Roller over Mailand |
Piaggio Beverly
125 & 300 |
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Wir trauten unseren Augen nicht, was sich Rollerfahrer in Mailand
trauen: Dass sie an jeder Kreuzung die Pole Position okkupieren,
zwischen Autos, Bussen und Strassenbahnen kreuz und quer tanzen, dass sie
an jeder Ecke und auf jedem Gehsteig stehen, in Hundertschaften vor
Schulen parken, dass sie auch gegenüber Fussgängern viele Rechte haben
(mehr als bei uns auf jeden Fall) und dass sie alle Kampflinie fahren,
vom 16jährigen Girlie bis zum grimmigen Polizisten, das wussten wir
schon. Aber der Typ, der da seelenruhig auf dem Gehsteig dahinfuhr, wohl
respektvoll Passanten ausweichend, aber auch noch beim Überqueren der
breiten Viale Cenisio den Zebrastreifen benutzend das hatten wir noch
nicht gesehen. Auch nicht, dass ein Stadt-Carabiniere dabei seelenruhig,
ja völlig emotionslos zuschaut und NICHT amtshandelt. Es war übrigens
kein frecher Jungspund, der Gehsteig-Kreuzer, sondern ein recht würdig
wirkender Herr im Anzug. |
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Die Beverly macht zwar eine schlanke, schwungvolle Figur,
ist aber grösser, als sie wirkt. |
Sicher, das zumindest war ein Einzelfall. Sicher ist aber auch, dass die
Einspurigen in Mailand offenbar so gut wie alle Rechte haben. Die
Scooteristi besonders. Nicht umsonst gilt die lombardische Metropole als
die Roller-Hauptstadt Europas. Und es gehört fast schon zum Traum eines
aufrechten Schürzenfahrzeug-Piloten, einmal Milano unter die Räder zu
nehmen. Für uns wars nicht zum ersten Mal, unter anderem sind wir schon
mit der 300er-Vespa durch diesen Grossstadt-Dschungel gehirscht. Da könnte man meinen, man kenne sich schon aus. Nun ja,
listigerweise verlegen die Piaggio-Leute die Präsentationen immer wieder
an einen anderen Ort. Für den Beverly war es diesmal das Teatro Versace. Aha.
Klar wurde, warum, als uns die Piaggio-Leute die Zielgruppe des neu
gemachten Grossrad-Rollers erläuterten: der smarte Business-Man zwischen
30 und 45. Jener, der schon alles hat, was man so braucht, jener, der
noch ein smartes Gefährt für die Stadt sucht. Ob damit generell alle
Mädels in die Reihe zwei verbannt sind, darauf gabs keine Antwort.
Es ist jedoch immer noch DIE Maschine, ob sie 125 oder 300 ccm Hubraum
hat. Und DIE Beverly gibts seit 2001. 270.000 Mal wurde sie in
33
Ländern verkauft. Im Modelljahr 2010 kriegte sie ein Face- und
Technik-Lift verpasst. Was die Piaggio-Chefität so kommentiert: Wir
wollten keine Revolution starten, sondern einen Schritt nach vor
machen. Beim Design fallen eine Reihe von Auto-Features auf,
siehe Leichtmetall-Felgen mit 20 Speichen (vorne 16-, hinten 14-Zöller),
siehe in Metallringen eingefasste Instrumente im Cockpit mit blau hinterleuchteten
Armaturen, siehe die Innenaustattung des Staufachs in der Frontschürze:
Da drin steckt ein echtes Handschuh-Fach, wozu auch eine 12 V-Steckdose
gehört. |
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Allein oder ein Platz für zwei: Sozius und Sozia
sollten es gleichermassen gemütlich haben. |
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35,3 Liter Stauraum. 2 Jethelme
statt 1 Integralhelm. |
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Das Tagfahrlicht ist mit LEDs bestückt, das Bremslicht sowieso.
Der (versperrbare) Tankverschluss allerdings stammt aus dem
Motorrad-Repertoire. Gefeilt wurde an Details: Kniefreundlich ist, dass der obligate
Taschenhaken jetzt einklappbar ist. Praktisch ist, dass der Stauraum
unter dem Sattel jetzt grösser ist. Es passt zwar nach wie vor kein
Integral-Helm rein, dafür aber zwei Jet-Helme. Laut Werksangabe können
nunmehr 35,3 Liter Ladegut unter den Sattel gepackt werden. Interessant
ist, dass man der Beverly diese Zunahme nicht ansieht. Sie wirkt im
Stand insgesamt recht klein und zart, ist es aber de facto gar nicht.
