The Italian Style: Honda SH300I

Italienischer Pragmatismus - oder auch der Honda Style

Wie japanische Werte in den italienischen Alltag Einzug halten, oder warum der Honda SH 300i seit Jahren die Roller-Charts unserer südlichen Nachbarn dominiert.

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La dolce Vita: Nach einem kräftigen Espresso im Goppion in Padua flanieren wir die Via Roma hinunter zu den Wochenend-Märkten am Prato della Valle. Eine Gruppe von Studentinnen trinkt Aperol im Caffeine, im Schatten der Arkaden gähnt eine Katze, ein älterer Herr im Nadelstreif steigt in seine mindestens ebenso alte Alfa Giulietta. Es liegt der italienische Lifestyle in der mediterranen Luft, im Land der Ferraris, Alfa Romeos, Maseratis, und vor allem im Motorroller-Mekka schlechthin. In einem Land, in dem der geringste Styling-Fehler jeden Touristen aufblattelt, man nie mit ungeputzten Schuhen das Haus verlässt, oder gar mit kurzer Hose und Badegeschlapf zum Abendessen auftaucht; dort, wo man statt Roller einfach Vespa sagt - tja, ausgerechnet da sind die drei meistverkauften Scooter also von Honda (SH150 vor SH300 und SH125, Stand Jänner-März 2017). Platz 4 geht an BEVERLY 300, die erste Vespa folgt erst auf Platz 12 mit der GTS 300. Ein ketzerisches Bild, das sich auf den Piazzas der Stadt widerspiegelt, und für mich ein Grund, dem nachzugehen. Nicht im schönen Padua, sondern in der Toskana für Arme im Süden Wiens.

Sportlerqualitäten, oder: was könnte in Italien wichtiger sein als Stil?

Erster Grund für die Beliebtheit könnte die Performance sein. Kein 300er Roller hat am Datenblatt mehr PS. Die SH300i ist unauffällig genug, um an der Ampel unterschätzt, aber kraftvoll genug, um von Autofahrern beim Sprint nicht belästigt zu werden. So fließen wir vorbei an den Getreidefeldern im Süden Wiens, stellen uns vor, es wäre irgendwo in der Toskana und simulieren ein paar Ampelstarts von 0-80km/h gegen eine leicht modifizierte (leichtere Variorollen und dazu passende Kupplung) Aprilia Sportcity 300 von 2012. Deren 22,5 PS Quasar Motor knurrt auch in der Vespa GTS 300. Tatsächlich geht die unmodifizierte SH300 wesentlich ruhiger und kultivierter ans Werk als der Quasar Motor, geringere Vibrationen fühlen sich weniger spektakulär an, doch an der Ampel schenken sich beide nichts und sind komplett gleich auf, von 0-80 km/h genauso wie von 40-80 km/h. Bei höheren Geschwindigkeiten zieht die Honda dann langsam davon. Während bei der Aprilia je nach Wind bei Tacho 140 Schluss ist, zieht die Honda bis ca. 150 Tacho-km/h durch.

Schlank

Ein weiterer Grund für die Beliebtheit könnte die schlanke Erscheinung des 300ers sein. Die klassische Form mit Trittbrett ist nicht nur praktisch, um die breiten Latschen abzustellen, sondern bietet auch Platz fürs Einkaufssackerl. Tatsächlich ist die SH300 auch wendig, und so eröffnen sich Fahrrinnen überall dort, wo man mit einem fetteren 500er Beverly schon zwischen den Autospiegeln ankert.

Qualität

Über die Salz-Festigkeit der Auspuffrohre kann man nach den wenigen Testkilometern nichts berichten, was aber auffällt, ist, dass die Verarbeitung generell auf einem sehr hohem Niveau ist. Es klappert nichts, alle Schalter und Hebel fühlen sich hochwertig an, das Topcase sitzt perfekt; überall, wo mein Blick hinfällt, passen die Spaltmaße und die Optik der Verarbeitung.

Tech Specs

Tech Specs
BauartFlüssigkeitsgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor
Bohrung x Hub (in mm)72 x 68,5
Hubraum (in cm3)279
Verdichtung10,5 : 1
GemischaufbereitungPGM-FI Benzineinspritzung
Max. Leistung (in kW (PS) bei min-1 (95/1/EC))18,5 (25) / 7.500
Max. Drehmoment (in Nm bei min-1 (95/1/EC))25,5 / 5.000
ZündungTransistorzündung
StarterElektrostarter
Höchstgeschwindigkeit (in km/h)128
Verbrauch in km/l (l/100km) nach WMTC33,3 km/l (3,0 l/100 km)
AbgasnormEuro 4
Abgasverhalten (CO2 g/km kombiniert)70 g/km
GetriebeStufenlose Keilriemenautomatik
EndantriebRiemen
KupplungAutomatische Fliehkraftkupplung
Batterie12 Volt / 11,6 Ah
Länge x Breite x Höhe (in mm)2.130 x 730 x 1.195
Radstand (in mm)1.440
Lenkkopfwinkel27°30'
Sitzhöhe (in mm)805
Bodenfreiheit (in mm)130
Tankinhalt (in Liter)9.1
Sitzplätze2
RahmenStahlrohr-Unterzugsrahmen
Nachlauf (in mm)98
Felge vorne16 x 2.75
Felge hinten16 x 3.50
Bereifung vorne110/70-16
Bereifung hinten130/70-16
Radaufhängung vorne35 mm Teleskopgabel
Radaufhängung hintenSchwinge, 2 Federbeine
Bremse vorneABS, 256 mm Einscheibenbremse mit Doppelkolbenbremszange
Bremse hintenABS, 240 mm Einscheibenbremse mit Einkolbenbremszange
Gewicht vollgetankt (in kg)169
Zul. Gesamtgewicht (in kg)349
Max. Zuladung (in kg)180

