Wie gut sind CFMOTO Motorräder wirklich?
Vier Motorräder im Test!
Exklusiver CFMOTO Test: Vier Motorräder direkt im chinesischen Werk getestet. 800 MT-X Reise-Enduro, 450 MT Adventure, 675 SR-R Supersport und 675 NK Naked Bike im Härtetest.
Flughafen Wien, Destination: Shanghai. Mission: Herausfinden, was wirklich hinter der chinesischen Motorradmarke CFMOTO steckt, die in China die Nummer 1 ist und in Europa bei den ATVs richtig stark aufspielt. Nach 11 Stunden Flug und einer zweistündigen Fahrt südlich von Shanghai stehe ich vor der modernsten Motorradfabrik, die ich in meiner 20-jährigen Laufbahn als Motorradjournalist besucht habe. Und das sage ich nach Werksbesichtigungen in Japan, Deutschland, Italien und Österreich. Was folgt, sind vier intensive Stunden auf dem werkseigenen Testgelände von CFMOTO in Hangzhou. Vier Motorräder, vier verschiedene Philosophien, ein Ziel: Die Wahrheit über eine Marke herauszufinden, die vielen europäischen Motorradfahrern noch immer ein Rätsel ist.
Die Fabrik, die alles verändert
Bevor ich auch nur einen Meter Testgelände unter die Räder nehme, führt mich der Rundgang durch eine Produktionsstätte, die alle Vorurteile über chinesische Fertigung pulverisiert. 400 Motorräder verlassen täglich das Montageband - nicht über starre Förderbänder, sondern über flexible Niederflurfahrzeuge, die es ermöglichen, mehrere Modelle an einem Tag auf derselben Montagestraße zu produzieren. Jedes fertige Motorrad durchläuft anschließend eine komplette Teststraße mit Funktionsprüfungen von Bremse über Licht bis hin zu Vibrationstests. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 8.000 Mitarbeiter weltweit, 2.000 Ingenieure an fünf Standorten in China, USA, Italien, Mexiko und Thailand. 80.000 bis 100.000 ausgelieferte Fahrzeuge pro Monat, je zur Hälfte für den heimischen und internationalen Markt. Seit 1989 produziert CFMOTO in der Region und profitiert von Chinas dichter Lieferkette - alle Materialien und Arbeitskräfte sind direkt vor Ort verfügbar. Das Ergebnis: deutlich schnellere und kostengünstigere Produktion als die internationale Konkurrenz. Was besonders beeindruckt: Die emotionale Bindung der Entwickler zu ihren Produkten. Stundenlang tausche ich mit den Produktmanagern Fotos von Motorradtouren aus - ein universeller Dialog unter Enthusiasten, der zeigt, dass hier nicht nur am Reißbrett, sondern auch aus Leidenschaft entwickelt wird.
800 MT-X: Der würdige Thronfolger
Der erste Test beginnt mit dem Flaggschiff: der 800 MT-X. Eine Reise-Enduro, die in China bereits als "großvolumiges" Motorrad gilt - ein Begriff, der dort ab 250 Kubikzentimeter verwendet wird, während in Europa erst ab 600ccm von "großen" Maschinen die Rede ist. Auf Asphalt und im offroad-ähnlichen Terrain des werkseigenen Testgeländes vermittelt die 800er sofort Vertrauen. Das Fahrwerk balanciert gekonnt zwischen Komfort und Kontrolle, das praxistauglich abgestimmte ABS lässt auch harte Bremsmanöver zu. Für meine 1,85 Meter Körpergröße passt die Ergonomie perfekt - ein Pluspunkt, da CFMOTO verschiedene Sitzhöhenoptionen anbietet. Was auffällt: Die durchweg weichen Sitzbänke aller vier Testmotorräder und die CST-Reifen, CFMOTOS Entwicklungspartner. Letztere überraschen positiv mit neutralem Einlenkverhalten und solidem Grip auch auf dem heißen Testasphalt. Ein kleiner Verbesserungsvorschlag bleibt: Elemente zur Vibrationsreduzierung an der Lenkerklemmung könnten das Komfortniveau noch steigern. Die technischen Daten unterstreichen den Premium-Anspruch: Der 799ccm-Motor basiert auf der bewährten KTM LC8c-Plattform und leistet 95 PS bei 8.500 U/min. Das voll einstellbare KYB-Fahrwerk mit 48mm USD-Gabel und die echten Adventure-Dimensionen von 21"/18" Rädern zeigen, dass hier keine Kompromisse gemacht wurden. Besonders beeindruckend: das 7-Zoll-TFT-Display, schräglagenabhängiges Bosch ABS/TCS, Quickshifter und Tempomat. Mit 218 kg fahrbereit bleibt sie trotz üppiger Ausstattung im Rahmen der Konkurrenz. Die 800 MT-X positioniert sich als würdiges Topmodell und angenehme Bereicherung des Marktsegments - ein Motorrad, das CFMOTOs Ambitionen als Vollsortimenter unterstreicht.
