?

Die 1290 Super Duke R hat sich weiterentwickelt und KTM genau dort angesetzt, wo es Nachholbedarf gab. Die Elektronik wurde verfeinert und erweitert, das Fahrwerk überarbeitet und die Geometrie verbessert, um mehr Fahrstabilität zu erreichen - was gelungen ist. Der Motor ist nicht spürbar stärker geworden und schon gar nicht brutaler, dafür im Alltag gefühlt noch umgänglicher. Der Druck über das gesamte Drehzahlband ist unfassbar, die volle Power praktisch nicht zu nutzen - außer man will in den Weltraum; und der Spaß auf der Rennstrecke mit einer Super Duke kaum zu überbieten.

NEU an der 1290 Super Duke R

  • LED-Scheinwerfer und LED-Tagfahrlicht
  • Bodywork mit schlankerem Heck, neuen Kraftstofftankspoilern und Lufteinlässen
  • Zwei neue Farbvarianten
  • Breiterer, tieferer und weiter nach vorn gezogener Lenker
  • Funkschlüsselsystem KTM RACE ON
  • Geschwindigkeitsregelanlage
  • Multifunktionales TFT-Display und beleuchteter Menüschalter
  • Optionales Performance Pack aus Motor- schleppmoment-Regelung (MSR), Quickshifter+ und KTM MY RIDE
  • Optionales Track Pack mit Track-Fahrmodus und frei wählbaren Motor-Mappings, Wheelie-Modus, Schlupfanpassung und Launch-Control
  • Hochentwickelter LC8-V2-Zylinder jetzt mit 130 kW (177 PS)
  • 10 mm kürzerer Ansaugflansch
  • Resonator
  • Erhöhtes Kompressionsverhältnis von 13,6:1 dank dem flachen Design der Titan-Einlassventile mit Chromnitrid-PVD-Beschichtung
  • Euro-4-konform
  • WP Federbein mit härterer Gabelfeder (10,0 N/mm). Die Federvorspannung und das Set-up der Gabel und des Federbeins wurden für noch mehr Sportlichkeit überarbeitet
  • Originalbereifung Metzeler M7RR

Fazit: KTM 1290 Super Duke R 2016

KTM kennt kein Zurück und KTM kennt kein Pardon. Deshalb ist die neue 1290 Super Duke R zwar noch etwas umgänglicher als die Vorgängerin, aber auch noch etwas stärker und schneller. Schon bei 2500 Touren stehen über 100 Nm zur Verfügung, maximal sind es 141, die Topleistung wird mit 177 PS angegeben. Das kann zuviel sein, muss es aber nicht. Die Elektronik bleibt der Rettungsschirm in dieser Kategorie, in der sich nach wie vor die Entwicklung kräftig vorwärts bewegt. KTM hat dort angesetzt, wo es Schwierigkeiten hab und das war die Stabilität. Änderungen an der Geometrie und am Fahrwerk haben diese deutlich verbessert, was den Ritt auf dem Biest nicht nur schneller, sondern auch sicherer macht. Das Handling ist deshalb nicht weniger radikal und die Supermoto-Gene so deutlich zu spüren wie bei keinem anderen Naked Bike. Es kann eben nur eine Super Duke geben.


  • monströser Motor und Drehmoment
  • breites Drehzahlband
  • wenig Vibrationen
  • starke Bremsen
  • umfangreiche Elektronik
  • tolle Extras
  • hochwertige Details
  • konkurrenzlos aggressive Optik
  • Schaltautomat etwas zu grob

Bericht vom 13.12.2016 | 112.310 Aufrufe

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