Komfort

Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Römer wahre Ampelstart-Weltmeister sind, doch wenn ich so über den Bahnhofsplatz flaniere, mit Fokus auf die Rollersituation, wird schnell klar, dass es offenbar für die meisten Italiener weniger ums Posen, sondern einfach um einen möglichst praktischen und kompetenten Autoersatz geht, um in der Stadt voran zu kommen und auch Meter Überland zu machen. Eine hohe Scheibe und Topcase sind Standard, und spätestens nach der beheizten Sitzdecke braucht man an Stil und den Auftritt vor der Eisdiele keinen Gedanken zu mehr verschwenden. Mit den Accessoires sieht auch eine Vespa alt aus und ab dem Moment punktet die Honda gnadenlos.

Das Fahrwerk ist für einen so kompakten Roller hervorragend. Mit Sitzbank (unter der man mit etwas Geschick einen Integralhelm verstauen kann), Trittbrett und Topcase hat man selbst für die Wocheneinkäufe genügend Platz. Die LED-Scheinwerfer sind nicht nur innovativ, sondern bringen auch deutlich besseres Licht auf die Straße. Dazu noch optional Griffheizung und ein passendes Windschild, und fertig ist der ideale Stadthobel. Das Keyless-System ist das Tüpfelchen auf dem i und der Garant für einen großen Vorsprung beim Le-Mans-Start.

Kritik

Neben der Optik sind es nur Kleinigkeiten, die ich mir wünschen würde. Von Givi gibt es schon seit langer Zeit Funklösungen fürs Topcase. Die integrierte Keyless-Lösung von Honda würde sich auch dafür anbieten, sodass man wirklich den Schlüssel in der Hosentasche lassen kann. Die Tankuhr ist so, wie ich sie von den meisten Rollern kenne. Nach dem Volltanken bleibt der Zeiger die ersten 100km auf Anschlag, bevor er sich dann immer schneller werdend gegen Null bewegt. Aber gut, das hat vermutlich mit Logarithmen und höherer Mathematik zu tun.

The Honda Style - Italienischer Pragmatismus

So scheint es am Ende so zu sein, dass die Italiener pragmatischer sind, als ich ihnen zugetraut hätte. Wenn - wie im Fall der Honda - einfach überwältigend viele Argumente dafür sprechen, ist es anscheinend so, dass selbst die design- und style-verliebten Italiener Prinzipien über Bord werfen und sich mit der etwas biederen Optik anfreunden.

Die Vorteile der Honda SH-Serie liegen auf der Hand: vom Fahrwerk und der Verarbeitung über das solide Honda-Image bis hin zu den vielen praktischen Details. Der große 300er ist stark, bietet im Stadtdschungel genügend Reserven, er ist wendig, kann aber auch auf kurzen Autobahn-Etappen mithalten. Dazu gibts moderne Technik wie das praktische Keyless-System, das ich mir auch fürs Topcase gewünscht hätte, solide LED-Scheinwerfer und ein Kopfsteinpflaster-kompatibles Fahrwerk. Fast hätte ich mich verliebt, doch da steht sie wieder vor mir, die Nummer 1 der Österreich-Charts: Die Vespa GTS 300.

Nun sitzen sie also auf meiner Schulter, Teufel links und Engel rechts - die blütenweiße Honda, die fast alles so viel besser kann und die mattschwarz-orange Vespa, die, was soll man sagen, einfach nur schön ist. Und plötzlich beschleicht mich der Verdacht, die Italiener spielen ein doppeltes Spiel: möglichst schnell und komfortabel zum Bahnhof am Roller mit Heizdecke und abends dann mit Tricolore-Helm auf der roten Ducati Monster vor die Eisdiele.

Honda SH 300I

Honda SH 300i
Modelljahr:2017
Preis:€ 5.199,- (Aktionspreis)
+Fahrwerk
+LED-Scheinwerfer
+Keyless
+Verarbeitung
+Durchdachte Details
+Understatement
-Tankuhr wie immer
-Topcase nicht Keyless
-Stylefaktor
BB-Urteil:Ein Roller-Fuchs im Schafspelz
Autor

Bericht vom 02.08.2017 | 39.774 Aufrufe

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