450 MT: Der Superstar mit klarer Mission
675 SR-R: Supersport mit Zukunftspotential
Im Supersport-Segment sieht CFMOTO große Chancen - und das zu Recht. Während sich immer mehr Hersteller aus diesem Bereich zurückziehen, investiert CFMOTO weiter in Innovationskraft. Bereits für die EICMA 2025 sind neue Modelle angekündigt, auch in höheren Hubraumklassen. Die 675 SR-R beweist, was möglich ist, wenn Alltagstauglichkeit und Sport intelligent kombiniert werden. Die Sitzposition ist angenehm genug für längere Touren, aber cool genug für echtes Supersport-Feeling. Das harmonische Einlenkverhalten lässt die Maschine fast von selbst die ideale Linie finden. Das Design überzeugt: Front und Heck sind gelungen, der Sound anständig. Verbesserungspotential sehe ich bei der Sitzbank, die härter und griffiger sein könnte. Die technischen Daten bestätigen den sportlichen Anspruch: Der 675ccm-Dreizylinder leistet 90 PS bei 11.000 U/min und liefert 68 Nm maximales Drehmoment bei 8250 U/min . Das KYB-Fahrwerk ist voll einstellbar, die J.Juan-Bremsen mit 300mm Doppelscheiben vorne bieten anständige Verzögerungswerte auf der Straße - für ernsten Motorsport sind sie jedoch nicht groß genug. Mit 184 kg fahrbereit und einer zugänglichen Sitzhöhe von 810mm spricht sie eine breite Zielgruppe an. Das 5-Zoll-TFT-Display, zweistufige Traktionskontrolle und beide USB-Standards zeigen: Hier wird nicht gespart. Meine klare Empfehlung an die Entwickler: Unbedingt auch als A2-Version anbieten. Bei weniger werdenden Mitbewerbern können sie in diesem Segment durchaus spannende Statements setzen.
Der absolute Höhepunkt des Testtags: die 450 MT. Dieses Adventure-Bike ist aktuell der Superstar im CFMOTO-Lineup und verdient diese Bezeichnung zu Recht. Acht Entwickler stehen um mich herum und hängen an meinen Lippen, als ich das Motorrad zurückbringe. Eine ungewöhnliche Situation - selten kommen Europäer hierher, deren Meinung das Unternehmen respektiert. Die entscheidende Frage kommt prompt: Was müssen sie tun, um mit diesem Motorrad Marktführer zu bleiben? Andere Hersteller versuchen bereits, ähnliche Konzepte zu etablieren. Die Antwort der Entwickler überrascht: Mehr Hubraum, mehr Ausstattung, mehr Features. Ein klassischer Fehler der Branche. Meine Antwort ist eindeutig: "Baut das leichteste Motorrad. Stopft da nicht Lametta rein, macht ein leichtes und robustes Motorrad." Die Notizblöcke werden gezückt! Die 450 MT ist aktuell führend in ihrer Hubraum- und Preisklasse, weil sie universell einsetzbar ist: vom Eiscafé bis zur Abenteuerstraße, von der täglichen Fahrt zur Arbeit bis zum spontanen Offroad-Track. Sie ist eine faszinierende Maschine welche punktgenau eine riesige Lücke füllt. Es gibt ganz viele Reiseenduros da draussen. Sehr viele sind groß, teuer und schwer. Einige andere sind einfach nicht gut genug. Diese hier erfüllt auch mit einem kleinen Motor sehr viele Ansprüche von sehr vielen Abenteurern. Eine gute Punktlandung. Hier hat CFMOTO eine echte Perle im Programm. Bleibt dran!