Noch ein Detail am Rande: zur Serienausstattung gehört in der neuen
Beverly-Generation ein Seitenständer. Wohl, damit die Krawattenträger
beim Abstellen und Auf-den-Hauptständer-Wuchten nicht ins Schwitzen
geraten. Zum schlanken Auftritt verhilft wohl die Gestaltung der Front, die
Italiener nennen den lang gezogenen Kühlergrill la cravatta. Eh klar,
es soll ja ein Business-Roller sein, die Damen täten ja auch eher ein
Halstuch nehmen. Auch die Zweifarb-Lackierungen machen eine schlanke
Gestalt, die Farben haben, wie bei den leidenschaftlichen Italienern
üblich, grosse Namen: Perseus Bronze, Perlweiss,
Mitternachtsblau, Cosmos Schwarz und Antares Rot. Die bei allen
Varianten - ausgenommen der dunkelblauen - braun gehaltene Sattel-Polsterung
sieht fein aus. Insgesamt ist der neue optische Auftritt der Beverly
kein überaus auffälliger, aber auch kein mausgrauer. |
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Piaggio Beverly: Sie macht als
125er und 300er optisch solo und im Paarlauf gleich gute Figur,
leistungsseitig liegt dem A-Schein-Fahrer natürlich die stärkere näher. |
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In Sachen Technik fanden ebenfalls keine Revolutionen statt, sondern
Evolutionen. Dennoch wurden Fahrstabilität und das Schluckvermögen von
Fahrwerk und Federelementen spürbar verbessert. Das 125er- beziehungsweise
300er-Einzylinder-Aggregat hängt in einem Doppelschleifen-Stahlrahmen,
an der Front arbeitet eine 35 mm-Telegabel, am Heck Stereofederbeine, an
denen die Vorspannung vierfach justierbar ist. Das deckt
unterschiedlichste Fahrergewichts-Anforderungen souverän ab. Ergonomisch
gibts nichts zu meckern, die Sitzhöhe ist mit 790 Millimetern moderat,
grössere Menschen freuen sich über die Lendenwirbel-Unterstützung des
Fahrersitzes, kleinere & dünnere könnten glatt zwei Beifahrer mitnehmen,
wäre der Sattel nicht stufig abgesetzt.
Das Mailänder Pflaster ist keine ebene Sache, die Fahrbahnzustände in
den Vororten sind gemischt, Spurrillen laufen auf den
Hauptverkehrsstrassen sowieso kreuz und quer, Strassenbahnschienen gibts
auch zuhauf. Dieses gemischte Programm meistert die Beverly mit links. Highspeed
jenseits der 100er-Marke gefahren mit der 300 cc-Version bringt sie
auch nicht ins Wanken oder Wackeln. Ihre Agilität und Spurstabilität
spielt sie dennoch am besten im dichten Verkehrsgewühl aus. Obwohl: Bei
einem Abstecher in ein einigermassen kurviges Revier stellten wir fest,
dass man sie ganz cool und motorradartig um die Ecken treiben kann. |
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Ganz cool & motorradartig um die Ecken treiben. |
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Bei allem Respekt der Mailänder Käfig-Treiber vor einspurigen
Fahrzeugen: Heftig in die Eisen greifen muss man trotzdem häufig. Im
Vorfeld hatte Piaggio nahezu eine Halbierung der nötigen Handkraft
versprochen. Nun, das kommt einigermassen hin: Die Anker arbeiten
vorzüglich. Gebremst wird vorne via 300 mm-, hinten via 240
mm-Monoscheibe, vorne und hinten beisst eine Zweikolben-Zange zu. Die tun
das bis zum Pfeifen frei von jeglicher Blockierungs-Tendenz. Die Frage
nach ABS hat dann gleich keiner mehr gestellt.
Einem weiteren Versprechen Piaggios konnten wir leider aus Zeitmangel
nicht auf den Grund gehen: neue Sparsamkeit. Ein Tankinhalt das sind
12,5 Liter soll für bis zu 370 Kilometer vorhalten. Dem zugrunde liegt
beim 125er eine Überarbeitung der Einspritzung und ein neues
Flüssigkeitskühlungs-System. Wie weit wir mit dem 300er mit einem Tank
kommen, werden wir auf heimischem Terrain ausprobieren. Im schnöden
Alltag.
Für diesen Alltag ist mit dem Auslieferungsdatum in Österreich
im Juli - das komplette Zubehör-Angebot fertig: hohes Windschild,
Topcase (36 und/oder 48 Liter) mit oder ohne Beifahrer-Rücklehne,
Hotcover, Abdeckung und elektronische Alarmanlage. Die Wahl, ob man den
125er- oder den 300er mit diesen Sachen bepackt, hängt davon ab, welche
Führerschein-Klasse man absolviert hat.
Beim Preis ist der Unterschied
nicht gar so gross: € 4.199,-- / € 4.790,--. Zum Einstand. |
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Technische
Daten |
Modell |
Beverly 125 |
Beverly 300 |
Motorbauart |
Einzylinder Viertakt |
Hubraum |
124 ccm |
278 ccm |
Bohrung x Hub |
57,0 x
48,6 mm |
75 x 63
mm |
Leistung (homologiert) |
10,36
kW (15 PS) @ 9.750 U/min |
16,32 kW (22,2 PS) @ 7.250 U/min |
Max. Drehmoment |
12 Nm @
7.250 U/min |
23 Nm @
5.750 |
Starter
/ Batterie |
E-Starter |
Getriebe |
CVT |
Gemischaufbereitung |
elektron.
Einspritzung |
Schmierung |
Nasssumpf |
Kühlung |
Flüssigkeit |
Rahmen / Schwinge |
Stahl Doppelschleife /
Triebsatzschwinge |
Federung vorne |
Telegabel,
Ø 35 mm |
Federung hinten |
Stereo-Federbeine, vierfach
einstellbar |
Federweg vorne / hinten |
90 mm |
81 mm |
Bremse vorne |
300 mm, Monoscheibe,
2-Kolben-Schwimmsattel |
Bremse
hinten |
240 mm,
Monoscheibe, 2-Kolben-Schwimmsattel |
Bereifung vorne / hinten |
110/70-16 |
140/70-14 |
Radstand |
1.535 mm |
Sitzhöhw |
790 mm |
Tankinhalt |
12,5 Liter |
Gewicht |
162 kg |
165 kg |
Top
Speed |
100
km/h |
>100
km/h |
Preis |
€ 4.199 |
€ 4.790 |
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Slideshow |
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Interessante Links:
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Fotos: Piaggio
Text: Trixi Keckeis |