675 NK: Naked Power mit futuristischem Anspruch
Das Einsteiger-Naked-Bike komplettiert das Testquartett mit extrovertierter, futuristischer Optik. Nicht jedem wird das gefallen, aber die große Marktauswahl bietet für jeden Geschmack das Richtige. Technisch teilt sich die 675 NK den Motor mit der SR-R: 675ccm Dreizylinder mit 90 PS und 68 Nm. Das Fahrwerk ist ebenfalls anständig - USD-Gabel mit 130mm Federweg und einstellbares Setup. Die Bremsen stammen wieder von J.Juan (300mm Doppelscheiben vorne), ABS und Traktionskontrolle gehören zur Serienausstattung. Mit 189 kg fahrbereit ist sie leichter als die Supersport-Schwester, das variable Sitzbankangebot ab 810mm macht sie für verschiedene Fahrergrößen zugänglich. Die 675 NK bewegt sich eher auf der weichen Seite - sowohl bei den Federelementen als auch beim konservativ abgestimmten ABS. Sportliche Fahrmanöver, die die aggressive Optik verspricht, sind nur bedingt möglich. Dafür stimmt die Balance zwischen Stabilität und Agilität: breiter Lenker für Agilität, harmonische Sitzposition für längere Touren.
Das Gesamtbild: Leidenschaft trifft Präzision
Nach vier intensiven Teststunden und stundenlangen Gesprächen mit den Entwicklern kristallisiert sich ein klares Bild heraus: CFMOTO ist jender Player welcher in den nächsten Jahrn in Europa das größte Plus beim Marktanteil hinlegen wird. In wenigen Jahren werden sie zu den europäischen und japanischen Herstellern aufschließen. Aktuell ist das Händlernetz noch stark von ihren ATV Händlern geprägt. Doch immer mehr Motorradhändler wollen sich dieses Geschäft nicht entgehen lassen und springen auf den fahrenden Bullet-Train aus China auf. Das sympathische an der CFMOTO Crew: Es sind genauso passionierte und verrückte Motorradenthusiasten wie wir, die von der Dakar und MotoGP träumen. Am Firmenparkplatz stehen unzählige Motorräder, auf den Handys der CFMOTO Crew stapeln sich Fotos von ihren Motorradreisen. Diese Leidenschaft spiegelt sich in den Produkten wider. Alle vier Motorräder zeigen eine durchgehend gute Qualitätsanmutung, ein ausgewogenes Chassis-Setup und emotionale Entwicklungsarbeit. Auch die Ausstattung ist auf einem sehr hohen Niveau. Lenkungsdämpfer sind ebenso mit an Bord wie hochwertige Elektroniksysteme. CFMOTOs Herausforderung liegt nicht in der Produktqualität, sondern im Image: Oft werden sie fälschlicherweise mit anderen günstigen Anbietern in eine Schublade gesteckt, die nicht ansatzweise auf diesem Niveau produzieren. Die Lösung ist einfach: Einfach weiter konsequent "geiles Zeug" bauen, wie es die 450 MT bereits vormacht. Am heimischen Markt in China ist CFMOTO bereits Marktführer, in Europa dominieren sie den ATV- und Quad-Bereich mit 40-50 Prozent Marktanteil. Die Joint Ventures mit KTM und Yamaha waren wichtige Meilensteine, die sportlichen Aktivitäten von der Isle of Man bis zur MotoGP unterstreichen die Ambitionen. CFMOTO will führende Produkte in ihren Marktsegmenten anbieten, nicht irgendwelche billigen Alternativen. Nach diesem Werksbesuch bin ich überzeugt: Sie sind auf dem besten Weg dorthin. Die europäische Motorradszene darf gespannt sein auf das, was in den kommenden Jahren aus Hangzhou kommt.
Bericht vom 24.07.2025 | 4.336 Aufrufe